Leitsatz (amtlich)
Wird durch den Tod des durch einen Arbeitsunfall verletzten Klägers der Rechtsstreit unterbrochen (SGG § 68 in Verbindung mit ZPO § 239 Abs 1), so ist zur Aufnahme des Verfahrens in erster Linie der Bezugsberechtigte nach RVO § 614 berufen.
Normenkette
RVO § 614 Fassung: 1924-12-15; SGG § 68 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 239 Abs. 1
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. Oktober 1954 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Nachtwächter Johann B aus Köln-Sülz erlitt am 18. April 1950 einen Arbeitsunfall durch einen Sturz auf der Kellertreppe. Seine aus diesem Anlaß erhobenen Rentenansprüche lehnte die beklagte Berufsgenossenschaft durch Bescheid vom 22. September 1952 mit der Begründung ab, der Unfall habe keine maßgebliche Einbuße der Erwerbsfähigkeit über die 13. Woche hinaus zur Folge gehabt. Die Berufung des Verletzten gegen diesen Bescheid hat das Oberversicherungsamt (OVA.) Köln durch Urteil vom 30. Januar 1953 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Verletzte Rekurs eingelegt; nach Belehrung gemäß § 214 Abs. 4 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat er das Rechtsmittel aufrechterhalten. Das Landessozialgericht (LSG.) Nordrhein-Westfalen hat das Rechtsmittel am 18. Oktober 1954 zurückgewiesen. Gegen das ihm am 16. November 1954 zugestellte Urteil des LSG. hat der Kläger mit einem von ihm selbst unterzeichneten Schreiben am 20. Dezember 1954 Revision eingelegt. Am 3. April 1955 ist er gestorben. Bis zu seinem Tode hatte er mit seiner Ehefrau Johanna B, geb. R, in häuslicher Gemeinschaft gelebt.
Auf den Antrag der Beklagten hat der Senat die Witwe des Verstorbenen zur Aufnahme des nach § 68 SGG in Verbindung mit § 239 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) unterbrochenen Revisionsverfahrens und zugleich zur Verhandlung der Hauptsache geladen. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung ist ihr am 11. Februar 1957 zugestellt worden. Sie hat, ohne sich durch einen beim Bundessozialgericht (BSG.) zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vertreten zu lassen, gebeten, ohne ihre Gegenwart zu verhandeln. Auch die Beklagte hat den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht wahrgenommen.
Das Ausbleiben der beiden Beteiligten hinderte den Senat nicht, sowohl über die Aufnahme des durch den Tod des Klägers unterbrochenen Verfahrens als auch über die Sache selbst zu verhandeln und zu entscheiden; denn die Beteiligten sind auf diese vom Gesetz vorgesehene Möglichkeit in der durch § 110 SGG vorgeschriebenen Weise hingewiesen worden. Das Ausbleiben der als Rechtsnachfolgerin des Klägers geladenen Witwe hatte auch nicht - wie dies nach § 239 Abs. 4 ZPO unter bestimmten Voraussetzungen der Fall ist - zur Folge, daß die behauptete Rechtsnachfolge als zugestanden gilt. § 239 Abs. 4 ZPO ist in dem vom Grundsatz der Untersuchungsmaxime beherrschten Sozialgerichtsprozeß nicht anwendbar (§ 68 SGG). Der Senat hatte von Amts wegen zu prüfen, ob die als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Klägers Geladene in das vorliegende Prozeßrechtsverhältnis einzutreten hat. Diese Frage hat er bejaht. Rechtsnachfolger im Sinne des § 239 ZPO ist, wer infolge des Todes der bisherigen Prozeßpartei in deren Rechtsstellung eintritt. Dies sind im allgemeinen die Erben als Universalnachfolger; es kommen aber auch gewisse Sondernachfolger in Betracht, wenn sie aufgrund von besonderen Vorschriften von Todes wegen in Rechte und Pflichten des Vorgängers eintreten, wie z. B. Fideikommißnachfolger oder - nach dem bis zum 31. März 1953 geltenden Recht - die Ehefrau, deren als Prozeßstandschafter nach § 1380 BGB klagender Ehemann während des Rechtsstreits gestorben ist (vgl. RGZ. 26 S. 141 und 109 S. 47 (49); ferner Stein-Jonas-Schönke-Pohle, Komm. zur Zivilprozeßordnung, 18. Auflage, § 239 Anm. II). Rechtsnachfolgerin der zuletzt angeführten Art ist die Witwe des verstorbenen Klägers. Wie sich aus einer bei den Akten befindlichen Bescheinigung der Stadtverwaltung Köln, Kreisstelle Sülz des Fürsorgeamts, vom 28. Dezember 1954 in Verbindung mit einer Auskunft des Einwohnermeldeamts Köln vom 28. Juni 1955 ergibt, hat sie mit dem verstorbenen Kläger bis zu dessen Tode in häuslicher Gemeinschaft gelebt. Infolgedessen ist sie gemäß § 614 der Reichsversicherungsordnung (RVO) für Entschädigungsbezüge, sofern ihrem Ehemann solche aus der gesetzlichen Unfallversicherung zustanden, allein bezugsberechtigt. Die angeführte Vorschrift regelt die Bezugsberechtigung abweichend von den erbrechtlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs und macht den Bezugsberechtigten insoweit zum Sonderrechtsnachfolger des Verstorbenen hinsichtlich der ihm im Zeitpunkt seines Todes noch zustehenden Leistungen. Erst wenn kein Bezugsberechtigter im Sinne des § 614 RVO vorhanden wäre, kämen die gesetzlichen Erben als Rechtsnachfolger für die Aufnahme des Verfahrens in Betracht (vgl. Hastler SGG § 68 Anm. 4 und Miesbach-Ankenbrank SGG § 68 mit Erl. 2 zu § 239 ZPO; auch Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 68 S. 206/1, sehen die "Sonderrechtsnachfolge, wie sie sich aus den Vorschriften der RVO ergibt", als Rechtsnachfolge im Sinne des § 239 ZPO an.)
Hiernach ist die Ehefrau des verstorbenen Klägers als seine Rechtsnachfolgerin zur Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits berechtigt. Nach § 239 Abs. 2 ZPO ist sie, nachdem die Beklagte einen dahin gehenden Antrag gestellt hat, hierzu auch verpflichtet, da ihr ein gesetzlicher Grund, die Aufnahme des Verfahrens abzulehnen, wie dies z. B. beim Erben vor der Annahme der Erbschaft der Fall ist (§ 239 Abs. 5 ZPO), nicht zur Seite steht. Hieraus folgt, daß die Geladene an Stelle ihres verstorbenen Ehemannes Verfahrensbeteiligte geworden ist und die Unterbrechung des Rechtsstreits ihr Ende gefunden hat. Der Senat konnte daher nunmehr über die von dem Verstorbenen eingelegte Revision entscheiden.
Die Revision ist nicht statthaft, weil das LSG. über den Rekurs gegen das Urteil des OVA. Köln vom 30. Januar 1953 gemäß § 214 Abs. 5 SGG endgültig entschieden hat. Eine weitere Nachprüfung der Entscheidung durch das BSG. sieht das Gesetz nicht vor. Schon aus diesem Grunde war die Revision als unzulässig zu verwerfen (§ 169 Satz 2 SGG). Einer Prüfung, ob sie auch noch aus anderen Gründen unzulässig ist, bedurfte es hiernach nicht mehr.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Fundstellen