Leitsatz (amtlich)
1. Enthielt das im Dezember 1948 zugestellte Urteil eines OVA in der britischen Besatzungszone keine Belehrung über den Rechtsbehelf. so lief gemäß MRV 165 § 35 keine Klagefrist; eine erst im Juli 1953 hiergegen erhobene Klage beim Landesverwaltungsgericht war also fristgerecht.
2. Bei der Schätzung der MdE eines Unfallverletzten (RVO § 559a Abs 1) ist die je nach Lage des Falles gebotene angemessene Berücksichtigung seiner Ausbildung und seines bisherigen Berufs (Weiterführung BSG 1955-08-04 2 RU 67/54 = BSGE 1, 174 nicht auf den Kreis derjenigen Fertigkeiten zu beschränken, die im Unfallunternehmen üblicherweise verwertbar sind oder der fachlichen Abgrenzung des für die Entschädigung zuständigen Versicherungsträgers entsprechen; vielmehr kommt hierbei jede Berufsfertigkeit in Betracht, die bei Würdigung des des gesamten Arbeitslebens des Verletzten seine berufliche Verwendbarkeit steigert.
Normenkette
SGG § 214 Fassung: 1953-09-03, § 215 Fassung: 1953-09-03; RVO § 559a Abs. 1 Fassung: 1939-02-17; MRV BrZ 165 § 35
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 1. Juli 1954 wird mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der ... 1878 geborene Kläger war von Beruf Musiklehrer (Geiger); im April 1940 trat er in den Dienst der Stadt Düsseldorf als Hilfsangestellter beim Ernährungs- und Wirtschaftsamt. Am 17. Januar 1945 zog er sich durch einen Sturz auf dem Heimweg von der Dienststelle einen Bruch der linken Speiche zu. Wegen dieser Verletzung war er etwa 4 Wochen arbeitsunfähig. Bis Ende Februar 1948 blieb er weiterhin als städtischer Hilfsangestellter tätig. Seinen im März 1948 gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30. August 1948 ab, da in einem fachärztlichen Gutachten nach dem Befund der Unfallfolgen - Verdickung und geringe Bewegungseinschränkung des linken Handgelenkes - eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) für den allgemeinen Arbeitsmarkt verneint wurde, wenngleich der Kläger nach Ansicht der Ärzte in seinem Beruf als Geiger behindert war. Die Berufung des Klägers ist vom Oberversicherungsamt (OVA.) Düsseldorf durch Urteil vom 30. November 1948 zurückgewiesen worden, nachdem der Sitzungsarzt ebenfalls für den Beruf als Geiger eine gewisse Behinderung des Greifvermögens der linken Hand, jedoch allgemein keine meßbaren Unfallfolgen angenommen hatte. Das Urteil, das keine Rechtsmittelbelehrung enthielt, ist dem Kläger am 9. Dezember 1948 zugestellt worden. Dieser hat hiergegen zunächst am 20. Dezember 1948 Rekurs eingelegt, der bei den Akten des OVA. verblieb. Am 7. Juli 1953 hat er sodann Klage vor dem Landesverwaltungsgericht (LVG.) Düsseldorf erhoben. In ihr machte er geltend, es sei eine Justizverweigerung, daß sein 4 1 / 2 Jahre zuvor eingelegter Rekurs infolge des Fehlens der erforderlichen Rechtsmittelinstanz immer noch nicht entschieden worden sei. Das LVG. hat den Kläger darauf hingewiesen, nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts (OVG.) Münster sei die Klage verspätet eingegangen. Mit dem vom LVG. angeregten Ruhen des Klageverfahrens hat sich der Kläger einverstanden erklärt.
Nach Übergang des Verfahrens auf das Landessozialgericht (LSG.) Nordrhein-Westfalen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 1. Juli 1954 erklärt, er bitte sein Rechtsmittel so zu verstehen, daß der Rekurs in die Verwaltungsklage überführt worden und jetzt nach § 215 Abs. 7 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beim LSG. anhängig sei. Der zur Sitzung hinzugezogene ärztliche Sachverständige erhob nach Untersuchung des Klägers etwa den gleichen Befund wie die Vorgutachter und bewertete diesen mit einer MdE. von 15 v. H., bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt; eine starke Behinderung des Klägers bei der gewerblichen Nutzung seiner Geigenkenntnisse hielt der Sachverständige für wahrscheinlich, wenngleich übungsmäßiges Vorspielen, z. B. vor Schülern, noch möglich sein müßte.
Das LSG. hat mit dem am 4. August 1954 zugestellten Urteil vom 1. Juli 1954 die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Es nahm an, der beim LSG. als sachliche Weiterführung des ruhenden Rekurses anhängig gewesene Rechtsstreit sei gemäß § 215 Abs. 7 SGG als Berufung auf das LSG. übergegangen; dieses übergegangene Verfahren schließe als das für den Kläger stärkere Recht auch das mit dem ursprünglichen Rekurs erstrebte Verfahren in sich ein. Das LSG. hielt die Berufung für unbegründet, weil der Kläger durch die Folgen des Unfalles für das allgemeine Erwerbsleben nicht um mindestens ein Fünftel in seiner Erwerbsfähigkeit eingeschränkt sei. Sein Beruf als Geiger sei nicht ausschlaggebend zu berücksichtigen. Die Bewertung der MdE. richte sich nicht nach der Beeinträchtigung des Unfallverletzten in seinem erlernten speziellen Beruf, sondern in dem ihm zumutbar zugänglichen allgemeinen Berufsleben. Der vor dem Unfall vollzogene Berufswechsel des Klägers sei zwar unter dem Druck der Zeitverhältnisse erfolgt, habe aber angesichts seines schon damals vorgerückten Alters auf eine gewisse Endgültigkeit abgezielt. Der Kläger habe den Unfall nicht im Zusammenhang mit der Ausübung seines erlernten Berufs als Musiker erlitten; es gehe deshalb nicht an, wegen des allerdings unfallbedingten Ausfalles der besonderen Möglichkeit, als Geiger zusätzlichen Nebenverdienst zu erlangen, ihm statt der wohlwollend geschätzten 15 v. H. eine überhöhte MdE. vom 20 v. H. zuzubilligen und damit die Beklagte zur Gewährung einer Rente zu verpflichten, die sich weder aus der Schwere der eigentlichen Verletzung noch aus dem Versicherungswagnis rechtfertige, für das die Stadt zu Gunsten ihres Büropersonals Vorsorge zu treffen habe.
Nachdem der erkennende Senat dem Kläger das am 12. August 1954 beantragte Armenrecht durch Beschluß vom 11. August 1955 bewilligt hatte, legte die als Prozeßbevollmächtigte beigeordnete Rechtsanwältin am 26. August 1955 Revision ein mit dem Antrag,
dem Kläger unter Aufhebung der Vorentscheidungen eine Unfallrente von 30 v. H. aus Anlaß des Unfalles vom 17. Januar 1954 zuzubilligen, hilfsweise: das Urteil des LSG. Nordrhein-Westfalen aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückzuverweisen.
Die am 13. September 1955 eingegangene Revisionsbegründung rügt Verletzung des materiellen Rechts, insbesondere des § 559 a der Reichsversicherungsordnung (RVO). Das LSG. habe bei der Bemessung der MdE. des Klägers dessen Berufsausbildung als Musiker, die langjährige spezielle Arbeit in diesem Beruf sowie seine sonstigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht angemessen berücksichtigt. Es habe insbesondere verkannt, daß der Kläger seinen erlernten Beruf nicht freiwillig und endgültig, sondern nur unter dem Druck der Kriegsverhältnisse und in der Absicht aufgegeben habe, ihn sobald wie möglich wieder aufzunehmen. An dieser Rückkehr in den alten Beruf sei der Kläger durch die Unfallfolgen gehindert.
Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision und weist darauf hin, das LSG. habe die MdE. nicht nach dem allgemeinen Arbeitsmarkt schlechthin, sondern nach dem dem Kläger zumutbar zugänglichen Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes beurteilt.
Die Revision ist in der gesetzlichen Form innerhalb eines Monats nach Bewilligung des Armenrechts eingelegt und begründet worden. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Überschreitung der Revisionsfrist war daher zu gewähren (§ 67 SGG). Die Revision ist statthaft, weil das LSG. sie wirksam zugelassen hat (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG).
Der Zulassung des Rechtsmittels stand § 214 Abs. 5 SGG nicht entgegen. Der Kläger hatte zwar das Urteil des OVA. zunächst mit dem Rekurs angefochten, außerdem jedoch noch Klage beim LVG. erhoben. Diese Klage ist allerdings erst 4 1 / 2 Jahre später als der Rekurs anhängig geworden; das LVG. hat sie in seiner Zwischennachricht an den Kläger als verspätet bezeichnet und in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des OVG. Münster hingewiesen. Diesen Standpunkt hat der Senat nicht gebilligt. Vielmehr hat er nicht nur den Rekurs, sondern auch die Verwaltungsklage als fristgerecht angesehen. Er ist dabei, im Anschluß an die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG.) (BSG. 1 S. 82, 233, 283; SozR. SGG § 215 Bl. Da 6 Nr. 23), von den Vorschriften für das verwaltungsgerichtliche Verfahren ausgegangen. Maßgebend ist im vorliegenden Fall § 35 der Verordnung Nr. 165 der Militärregierung über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der britischen Zone (MRVO 165); hiernach beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen sonstigen Rechtsbehelf nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf ... belehrt worden ist. Da das Urteil des OVA. keine derartige Belehrung enthielt, begann die Klagefrist des § 48 MRVO 165 nicht zu laufen. § 35 MRVO 165 bestimmt - im Gegensatz zu § 66 Abs. 2 SGG und § 21 Abs. 3 BVerwGG - keine Ausschlußfrist, nach deren Ablauf der Rechtsbehelf auch bei fehlender Belehrung unzulässig wird. Das OVG. Münster vertritt zwar die Auffassung (Entsch. der OVGe. Münster und Lüneburg Bd. 1 S. 79; ähnlich Eyermann-Fröhler, Komm. zum VGG, 2. Aufl., Anm. II 1 zu § 32 S. 112), aus Gründen der Rechtssicherheit sei eine solche Ausschlußfrist auch bei § 35 in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 4 MRVO 165 anzunehmen. Dies widerspricht jedoch dem weitaus überwiegenden Standpunkt von Rechtsprechung und Schrifttum zur Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. Klinger, Komm. zur MRVO 165, 3. Aufl., Anm. C 2 zu § 35, S. 245, mit weiteren Nachweisen; ferner VGH Stuttgart, DÖV. 1953 S. 442, Hess. LSG., Breith. 1955 S. 557; Hufnagl, Komm. zum VGG, Anm. zu § 32, S. 152). Das Bundesverwaltungsgericht hat die Frage, soweit ersichtlich, bisher noch nicht ausdrücklich entschieden; allerdings ist sein Hinweis beachtlich, daß § 35 MRVO 165 der Verwirklichung des Rechtsschutzes diene und daß Ausnahmen von diesem Grundsatz ausdrücklicher und eindeutiger gesetzlicher Festlegung bedürfen (BVerwGE. Bd. 1 S. 88). Aber selbst wenn etwa in der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit sich die bisher überwiegend abgelehnte Ansicht des OVG. Münster doch noch durchsetzen sollte, hätte dies nach Auffassung des Senats für die Beurteilung von Fällen der hier vorliegenden Art keine ausschlaggebende Bedeutung. In Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet der Unfallversicherung haben nämlich gleich dem Kläger in diesem Verfahren - sehr viele Beteiligte, die mit Urteilen von OVÄmtern nicht einverstanden waren, zunächst Rekurs eingelegt und sich - oft jahrelang - gedulden müssen in der Erwartung, daß der Gesetzgeber die hierfür erforderliche Instanz schaffen werde. Wenn sie schließlich, nachdem der Rekurs immer noch nicht erledigt war, dazu übergingen vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten zu klagen, so wird es der Besonderheit dieser Fälle nur gerecht, wenn man die Klageerhebung auch nach einem verhältnismäßig langen Zeitraum noch als fristgerecht ansieht. Für die Anwendung des Rechtsgedankens der Verwirkung (Eyermann-Fröhler a. a. O.) besteht in diesen Fällen kein Anlaß.
Hiernach treffen im vorliegenden Verfahren ein fristgerechter Rekurs (§ 214 Abs. 4 SGG) und eine fristgerechte verwaltungsgerichtliche Klage (§ 215 Abs. 7 SGG) gegen dasselbe OVA.-Urteil zusammen, Es handelt sich also um den Sonderfall der wiederholten Einlegung des gleichen Rechtsmittels, wobei die spätere Klage eine wirksame Ergänzung der ersten Rechtsmitteleinlegung darstellt (BSG. 1 S. 246 (251)). Die dem LSG. gegenüber abgegebenen Erklärungen des Klägers hat der Vorderrichter zutreffend dahin gewürdigt, daß der Kläger seine beim LVG. rechtshängig gewesene Klage später nicht zurückgenommen hat.
Die Revision ist auch begründet, da der Kläger zutreffend eine Verletzung des § 559 a RVO durch das LSG. gerügt hat. In Weiterführung der früheren Rechtsprechung hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 4. August 1955 (BSG. 1 S. 174) zur Frage der Bemessung der durch Unfallfolgen verursachten MdE. festgestellt, daß hierfür zwar grundsätzlich von dem Umfang der verbleibenden Arbeitsmöglichkeit auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens auszugehen ist, daß jedoch dabei zur Vermeidung unbilliger Härten Ausbildung und bisheriger Beruf des Verletzten angemessen zu berücksichtigen sind. Mit Recht trägt die Revision vor, daß das angefochtene Urteil eine solche angemessene Berücksichtigung des vom Kläger erlernten und jahrelang ausgeübten Spezialberufs vermissen läßt. Die allgemeine Erwägung des LSG., die Bewertung der MdE. richte sich nach der Beeinträchtigung des Klägers "in dem ihm zumutbar zugänglichen allgemeinen Berufsleben" wird jedenfalls den Eigenarten des hier vorliegenden Tatbestands nicht gerecht. Eine diesen Eigenarten Rechnung tragende Beurteilung wird insbesondere durch die Auffassung des Vorderrichters verhindert, der frühere Beruf des Klägers als Musiklehrer (Geiger) sei schon deshalb nicht zu berücksichtigen, weil dieser Beruf nicht dem von der Beklagten zu tragenden Versicherungswagnis entspreche und weil der Unfall nicht zur Zeit der Ausübung dieses Berufes eingetreten sei. Diese Auffassung ist allerdings früher mehrfach vom Reichsversicherungsamt (RVA.) vertreten worden (AN. 1891 S. 277 Nr. 1061; EuM. 21 S. 100 Fußnote 5; Entsch. vom 22.1.1927 in BG. 1927 S. 144), blieb jedoch schon damals nicht unbestritten (vgl. EuM. 20 S. 113). Nach Ansicht des Senats ist aber einer solchen Betrachtungsweise jede rechtliche Grundlage entzogen, nachdem das 6. Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 9. März 1942 an Stelle der Betriebs- die Personenversicherung eingeführt hat. Der früher vom RVA. aufgestellte Grundsatz, den der Vorderrichter befolgt hat, ist damit nicht nur rechtlich unzutreffend geworden, sondern er würde auch praktisch bei den zahlreichen Fällen der Nachkriegszeit, in denen namentlich Flüchtlinge und Heimkehrer berufsfremd tätig sein mußten notwendig zu Fehlentscheidungen führen. Im Unterschied zum Vorderrichter ist der Senat daher der Auffassung, daß bei der Schätzung der MdE. eines Unfallverletzten die je nach Lage des Falles gebotene angemessene Berücksichtigung seiner Ausbildung und seines bisherigen Berufes nicht auf den Kreis derjenigen Fertigkeiten zu beschränken ist, die im Unfallunternehmen üblicherweise verwertbar sind oder der fachlichen Abgrenzung des für die Entschädigung zuständigen Versicherungsträgers entsprechen; vielmehr kommt hierbei jede Berufsfertigkeit in Betracht, die bei Würdigung des gesamten Arbeitslebens des Verletzten seine berufliche Verwendbarkeit steigert.
Der unzutreffende Ausgangspunkt des LSG. hat dazu geführt, daß es aus den Besonderheiten dieses Falles nicht die notwendigen Folgerungen zog. Der Kläger mußte seine Tätigkeit als Musiklehrer aufgeben, als er bereits über 60 Jahre alt war. Ob er zur Tätigkeit bei der Stadtverwaltung dienstverpflichtet wurde oder bloß der allgemeinen Einwirkung der Kriegsverhältnisse sich anpassen mußte, ist unerheblich. Jedenfalls war dieser Berufswechsel unfreiwillig und schon deshalb nicht als endgültig anzusehen. Als Kriegsaushilfsangestellter war der Kläger in eine wirtschaftlich besonders ungesicherte Position geraten. Es mußte ihm deshalb darauf ankommen, so schnell wie möglich nach Beendigung der Zwangslage wieder seinen Beruf, für den er ausgebildet war und den er sein Leben lang ausgeübt hatte, aufzunehmen. Daß ihm dies nicht gelang und er noch bis zur Entlassung Anfang 1948 im städtischen Bürodienst verblieb, kann durchaus auf die Unfallfolgen zurückgeführt werden. Dem Lebensalter des Verletzten kommt für die Beurteilung dieses Falles eine besondere Bedeutung zu (vgl. den ähnlich liegenden Sachverhalt im Urteil des Bayer. LVAmt vom 5.5.1950. Amtsbl. des Bayer. ArbMin. 1950 S. 469 Nr. 118; im Gegensatz dazu die Fälle jugendlicher Verletzter EuM. 20 S. 113; OVA. Karlsruhe Breith. 1950 S. 660). Alle diese Umstände zusammengenommen erfordern eine angemessene Berücksichtigung der durch die Unfallfolgen beeinträchtigten Berufsfertigkeit des Klägers in seinem Lebensberuf als Musiker.
Das angefochtene Urteil beruht auf der unrichtigen Anwendung des § 559 a Abs. 1 Nr. 2 RVO. Es war deshalb aufzuheben. Zu einer Entscheidung in der Sache selbst sieht sich der Senat auf Grund der bisher getroffenen Feststellungen nicht imstande (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG). Der Kläger erstrebt zutreffend eine angemessene, nicht etwa die ausschlaggebende Berücksichtigung seines Lebensberufs als Geiger und Musiker. Wie hoch sich hiernach seine MdE. belaufen würde, kann nach dem vorliegenden Sachverhalt nicht festgestellt werden. Diese Feststellung muß schon grundsätzlich der Tatsacheninstanz vorbehalten bleiben. Im vorliegenden Falle ist das umsomehr geboten, als noch ein Widerspruch zwischen den ärztlichen Gutachten aufzuklären bleibt. Während die Gutachter der Beklagten und des OVA. die MdE. des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als nicht meßbar bezeichnen, nimmt der vom LSG. hinzugezogene Sachverständige hierfür bereits 15 v. H. an. Es wird Aufgabe des LSG. sein, die erforderliche Abwägung zwischen diesen ärztlichen Beurteilungen vorzunehmen, um damit die Grundlage für die eigentliche, dem Gericht vorbehaltene Schätzung zu gewinnen. Ferner ist auch noch zu ermitteln, ob dem Kläger, falls er den Unfall nicht erlitten hätte, alsbald nach Kriegsende eine Wiederaufnahme seiner Tätigkeit als Musiklehrer oder Orchestermusiker und die Gewinnung eines Beitrags zum Lebensunterhalt durch diese Tätigkeit möglich gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil des LSG. vorbehalten.
Fundstellen