Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage der Voraussetzungen für die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter.
2. Zur Abgrenzung der nicht in den Bereich der beruflichen Förderung fallenden Maßnahmen der sozialen Eingliederung Behinderter.
3. Mindestziel der beruflichen Eingliederung Behinderter ist die Befähigung des Behinderten, durch eine Beschäftigung in einer Werkstatt für Behinderte (Regelfall) oder auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Leistungsangemessene Entlohnung zu erzielen, die den Regelsatz eines Haushaltsvorstandes iS des Sozialhilferechts nicht unterschreitet.
Normenkette
AFG § 39 S. 2 Nr. 1 Fassung: 1969-06-25, § 40 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 56 Fassung: 1969-06-25, § 57 Fassung: 1969-06-25, § 58 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 59 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1969-06-25; RehaAnO § 3 Abs. 2 Fassung: 1970-07-02, § 9 Fassung: 1970-07-02, § 10 Nr. 3 Fassung: 1970-07-02, Nr. 4 Fassung: 1970-07-02; BSHG § 2 Abs. 2, §§ 39-46, 72 Abs. 1, § 90 Abs. 1
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. Februar 1975 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Unterbringung des Behinderten F Sch (Sch.) in den J-Anstalten in M in der Zeit vom 1. Juli 1969 bis 31. Dezember 1969 als eine der beruflichen Eingliederung dienende Maßnahme der Arbeits- und Berufsförderung nach den §§ 56 bis 62 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in der bis zum 30. September 1974 geltenden Fassung (aF) i. V. m. § 10 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit (BA) über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter (AReha) vom 2. Juli 1970 (ANBA S. 637) zu fördern hat.
Sch. war am 10. Mai 1961 im Alter von 12 Jahren wegen erheblicher Erziehungsschwierigkeiten auf dem Boden eines geistigen Entwicklungsrückstandes in die Pflegeanstalt aufgenommen worden. Dort besuchte er die Anstaltssonderschule und die Sonderberufsschule mit durchschnittlichem Erfolg. Im Jahre 1965 unternommene Versuche, ihn durch Beschäftigung in der Anstaltsgärtnerei und Anlernung als Maurer zu fördern, mußten krankheitshalber abgebrochen werden. Von Mai 1968 ab wurde er - zunächst um wegen einer Lymphdrüsenerkrankung in der frischen Luft arbeiten zu können - zusammen mit einer Gruppe von Anstaltspfleglingen in der Anstaltsgärtnerei beschäftigt, wobei er von einem Gärtnermeister und dessen Hilfskräften angeleitet wurde und gute Fertigkeiten in allen in der Gärtnerei anfallenden Arbeiten erlangte. Am 31. Dezember 1969 wurde er aus der Anstalt entlassen und im März 1970 bei der Großgärtnerei R M in B eingestellt.
Am 17. Oktober 1969 beantragte die Stadt B Stadtjugendamt - als Sorgerechtspfleger für Sch. bei der Beklagten Förderungsleistungen nach dem ab 1. Juli 1969 in Kraft getretenen AFG. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. November 1970 ab. Der Kläger, der die Kosten der Unterbringung übernommen und mit Anzeige vom 10. Oktober 1969 etwaige Ansprüche des Sch. gemäß § 90 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) auf sich übergeleitet hatte, erhob Widerspruch, dem die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 1971 nicht abhalf. Die Klage hat das Sozialgericht (SG) Bayreuth mit Urteil vom 10. Januar 1974 abgewiesen. Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 13. Februar 1975 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Sch. gehöre zu dem in § 56 AFG aF genannten Personenkreis. Im vorliegenden Falle komme allenfalls die Förderung der Teilnahme an einem Lehrgang zur Verbesserung der Eingliederungsmöglichkeiten für Behinderte nach § 10 Abs. 5 AReha 1970 in Betracht. An einer solchen Bildungsmaßnahme habe aber Sch. nicht teilgenommen. Die Beklagte habe im Rahmen des AFG nicht die Kosten der gesamten Rehabilitation zu tragen. In ihren Zuständigkeitsbereich falle vielmehr die Herstellung, Besserung oder Erhaltung der Erwerbsfähigkeit nur insoweit, als es sich um Maßnahmen der Arbeits- und Berufsförderung handele. Die medizinische Rehabilitation und die soziale Eingliederung von Behinderten sei dagegen nicht Aufgabe der BA. An dieser bereits unter der Herrschaft des Gesetzes über die Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) bestandenen systematischen Trennung der Aufgaben habe das AFG festgehalten. Der Arbeits- und Berufsförderung i. S. des § 57 AFG aF seien nur solche Maßnahmen zuzuordnen, die unmittelbar auf eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder in einer Werkstatt für Behinderte vorbereiteten und geeignet seien, den Behinderten instand zu setzen, nach Abschluß der Maßnahme ein Arbeitsverhältnis oder eine der in § 10 Nr. 5 AReha 1970 genannten Tätigkeiten zu beginnen. Aus den Berichten und Auskünften der Johannes-Anstalten gehe hervor, daß Sch. zwar insbesondere in den letzten Monaten seines Aufenthaltes auf einen späteren Arbeitseinsatz in einer Gärtnerei gezielt vorbereitet worden sei, daß jedoch die weitere Unterbringung in der Pflegeanstalt im Vordergrund der sozialen Erziehung und Festigung seiner Persönlichkeit gedient habe. Insbesondere seien eine Reihe von Verhaltensstörungen und Eingliederungsschwierigkeiten zu beheben gewesen, ehe Sch. unter der Voraussetzung, daß auch künftig seine persönliche Betreuung sichergestellt sei, aus der Anstaltsfürsorge habe entlassen werden können. Auch die Erprobung und Übung der Arbeitsfähigkeit des Sch., die allenfalls der beruflichen Rehabilitation zugeordnet werden könnten, seien hauptsächlich im Rahmen der Erziehung und der sozialen Eingliederung erfolgt. Die Auskunft der J-Anstalten spreche daher auch von einer "arbeitstherapeutischen" Beschäftigung. Überdies habe der sich intelligenzmäßig deutlich von den übrigen Pfleglingen abhebende Sch. schon seit geraumer Zeit gute Fähigkeiten in allen Sparten der Gärtnerei erworben gehabt. Einer früheren Entlassung aus der Anstalt hätten allein Schwierigkeiten im sozialen Bereich entgegengestanden. Die Maßnahme habe auch, wenn und soweit sie überhaupt den Merkmalen der Arbeits- und Berufsförderung entsprochen habe, nicht die Anforderungen eines Vorbereitungslehrganges i. S. des § 40 AFG i. V. m. § 10 Nr. 5 AReha erfüllt. Es habe an einem dem Grundgedanken des § 59 Abs. 3 Satz 2 AFG aF entsprechenden zwischen den beteiligten Trägern abgestimmten Gesamtplan gefehlt. Zunächst habe vielmehr die soziale Erziehung des Behinderten soweit gefördert werden müssen, daß an seine spätere Eingliederung in das Erwerbsleben überhaupt habe gedacht werden können. Eine gezielte, eigenständige und auch von vornherein zeitlich begrenzte berufliche Vorbereitungsmaßnahme habe daher auch nicht geplant und eingeleitet werden können. Bei der Beschäftigung, die zunächst mur mit Rücksicht auf seine frühere Erkrankung in der frischen Luft aufgenommen worden sei, habe sich zwar neben der Festigung seiner Persönlichkeit eine Eignung für gärtnerische Tätigkeiten herausgestellt. Es bestehe aber kein Anhalt dafür, ob und wann die Beschäftigung in der Gruppe im Rahmen der Therapie und Erziehung in eine gezielte Vermittlung von beruflichen Fertigkeiten übergegangen sei.
Der Kläger hat die - zugelassene - Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung der §§ 2, 3, 56 und 40 Abs. 1 AFG, §§ 1, 5 Abs. 2 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974 (RehaAngG) und macht geltend, daß die in § 10 AReha 1970 getroffene Regelung keine Stütze im AFG finde. Außerdem rügt er eine Verletzung des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. November 1970 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 1971 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Zeit vom 1. Juli 1969 bis 31. Dezember 1969 Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) für Sch. bis zur Höhe der vom Kläger gemachten Aufwendungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der an einer Geistesschwäche mittleren Grades leidende Sch. zum Personenkreis der Behinderten im Sinne des § 56 AFG aF gehört. Dazu sind nämlich alle Personen zu rechnen, die infolge einer vom Normalen abweichenden körperlichen, geistigen oder seelischen Verfassung in ihrer beruflichen Sicherheit bedroht sind (BSG SozR 4100 § 56 Nr. 1). Dem LSG ist auch insoweit beizupflichten, als es darauf abstellt, daß sich die Aufgabe der Beklagten bei der Rehabilitation Behinderter auf die berufliche Förderung beschränkt und nicht auf Maßnahmen erstreckt, die der sozialen oder medizinischen Rehabilitation dienen. Für diese, der Eingliederung des Behinderten in die Gesellschaft dienenden Maßnahmen sind - neben hier nicht in Betracht kommenden Rehabilitationsträgern der Sozialversicherung und Kriegsopferversorgung - die Träger der Sozialhilfe (§§ 72, 39 bis 47 BSHG) zuständig. Dieser Aufgabenverteilung entsprechend ist auch die Verpflichtung zur Förderung von Maßnahmen, die dem Erlernen bestimmter Kenntnisse, Fähigkeiten und Verhaltensweisen dienen, abzugrenzen. Die Zuständigkeit der Beklagten beschränkt sich auf die Förderung beruflicher Bildung. Berufliche Bildung - und dazu gehören auch die berufsvorbereitenden Maßnahmen - dient dem Erlernen beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten. Nicht dazu gehören regelmäßig alle Maßnahmen, die die Voraussetzungen für das Erlernen beruflicher Fähigkeiten erst herstellen oder verbessern sollen, also Maßnahmen, die die Behinderung beseitigen, bessern oder ihrer Verschlechterung entgegenwirken sollen. Im Bereich geistig Behinderter gehören zu diesem nicht der Zuständigkeit der Beklagten zuzuordnenden Bereich alle Maßnahmen zur Stabilisierung der Persönlichkeit und solche, die der Gewöhnung an Einordnung und an den Umgang mit anderen Menschen dienen, auch soweit dieses Ziel durch eine Beschäftigungstherapie oder die Ausübung von Arbeit angestrebt wird. Das gleiche gilt für Maßnehmen, die dazu bestimmt sind, sowohl für das Leben in der Gesellschaft als auch für eine berufliche Tätigkeit unerläßlichen Basisqualifikationen (Allgemeinbildung, Kommunikationsfähigkeit) zu vermitteln. Zu diesen Basisqualifikationen ist auch das Verständnis in die Notwendigkeit zu rechnen, eine dem Lebensunterhalt dienliche Erwerbstätigkeit auszuüben.
Bei Maßnahmen zur Rehabilitation Behinderter hat das zur Folge, daß stets geprüft werden muß, ob sie inhaltlich ihr Schwergewicht (noch) in der sozialen Betreuung und Persönlichkeitsbildung haben oder ob und ggf. ab wann sie nach Ziel, Plan und inhaltlicher Ausgestaltung wesentlich durch das Erlernen beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten geprägt werden.
Handelt es sich im wesentlichen um eine Maßnahme mit beruflichem Bezug, so ist zu prüfen, ob sie die Merkmale einer der in der AReha 1970 aufgeführten förderungsfähigen Maßnahmen erfüllt. Die AReha 1970 ist auch für die Gerichte bindendes Satzungsrecht. Sie ist formell ordnungsgemäß zustande gekommen und inhaltlich - jedenfalls soweit sie den vorliegenden Fall betrifft - eine im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung (§ 58 Abs. 1 AFG aF i. V. m. § 39 AFG) bleibende und mit höherrangigen Rechtsnormen nicht in Widerspruch stehende Konkretisierung des gesetzlichen Auftrages an die BA, bei ihren Maßnahmen die besonderen Verhältnisse der Behinderten zu berücksichtigen (§ 56 AFG aF) und geeignete Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung der Behinderten selbst zu treffen (§ 57 AFG aF). Die von der Revision gegen die gesetzliche Grundlage der AReha 1970 erhobenen Bedenken sind daher unbegründet. Hinsichtlich der in § 10 Nr. 4 und 5 AReha 1970 ausdrücklich genannten Lehrgänge ist zu beachten, daß es sich hierbei nicht um eine abschließende Aufzählung der zu fördernden Maßnahmen handeln kann. Vielmehr sind nach diesen Vorschriften auch Einzelmaßnahmen förderungsfähig, wenn Lehrgänge nicht möglich, unzweckmäßig oder unzumutbar sind. Dies ergibt sich aus der höherrangigen Norm des § 40 AFG, auf die in § 58 Abs. 1 AFG aF verwiesen ist. Die Beklagte hat deshalb mit Recht dem auch in den Nrn. 10.032 und 10.051 der Durchführungsanweisungen (DA) zur AReha 1970 Rechnung getragen. In der neuen AReha vom 31. Juli 1975 (ANBA S. 994 - AReha 1975 -) ist im übrigen nunmehr ausdrücklich geregelt, daß die Bildungsmaßnahmen für Behinderte auch als Einzelmaßnahmen durchgeführt werden können (§ 19 Abs. 1 Satz 2).
Zu Unrecht hat sich das LSG allerdings darauf beschränkt, im wesentlichen über den streitigen Anspruch auf Förderungsleistungen für eine berufliche Eingliederung des Behinderten Sch. nach Maßgabe des § 10 Nr. 5 AReha 1970 zu befinden. Es hat dabei außer acht gelassen, daß die an Sch. vorgenommenen Maßnahmen in den Johannes-Anstalten zumindest auch unter dem Gesichtspunkt des § 10 Nr. 3 AReha 1970 zu würdigen sind, wonach BAB für die Teilnahme an Einzelmaßnahmen zur Vorbereitung auf bestimmte Berufsbereiche gewährt wird, wenn diese für eine Ausbildung nach § 10 Nr. 1 AReha 1970 erforderlich ist. Desgleichen hat das LSG unberücksichtigt gelassen, daß möglicherweise auch § 10 Nr. 4 AReha 1970 in Betracht kommen könnte. Hiernach wird die Teilnahme an einem Förderungslehrgang für noch nicht berufsreife Behinderte gefördert. Ob die tatsächlichen Voraussetzungen hierfür - wie auch für Einzelmaßnahmen nach § 10 Nr. 3 AReha 1970 - vorliegen, hat das LSG nicht festgestellt. Seine Entscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit muß unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zurückverwiesen werden, um dem LSG Gelegenheit zu geben, die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachzuholen. Bei seiner erneuten Entscheidung wird das Berufungsgericht die folgenden rechtlichen Erwägungen zu berücksichtigen haben:
Eine Förderung des Sch. ab 1. Juli 1969 ist nur möglich, wenn Art und Schwere der Behinderung nach Abschluß der Maßnahme der beruflichen Tätigkeit oder Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder in einer Werkstatt für Behinderte voraussehbar nicht entgegenstanden (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 AReha 1970). Außerdem muß die Maßnahme notwendig und geeignet gewesen sein, eine Veränderung der beruflichen Fähigkeiten zu bewirken, sei es in dem Sinne, daß die Erwerbsfähigkeit verbessert wird, sei es, daß einer andernfalls zu erwartenden Verringerung entgegengewirkt wird. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 57 AFG aF. Hiernach hat die BA zur beruflichen Eingliederung der Behinderten geeignete Maßnahmen der Arbeits- und Berufsförderung zu treffen, die erforderlich sind, die Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern oder herzustellen. Die Beschäftigung des Sch. in der anstaltseigenen Gärtnerei der J-Anstalten in der Zeit vom 1. Juli 1969 bis zur Entlassung kann demnach nur dann als berufliche Bildungsmaßnahme angesehen und gefördert werden, wenn der am 1. Juli 1969 vorhandene Zustand der Erwerbsfähigkeit durch diese weitere Beschäftigung überhaupt noch verbessert oder mindestens gefestigt werden konnte. Der Beschäftigung des Sch. vom 1. Juli 1969 bis zu seiner Entlassung kann die Eigenschaft einer Maßnahme der beruflichen Eingliederung nicht zugesprochen werden, wenn schon bei ihrem Beginn absehbar war, daß Sch. einer weiteren Vorbereitung auf das für ihn optimal erreichbare Berufsziel nicht bedurfte. Das ist anzunehmen, wenn Sch. den für die von ihm äußerstenfalls erreichbare Tätigkeit in einer Behinderten-Werkstatt oder Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erforderlichen beruflichen Bildungsstand schon erreicht hatte.
Ergibt sich, daß Sch. am 1. Juli 1969 im Zustand seiner beruflichen Fähigkeiten und Fertigkeiten noch verbesserungsbedürftig und verbesserungsfähig war, dann wäre festzustellen, ob die weitere Beschäftigung - was nach den bisherigen Feststellungen zwar unwahrscheinlich, jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen ist - eine Ausbildung zu einem anerkannten Ausbildungsberuf (auch im Sinne des früheren Anlernberufs) darstellte.
Ist die Beschäftigung des Sch. ab 1. Juli 1969 nicht als Ausbildung für einen anerkannten Ausbildungsberuf anzusehen, so wird weiter zu prüfen sein, ob sie die Merkmale eines Grundausbildungslehrgangs nach § 10 Nr. 3 AReha 1970 aufwies. Eine solche Grundausbildung liegt vor, wenn allgemeine Kenntnisse eines Berufsbereiches (Berufsfeldes) oder eines bestimmten Berufs vermittelt werden, entweder weil die genaue Berufswahl noch nicht ohne weiteres getroffen werden kann oder soll, weil Plätz für eine reguläre Ausbildung nicht zur Verfügung stehen oder Behinderte nur durch Vermittlung einer bestimmten Grundausbildung einer Ausbildung gewachsen sind und daran wettbewerbsfähig teilnehmen können (DA Nr. 10.031 zur AReha 1970). Hierbei ist zu beachten, daß eine solche berufsvorbereitende Maßnahme auch als Einzelmaßnahme durchgeführt werden kann, wenn die Teilnahme an Lehrgängen nicht möglich, unzweckmäßig oder unzumutbar ist (so mit Recht: DA Nr. 10.032 zur AReha 1970). Solche Hinderungsgründe liegen bei einem geistig Behinderten nahe.
Das LSG wird weiter zu prüfen und entsprechende Feststellungen zu treffen haben, ob ein Förderungslehrgang oder eine entsprechende Einzelmaßnahme für noch nicht berufsreife Behinderte nach § 10 Nr. 4 AReha 1970 in Betracht kommen könnte. Als Voraussetzung hierfür ist festzustellen, welche Mängel in den Fähigkeiten des Betreuten vor Beginn der Maßnahme vorgelegen haben, die einer Aufnahme der Ausbildung entgegenstanden. Ferner muß ermittelt werden, ob die Maßnahme nach ihrer inhaltlichen Gestaltung geeignet war, diese speziellen Mängel zu beheben, und ob zu erwarten war, der Behinderte werde nach Abschluß der Maßnahme eine Ausbildung erfolgreich durchlaufen können (vgl. hierzu DA Nr. 10.041 zur AReha 1970).
Schließlich könnte auch eine Eingliederungsförderung nach § 10 Nr. 5 AReha 1970 in Frage kommen. Nach dieser Vorschrift sind Lehrgänge zur Verbesserung der Eingliederungsmöglichkeiten vorgesehen für Behinderte, die voraussichtlich den Anforderungen einer Berufsausbildung auf Dauer nicht gewachsen und die für den Übergang in das Arbeitsleben oder für die Eingliederung in eine Tätigkeit in einer Werkstatt für Behinderte noch nicht reif sind, dafür aber voraussichtlich befähigt werden können (vgl. DA Nr. 10.051 zu § 10 AReha 1970). Auch hierfür können, was das LSG nicht beachtet hat, anstelle von Lehrgängen bei den o. a. Hinderungsgründen entsprechende Einzelmaßnahmen gewährt werden (ebenso DA Nr. 10.051 Abs. 3 i. V. m. DA Nr. 10.032 zur AReha 1970). Insoweit fehlen ebenfalls ausreichende tatsächliche Feststellungen, die sich vor allem darauf erstrecken müssen, ob die Beschäftigung des Sch. dazu diente, durch Vermittlung beruflicher Kenntnisse und Fähigkeiten den Übergang in das Arbeitsleben zu ermöglichen.
Für die Frage, welcher Maßstab für die Erwerbsfähigkeit im Sinne der Arbeits- und Berufsförderung Behinderter gelten soll, ist davon auszugehen, daß die Eingliederung den Behinderten zumindest befähigen soll, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, durch die er sich in einem Mindestumfang selbst unterhalten kann. Dieses Ziel ist - jedenfalls bei einem geistig Behinderten - im Regelfall am besten durch eine Tätigkeit in einer auf die Besonderheiten der Behinderten abgestellten Behinderten-Werkstatt zu erreichen. Eine solche behindertentypische Beschäftigung bietet daher auch den angemessenen Rahmen für die Feststellung der Erwerbsfähigkeit des Behinderten. Es ist daher nach Auffassung des erkennenden Senats auch sachgerecht und durch § 39 AFG gedeckt, wenn die Beklagte in § 3 Abs. 2 AReha 1970 den Maßstab für die Erwerbsfähigkeit dahingehend abgesteckt hat, daß eine Tätigkeit in einer Werkstatt für Behinderte dann eine Eingliederung im Sinne des § 57 AFG aF ist, wenn zu erwarten ist, daß der Behinderte ein Einkommen erzielen wird, das nicht unter dem Regelsatz eines Haushaltungsvorstandes im Sinne des Sozialhilferechts liegt. Diese an der Produktivität der Tätigkeit, d. h. am leistungsangemessenen Gegenwert der Arbeit orientierte Grenzziehung hat den Vorteil der einfachen praktischen Handhabung. Sie kann auch ohne Bedenken im Falle einer beabsichtigten Beschäftigung des Behinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in dem Sinne verwendet werden, daß ein Behinderter in jedem Fall nach § 57 AFG aF noch in seiner Erwerbsfähigkeit verbesserungsfähig ist, wenn wenigsten ein Bildungsstand erreicht werden kann, der es ihm ermöglicht, durch eigene Arbeit mindestens den Sozialhilfesatz eines Haushaltsvorstandes zu verdienen. Dadurch wird allerdings nicht ausgeschlossen, daß die BA verpflichtet ist, einen Behinderten bis zur vollen Eingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu fördern, wenn das unter Berücksichtigung der Behinderung möglich ist. Das folgt schon daraus, daß die berufliche Rehabilitation das Ziel anstrebt, die Behinderten auf dem Arbeitsmarkt ebenso konkurrenz- und erwerbsfähig zu machen wie Nichtbehinderte (BSG Urteil vom 11. März 1976 - 7 RAr 148/74).
Es kann dahinstehen, ob der nach § 3 Abs. 2 AReha 1970 gegebene Maßstab durch die neue Regelung in § 9 Abs. 2 AReha 1975, wonach feststehen muß, daß der Behinderte eine Leistungsfähigkeit hat, die mindestens ein Drittel derjenigen eines Nichtbehinderten beträgt, inhaltlich verändert worden ist. Auf den vorliegenden Fall ist die genannte Vorschrift jedenfalls nicht anzuwenden, da sie erst am 1. Oktober 1975 in Kraft getreten ist (§ 76 AReha 1975).
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen