Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen in der Sozialgerichtsbarkeit Gründe zur Rechtfertigung eines Verwaltungsaktes nachgeschoben werden dürfen.
2. Ein italienischer Staatsangehöriger, der 1944 in seiner Heimat Südtirol bei einer dort während des Krieges errichteten deutschen Dienststelle beschäftigt gewesen ist, war auf Grund dieser Beschäftigung nicht nach Reichsrecht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert.
Normenkette
RVO § 537 Fassung: 1942-03-09, § 556 S. 2 Fassung: 1939-02-17; SVFAG § 8 Abs. 2; SGG §§ 54, 77; SVAbk ITA Art. 4; IAOÜbk 19 Art. 1 Abs. 1; SVVtr ITA Art. 3
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. März 1955 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Der Kläger, ein in Südtirol geborener italienischer Staatsangehöriger deutschen Volkstums, war seit dem 16. März 1944 als Telegrafenarbeiter bei der Deutschen Dienstpost Alpenvorland beschäftigt. Diese dem Reichspostministerium unmittelbar unterstellte deutsche Postverwaltung bestand von September 1943 bis Mai 1945 und hatte ihren Hauptsitz in Bozen; ihr Bereich umfaßte die italienischen Provinzen Bozen, Trient und Belluno; zu ihrem Personal gehörten neben Bediensteten aus dem Altreich - darunter der Leiter Dr. D...- und aus dem Gebiet der damaligen Reichspostdirektion Innsbruck auch in Südtirol angeworbene einheimische Arbeitskräfte. Der schon damals in G. wohnhafte Kläger arbeitete mit seinem Bautrupp je nach Bedarf an verschiedenen Orten des Dienstbereiches Brixen, immer jedoch südlich vom Brenner.
Am Sonnabend, dem 18. November 1944, wollte der Kläger abends mit dem Zuge von Brixen, wo er die Woche über gearbeitet hatte, nach G. zu seiner Familie fahren. Dort sollte er am folgenden Montag Schaltungsarbeiten ausführen. Da sich die Abteiltür eines Personenwagens nicht öffnen ließ, wollte der Kläger noch rasch in den Gerätewagen des abfahrbereiten Zuges einsteigen. Als er auf dem Trittbrett stand, setzte sich der Zug in Bewegung; hierbei glitt der Kläger aus und ihm wurde das rechte Bein unterhalb des Knies abgefahren. Die Deutsche Dienstpost bezahlte die Kosten der Heilbehandlung. Nach Abschluß der Unfallermittlungen berichtete der Leiter Dr. D... dem Amt für Unfallversicherung der Deutschen Reichspost in Dresden: Für die bei der Deutschen Dienstpost Alpenvorland beschäftigten einheimischen Arbeitskräfte bestehe zwar eine örtlich organisierte Krankenfürsorge, jedoch seien sie nicht gegen Arbeitsunfälle versichert. Auch nach den italienischen Gesetzen seien Bedienstete der Postverwaltung - abgesehen von Telegrafenbauarbeitern privater Unternehmen - nicht unfallversicherungspflichtig. In Hinblick auf zwei schwere Arbeitsunfälle Volksdeutscher Bediensteter (darunter der Kläger) möge das Reichspostministerium die Frage der Unfallfürsorge für die bei der Deutschen Dienstpost beschäftigten Einheimischen im Sinne ihrer Gleichstellung mit den Bediensteten der Deutschen Reichspost prüfen. Das verbotswidrige Handeln des Klägers sei unter Berücksichtigung der Verkehrsschwierigkeiten in der Operationszone Alpenvorland sowie seines pflichtgemäßen Bestrebens, den Dienstplatz unter allen Umständen zu erreichen, nicht von ausschlaggebender Bedeutung.
Auf den im März 1945 in Dresden eingegangenen Bericht wurde infolge der militärisch/politischen Lage nichts mehr veranlaßt. Seit Ende 1948 bearbeiteten österreichische Dienststellen die Angelegenheit. Sie wurde schließlich an das Amt für Unfallversicherung der Deutschen Post in Stuttgart herangetragen. Dieses Amt teilte mit Schreiben vom 29. Juli 1949 der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt in Wien mit, es sei für die Bearbeitung der Unfallsache zuständig; gleichzeitig bat es um die Angabe des für die Feststellung der Unfallrente benötigten Jahresarbeitsverdienstes. Mit Bescheid vom 25. August 1949 lehnte das Amt jedoch die Gewährung der Unfallentschädigung ab mit der Begründung, bei der Entstehung des Unfalls habe grobe Fahrlässigkeit des Verletzten mitgewirkt (§§ 543, 556 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung - RVO -; die letztgenannte Vorschrift war damals gerade durch § 9 des Gesetzes über Verbesserungen der gesetzlichen Unfallversicherung - UVVG - vom 10.8.1949 aufgehoben worden, jedoch erst mit Wirkung vom 1.6.1949 an - § 15 UVVG).
Auf die Berufung, mit welcher der Kläger bestritt, fahrlässig gehandelt zu haben, entgegnete das beklagte Amt für Unfallversicherung der Deutschen Bundespost, der Kläger sei als italienischer Staatsangehöriger nicht auf Grund der RVO versichert gewesen; auch sei das Amt nicht passiv legitimiert. Die Post des Vereinigten Wirtschaftsgebietes hafte nicht für alle Verbindlichkeiten der früheren Deutschen Reichspost und sei zur Entschädigung des Klägers nicht stärker verpflichtet als die österreichische Bundespost oder die Post der französischen oder sowjetischen Besatzungszone.
Das Oberversicherungsamt (OVA.) Stuttgart hat die Berufung zurückgewiesen: Zwar sei das beklagte Amt für die Entschädigung dieses Unfalls zuständig, denn es sei Nachfolger des ehemaligen Amts für Unfallversicherung der Deutschen Reichspost in Dresden; dies folge aus dem Erlaß des Bundesministers für Arbeit (BMA) vom 20. Juni 1950 (BABl. 1950 S. 246). Der Entschädigungsanspruch sei jedoch nicht begründet, da die Voraussetzungen für die vollständige Versagung des Schadenersatzes nach § 556 Satz 2 RVO vorlägen.
Mit seinen Rekurs, der nach § 215 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf das Landessozialgericht (LSG.) übergegangen ist, hat der Kläger geltend gemacht, bei Berücksichtigung der zur Zeit seines Unfalls herrschenden kriegsmäßigen Verkehrsverhältnisse könne sein damaliges Verhalten nicht als grob fahrlässig angesehen werden. Die jetzt unter der Bezeichnung "Bundespost-Ausführungsbehörde für Unfallversicherung" auftretende Beklagte hat den Einwand ihrer mangelnden Passiv-Legitimation aufrechterhalten.
Nach Beiladung der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung hat das LSG. die Berufung zurückgewiesen. Es hat den Streitpunkt aus § 556 Satz 2 RVO nicht geprüft und sich nur mit der Frage auseinandergesetzt, ob dem Kläger überhaupt Ansprüche gegen die Beklagte oder die Beigeladene zustehen. Nach Auffassung des LSG. war die Beklagte befugt, erst nach Erlaß des Bescheides ihre Unzuständigkeit geltend zu machen, denn der Bescheid sei noch nicht rechtskräftig gewesen und die in ihm ausgesprochene Rechtsfolge durch das Nachschieben von Gründen nicht zuungunsten des Klägers verändert worden. Da der Kläger als Italiener stets nur auf italienischem Hoheitsgebiet beschäftigt gewesen sei, komme ein Versicherungsträger der Bundesrepublik für die Entschädigung des Unfalls nicht in Betracht. Weder die in der Bundesrepublik geltenden früheren Bestimmungen noch das Gesetz über Fremdrenten der Sozialversicherung an Berechtigte im Bundesgebiet und im Land Berlin, über Leistungen der Sozialversicherung an Berechtigte im Ausland sowie über freiwillige Sozialversicherung vom 7. August 1953 (FremdRG) gäben dem Klüger einen Entschädigungsanspruch. Der vom OVA. angeführte Erlaß des BMA vom 20. Juni 1950 bedeute nicht, daß damit alle früheren, bei dem Amt für Unfallversicherung der Deutschen Reichspost in Dresden anhängigen Sachen auf die Beklagte als Rechtsnachfolgerin übergegangen seien, sondern nur, daß die Beklagte der zuständige Versicherungsträger in der Bundesrepublik sei, an den sich die nach den Gesetzen der Bundesrepublik anspruchsberechtigten Unfallverletzten zu wenden hätten; ebensowenig sei dadurch ein Übergang sämtlicher Rechte und Pflichten der Deutschen Reichspost auf die Deutsche Bundespost angeordnet worden. Nach § 8 Abs. 2 FremdRG, der nicht auf § 7 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 FremdRG, sondern nur auf Satz 3 und 4 dieser Vorschrift verweise, scheide die Beigeladene von vornherein aus und könne der Entschädigungsantrag nur an die Beklagte gerichtet werden. Einen Anspruch gegen sie habe der Kläger jedoch nicht, weil die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 FremdRG nicht gegeben seien. Der Kläger sei weder im Bundesgebiet oder Land Berlin verunglückt (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1) noch im Zusammenhang m i t einer Beschäftigung im Bundesgebiet oder Land Berlin (Satz 2), denn er sei ausschließlich auf italienischem Boden beschäftigt gewesen. Da schon hiernach der Anspruch zu verneinen sei, komme es auf die Frage, ob der Kläger im Unfallzeitpunkt überhaupt nach reichsrechtlichen Vorschriften versichert gewesen sei (§ 8 Abs. 1 Einleitung), nicht an. Das LSG. führt indessen zu dieser Frage noch aus, es erscheine äußerst zweifelhaft, ob beim Kläger ein reichsgesetzlicher Unfallversicherungsschutz bestanden habe: Nach dem der RVO zugrundeliegenden Territorialitätsprinzip ende der Versicherungsschutz grundsätzlich an den Staatsgrenzen. Ein Fall der sogenannten Betriebsausstrahlung habe nicht vorgelegen, da der Kläger wohl in einem dem Reichspostministerium unterstellten Unternehmen, aber ausschließlich auf italienischem Boden und im Rahmen eines auf das italienische Gebiet beschränkten Betriebes beschäftigt gewesen sei. Auch der Bericht des Dr. D... spreche gegen die Annahme eines reichsrechtlichen Unfallversicherungsschutzes. - Die Revision ist zugelassen worden.
Gegen das am 27. April 1955 eingeschrieben abgeschickte Urteil hat der Klüger am 27. Mai 1955 Revision eingelegt und sie - nach Fristverlängerung - am 11. Juli 1955 begründet: Da das Amt für Unfallversicherung der Deutschen Post mit Schreiben vom 29. Juli 1949 gegenüber der Österreichischen Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt seine Zuständigkeit anerkannt und den Ablehnungsbescheid vom 25. August 1949 allein auf § 556 Satz 2 RVO a.F. gestützt habe, sei nur noch die Frage der groben Fahrlässigkeit zu prüfen gewesen. Durch ihre erstmals im Verfahren vor dem OVA. geltend gemachten neuen Ablehnungsgründe habe die Beklagte das im Bescheid erklärte grundsätzliche Anerkenntnis ihrer Entschädigungspflicht widerrufen und den Verwaltungsakt zuungunsten des Klägers geändert. Wegen der hierdurch eingetretenen Verschiebung der Beurteilungsgrundlagen des Streitfalles zum Nachteil des Klägers hätte das LSG. das neue Vorbringen der Beklagten nicht berücksichtigen dürfen. - Zu Unrecht hätten die Beklagte und das OVA. das zum Unfall führende Handeln des Klägers als grob fahrlässig bezeichnet. Außerdem sei jedoch § 556 Satz 2 RVO a.F. gar nicht anwendbar gewesen, denn es habe sich nicht um einen Heimweg von der Arbeitsstätte (§ 543 RVO), sondern um einen unter § 542 RVO fallenden Betriebsweg gehandelt. - Ferner trägt die Revision vor, nach der RVO erstrecke sich der Unfallversicherungsschutz gleichermaßen auf deutsche Staatsangehörige und Ausländer. Dies gelte auch bei einer Betriebsausstrahlung, wie sie hier hinsichtlich der dem Reichspostministerium unterstellten Deutschen Dienstpost Alpenvorland als eines unselbständigen Bestandteils der Deutschen Reichspost vorgelegen habe. Auch aus allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts sei eine Leistungspflicht der Beklagten herzuleiten. Seit dem Abfall der Regierung Badoglio vom Bündnis mit dem Deutschen Reich im September 1943 sei das damals noch von der deutschen Wehrmacht beherrschte italienische Territorium als von Deutschland besetztes Gebiet anzusehen gewesen. In Auswirkung dieser kriegerischen Besetzung habe das Reich seinerzeit alle Hoheitsrechte übernommen und damit auch das deutsche Sozialrecht in das Okkupationsgebiet hineingetragen. Deshalb sei der Kläger wie ein deutscher Staatsangehöriger zu behandeln und sein Unfall wie ein im Reichsgebiet eingetretener Arbeitsunfall zu entschädigen gewesen. Der hierauf gegründete Entschädigungsanspruch sei durch den Wegfall des Deutschen Reiches nicht untergegangen. Zur Erfüllung dieses Anspruchs sei die Bundesrepublik vor Österreich und der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands berufen. Da der Kläger auch von dem zuständigen italienischen Versicherungsträger keine Leistung erhalte, sei der Grundsatz verletzt, daß ein lückenloser Versicherungsschutz für jeden Arbeitsunfall bestehen müsse. Dieser Grundsatz folge aus dem Vertrag zwischen dem Deutschen Reich und dem Königreich Italien über Sozialversicherung vom 20. Juni 1939 sowie dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Italien über Sozialversicherung vom 5. Mai 1953. Deshalb sei die Beklagte jedenfalls verpflichtet, nach Art. 36 des Vertrages von 1939 und Art. 33 des Abkommens von 1953 dem Kläger vorläufige Leistungen zu gewähren. Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der angefochtenen Urteile und des Bescheids vom 25. August 1949 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine vorläufige Fürsorge in Höhe der ihm nach der RVO zustehenden Leistungen zu gewähren, ferner die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger insoweit einen neuen rechtsmittelfähigen Bescheid nach Maßgabe der Urteilsgründe zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie meint, an der nachträglichen Geltendmachung ihrer Unzuständigkeit sei sie nicht gehindert gewesen, denn die im Bescheid ausgesprochene Rechtsfolge sei hierdurch nicht zuungunsten des Klägers verändert worden. Die Deutsche Bundespost sei nicht der Versicherungsträger für alle im gesamten früheren Reichspostgebiet während des Krieges errichteten deutschen Dienstpostverwaltungen und sei auch nicht haftbar für sämtliche gegen die ehemalige Deutsche Reichspost erhobenen Ansprüche, denn sonst wäre ihrer Haftung keine Grenze gesetzt. Vielmehr habe die Beklagte Entschädigungsansprüche gegen das Deutsche Reich (Deutsche Reichspost) nur bezüglich der Arbeitsunfälle übernommen, die sich im Gebiet der jetzigen Bundesrepublik ereignet hätten; allerdings sei hierbei entscheidend nicht der Ort des Unfallgeschehens, sondern der Sitz des Beschäftigungsamts.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und lediglich auf ihre Ausführungen im Verfahren vor dem LSG. Bezug genommen.
II
Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG) und daher zulässig.
Der Senat hat die Bezeichnung der Beklagten unter Berücksichtigung der §§ 624, 892 RVO und der §§ 3, 4, 27 des Postverwaltungsgesetzes vom 24. Juli 1953 (BGBl. I S. 676) berichtigt. Dies entspricht zum Teil der eigenen Anregung der Beklagten. Ihr konnte allerdings insoweit nicht gefolgt werden, als sie die Bezeichnung "Bundesrepublik Deutschland (Deutsche Bundespost)" für zutreffend hält. Der Senat ist vielmehr der Ansicht, daß die eindeutige Vorschrift des § 4 Abs. 1 Postverwaltungsgesetz nur die aus dem Urteilskopf ersichtliche Fassung zuläßt (vgl. auch zur prozeßrechtlichen Stellung der Deutschen Bundespost und Bundesbahn BSG. in SozR. SGG § 184 Bl. Da 9 Nr. 9 = SGb 1958 S. 224, LSG. Bremen, Breithaupt 1957 S. 576 = SGb 1957 S. 148, beide mit weiteren Nachweisen).
Die Revision ist unbegründet. Zwar ist nach Auffassung des Senats die vom LSG. offengelassene Frage, ob die Beklagte ihren ablehnenden Bescheid mit Recht auf die Vorschrift des § 556 Satz 2 RVO a.F. gestützt hat, entgegen dem vom OVA. vertretenen Standpunkt zu verneinen. Hierbei kann es dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger beabsichtigte Eisenbahnfahrt von Brixen nach G. als Weg von der Arbeitsstätte oder als Betriebsweg anzusehen war; denn auch wenn § 543 RVO anzuwenden sein sollte, würde die Ansicht, bei der Entstehung des Unfalls habe grobe Fahrlässigkeit des Klägers mitgewirkt, auf einer Verkennung des Begriffs der groben Fahrlässigkeit beruhen. Denn die - auch in dem Bericht des Dr. D... hervorgehobenen - damals auf der Brennerstrecke herrschenden kriegsbedingten außerordentlichen Verkehrsschwierigkeiten dürfen bei der Beurteilung der Verschuldensfrage nicht außer Acht gelassen werden. -
Unabhängig von dieser rechtsirrigen Versagung des Schadenersatzes hat jedoch die Beklagte - und ihr beipflichtend das LSG. - den Anspruch des Klägers im Ergebnis zutreffend abgelehnt.
Durch den Erlaß ihres allein auf § 556 Satz 2 RVO a.F. gestützten Bescheides war die Beklagte nicht gehindert, neue Gründe für die Ablehnung des Entschädigungsanspruchs nachträglich im gerichtlichen Verfahren vorzubringen. Das OVA. und das LSG. durften dieses Vorbringen bei der Urteilsfindung berücksichtigen. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat (BSG. 5 S. 96 [99, 100]), bewirkt der Bescheid eines Unfallversicherungsträgers nur insoweit eine Bindung zwischen den Beteiligten, als darin eine bestimmte Rechtsfolge sich aus einem bestimmten Rechtsgrund ergibt. Die Beklagte hat die von ihr ausgesprochene Rechtsfolge - Ablehnung der Gewährung von Unfallentschädigung - in ihrem Bescheid vom 25. August 1949 nur mit der Bezugnahme auf § 556 Satz 2 RVO a.F. begründet, ohne sich mit weiteren Rechtsgründen auseinanderzusetzen. Somit konnte dieser Bescheid hinsichtlich der später von der Beklagten geltend gemachten Ablehnungsgründe keine Bindungswirkung hervorrufen. Auch von dem Schreiben des Amtes für Unfallversicherung der Deutschen Post vom 29. Juli 1949 an die Österreichische Allgemeine Unfallversicherungsanstalt konnte eine derartige Wirkung schon deshalb nicht ausgehen, weil dieses Schreiben nicht an den Kläger gerichtet war. - Erst im Verfahren vor dem OVA. hat die Beklagte sodann ihren Bescheid auf neue Ablehnungsgründe gestützt, die sich - im Gegensatz zur vorher geltend gemachten ermessensmäßigen Versagung des Schadenersatzes - auf die Verneinung des Anspruchs dem Grunde nach bezogen. Der Senat verkennt nicht, daß sich infolge dieser "nachgeschobenen" Bescheidbegründung für den Kläger die Rechtfertigung seines Klagbegehrens schwieriger gestaltet haben mag. Trotzdem war dieses Nachschieben von Gründen für den bereits angefochtenen Bescheid im vorliegenden Fall zulässig. Denn der Bescheid wurde hierdurch nach Voraussetzungen, Inhalt und Wirkungen nicht wesentlich verändert, sondern lediglich auf eine andere rechtliche Grundlage gestellt (vgl. BSG. 3, S. 209 [216]; 7 S. 8 [12] mit weiteren Nachweisen). Durch das Vorgehen der Beklagten wurde die verfahrensrechtliche Stellung des Klägers keinesfalls stärker betroffen als diejenige eines Versicherten, dem der beklagte Versicherungsträger erst im gerichtlichen Verfahren die Versäumung der Anmeldefrist (§ 1546 RVO) entgegenhält (hierzu vgl. Bayerisches LSG., Breithaupt 1955, S. 361 [365]; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-5. Aufl., S. 232 d). Darin, daß das LSG. die nachgeschobenen Ablehnungsgründe anders beurteilt hat als vorher das OVA. - wobei diese Gründe für die Entscheidung des LSG. den Ausschlag gaben -, ist schließlich auch keine unzulässige Schlechterstellung (reformatio in peius) des Klägers im Verfahren über die von ihm eingelegte Berufung gegen das OVA.-Urteil zu erblicken (vgl. Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 7. Aufl., S. 661, § 138 I 2 b).
Das LSG. hat sein Urteil im wesentlichen auf eine Auslegung des FremdRG gestützt. Der erkennende Senat ist demgegenüber davon ausgegangen, daß der von den "Auslandsrenten" handelnde Abschnitt II des FremdRG keine neuen Leistungsansprüche geschaffen hat, die als Grundlage des Klaganspruchs dienen könnten. Vielmehr kommen hierfür nur die allgemeinen sozialrechtlichen Vorschriften in Betracht, die durch Abschnitt II des FremdRG nicht ersetzt, sondern nur ergänzt und - in der Regel - eingeschränkt werden (vgl. Brackmann a.a.O., S. 296a; Hoernigk-Jahn-Wickenhagen, Kommentar zum FremdRG, 2. Aufl., Vorbemerkung 1 zu Abschnitt II, S. 95/96; Wickenhagen in BG. 1953 S. 440). Deshalb ist das Klagbegehren unter allen von der Revision vorgetragenen Gesichtspunkten des deutschen Sozialversicherungsrechts - hierzu gehört auch das zwischenstaatliche Recht nach der sog. Transformation (vgl. Brackmann a.a.O., S. 296 f II) - und des Völkerrechts zu prüfen. Im Mittelpunkt dieser Prüfung steht die Frage, ob der Kläger durch seine Beschäftigung bei der Deutschen Dienstpost Alpenvorland nach Reichsrecht unfallversichert gewesen ist.
Bereits im angefochtenen Urteil ist - wenn auch nur beiläufig - die Bedeutung des die deutsche Sozialversicherung beherrschenden Territorialprinzips zutreffend hervorgehoben worden. Hiernach findet der Versicherungszwang grundsätzlich seine Schranke an den Grenzen der inländischen Staatsgewalt; nur auf die im Staatsgebiet beschäftigten Personen kann sich also der Schutz der inländischen Unfallversicherung erstrecken (vgl. Brackmann a.a.O., S. 293; Lauterbach, Unfallversicherung, 2. Aufl., S. 34, Anm. 7 zu § 537). Dies ist keine der Sozialversicherung eigentümliche Rechtslage, sondern steht im Einklang mit der völkerrechtlichen Grundnorm, daß die staatliche Hoheitsgewalt nur innerhalb der räumlichen Grenzen des eigenen Hoheitsbereichs ausgeübt werden darf (vgl. v. Liszt-Fleischmann, Völkerrecht 12. Aufl., S. 127 ff.; Dahm, Völkerrecht Bd. I, S. 250). Vom Territorialprinzip gehen auch die von der Revision angeführten deutsch-italienischen Vertragswerke über Sozialversicherung aus. Der deutsch-italienische Vertrag über Sozialversicherung vom 20. Juni 1939 (RGBl. 1940 II S. 207; Ergänzungsabkommen vom 31.3.1941 - RGBl. 1941 II S. 137) stellt dieses Prinzip in Art. 3 an den Anfang der vertraglichen Kompetenzabgrenzung zwischen der deutschen und der italienischen Sozialversicherung. Art. 4 Abs. 1 des Vertrages, der die Ausnahmen vom Territorialprinzip aufzählt, macht die Geltung deutschen Sozialversicherungsrechts bei einer Beschäftigung auf italienischen Staatsgebiet davon abhängig, daß der Beschäftigte von seinen deutschen Stammbetrieb nach Italien entsandt wurde. Für die Dauer dieser Entsendung ist im allgemeinen (Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) die zeitliche Höchstgrenze von 6 Monaten vorgeschrieben, während Bedienstete amtlicher Stellen (Zoll- Post- Paß- Behörden) nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. c auf unbeschränkte Dauer in der deutschen Sozialversicherung verbleiben, wenn sie von deutschen amtlichen Stellen nach Italien entsandt worden sind. An dieser Regelung haben bis zum Ende des Krieges das Deutsche Reich und der italienische Vertragspartner festgehalten.
Dies ergibt sich aus der Vereinbarung über Sozialversicherung, die am 12. November 1944 zwischen dem Reichsarbeitsminister (RAM.) und dem italienischen Minister für korporative Wirtschaft abgeschlossen wurde (vgl. AN 1945 S. 1); in Art. 1 dieser Vereinbarung worden die Grundsätze des deutsch-italienischen Sozialversicherungsvertrages vom 20. Juni 1939 für weiterhin anwendbar erklärt, die weiteren Bestimmungen der Vereinbarung lassen die Art. 3 und 4 des Vertrages von 1939 unberührt. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese vom Deutschen Reich abgeschlossenen Vertragswerke weiterhin für die Bundesrepublik Deutschland verbindlich sind (vgl. Brackmann a.a.O., S. 296 g ff.) oder ob nur von dem deutsch-italienischen Abkommen über Sozialversicherung vom 5. Mai 1953 (BGBl. 1956 II S. 1) aus zugehen ist. Denn dieses Abkommen ist in den hier in Betracht kommenden Punkten inhaltsgleich mit dem Vertrage vom 20. Juni 1939: Art. 4 des Abkommens stellt wiederum das Territorialprinzip in den Vordergrund; in Art. 5 Abs. 1 (insbesondere Nr. 1 u. 4) werden die Ausnahmen von diesem Prinzip mit im wesentlichen dem Art. 4 Abs. 1 des Vertrages von 1939 entsprechenden Begriffsbestimmungen aufgezählt. Abgesehen davon, daß eine Versicherungspflicht im einzelnen Fall durch die in diesen zwischenstaatlichen Übereinkommen enthaltene Zuständigkeitsregelung nicht begründet wird - hierfür ist vielmehr das jeweils in Frage kommende innerstaatliche Sozialversicherungsrecht maßgebend (vgl. Stellungnahme der deutschen Verbindungsstelle/KV vom 15.5.1957 und Bescheid des BMA vom 29.7.1957, abgedruckt bei Plöger, Deutsche Soz.Vers.Abkommen mit ausländ. Staaten, IX., S. 121)-, kommt also auch unter dem Gesichtspunkt der Zuständigkeit ein Versicherungsverhältnis des Klägers in der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung nicht in Betracht, weil der Kläger nicht von einem deutschen Unternehmen nach Italien entsandt, sondern als Einheimischer in Italien von einer dort errichteten deutschen Dienststelle angeworben worden ist. Da hiernach der Vertrag vom 20. Juni 1939 wie auch das Abkommen vom 5. Mai 1953 für die Beurteilung des vorliegenden Rechtsstreits ausscheiden, können auch die von der Revision angeführten Vorschriften dieser Übereinkommen, die eine vorläufige Leistungsgewährung zum Gegenstand haben, nicht angewandt werden. Sowohl Art. 36 des Vertrages vom 20. Juni 1939 als auch Art. 33 des Abkommens vom 5. Mai 1953 dienen der "Durchführung und Auslegung" des jeweiligen Vertragswerkes und beziehen sich nur auf die Fälle, in denen ein Streit - und zwar zwischen Sozialversicherungsträgern beider Staaten - darüber entsteht, welches Recht bei der Auslegung, Anwendung oder Durchführung dieser Vertragswerke anzuwenden ist (vgl. Art. 36 in Verb. mit Art. 35 des Vertrages vom 20.6.1939, Art. 33 in Verb. mit Art. 31 des Abkommens vom 5.5.1953). Im vorliegenden Fall sind weder hinsichtlich der am Streit Beteiligten noch hinsichtlich des Streitgegenstandes die Voraussetzungen für eine Heranziehung dieser Vorschriften erfüllt.
Auch das Übereinkommen Nr. 19 der Internationalen Arbeitsorganisation über die Gleichbehandlung einheimischer und ausländischer Arbeitnehmer bei Entschädigung aus Anlaß von Betriebsunfällen vom 5. Juni 1925 (RGBl. 1928 II S. 509; siehe auch Erlaß des BMA vom 8.8.1951 - BABl. 1951 S. 389) ist nicht geeignet, dem Kläger zu Ansprüchen gegen einen Unfallversicherungsträger in der Bundesrepublik zu verhelfen. Denn in Art. 1 Abs. 1 dieses Übereinkommens ist ebenfalls wieder das Territorialprinzip festgelegt, während Ausnahmen von diesem Prinzip nach der Rahmenvorschrift des Art. 2 zwischenstaatlichen Vereinbarungen überlassen bleiben. Im Verhältnis zwischen Deutschland und Italien kommen hierbei nur die bereits behandelten Vertragswerke von 1939 und 1953 in Betracht.
Das nach den vorstehenden Ausführungen vom Territorialprinzip beherrschte deutsche, also innerstaatliche Sozialversicherungsrecht hat durch die nicht in gesetzlichen oder staatsvertraglichen Vorschriften niedergelegte, sondern von der deutschen Rechtsprechung entwickelte sogenannte Ausstrahlungstheorie (vgl. Brackmann a.a.O., S. 294 b II; Lauterbach a.a.O.) eine Ausweitung erfahren. Diese Ausstrahlungstheorie bietet ebenfalls keine Rechtsgrundlage für das Klagebegehren. Das Reichsversicherungsamt (RVA.) hat bei der Aufstellung dieser Grundsätze - in Durchbrechung des Territorialprinzips - angenommen, daß eine nur gelegentliche oder geringfügige Ausdehnung der inländischen Betriebstätigkeit ins Ausland, die nach den Gesamtumständen keine selbständige Bedeutung hat, die Sozialversicherung der sonst im Inland beschäftigten Arbeitnehmer nicht beeinflußt. Allerdings hat das RVA. gelegentlich bei Anwendung dieser Ausstrahlungslehre auch solche Personen als unter dem Schutz der deutschen Sozialversicherung stehend angesehen, die vom deutschen Betrieb erst im Ausland eingestellt worden waren (vgl. AN 1904 S. 506, Nr. 1149; gewisse Einschränkungen bereits in AN 1909 S. 546 Nr. 1430; 1916 S. 610 Nr. 2897; EuM 4 S. 425). Diese erhebliche, vom völkerrechtlichen Standpunkt aus nicht unbedenkliche Ausweitung des Geltungsbereichs der deutschen Sozialversicherung mochte durch die sozialpolitischen Verhältnisse zu Anfang des Jahrhunderts, als selbst in den Nachbarländern des Deutschen Reiches noch nicht durchweg Systeme der sozialen Sicherheit bestanden, gerechtfertigt erscheinen. Diese Verhältnisse hatten sich aber schon bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges grundlegend gewandelt. Es wurde nunmehr möglich, den Versicherungsschutz der von einem deutschen Ausstrahlungsbetrieb im Ausland eingestellten ausländischen Arbeitskräfte den Sozialversicherungsträgern ihres Heimatlandes zu überlassen; die Ausstrahlungslehre konnte damit auf ihren Grundgedanken zurückgeführt werden, dem Arbeitnehmer, der auf Grund seines im Inland begründeten Beschäftigungsverhältnisses vorübergehend im Ausland tätig sein muß, den Schutz der deutschen Sozialversicherung zu erhalten. Auch der Abschluß von zwischenstaatlichen Sozialversicherungsverträgen, die -wie die bereits behandelten deutsch-italienischen Vertragswerke - den Schutz der deutschen Sozialversicherung an das Merkmal der Entsendung ins Ausland knüpfen, im Ausland angeworbene Arbeitskräfte hingegen nicht berücksichtigen, konnte nicht ohne Einfluß auf die Entwicklung der Ausstrahlungslehre bleiben. Dementsprechend wurde auch in der späteren Rechtsprechung des RVA. die Ausstrahlungstheorie in ihrer ursprünglich mitunter stärker ausgeweiteten Fassung nicht mehr vertreten. Es entspricht also der gegenwärtig in Rechtslehre und Verwaltungspraxis herrschenden Ansicht, daß der Kreis der auf Grund der Ausstrahlungslehre im Ausland nach deutschem Recht sozialversicherten Personen auf die ins Ausland entsandten Beschäftigten beschränkt wird, daß dagegen Personen, die erst im Ausland eingestellt und nicht vom Inland her dorthin entsandt wurden, nicht dem Schutz der deutschen Sozialversicherung unterstehen (vgl. Rundschreiben des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 15.6.1955 - VB 70/55 zu I 2, abgedruckt in RVS - Rechtsvorschriften der Deutschen Soz.Vers. und KOV, herausgegeben von Dobbernack 1955 Bd. 1).
Bei seinen bisherigen Darlegungen ist der Senat davon ausgegangen, daß in dem Zeitraum, während dessen der Kläger bei der Deutschen Dienstpost Alpenvorland beschäftigt war, Italien im Verhältnis zum Deutschen Reich als verbündeter, vertrags- und handlungsfähiger Staat angesehen werden mußte. Dies steht im Einklang mit der Tatsache, daß noch im November 1944 zwischen dem RAM. und dem zuständigen Minister der "Faschistischen Republik Italien" die oben angeführte Vereinbarung über Sozialversicherung abgeschlossen wurde. Die Revision macht indessen geltend, das von deutschen Truppen beherrschte italienische Territorium sei damals in Wirklichkeit ein von Deutschland besetztes Gebiet gewesen. Im sozialversicherungsrechtlichen Schrifttum wird diese Auffassung von Hoernigk-Jahn-Wickenhagen (a.a.O., Anh. B. S. 126 unter VI) ohne Angabe von Gründen bestätigt. Zu ihrer Rechtfertigung könnte die Revision sich auf eine im völkerrechtlichen Schrifttum der Gegenwart vertretene, an die im Zweiten Weltkrieg gesammelten Erfahrungen anknüpfende Lehre beziehen; danach ist eine mit Unterstützung der Besatzungsmacht zustandegekommene Scheinregierung, deren Existenz von dem Willen des besetzenden Staates bestimmt wird, nicht als unabhängiges Völkerrechtssubjekt, sondern als bloßes Organ des Okkupanten anzusehen (vgl. Lemkin , Axis Rule in occupied Europe, Washington 1944, S. 11; Guggenheim, Lehrbuch des Völkerrechts Bd. I, Basel 1948, S. 170; Verdroß, Völkerrecht, 3. Aufl., Wien 1955, S. 89; Uhler, Der völkerrechtliche Schutz der Bevölkerung eines besetzten Gebietes gegen Maßnahmen der Okkupationsnacht, Zürich 1950, S. 177/78, 199, 206; Schaumann, Die Gleichheit der Staaten, Wien 1957, S. 84; gegen bedenkliche Folgerungen aus dieser Lehre, wie sie zumal der letztgenannte Autor zieht: Dahm a.a.O., S. 79). Die Frage, ob dieser Lehrmeinung beizupflichten ist und insbesondere, ob in der am 15. September 1943 errichteten, vom Deutschen Reich alsbald "anerkannten" sogenannten Faschistischen Republik ein derartiges völkerrechtliches Scheingebilde erblickt werden muß, brauchte indessen vom Senat nicht entschieden zu werden. Denn selbst wenn dies der Fall sein sollte, würde es der Revision nicht zum Erfolg verhelfen.
So könnte zunächst die innerstaatliche Gesetzgebung über die Sozialversicherung in den von Deutschland seit 1939 besetzten Ländern den Klaganspruch nicht rechtfertigen. Die VO über die Sozialversicherung in den besetzten Gebieten vom 4. August 1941 (RGBl. I S. 486) erstreckte den Schutz der Reichsversicherung nur auf die in den besetzten Gebieten beschäftigten deutschen Staatsangehörigen (§§ 1, 4). Von der in § 8 erteilten Ermächtigung zur weiteren Ausdehnung der Reichsversicherung hat der RAM. jedenfalls zu Gunsten der Südtiroler Volksdeutschen keinen Gebrauch gemacht. Die VO zur Durchführung und Ergänzung der VO über die Sozialversicherung in den besetzten Gebieten vom 10. Februar 1943 (RGBl. I S. 90) hat gleichfalls den Personenkreis, dem der Kläger zuzurechnen war, nicht betroffen. In § 1 Abs. 1 wurde zwar die Anwendbarkeit der reichsrechtlichen Vorschriften auf bestimmte Gruppen von deutschen Volkszugehörigen und Ausländern erweitert. Nach § 1 Abs. 2 Buchst. a erfaßte der Schutz der deutschen Sozialversicherung aber nicht die einheimischen Arbeitskräfte in den besetzten Gebieten. Damit blieben also die Einheimischen in dem betreffenden Gebiet von der Geltung der Reichsversicherung ausgeschlossen, sie unterlagen vielmehr entsprechend dem Territorialprinzip weiterhin grundsätzlich ihrer einheimischen Sozialversicherung (vgl. Bogs AN 1943, S. 110 [112 zu 3a]). Nach § 1 Abs. 3 Satz 2 der VO vom 10. Februar 1943 war allerdings der RAM. ermächtigt, in Einzelfällen zur Beseitigung von Härten die Anwendung der reichsrechtlichen Vorschriften, insbesondere über Unfallversicherung, auf weitere Personen anzuordnen. Diese Härteklausel, die vor allem den Schutz der bei der Wehrmacht oder bei deutschen Verwaltungsstellen im besetzten Gebiet beschäftigten einheimischen Arbeitskräfte bezweckte (vgl. Bogs a.a.O. zu 4), hätte es wohl seinerzeit dem RAM. ermöglicht, auf den Bericht des Leiters der Deutschen Dienstpost Alpenvorland alle bei dieser Verwaltung beschäftigten einheimischen Südtiroler oder auch nur die beiden im Bericht erwähnten Unfallverletzten Postbediensteten den Vorschriften der reichsgesetzlichen Unfallversicherung zu unterstellen. Zu einer solchen Anordnung ist es indessen damals nicht mehr gekommen. Es ist nicht Aufgabe des Senats, etwa heute noch denkbare Möglichkeiten einer Nachholung dieses Schrittes zu prüfen.
Soweit schließlich die Revision - wiederum unter der rechtlichen Voraussetzung, Norditalien sei 1944 von Deutschland besetzt gewesen - den Entschädigungsanspruch des Klägers damit zu begründen versucht, daß nach allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts im Okkupationsgebiet das gesamte deutsche Arbeits- und Sozialrecht gegolten haben müsse, kann ihr der Senat nicht beipflichten. Selbst wenn Norditalien Okkupationsgebiet gewesen wäre, so würde -gleichgültig, ob es sich um eine occupatio bellica oder um eine andere Art von Besetzung gehandelt hätte (vgl. Verdroß a.a.O., S. 231; Uhler a.a.O., S. 33) - für ein solches Gebiet ein derartiger Grundsatz des Völkerrechts nicht bestanden haben. Denn in jedem Fall bestimmte sich die Regelung des Verhältnisses zwischen der Besatzungsmacht und der Zivilbevölkerung des besetzten Gebietes nach den Mindestnormen des allgemeinen Völkerrechts, die in der Anlage zur Haager Landkriegsordnung (HLKO) vom 18. Oktober 1907 (RGBl. 1910 S. 107) enthalten sind (vgl. Laun, Die Haager Landkriegsordnung, 5. Aufl., S. 107/8, 127; Heyland "Die Rechtsstellung der besetzten Rheinlande" in Handbuch des Völkerrechts, herausgegeben von Stier-Somlo, 2. Bd. 7. Abtlg. 1923, S. 23, 34, 236). Daß die HLKO als allgemeines Völkerrecht auch nach 1939 bis heute weitergegolten hat, ist nicht zu bezweifeln (vgl. Laun a.a.O., S. 83, 85). Aus dem hier einschlägigen Art. 43 der Anl. zur HLKO (vgl. daneben auch Art. 48, 51 Abs. 2) geht jedoch - im Gegensatz zu der von der Revision vertretenen Auffassung - hervor, daß die Besatzungsmacht bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung grundsätzlich - d.h. soweit kein zwingendes Hindernis besteht - die Gesetze des besetzten Landes zu beachten hat. Dies bedeutet, daß die Besatzungsmacht auch den Verwaltungsaufbau des besetzten Gebietes zu beachten und zu benutzen hat (vgl. OLG. Schleswig, NJW. 1949 S. 863 Nr. 4; ähnlich auch OGHZ 1, S. 272 [276]). Im vorliegenden Fall hätte also die Deutsche Dienstpost in Bozen den völkerrechtlichen Anforderungen dadurch am besten entsprochen, daß sie für ihr in Südtirol eingestelltes einheimisches Personal eine Unfallversicherung bei den italienischen Versicherungseinrichtungen herbeigeführt hätte. Dem Bericht des Leiters der Dienstpost dürfte zwar zu entnehmen sein, daß dies wegen entgegenstehender italienischer Bestimmungen nicht ohne weiteres durch eine bereits gegebene Versicherungspflicht erreicht werden konnte. Es ist aber nicht ersichtlich und wird auch von der Revision nicht vorgetragen, daß hiermit alle Möglichkeiten, den Kläger der italienischen Unfallversicherung zu unterstellen, erschöpft waren. Vielmehr hätte der Deutschen Dienstpost der völkerrechtlich zulässige und gebotene Weg offengestanden, durch Verhandlungen oder sonstige geeignete Schritte gegenüber den italienischen Dienststellen den Versicherungsschutz für die beschäftigten Einheimischen zu gewährleisten. Nach der Besetzung Deutschlands haben z.B. die alliierten Besatzungsmächte in den westdeutschen Besatzungszonen diese ihnen obliegende Aufgabe im Wege der Anweisung an die deutschen Dienststellen gelöst (vgl. Kontrollratsdirektive 27 vom 18.3.1946, Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, 1946 S. 146. Weitere Nachweise bei Lauterbach a.a.O., S. 34a). Die hier vertretene Ansicht findet eine weitere Bestätigung durch die - im Vergleich zur Generalklausel des Art. 43 HLKO wesentlich eingehender formulierten - Vorschriften des IV. Genfer Abkommens vom 12. August 1949 zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten (BGBl. 1954 II S. 917). Dieses Vertragswerk ist zwar erst einige Jahre nach dem Zeitpunkt des hier strittigen Arbeitsunfalls in Kraft getreten. Da es jedoch im allgemeinen eine sinngemäße Fortentwicklung und Ergänzung der HLKO darstellt (vgl. Uhler a.a.O. S. 80; Verdroß a.a.O., S. 382; Schlögel, Die Genfer Rotkreuz-Abkommen, 3. Aufl., S. 39), kann diese von über 50 vertretenen Staaten einstimmig gebilligte Konvention unbedenklich schon für die vorhergehende Zeit als Ausdruck allgemeiner Völkerrechtsüberzeugung angesehen werden. Art. 51 der Konvention regelt die Befugnis der Besatzungsmacht zur Dienstverpflichtung der im besetzten Gebiet lebenden Zivilbevölkerung; dabei schreibt Abs. 3 Satz 4 dieser Bestimmung ausdrücklich vor, daß die im besetzten Lande geltenden Rechtsvorschriften betreffend die Arbeitsbedingungen, insbesondere bezüglich der Entschädigungen für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, auf die im Dienste der Besatzungsmacht arbeitenden Zivilpersonen anzuwenden sind. Wenn das sogar für dienstverpflichtete Personen gilt, so muß für Arbeitnehmer, die - wie seinerzeit mutmaßlich der Kläger -aus freien Stücken eine Beschäftigung aufgenommen haben, erst recht gefolgert werden, daß sie nicht der Unfallversicherung der Besatzungsmacht unterliegen sollen, sondern daß ihnen der Schutz ihrer einheimischen Unfallversicherung zu gewährleisten ist. - Der Senat ist nicht zu einer Prüfung der Frage berufen, ob und inwieweit die Bundesrepublik dem Kläger gegenüber dafür haftbar gemacht werden kann, daß seinerzeit die Deutsche Dienstpost Alpenvorland vielleicht nicht alle völkerrechtlich angebrachten und wohl auch durch die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gebotenen Schritte unternommen hat, um dem Kläger den Schutz der italienischen Unfallversicherung zu verschaffen. Denn insoweit würde es sich nicht um eine Angelegenheit der Sozialversicherung im Sinne des § 51 SGG handeln.
Keiner der vom Senat geprüften rechtlichen Gesichtspunkte hat demnach zu dem Ergebnis geführt, daß der Kläger zur Zeit seines Unfalls als nach deutschem Recht unfallversichert angesehen werden kann. Deshalb bleibt dem Kläger ein Leistungsanspruch gegen die Beklagte nach § 8 Abs. 1 Einleitung FremdRG versagt, ohne daß noch zu prüfen ist, ob die weiteren in Nr. 1 dieser Vorschrift aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sind. § 9 FremdRG kommt deshalb ebenfalls nicht in Betracht, abgesehen davon, daß der Kläger die Staatsangehörigkeitserfordernisse dieser Vorschrift nicht erfüllt.
Die unbegründete Revision war hiernach zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 2340617 |
BSGE, 257 |
MDR 1958, 954 |
DVBl. 1959, 220 |