Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Versicherungszeiten im Pensionsfonds der Bediensteten der tschechoslowakischen Staatsbahnen
Orientierungssatz
Der Pensionsfonds der Bediensteten der tschechoslowakischen Staatsbahnen ist kein nichtdeutscher Versicherungsträger einer gesetzlichen Rentenversicherung iS des § 1 Abs 2 Nr 2 SVFAG und des § 15 FRG gewesen (vgl BSG 1966-06-30 12 RJ 576/64 = SozR Nr 6 zu § 15 FRG).
Normenkette
SVFAG § 1 Abs. 2 Nr. 2; FRG § 15
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 06.10.1964) |
SG Augsburg (Entscheidung vom 22.08.1961) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 6. Oktober 1964 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt Rente wegen Berufsunfähigkeit. Streitig ist, ob auf die Wartezeit die Zeiten anzurechnen sind, in denen er Mitglied des Pensionsfonds der Bediensteten der tschechoslowakischen Staatsbahnen (PF) gewesen ist.
Der im Jahre 1898 geborene Kläger wohnt als Vertriebener seit 1946 im jetzigen Bundesgebiet. Er war im Sudetenland von 1912 bis 1915 als Spenglerlehrling und-geselle beschäftigt. Im April 1915 trat er in die Dienste der Eisenbahn in Mährisch-Ostrau ein. Anschließend leistete er von 1916 bis 1918 als Soldat Kriegsdienst. Von November 1918 an war er wieder in den Diensten der Eisenbahn tätig. Seit dem 1. Dezember 1919 war er Mitglied des PF. Vom 1. März 1935 an war er Werkmann und "definitiver Bediensteter". Nach Eingliederung des Sudentenlandes in das Reichsgebiet wurde er in das Beamtenverhältnis der Reichsbahn übernommen. Vom 9. Mai 1945 bis 29. Juni 1946 hielt er sich in der Tschechoslowakei auf. Vom 2. September 1946 an war er wieder als Beamter im Reichsbahndienst beschäftigt.
Am 1. Mai 1960 wurde er aus Gesundheitsgründen als Lokführer in den Ruhestand versetzt. Bei der Berechnung seines Ruhegehalts sind als ruhegehaltsfähige Dienstzeiten die Zeiten seines Dienstes bei der Eisenbahn ab April 1915 und seine Kriegsdienstzeit im 1. Weltkrieg zugrunde gelegt.
Den im Dezember 1959 gestellten Antrag des Klägers, ihm auch Rente wegen Berufsunfähigkeit aus der Arbeiterrentenversicherung zu gewähren, lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 4. Februar 1960 ab, weil die Wartezeit nicht erfüllt sei; der Kläger sei bis zum 8. Mai 1945 bei keinem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung i.S. des § 1 Abs. 2 und des § 6 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes vom 7. August 1953 (FAG) versichert gewesen; nach der Ausweisung am 2. September 1946 sei er wieder als Beamter in den Eisenbahndienst eingestellt worden; bei der Prüfung der Wartezeit seien nur die nach dem 8. Mai 1945 bis zur Ausweisung in der Tschechoslowakei zurückgelegten Beschäftigungszeiten (§ 17 Abs. 8 FAG) und die nach § 1251 Abs. 1 Ziff. 6 der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzurechnenden Ersatzzeiten zu berücksichtigen; mit diesen Versicherungszeiten sei jedoch die Wartezeit von 60 Kalendermonaten nicht erfüllt. Mit der gegen den Bescheid erhobenen Klage macht der Kläger geltend, für die Erfüllung der Wartezeit seien seine Beitragsleistungen zum PF in der Zeit von Dezember 1919 bis Februar 1935 anzurechnen. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg.
Mit der vom Landessozialgericht (LSG) zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 FAG und § 15 des Fremdrentengesetzes (FRG) vom 25. Februar 1960. Zur Begründung führt die Revision aus: In der Tschechoslowakei sei die gesetzliche Invalidenversicherung mit Wirkung vom 1. Juli 1926 eingeführt worden. Der Kläger habe aus diesem Grunde seine Beiträge weiterhin an den PF einzahlen müssen. Diesen Sachverhalt würdige das LSG irrtümlich dahin, daß diese Beitragszahlungen nicht als Leistungen an einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung i.S. des FRG zu werten seien. Gesetzliche Rentenversicherung i.S. des FRG sei jedes soziale Sicherungssystem, das im wesentlichen auf einer öffentlich-rechtlich geregelten Pflichtzugehörigkeit für einen bestimmten Personenkreis mit einem irgendwie gestalteten Beitragsaufkommen aufgebaut sei und das gesetzlich oder satzungsmäßig Rente für den Fall einer vorzeitigen Minderung der Erwerbsfähigkeit, des Alters oder des Todes vorsehe. Die Revision beruft sich hierfür auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) in BSG 6, 263. Sie meint, der Gesetzgeber habe sich bei der Neufassung des FRG in § 15 Abs. 2 an den vom BSG ausgearbeiteten Begriff der gesetzlichen Rentenversicherung im wesentlichen angelehnt. Der PF habe nicht vorwiegend der Sicherung der im öffentlichen Dienst Beschäftigten gedient, sondern habe als sogenannte Sondereinrichtung der allgemeinen tschechoslowakischen Invaliden- und Altersversicherung die Sicherung aller Arbeitnehmer bezweckt. Abgesehen von der Beitrags- und Leistungshöhe seien die satzungsmäßigen Beitragspflichten und Leistungsansprüche der Mitglieder des PF den Rechten und Pflichten der gesetzlichen Invaliditäts- und Altersversicherung bei der Zentralversicherungsanstalt in Prag gleichgestaltet gewesen. Es sei davon auszugehen, daß der Kläger durch seine Beitragsleistungen an den PF die Wartezeit erfüllt habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Urteile des Bayerischen LSG vom 6. Oktober 1964 und des SG Augsburg vom 22. August 1961 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 1960 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihm Rente wegen Berufsunfähigkeit vom 1. Februar 1960 an zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie hält das angefochtene Urteil für richtig.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
Die Beklagte und die Vorinstanzen haben den Anspruch des Klägers auf Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit mit Recht abgelehnt, weil die Wartezeit nicht erfüllt ist. Der Entscheidung des LSG ist im Ergebnis und in den Gründen beizutreten.
Die Revision erhebt Einwendungen gegen das Urteil des LSG nur insoweit, als sie meint, die vom Kläger bei dem PF zurückgelegten Beitragszeiten seien entgegen der Ansicht des LSG gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 FAG und § 15 FRG als Versicherungszeiten i.S. des § 1250 RVO auf die Wartezeit (§ 1246 Abs. 3 RVO) anzurechnen. Der Senat hat aber bereits in seinem Urteil vom 30. Juni 1966 (SozR Nr. 6 zu § 15 FRG) wie das LSG entschieden, daß der Pensionsfonds der Bediensteten der tschechoslowakischen Staatsbahnen kein nichtdeutscher Versicherungsträger einer gesetzlichen Rentenversicherung i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 2 FAG und des § 15 FRG gewesen ist. Der Senat hat in die er Entscheidung bereits dargelegt, daß der PF ein Sondersystem gewesen ist, das entgegen der Auffassung der Revision vorwiegend zur Sicherung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst geschaffen war, und daß die Mitglieder dieses Instituts von der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung ausgenommen gewesen sind. Der Senat hat weiterhin darauf hingewiesen, daß der RAM-Erlaß vom 11. Dezember 1940 (AN 1940, 437 zu III) schon deswegen keine andere Beurteilung rechtfertige, weil die vom Kläger der einem Beamten nach deutschem Recht vergleichbar gewesen ist, beim PF erworbenen "Anwartschaften" nicht auf die deutsche Sozialversicherung übernommen worden sind. In seinem Urteil hat der Senat auch auf die Entscheidung des 2. Senats des BSG vom 28. Januar 1966 hingewiesen (SozR Nr. 1 zu § 6 FRG), in der der 2. Senat ausgesprochen hat, daß der PF auch kein Träger der Unfallversicherung i.S. der §§ 5, 6 FRG und des § 1 FAG gewesen ist. Der Senat sieht keinen Anlaß, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen.
Für den Kläger ergibt sich auch auf Grund der Vorschriften des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 9. Juni 1965 (RVÄndG) keine günstigere Rechtslage. Zwar hat das RVÄndG die Vorschrift des § 1249 RVO geändert. Jedoch sind die Voraussetzungen der geänderten Fassung des § 1249 RVO nicht erfüllt. Der Kläger hat weder vor dem 1. Januar 1924 mindestens eine Versicherungszeit von 180 Kalendermonaten zurückgelegt, noch hat er mit den vor dem 1. Januar 1924 zurückgelegten Versicherungszeiten mindestens eine Versicherungszeit von 180 Kalendermonaten zurückgelegt, da gemäß § 18 Abs. 3 FRG die Berücksichtigung der beim PF zurückgelegten Zeiten ausgeschlossen ist; denn diese Zeiten sind der Berechnung des Ruhegehalts zugrunde gelegt.
Die Revision des Klägers muß aus diesen Gründen als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen