Leitsatz (amtlich)
Der Pensionsfonds der Bediensteten der tschechoslowakischen Staatsbahnen war kein nichtdeutscher Versicherungsträger einer gesetzlichen Rentenversicherung iS des FAGSV § 1 Abs 2 Nr 2 und des FRG § 15.
Normenkette
FRG § 15 Fassung: 1960-02-25; SVFAG § 1 Abs. 2 Nr. 2 Fassung: 1953-08-07
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 6. Oktober 1964 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der am 9. November 1891 geborene Kläger, der als Vertriebener seit Anfang Juni 1946 im jetzigen Bundesgebiet wohnt, war im Sudetenland von November 1906 bis 15. März 1911 als Weber und vom 16. März 1911 bis 24. August 1914 als Bahnarbeiter beschäftigt. Nach seiner Dienstzeit als Soldat vom 25. August 1914 an und anschließender Kriegsgefangenschaft bis 6. Dezember 1920 trat er am 13. Dezember 1920 wiederum in den Eisenbahndienst ein, wobei er rückwirkend vom 1. Juli 1916 an Mitglied des Pensionsfonds (PF) der Bediensteten der tschechoslowakischen Staatsbahnen wurde. Am 1. November 1927 wurde er zum "definitiven Bediensteten" ernennt. Während der Zeit der Eingliederung des Sudetenlandes in das Deutsche Reich war er unter anderem als beamteter Zugschaffner oder Oberbahnhofsschaffner tätig. Nach Kriegsende war er als Arbeiter vom 10. Mai 1945 bis 26. Mai 1946 in der Tschechoslowakei und vom 16. September 1946 bis zu seiner Wiedereinstellung als Beamter bei der Deutschen Bundesbahn am 23. Juni 1947 bei einem Bauzug in Donauwörth beschäftigt. Am 1. Dezember 1956 trat er wegen Vollendung des 65. Lebensjahres in den Ruhestand.
Im Juni 1960 beantragte der Kläger die Gewährung von Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Diesen Antrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 11. August 1960 mit der Begründung ab, die Wartezeit sei nicht erfüllt. Die Zeit vom 13. Dezember 1920 bis 30. November 1956 könne infolge Berücksichtigung bei der beamtenrechtlichen Versorgung nicht mehr in der Rentenversicherung berücksichtigt werden; außerdem seien die Beiträge für die rentenversicherungspflichtige Beschäftigung vom 16. September 1946 bis 31. Mai 1947 wieder zurückgezahlt worden, so daß keine nach dem 31. Dezember 1923 entrichteten Beiträge mehr vorlägen, weshalb die vor dem 1. Januar 1924 zurückgelegten Versicherungszeiten verfallen seien.
Im Klageverfahren hat der Kläger die Gewährung von Altersruhegeld vom 1. Januar 1957 an beantragt und behauptet, er habe die Rückzahlung der 1946/47 geleisteten Beiträge nicht beantragt und auch den Rückzahlungsbetrag nicht erhalten. Durch Urteil vom 21. Juni 1961 hat das Sozialgericht (SG) Augsburg die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides verurteilt, dem Kläger Altersruhegeld ab 1. Januar 1957 zu gewähren. Zwar hat das SG ebenso wie die Beklagte einen Rentenanspruch auf Grund des Fremdrentengesetzes (FRG) verneint. Es hat jedoch die Wartezeit nach dem Fremd- und Auslandsrentengesetz (FAG) deshalb als erfüllt angesehen, weil die Anwartschaften aus der Mitgliedschaft beim PF durch Erlaß des Reichsarbeitsministers (RAM) vom 11. Dezember 1940 vom Deutschen Reich übernommen worden seien und der Kläger nach dem 30. September 1938 nochmals in die Rentenversicherung eingetreten sei, denn die Beklagte könne die Rückerstattung der Beiträge für 1946/47 nicht nachweisen.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG Augsburg vom 21. Juni 1961 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne unentschieden bleiben, ob beim Kläger der Versicherungsfall der Vollendung des 65. Lebensjahres schon im November 1956 oder erst mit dem Inkrafttreten des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) vom 23. Februar 1957 am 1. Januar 1957 eingetreten sei. Bei beiden Möglichkeiten sei jedenfalls der Versicherungsfall noch vor Verkündung des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25. Februar 1960 eingetreten, so daß als Anspruchsgrundlage nicht nur das am 1. Januar 1959 in Kraft getretene FRG in Betracht komme, sondern auch das - rückwirkend - zum gleichen Zeitpunkt außer Kraft getretene FAG vom 7. August 1953. Desgleichen könne offenbleiben, ob der Kläger seit der Rentenantragstellung im Juni 1960 berufs- oder erwerbsunfähig sei. Er habe weder nach dem FAG noch nach dem FRG die kleine Wartezeit von 60 Monaten für eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente und erst recht nicht die große Wartezeit von 180 Monaten für das Altersruhegeld erfüllt, da hierbei die Zeit seiner Zugehörigkeit zum PF nicht berücksichtigt werden könne. Nach dem FAG könnten nur "Beitragszeiten" berücksichtigt werden. Der PF sei aber kein nichtdeutscher Versicherungsträger einer gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne der §§ 1 Abs. 2 Nr. 2, 4 FAG gewesen. Nach dem FRG stehe der Anrechnung der zum PF entrichteten Beiträge bereits § 18 Abs. 3 dieses Gesetzes entgegen. Durch den Inhalt der Personalakten des Klägers sei erwiesen, daß der Berechnung seines Ruhegehalts als Eisenbahnbeamter - abgesehen von einer unwesentlichen Unterbrechung von wenigen Tagen im Dezember 1920 - die gesamte Zeit vom 25. August 1914 bis 30. November 1956 zugrunde gelegt sei. In Betracht hätte somit allenfalls eine Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten vor dem 25. August 1914 sowie des Kriegsdienstes und der Kriegsgefangenschaft vom 25. August 1914 bis 6. Dezember 1920, der sogenannten Vertreibungszeit 1945/46 und der Zeit der Beschäftigung als Arbeiter vom 16. September 1946 an bis zur Wiedereinstellung als Beamter am 23. Juni 1947 kommen können. Für die zuletzt genannte Zeit könnten aber keine Beiträge angerechnet werden, weshalb die Berücksichtigung der Beschäftigung im Bundesgebiet in den Jahren 1946 und 1947 entfalle. Der Kläger sei als Beamter der früheren Reichsbahn infolge des Zusammenbruchs des Deutschen Reichs im Mai 1945 aus anderen als beamtenrechtlichen Gründen aus den Beamtenverhältnis ausgeschieden. Die Rechtsstellung solcher Personen sei nach ihrer Vertreibung und Flucht in die Bundesrepublik zunächst unklar gewesen, weshalb für sie, wenn sie wieder in abhängiger Arbeit beschäftigt wurden, meist vorsorglich Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung einbehalten worden seien. Häufig seien dann aber später die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zurückerstattet worden, vor allem dann, wenn - wie bei dem Kläger - der "Beamte zur Wiederverwendung" schon im August 1947 wieder als Beamter eingesetzt und behandelt worden sei. Deshalb sehe es der Senat als erwiesen an, daß dem Kläger die ursprünglich vom 16. September 1946 an vom Lohn einbehaltenen Beitragsanteile für die Invalidenversicherung wieder vergütet worden seien. Dann aber fehle es an dem nach § 14 FRG iVm § 1249 der Reichsversicherungsordnung (RVO) erforderlichen sogenannten Brückenbeitrag für die Zeit zwischen dem 1. Januar 1924 und dem 30. November 1948, so daß die Anwartschaft aus den früheren Beiträgen erloschen sei. Zugleich fehle es damit aber auch für die Anrechnung einer etwaigen Ersatzzeit nach § 1251 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 2 RVO sowohl an einer Pflichtversicherung vor 1945 als auch an einer solchen innerhalb von zwei Jahren nach 1946.
Das LSG hat in seinem Urteil die Revision zugelassen. Der Kläger hat dieses Rechtsmittel aus den Gründen seines Schriftsatzes vom 18. Dezember 1965 eingelegt mit dem Antrage,
das Urteil des Bayerischen LSG in München vom 6. Oktober 1964 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Augsburg vom 21. Juni 1961 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen,
da das angefochtene Urteil richtig sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist nicht begründet.
Der Kläger wendet sich einmal in längeren Ausführungen dagegen, daß das LSG den Beweis der Erstattung der Beiträge für die Zeit vom 16. September 1946 bis 22. Juni 1947 als erbracht angesehen hat. Hierbei handelt es sich indes ausschließlich um Angriffe gegen die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, die im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden können. Das Bundessozialgericht (BSG) ist nach § 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) an die im Berufungsurteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind. Dies ist nicht der Fall. Das LSG hatte nach § 128 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden. Wenn es eine Beitragserstattung als erwiesen angesehen hat, so hat es die Grenzen dieses seines Rechts zur freien richterlichen Beweiswürdigung nicht überschritten.
Sodann meint die Revision, das Berufungsgericht habe den PF der Bediensteten der tschechoslowakischen Staatsbahnen zu Unrecht nicht als "nichtdeutschen Versicherungsträger einer gesetzlichen Rentenversicherung" angesehen. Die Auffassung des LSG entspricht jedoch der Rechtsprechung des BSG (vgl. SozR FremdRG - FAG - § 1 Nr. 23 und 25) und der herrschenden Meinung im Schrifttum (vgl. Jantz/Zweng/Eicher, § 15 FRG Anm. 9; Gesamtkomm. FRG Art. I § 15 Anm. 16 b; VerbKomm. § 15 FRG Anm. 17). Der PF der Bediensteten der tschechoslowakischen Staatsbahnen war danach ein Sondersystem, das vorwiegend zur Sicherung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst geschaffen war, und die Mitglieder dieses Instituts waren von der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung ausgenommen. Der vom SG angeführte RAM-Erlaß vom 11. Dezember 1940 (AN 1940, 437 zu III) rechtfertigt schon deswegen keine andere Beurteilung, weil die vom Kläger, der einem Beamten nach deutschem Recht vergleichbar war, beim PF erworbenen "Anwartschaften" nicht auf die deutsche Sozialversicherung übernommen worden sind. Auch der 2. Senat des BSG hat neuerdings entschieden, der genannte PF sei auch kein Träger der Unfallversicherung im Sinne der §§ 5, 6 FRG und des § 1 FAG gewesen - 2 RU 70/62 vom 28. Januar 1966 -. Hierauf und auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen. Wie der "Fonds für Invaliden- und Altersversicherung der Bediensteten der tschechoslowakischen Staatsbahnen" zu beurteilen ist, braucht hier nicht entschieden zu werden (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 21. November 1961, LSG-Akte Bl. 9 ff).
Schließlich erledigt sich damit die Rüge der Verletzung des § 103 SGG. Die Revision meint hierzu, sei davon auszugehen, daß die Beklagte für die Beitragserstattung beweisfällig geblieben sei, so sei damit die kleine Wartezeit von 60 Monaten erfüllt, und es hätte nunmehr durch weitere Sachaufklärung ermittelt werden müssen, welche Rentenart für den Kläger in Betracht gekommen sei. Hierauf kam es indes nicht mehr an, da, wenn die beim PF zurückgelegten Zeiten nicht berücksichtigt werden können und ferner von der Erstattung der zunächst für die Zeit vom 16. September 1946 bis 23. Juni 1947 einbehaltenen Beiträge auszugehen ist, auch die sogenannte kleine Wartezeit niemals erfüllt ist.
Das Rentenversicherungs-Änderungsgesetz vom 9. Juni 1965 hat für den Kläger keine günstigere Rechtslage gebracht. Zwar ist danach § 1249 RVO geändert worden. Der Kläger hat jedoch weder vor dem 1. Januar 1924 mindestens eine Versicherungszeit von 180 Kalendermonaten zurückgelegt noch mit den vor dem 1. Januar 1924 zurückgelegten Versicherungszeiten mindestens eine solche von 180 Beitragsmonaten, da wiederum schon § 18 Abs. 3 FRG die Berücksichtigung der beim PF zurückgelegten Zeiten ausschließt.
Nach alledem muß die Revision als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen