Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 28. September 1993 und des Sozialgerichts Schwerin vom 3. November 1992 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg).
Der 1967 geborene, ledige und kinderlose Kläger arbeitete von 1984 bis zum 31. Dezember 1990 als Schweinepfleger bei der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) „A. … „, Sch. …, deren Mitglied er war. Sein Arbeitsverhältnis wurde zum 31. Dezember 1990 gekündigt. Ausweislich der Arbeitsbescheinigung der LPG erzielte der Kläger in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1990 einen wöchentlichen Bruttodurchschnittslohn von 424,56 DM; der wöchentliche Nettodurchschnittslohn betrug 350,28 DM. Auf der Lohnsteuerkarte des Klägers für das Jahr 1991 ist die Lohnsteuerklasse I eingetragen.
Der Kläger meldete sich im Dezember 1990 beim Arbeitsamt Schwerin (ArbA) arbeitslos und beantragte Alg, das ihm das ArbA ab 1. Januar 1991 in Höhe von 191,40 DM wöchentlich bewilligte. Der Bewilligung liegt ein gerundetes Bruttoarbeitsentgelt von 420,– DM wöchentlich, die Leistungsgruppe A (Steuerklasse I) und der Vomhundertsatz von 63 zugrunde (Bescheid vom 29. Januar 1991, Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 1991). Der Kläger nahm am 1. Juli 1991 wieder eine Beschäftigung auf.
Auf die Klage, mit der der Kläger wöchentlich 25,84 DM mehr an Alg verlangte, verurteilte das Sozialgericht (SG) die Beklagte, das ausbezahlte Arbeitsentgelt als Nettoentgelt anzusetzen und Alg ab 1. Januar 1991 in entsprechender Höhe zu gewähren; es ließ die Berufung zu (Urteil vom 3. November 1992). Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte verurteilt wird, dem Kläger Alg auf der Grundlage eines um den im Bemessungszeitraum maßgebenden Lohnsteuersatz anzuhebenden Bruttoarbeitsentgelts zu zahlen (Urteil vom 28. September 1993).
Zur Begründung seines Urteils hat das LSG ua ausgeführt, nach § 111 Abs 1 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) betrage das Alg für den Kläger 63 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts iS des § 112 AFG. Hiernach sei das Arbeitsentgelt in Ansatz zu bringen, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Woche erzielt habe (§ 112 Abs 1 AFG). Im Falle des Klägers könne indes nicht von dem in der Arbeitsbescheinigung ausgewiesenen wöchentlichen Bruttodurchschnittslohn von 424,56 DM, gerundet 420,– DM, ausgegangen werden. Es sei vielmehr zu berücksichtigen, daß die Einkünfte des Klägers als Mitglied einer LPG bis zum 31. Dezember 1990 nicht steuerpflichtig gewesen seien. Dem tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt seien daher die Steuern hinzuzurechnen, die ohne die Steuerbefreiung zu leisten gewesen wären. Diese Handhabung folge aus einer systematischen Auslegung der §§ 111, 112 AFG und dem Zweck dieser Vorschriften, den Lebensstandard des Arbeitslosen teilweise zu sichern. Zwar fehle eine ausdrückliche Korrekturvorschrift, doch könne für den Begriff des Arbeitsentgelts iS des § 112 AFG auf den Rechtsgedanken zurückgegriffen werden, auf dem § 14 Abs 2 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) beruhe. Nach dieser Vorschrift müsse das maßgebende Arbeitsentgelt, wenn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart worden sei, erst durch Hinzurechnung der hierauf entfallenden Steuern und der dem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) ermittelt werden. Die Berechnungsweise der Beklagten führe zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes. Die Nichtberücksichtigung der Steuerbefreiung sei auch für eine Übergangszeit nicht hinnehmbar. Daß die Steuerfreiheit der LPG-Mitglieder nicht auf ihrer Arbeitnehmereigenschaft, sondern auf ihrer Mitgliedschaft beruht hatte, stehe dem nicht entgegen; denn ähnlich wie bei einem Arbeitsverhältnis hätten in ersten Linie die von den Mitgliedern geleisteten Arbeitseinheiten Grundlage der Verteilung der Einkünfte gebildet.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 111 Abs 1 und 112 Abs 1 AFG. Sie macht geltend, entgegen der Auffassung des LSG sei das in der Arbeitsbescheinigung ausgewiesene, im Abrechnungszeitraum September bis Dezember 1990 erzielte, gemäß § 112 Abs 10 AFG auf 420,– DM abgerundete Bruttoentgelt der Feststellung des wöchentlichen Leistungssatzes anhand der Tabellen der Leistungsverordnung 1991 zugrunde zu legen. Maßgeblich könne immer nur das tatsächlich erzielte, in der Arbeitsbescheinigung ausgewiesene, nicht dagegen ein fiktiv errechnetes Arbeitsentgelt sein. Die vom LSG gefundene Auslegung stehe weder mit dem Wortlaut des Gesetzes im Einklang, noch sei sie geboten. Eine „Aufstockung” von Bruttoarbeitsentgelten,
die steuerfrei oder nicht beitragspflichtig gewesen seien, sei sowohl den Vorschriften des AFG der Deutschen Demokratischen Republik (AFG-DDR) als auch denen des AFG fremd. Es liege auch keine auszufüllende Gesetzeslücke vor. Die Situation der LPG-Mitglieder sei bei der Schaffung der Währungs-, Wirtschafts-und Sozialunion, beim AFG-DDR, dem Gesetz zur Änderung und Ergänzung steuerrechtlicher Rechtsvorschriften bei Einführung der Währungsunion mit der Bundesrepublik Deutschland (Steueranpassungsgesetz-DDR) und dem Einigungsvertrag (EinigVtr) gesehen worden. Das vom LSG gefundene Ergebnis sei auch verfassungsrechtlich nicht geboten. Der Gesetzgeber verfüge über einen weiten Gestaltungsspielraum. Er erlaube dem Gesetzgeber, die Steuerbefreiung der LPG-Mitglieder nicht zu berücksichtigen, auch wenn die Nichtberücksichtigung sich in diesen Fällen in größerem Umfange auswirke. Denn in einer Übergangsphase der Verschmelzung zweier unterschiedlicher Rechtsordnungen seien Ungleichgewichte dieser Art unvermeidlich und hinzunehmen. Der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet gewesen, für die Gruppe der LPG-Mitglieder, die erst 1991 arbeitslos geworden seien, für deren Bemessungsentgelt aber 1990 bezogene Arbeitsvergütungen maßgebend seien, eine besondere Übergangsregelung zu schaffen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG sowie das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger stellt keinen Antrag.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen steht dem Kläger für die hier allein streitige Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1991 kein höheres Alg zu.
1. Die Höhe des Alg des Klägers, dessen Anspruchsgrundlagen nicht zweifelhaft sind, richtet sich nach § 111 Abs 1 Nr 2 AFG, hier anwendbar in der Fassung, die das Gesetz durch die Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet E Abschnitt II Nr 1 und Art 8 des EinigVtr vom 31. August 1990 (BGBl II 889, 1033 ff) erhalten hat. Danach beträgt das Alg für Arbeitslose, die wie der Kläger nicht verheiratet sind und nicht für ein Kind zu sorgen haben, 63 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts (§ 112 AFG). 63 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern mit der Lohnsteuerklasse I gewöhnlich anfallen, verminderten (Brutto-)Arbeitsentgelts von 420,– DM wöchentlich machen die bewilligten 191,14 DM wöchentlich aus. Das ergibt sich aus der Anlage 2 der AFG-Leistungsverordnung 1991 vom 6. Dezember 1990 (BGBl I 2647), in der für die verschiedenen Arbeitsentgelte nach Minderung um die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge, unterschieden nach Lohnsteuerklassen, die jeweiligen Leistungssätze ausgewiesen sind. Daß diese Leistungssätze nach §§ 111 Abs 2 Satz 2, 249c Abs 10 AFG nach bundeseinheitlichen Maßstäben gebildet werden und daher einheitlich sind, obwohl für das Beitrittsgebiet 1991 (und danach) noch bestimmte Sonderheiten des Abgabenrechts bestanden, die die Leistungssätze nicht berücksichtigen, ist, wie der Senat schon entschieden hat, nicht zu beanstanden (vgl das demnächst veröffentlichte Urteil des Senats vom 10. November 1993 – 11 RAr 47/93 = BSGE 73, 195 ff).
Ebenso hält der Senat daran fest, daß die in § 111 Abs 2 Satz 2 Nr 2 AFG vorgesehene Berücksichtigung eines Kirchensteuer-Hebesatzes bei der Bestimmung der Leistungssätze nicht zu beanstanden ist (BSG aaO).
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat inzwischen entschieden, daß es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, daß auch bei Arbeitslosen, die keiner Kirche angehören, bei der Berechnung des Nettoentgelts, nach dem sich die Höhe des Arbeitslosengeldes bestimmt, ein Kirchensteuer-Hebesatz zu berücksichtigen ist (Beschluß vom 23. März 1994 – 1 BvL 8/85 –). Allerdings hat das BVerfG darauf hingewiesen, daß es mit dem vom Gesetzgeber selbst gewählten Ansatz und dem Gebot der Normenklarheit nicht mehr vereinbar wäre, die Kirchensteuer bei der Berechnung des Nettolohns auch dann noch als „gewöhnlich” anfallenden gesetzlichen Abzug in Ansatz zu bringen, wenn die Zugehörigkeit zu einer Kirche, die Kirchensteuer erhebt, nicht mehr als für Arbeitnehmer typisch angesehen werden könnte. Das BVerfG hat darüber hinaus darauf hingewiesen, daß zu einer Überprüfung durch den Gesetzgeber, ob die Kirchensteuer auch künftig noch als gewöhnlich anfallender Abzug anzusehen ist, Anlaß bestehen dürfte, weil ein großer Teil der Arbeitnehmer in den neuen Bundesländern keiner Kirche angehört, die Kirchensteuer erhebt. Es kann dahingestellt bleiben, ob dann, wenn der Gesetzgeber aufgrund dieser Hinweise keine Prüfung durchführt, obwohl offen zutage liegt, daß keine deutliche Mehrheit von Arbeitnehmern Kirchen angehört, die Steuern erheben, § 111 Abs 2 Satz 2 Nr 2 AFG wegen veränderter Umstände grundgesetzwidrig würde (vgl zur Verletzung der „Nachbesserungspflicht” des Gesetzgebers: Badura, Festschrift Eichenberger, 1982, 481 ff; Steinberg, Der Staat 1987, 161 ff; Schulte, DVBl 1988, 1200). Denn jedenfalls bislang und damit auch für die hier streitige Zeit (1991) kann davon keine Rede sein. Eine Prüfung durch den Gesetzgeber nach dem Hinweis war aufgrund des Zeitablaufs bislang noch nicht möglich. Es liegt auch nicht offen zutage, daß keine deutliche Mehrheit von Arbeitnehmern den steuererhebenden Kirchen angehört. Einschlägige Statistiken liegen nicht vor. Auch wenn man davon ausgeht, daß von den derzeit 81 Millionen Einwohnern Deutschlands 57 Millionen (= 71 %) der katholischen und evangelischen Kirche angehören, und berücksichtigt, daß der Anteil der Kirchenangehörigen unter der jüngeren Bevölkerung und damit unter den Arbeitnehmern geringer sein dürfte, besteht derzeit keine Evidenz, die zu der Annahme zwingt, daß § 111 Abs 2 Satz 2 Nr 2 AFG mit dem vom Gesetzgeber gewählten Ansatz und dem Gebot der Normenklarheit inzwischen nicht mehr vereinbar sei.
2. Eine höhere Leistung hätte der Kläger daher nur zu beanspruchen, wenn sein Alg nach einem höheren Arbeitsentgelt als 420,– DM zu zahlen wäre. Das ist indes nicht der Fall.
Arbeitsentgelt iS des § 112 AFG ist grundsätzlich das Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Woche erzielt hat, das unter Ausklammerung von Mehrarbeitsvergütungen, Sonderzuwendungen usw ermittelt wird (vgl dazu § 112 AFG). Für Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung, die vor dem 1. Januar 1991 im Beitrittsgebiet zurückgelegt worden sind, sind nach § 249c Abs 11 Satz 2 AFG jedoch § 112 des AFG-DDR vom 22. Juni 1990 (GBl I 403) und die in dieser Bestimmung genannten Vorschriften weiterhin anzuwenden. Nach § 112 Abs 1 AFG-DDR ist Arbeitsentgelt der auf die Woche entfallende, im Bemessungszeitraum erzielte Bruttodurchschnittslohn nach der Verordnung vom 21. Dezember 1961 über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes und über die Lohnzahlung (GBl II 551), zuletzt geändert durch die Fünfte Durchführungsbestimmung vom 7. März 1985 (GBl I 109). Diese Regelung gilt gemäß § 112 Abs 1a AFG-DDR für die Berechnung des Arbeitsentgelts der Mitglieder von Genossenschaften entsprechend. Während der Durchschnittsverdienst nach der Verordnung über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes und über die Lohnzahlung grundsätzlich aus dem Jahresverdienst zu errechnen ist, ist nach § 7 Abs 4 dieser Verordnung bei einer Veränderung des Verdienstes der Durchschnittsverdienst unter Berücksichtigung dieser Veränderung neu zu berechnen.
Nach den Feststellungen des LSG hat die LPG dem Kläger einen wöchentlichen Bruttodurchschnittslohn von 424,56 DM bescheinigt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß dabei nicht die Grundsätze der Lohnzahlungsverordnung berücksichtigt worden sind. Als „Abrechnungszeitraum” ist ausweislich der Arbeitsbescheinigung der Zeitraum von Juli bis Dezember 1990 genannt. Es ist deshalb davon auszugehen, daß auch die Regelung des § 112 Abs 2 AFG-DDR beachtet worden ist, wonach der Bemessungszeitraum den letzten für die Berechnung des Bruttodurchschnittslohns maßgeblichen Abrechnungszeitraum vor der Entstehung des Anspruchs umfaßt.
Für den Kläger ergibt sich somit ein Bemessungsentgelt nach § 112 AFG-DDR von 424,56 DM wöchentlich. Dieses Bemessungsentgelt ist nach § 112 Abs 10 AFG auf 420,– DM zu runden (vgl BSG aaO).
3. Das so ermittelte Bemessungsentgelt ist nicht anders zu bestimmen, weil der Kläger als LPG-Mitglied hinsichtlich der Einkünfte aus der LPG bis zum 31. Dezember 1990 lohnsteuerfrei war.
Für Arbeitnehmer im Beitrittsgebiet bestand generell eine (Lohn-)Steuerpflicht (§§ 11 bis 15 Steueranpassungsgesetz-DDR vom 22. Juni 1990 ≪GBl Sonderdruck Nr 1427≫). Nach § 16 Satz 1 Steueranpassungsgesetz-DDR galten die Lohnsteuerregelungen der §§ 11 bis 15 des Gesetzes auch für die Besteuerung der Einkünfte der Mitglieder von Genossenschaften aus ihrer Tätigkeit in der Genossenschaft. Hiervon waren jedoch gemäß § 16 Satz 2 Steueranpassungsgesetz-DDR die Mitglieder von Genossenschaften der Landwirtschaft ausgenommen, wie vom LSG zutreffend ausgeführt. Diese zur Ausführung des Vertrages vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion (BGBl II 537) geschaffenen Steuerbestimmungen der DDR hatten auch nach dem 2. Oktober 1990 weiter Geltung; denn nach Art 8 und Kapitel IV Sachgebiet B Abschnitt II Nr 14 Abs 1 Nr 1 der Anlage I des EinigVtr (BGBl II 1990, 889, 973) ist das westliche Recht der Besitz-und Verkehrssteuern im Beitrittsgebiet erst am 1. Januar 1991 in Kraft getreten (s hierzu Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 8. März 1991, BStBl I 386).
Diese steuerliche Vergünstigung kann jedoch nicht dazu führen, daß zur Berechnung des Alg der tatsächlich erzielte Bruttolohn um einen (Lohn-)Steueranteil aufgestockt wird, wie das LSG annimmt. Was für diese Rechtsmeinung, die auch von anderer Seite vertreten worden ist (vgl BezirksG Erfurt SGb 1992, 630; Eichenhofer SGb 1993, 385; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24. Februar 1993 – L 2 Ar 34/92 –, nicht veröffentlicht), ins Feld geführt wird, überzeugt nicht. Denn eine „Aufstockung” von Bruttoarbeitsentgelten, die steuerfrei oder nicht beitragspflichtig waren, ist sowohl den Vorschriften des AFG-DDR als auch des AFG fremd.
Das AFG-DDR hat die Mitglieder von Genossenschaften gemäß den §§ 168 Abs 1a, 249b Abs 5 in den Kreis der beitragspflichtigen Arbeitnehmer einbezogen. Es hat jedoch für die Berechnung des Arbeitsentgelts der Mitglieder von Genossenschaften keine Sonderregelung getroffen; vielmehr bestimmt § 112 Abs 1a AFG-DDR ausdrücklich, daß für die Berechnung des Arbeitsentgelts der Mitglieder von Genossenschaften die Regelung in Abs 1 entsprechend gilt. Auch das AFG, das Zeiten nach §§ 168 Abs 1a, 249b Abs 5 AFG-DDR beitragspflichtigen Beschäftigungszeiten gleichgestellt (§ 249c Abs 8 AFG) und die Regelung als solche fortgeschrieben hat (§ 249c Abs 22 AFG), kennt keine „Aufstockung” von Bruttoarbeitsentgelten, die steuerfrei oder nicht beitragspflichtig waren. Lediglich für den Fall, daß ein Nettoarbeitsentgelt „vereinbart” ist, sieht der unmittelbar nicht für Leistungen nach dem AFG, sondern über § 173a AFG nur für das Beitragsrecht entsprechend geltende § 14 Abs 2 SGB IV vor, daß als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und seines Beitrags zur BA gelten. Doch eine unmittelbare Anwendung des § 14 Abs 2 SGB IV scheitert hier bereits daran, daß die steuerliche Entlastung der LPG-Mitglieder nicht auf einer Vereinbarung, sondern auf deren besonderer steuerrechtlicher Situation bis zum 31. Dezember 1990 beruhte, wie das LSG nicht verkannt hat. Aus dieser Sondervorschrift kann indes entgegen der Auffassung des LSG weder ein allgemeiner Rechtsgedanke für eine erweiternde Auslegung des Arbeitsentgeltbegriffs iS des § 112 AFG hergeleitet werden, noch kommt eine entsprechende Anwendung in Betracht. Denn aus der Steuerfreiheit eines Arbeitsentgelts folgt nicht, daß der Arbeitgeber ohne die Steuerfreiheit ein um die Steuer höheres Arbeitsentgelt gezahlt hätte. Eine solche Aufstockung der tatsächlich erzielten Bruttobezüge ist bislang auch nicht für das Bemessungsentgelt der Arbeitslosenhilfe bzw -beihilfe von früheren Beamten und Soldaten geltend gemacht worden, die während ihrer Dienstzeit zwar Lohnsteuer, aber keine Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung und zur BA zu zahlen hatten (vgl Gagel, AFG, Stand Mai 1993, § 136 Rz 84 f; Schmidt, Gemeinschaftskommentar zum Arbeitsförderungsgesetz ≪GK-AFG≫, Stand September 1993, § 136 Rz 17).
Als Korrekturmöglichkeit liegt die Rechtsfolge des § 112 Abs 7 AFG-DDR bzw § 112 Abs 7 AFG näher. Danach ist von dem am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitslosen maßgeblichen tariflichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung auszugehen, für die der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufs und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in Betracht kommt. Ein Rückgriff auf diese Rechtsfolge, die jeweils Einzelfallprüfungen erforderlich macht, käme allerdings nur dann in Betracht, wenn eine Lücke im Gesetz, die zu unbilliger Härte führt, zu füllen wäre. Dies ist indes hier nicht der Fall. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber bei der Regelung des Bemessungsentgelts die Situation der LPG-Mitglieder und die sich aus ihrer Steuerfreiheit bis 31. Dezember 1990 ergebenden Wirkungen übersehen hat und insoweit eine Regelungslücke gegeben ist. Die Situation der LPG-Mitglieder ist vielmehr bei der Schaffung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, beim Steueranpassungsgesetz-DDR, beim AFG-DDR und dem EinigVtr berücksichtigt worden.
Im Vertrag vom 18. Mai 1990 zur Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion (BGBl II 537) hatte sich die DDR verpflichtet, das Einkommens- und Lohnsteuerrecht zum 1. Januar 1991 entsprechend den Rechtsvorschriften der Bundesrepublik zu regeln. Ausdrücklich war hierfür vorgesehen, daß bei der Regelung „der besonderen Struktur der landwirtschaftlichen Betriebe … im Hinblick auf ihre Chancengleichheit Rechnung zu tragen” ist (III Nr 4 der Anlage IV des Vertrages, BGBl II 1990, 537, 558). Die besondere Struktur der landwirtschaftlichen Betriebe war indessen durch die Wirtschaftsform der LPG und ua dadurch gekennzeichnet, daß die Erzeugerpreise gegenüber der Europäischen Gemeinschaft nicht wettbewerbsfähig waren. Demgemäß nahm die DDR in dem schon zitierten § 16 Satz 2 des Steueranpassungsgesetzes, mit dem sie der Verpflichtung nachkam, ab 1. Juli 1990 die Steuer von Lohneinkünften entsprechend den westlichen Lohnsteuertabellen für die Steuerklasse I zu erheben (III Nr 5 der Anlage IV des Vertrages, BGBl 1990 II 537, 558), die Mitglieder von Genossenschaften der Landwirtschaft von der generellen Lohnsteuerpflicht aus.
Das zeitgleich erlassene AFG-DDR hat, wie bereits erwähnt, in verschiedenen Vorschriften die rechtliche Situation der LPG-Mitglieder gesehen und berücksichtigt. Einer Sonderregelung zur Berücksichtigung ihrer steuerrechtlichen Situation bedurfte es dabei nicht, da sich nach § 111 Abs 1 AFG-DDR die Höhe des Alg nach dem „um die gesetzlichen Abzüge verminderten Arbeitsentgelt (§ 112)” richtete, also auf der Grundlage des individuellen Nettoentgelts zu berechnen war. Mit dem 3. Oktober 1990 ist das AFG-DDR zwar grundsätzlich durch das gemeinsame AFG abgelöst worden (Art 8 EinigVtr). Für Bezugszeiten, die vor dem 1. Januar 1991 im Beitrittsgebiet zurückgelegt worden sind, ist indes § 111 AFG-DDR weiterhin anzuwenden (Art 9 Abs 2 EinigVtr, Kapitel VIII Sachgebiet E Abschnitt III Nr 1 Buchst a Doppelbuchst ee der Anlage II, BGBl II 1990, 889, 1209). Eine Sonderregelung zur Berücksichtigung der steuerrechtlichen Situation früherer LPG-Mitglieder war daher jedenfalls bis zum 31. Dezember 1990 entbehrlich.
Für die Zeit nach dem 31. Dezember 1990 kommt LPG-Mitgliedern, die schon 1990 Leistungen nach dem AFG bezogen, der Bestandsschutz des § 249b Abs 2 Satz 5 AFG zugute, der auch einen gewissen Ausgleich für ihre bisherige steuerrechtliche Situation darstellt. § 249b Abs 2 Satz 3 AFG sieht vor, daß schon 1990 bezogene Leistungen, zB Alg, für die Zeit nach dem 31. Dezember 1990 neu festzusetzen sind (vgl auch Kapitel VIII Sachgebiet E Abschnitt III Nr 1 Buchst a Doppelbuchst ee der Anlage II des EinigVtr, BGBl II 1990, 889, 1209). Daß die Neufestsetzung häufig zu niedrigeren Leistungssätzen führen würde, regelmäßig zB bei Ehegatten mit der (für das Beitrittsgebiet neuen) Steuerklasse V, ist beim EinigVtr berücksichtigt worden. Zum Schutze der Leistungsempfänger ist daher bestimmt worden, daß eine Verminderung der Leistung ausgeschlossen ist (§ 249b Abs 2 Satz 5 AFG). Die Leistungen ab 1. Januar 1991 werden hiernach allgemein nach den für alle geltenden Vorschriften berechnet. Wer Leistungen schon für die Zeit vor dem 1. Januar 1991 zu beanspruchen hat, erhält den nach den §§ 111, 112 AFG-DDR zu berechnenden ggf höheren Betrag indes so lange, bis dieser Betrag von dem unter Zugrundelegung der für alle geltenden Vorschriften errechneten Betrag überschritten wird. Insoweit besteht Bestandsschutz. LPG-Mitglieder, die vor dem 1. Januar 1991 Anspruch auf Alg erworben haben, erhalten zwar ihren bisherigen, auf der Grundlage des individuellen Nettoentgelts berechneten Leistungssatz weiter, müssen indes ebenfalls in Kauf nehmen, daß für die Bestimmung des nun an sich maßgebenden Bemessungsentgelts die vor dem 1. Januar 1991 erzielte lohnsteuerfreie Arbeitsvergütung ohne Sonderbehandlung zugrunde gelegt wird.
Für den Personenkreis des Klägers, dessen Bemessungszeitraum vor dem 1. Januar 1991 liegt, dessen Bezugszeitraum aber erst 1991 beginnt, ist dagegen ein vergleichbarer Bestandsschutz nicht vorgesehen. Vielmehr bestimmt § 249c Abs 10 Nr 1 AFG, daß bei der Anwendung des § 111 Abs 2 AFG, dh bei der Gestaltung der Leistungssätze, hinsichtlich der gewöhnlichen gesetzlichen Abzüge selbst solche Besonderheiten, die im Beitrittsgebiet noch gelten, nicht berücksichtigt werden. Diese Gesetzeslage und die Tatsache, daß der EinigVtr und die in seinen Anlagen enthaltenen Regelungen als Gesamtwerk geschaffen wurden und nicht nur das Sozialrecht, sondern, wie ausgeführt, auch das Lohnsteuerrecht geregelt worden ist, legen es nahe, daß der Gesetzgeber bei LPG-Mitgliedern, die erst nach dem 31. Dezember 1990 die Anspruchsvoraussetzungen für Alg erfüllen, bewußt nicht berücksichtigen wollte, daß das im Jahr 1990 erzielte Bemessungsentgelt keiner Lohnsteuer unterlag, die nun zur Anwendung kommenden Leistungssätze indes Steuerabzüge, ua für Lohnsteuer, berücksichtigen.
4. Der Gesetzgeber war auch nicht verpflichtet, im Hinblick auf die Gruppe der LPG-Mitglieder, für deren Bemessungsentgelt 1990 bezogene Arbeitsvergütungen maßgebend sind, eine besondere Regelung für Bezugszeiten nach dem 31. Dezember 1990 zu treffen.
Gegenteiliges läßt sich nicht aus dem Zweck der Lohnersatzleistungen nach dem AFG ableiten. Allerdings darf nicht verkannt werden, daß das Alg nach dem geltenden Bemessungssystem nicht wie allgemein sonst nach Maßgabe der jeweiligen Nettolohnersatzquote den bisherigen Lebensstandard sichert, wenn die dem Bemessungsentgelt zugrunde zu legende Arbeitsvergütung wie in Fällen vorliegender Art lohnsteuerfrei gewesen ist. Das geltende Bemessungssystem garantiert indessen nicht den bisherigen Lebensstandard in Höhe der Nettolohnersatzquote. Es ist vielmehr darauf ausgerichtet, in Höhe der Nettolohnersatzquote den Nettolohn zu ersetzen, den der Arbeitslose während des Leistungsbezugs erzielen würde, hätte er Arbeit (vgl dazu näher: BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 3 mwN). Die Anknüpfung des Bemessungsentgelts an eine erzielte Arbeitsvergütung verfehlte dieses gesetzgeberische Ziel, wenn das Bemessungsentgelt nicht wiedergäbe, was der Arbeitslose in etwa als Bruttolohn erzielen würde. Wenn nach dem Ausscheiden des Arbeitslosen aus einer bisherigen Beschäftigung die Arbeitslöhne angehoben werden, entsteht eine solche Gefahr. Das geltende System berücksichtigt dies, indem das für die Bemessung der Leistung maßgebende Bemessungsentgelt nach einer bestimmten Zeit angehoben wird (vgl § 112a AFG). Das kann dennoch zu Härten führen, insbesondere wenn der Arbeitslose unmittelbar vor einer Lohnerhöhung ausgeschieden ist, wie das auch hier vom Kläger geltend gemacht worden ist; solche Härten sind indes hinzunehmen (vgl BSG SozR 4100 § 112 Nrn 3 und 5). Die Anpassung des Bemessungsentgelts erfolgt auch nicht nach Maßgabe der Verhältnisse des Wirtschaftszweigs, dem der Arbeitslose angehört hat, sondern nach Lohnsteigerungen insgesamt, wobei allerdings der Anpassungssatz nicht nach den Verhältnissen im gesamten Bundesgebiet und bundeseinheitlich bestimmt wird. Nach der Übergangsregelung des § 249c Abs 13 AFG errechnet sich der Anpassungssatz bei Bemessungsentgelten, die – wie im Falle des Klägers – überwiegend auf Zeiten mit Arbeitsentgelten aus dem Beitrittsgebiet beruhen, aus der Veränderung der Bruttoarbeitsentgelte, die der jeweiligen Rentenanpassung in diesem Gebiet zugrunde liegen. Arbeitslosen aus der Landwirtschaft im Beitrittsgebiet kommen daher die allgemeinen Lohnsteigerungen, die im Beitrittsgebiet erzielt werden, zugute, wenn auch jeweils erst mit zeitlicher Verzögerung, nicht dagegen außergewöhnliche Entwicklungen in der Landwirtschaft; wenn dort etwa mit Rücksicht auf den Wegfall der Steuerfreiheit der LPG-Mitglieder trotz der im Vergleich hohen Erzeugerpreise die Löhne ab 1. Januar 1991 überdurchschnittlich gestiegen sein sollten, wirkt sich dies unmittelbar auf die Anpassung der Bemessungsentgelte arbeitslos gewordener LPG-Mitglieder nicht aus. Daß bei höheren allgemeinen Lohnsteigerungen, wie sie 1990 für das Beitrittsgebiet erwartet worden sind, eine raschere Anpassung erforderlich ist, damit Bemessungsentgelte und erzielbare Bruttolöhne in etwa übereinstimmen, hat das Gesetz bis 1993 einschließlich berücksichtigt. Denn nach § 249c Abs 13 Satz 2 AFG in der bis zum Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993 (BGBl I 944) geltenden Fassung verkürzt sich der Jahreszeitraum, den § 112a AFG für die Anpassung vorsieht, nach Maßgabe der Verkürzung des Jahresabstands der Rentenanpassung im Beitrittsgebiet. Da die Renten im Beitrittsgebiet bislang halbjährlich angepaßt worden sind, sind auch die der Alg-Bemessung zugrunde zu legenden Bemessungsentgelte 1991, 1992 und 1993 alle sechs Monate angepaßt worden, und zwar nicht unerheblich. Eine besondere Übergangsregelung für die Bemessungsentgelte der LPG-Mitglieder, die auf vor dem 1. Januar 1991 erzielten Arbeitsvergütungen beruhen, wäre nur erforderlich, wenn trotz der rascheren und merkbaren Steigerung der Bemessungsentgelte, die allerdings allen Arbeitslosen im Beitrittsgebiet zugute kommen, die jeweiligen Bemessungsentgelte prinzipiell ungeeignet wären, wiederzugeben, was jemand wie der Kläger verdienen würde, hätte er Arbeit. Für eine solche Annahme gibt es indes keine verläßliche Grundlage. Daß der Kläger nur bis zum 30. Juni 1991 arbeitslos war, ändert an diesen allgemeinen Zusammenhängen nichts.
5. Entgegen der von den Vorinstanzen vertretenen Rechtsauffassung stellt die Nichtberücksichtigung der früheren Steuerfreiheit der LPG-Mitglieder beim Bemessungsentgelt keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 Grundgesetz ≪GG≫ dar.
Der Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Insbesondere soll ausgeschlossen werden, daß eine Gruppe von Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfGE 84, 348, 359 mwN). Auch eine für alle Betroffenen gleiche Regelung verstößt gegen Art 3 Abs 1 GG, wenn sie für eine Personengruppe Unterschiede von solcher Art und Gewicht zur Folge hätte, daß ihr gegenüber die gleichartige Behandlung nicht zu rechtfertigen wäre (BVerfGE 72, 141, 150). Es kann hier offenbleiben, inwieweit die durch Art 4 Nr 5 EinigVtr eingefügte Regelung des Art 143 GG, wonach ua der Gleichheitsgrundsatz im Beitrittsgebiet für eine bestimmte Zeit nur eingeschränkt gilt, eingreifen könnte. Denn im vorliegenden Fall wird dieses Grundrecht nicht verletzt.
Alle arbeitslos gewordenen LPG-Mitglieder, für deren Bemessungsentgelte ab 1991 lohnsteuerfreie Arbeitsvergütungen aus dem Jahre 1990 maßgebend sind, würden im Vergleich mit anderen Arbeitnehmern zu Unrecht gleichbehandelt, wenn ihre lohnsteuerfreien Arbeitsvergütungen auch unter Berücksichtigung der §§ 112a, 249c Abs 13 AFG und der Härten, die das Gesetz bei der Anpassung der Bemessungsentgelte den Arbeitslosen zumutet, im Ansatz nicht wiedergeben, was sie verdienen würden, hätten sie Arbeit. Für eine solche Annahme gibt es, wie schon erwähnt, keine verläßliche Grundlage, die den Gesetzgeber 1990 hätte veranlassen müssen, eine für diese Gruppe von LPG-Mitgliedern günstigere Bestimmung hinsichtlich der Bemessungsentgelte zu erlassen. Insofern kann auch dahingestellt bleiben, ob diese früheren LPG-Mitglieder außerdem im Vergleich zu den – im Verhältnis zu den Mitgliedern wenigen – Arbeitnehmern, die als Nichtmitglieder bei einer LPG beschäftigt waren, schlechter stehen, oder ob, wie die Beklagte meint, Genossenschaftsbauern wegen einer Doppelstellung als Genossenschaftsmitglied einerseits und abhängig Beschäftigter andererseits hinsichtlich ihrer Vergütung und steuerrechtlichen Situation zu Recht anders zu behandeln sind.
Allerdings wird der vom Kläger repräsentierte Personenkreis der arbeitslos gewordenen LPG-Mitglieder, deren Bemessungszeitraum vor dem 1. Januar 1991 liegt, deren Bezug aber erst nach dem 31. Dezember 1990 beginnt, schlechter behandelt als die Gruppe der arbeitslosen LPG-Bauern, deren Bezug schon 1990 begonnen hat. Deren Leistungen werden für die Zeit ab 1. Januar 1991 zwar auch neu berechnet. Sie genießen nach § 249b Abs 2 Satz 5 AFG jedoch insoweit Bestandsschutz, als eine Verminderung der bisherigen Leistung ausgeschlossen ist.
Für diesen sich aus den gesetzlichen Vorschriften ergebenden Unterschied gibt es indessen hinreichende sachliche Gründe. Dabei ist zu beachten, daß die gesamte Regelung des EinigVtr vor dem Hintergrund der erforderlichen Angleichung von zwei völlig unterschiedlichen Rechts- und Wirtschaftssystemen entwickelt werden mußte und die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers insoweit groß sein mußte (vgl BVerfGE 85, 360, 377; BSGE 72, 50, 63 = SozR 3-8570 § 10 Nr 1; BSG Urteil vom 10. August 1993 – 9 RV 4/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Insbesondere die hier angesprochenen Steuersysteme der Bundesrepublik und der DDR waren völlig unterschiedlich. Unterschiedliche Lohnsteuerklassen und ihr Ausweis in Steuerkarten hat es in der DDR nicht gegeben. Das Bemessungssystem des § 111 Abs 1 AFG konnte deshalb erst ab 1. Januar 1991 mit der Einführung von Lohnsteuerklassen und Steuerkarten im Beitrittsgebiet Anwendung finden. Die Weitergeltung des § 111 AFG-DDR bis zum 31. Dezember 1990 war daher unabweisbar. Vor diesem Hintergrund ist es sachlich gerechtfertigt, daß der Gesetzgeber bisherigen Leistungsempfängern im Rahmen der Übergangsregelung des § 249b Abs 2 AFG Bestandsschutz für eine bisherige höhere Leistung gewährte, während die Leistungen für nach dem 31. Dezember 1990 hinzutretende Leistungsempfänger ausschließlich nach bundeseinheitlichem neuen Recht bemessen wurden.
Daß diese Stichtagsregelung für die vom Kläger repräsentierte Gruppe von Arbeitslosen im Vergleich zu den arbeitslosen LPG-Mitgliedern mit Bestandsschutz wie zu anderen Arbeitslosen, deren 1990 erzielte Bemessungsentgelte nicht steuerfrei waren, eine Härte mit sich bringt, macht sie nicht ohne weiteres verfassungswidrig. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG liegt es im Rahmen des Gestaltungsermessens des Gesetzgebers zu bestimmen, welche Sachverhaltselemente für die Gleich- bzw Ungleichbehandlung entscheidend sind, und in diesem Zusammenhang auch eine zeitliche Fixierung, die gewisse Härten mit sich bringen kann, festzuschreiben. Dabei ist nicht zu beurteilen, ob der Gesetzgeber im einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (BVerfGE 50, 57, 77 mwN). Sein Spielraum endet erst dort, wo die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte evidentermaßen nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten sachgerechten Betrachtungsweise vereinbar ist (BVerfGE 55, 114, 128; 71, 255, 271) oder die Stichtagsregelung und die damit zwangsläufig verbundenen Härten sachlich nicht vertretbar bzw ohne Schwierigkeit vermeidbar gewesen wären (BVerfGE 63, 119, 128; 80, 297, 311 mwN). Letzteres ist hier nicht der Fall. Denn die gesetzliche Anknüpfung an die Einführung der Lohnsteuerklassen usw im Beitrittsgebiet ab 1. Januar 1991 ist nicht willkürlich, sondern erklärt sich aus der dargestellten Übergangssituation.
Anerkannt ist weiter, daß der Gesetzgeber, um den praktischen Bedürfnissen einer Massenverwaltung gerecht zu werden, verwaltungsvereinfachende, typisierende und generalisierende leistungsrechtliche Normen im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit erlassen darf. Soweit dabei bei einzelnen Sachverhaltsvarianten Nachteile bei Betroffenen auftreten, sind diese grundsätzlich als notwendige Begleitumstände von derart typisierenden gesetzlichen Regelungen hinzunehmen, es sei denn, in nicht nur wenigen besonders gelagerten Fällen entstünden deutliche Ungleichheiten iS des Art 3 GG (BVerfGE 63, 119, 128; 84, 348, 359 f). Gerade bei den hier in Rede stehenden Leistungen handelt es sich um solche, die von der BA in einer Vielzahl von Fällen zu erbringen sind, und die, um ihre existenzsichernde Wirkung zu erhalten, besonders zügig abgewickelt werden müssen. Insoweit trägt die gesetzliche Regelung, die ab 1. Januar 1991 für die in bezug auf die der Leistung zugrunde zu legende 1990 erzielte Bruttoarbeitsvergütung nicht unterscheidet, ob die Vergütung der Lohnsteuer unterlag, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung. Den Arbeitsämtern hätte nämlich sonst aufgegeben werden müssen, bei im ersten Vierteljahr 1991 arbeitslos gewordenen LPG-Mitgliedern entweder das erzielte Arbeitsentgelt „aufzustocken”, was – wegen des gleichzeitig anzuhebenden Sozialversicherungsbeitrags – kein ganz einfacher Vorgang ist, oder in jedem Einzelfalle das tarifliche oder ortsübliche Arbeitsentgelt der Beschäftigung festzustellen, für die der Arbeitslose künftig in Betracht kommt (vgl § 112 Abs 7 AFG). Das hätte die Arbeitsämter im Beitrittsgebiet, die sowieso schon mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, zweifellos überfordert. Das gilt erst recht, wenn aus Gründen der Gleichbehandlung ein solches Verfahren auf alle 1990 arbeitslos gewordenen LPG-Mitglieder erstreckt worden wäre, die auch nach dem 31. Dezember 1990 Leistungen bezogen. Daß die Vernachlässigung der bisherigen Lohnsteuerfreiheit beim Bemessungsentgelt im Falle des Klägers und nicht nur in seinem Fall, sondern bei einer zahlenmäßig zwar nicht näher bekannten, aber größenordnungsmäßig wohl nicht zu vernachlässigenden Gruppe von Leistungsbeziehern, zu einer Schlechterstellung führt, muß daher hingenommen werden. Dabei ist auch zu beachten, daß die Berücksichtigung der Steuerfreiheit der LPG-Mitglieder über den 1. Januar 1991 hinaus die Fortschreibung einer dem Recht des AFG fremden Begünstigung bedeuten würde, und die Nichtberücksichtigung der Steuervergünstigung in der Vergangenheit durch die sogenannte Dynamisierungsregelung des § 112a AFG iVm § 249c Abs 13 AFG teilweise ausgeglichen wird, es sich also nicht um eine auf Dauer unveränderte Benachteiligung handelt.
6. Nach alledem ist festzuhalten, daß das Alg des Klägers bis zu der nach §§ 249e Abs 3, 112a, 249c Abs 13 AFG vorzunehmenden Anpassung des Bemessungsentgelts nach einem Bemessungsentgelt von 420,– DM zu berechnen war. Da die Anpassung nicht vor dem 1. Juli 1991 vorzunehmen war, steht dem Kläger für die hier streitige Zeit bis zum 30. Juni 1991 kein höheres Alg zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen