Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Meniskusschädigung als Folge eines Arbeitsunfalls anzusehen ist.
Normenkette
RVO § 542 Fassung: 1942-03-09
Tenor
Das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 3. Juni 1959 wird mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Bei dem 1887 geborenen, als Zimmerer beschäftigt gewesenen Kläger wurde am 29. Januar 1951 der Innenmeniskus des rechten Kniegelenks durch den Facharzt für Orthopädie G operativ entfernt. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Notwendigkeit zu dieser Operation und die damit zusammenhängenden, auch in der Folgezeit nicht behobenen Gesundheitsstörungen am rechten Knie ursächlich auf betriebliche Vorgänge zurückzuführen sind, welche sich nach den vom Unternehmer erstatteten Unfallanzeigen am 4. Januar 1950 um 16,00 Uhr und am 7. Oktober 1950 um 12,30 Uhr ereigneten.
Am Mittwoch, dem 4. Januar 1950, glitt der Kläger auf dem Hof der Arbeitsstätte aus, als er ein Brett holen wollte, und prellte sich das rechte Knie; die Arbeit stellte er am 5. Januar 1950 um 17,00 Uhr (Betriebsschluß) ein; die Unfall anzeige wurde erst am 9. Februar 1950 erstattet, nachdem der Kläger am 3. Februar 1950 die Arbeit wiederaufgenommen hatte; der Unternehmer gab an, der Kläger habe versäumt, den Unfall früher zu melden. Bei der Vernehmung durch die Gemeindebehörde im Januar 1954 gab der Kläger an, er sei auf dem etwas abschüssigen Hof infolge Glatteises ausgerutscht, wobei das linke Bein nach vorn und das rechte Bein zur Seite geglitten seien, gleichzeitig sei er mit dem rechten Bein eingeknickt und mit dem Gesäß auf dieses Bein gefallen; das rechte Knie habe sofort heftig geschmerzt und sei stark angeschwollen. Nachdem er mit Hilfe eines Arbeitskollegen aufgestanden sei, habe er die Arbeit recht und schlecht fortgesetzt und am 7. Januar 1950 den praktischen Arzt Dr. K aufgesucht.
Am Sonnabend, dem 7. Oktober 1950, fuhr der Kläger mit dem Fahrrad von der Arbeitsstätte nach Hause; als er bei einer Steigung vom Rad abstieg, blieb er mit dem linken Fuß am Pedal hängen, während das Rad noch eine Schrittlänge weiterrollte; hierbei habe er sich das rechte Knie gezerrt und bei Wiederaufsteigen Schmerzen verspürt. Die Anzeige wurde am 30. März 1951 erstattet mit dem Vermerk, der Unfall habe sich erst nach der Operation herausgestellt. Bei seiner Vernehmung im Juli 1951 gab der Kläger ergänzend an, er habe drei Tage nach diesem Vorfall den Arzt aufgesucht; ein Versuch, am 10. Oktober 1950 die Arbeit wiederaufzunehmen, sei wegen der dadurch verstärkten Schmerzen gescheitert.
Dr. K erstattete am 24. Juli 1951 über beide Unfälle einen Formularbericht, worin er angab, bei den ersten Behandlungen am 7. Januar bezw. 7. Oktober 1950 habe er beim Kläger jeweils festgestellt: Zerrung des rechten inneren Seitenbandes, Beugebehinderung und Schmerzen am Knie. Arbeitsunfähigkeit habe vom 7. Januar 1950 an für vier Wochen sowie vom 7. Dezember 1950 bis zum 26. April 1951 vorgelegen. Der Facharzt für Orthopädie G berichtete am 4. Mai 1951 auf einem gleichartigen Vordruck, er habe den Kläger vom 18. Dezember 1950 bis zum 23. April 1951 behandelt und typische Kennzeichen einer medialen Meniskusläsion festgestellt. Ergänzend teilte der Arzt mit Schreiben vom 5. Februar 1952 ua folgendes mit:
"Es bestand kein Reizzustand der Synovialis, der Meniskus war korbhenkelartig von seinem Ansatz an der Kapsel gelöst, am Vorder- u. Hinterhorn noch fixiert. Leichte arthrotische Veränderungen am Rand des med. Condylus und der Tibiagelenkfläche, teilweise Auffaserung des Gelenkknorpels nach Art einer beginnenden Osteochondritis diss.
Histologische Untersuchung am 30.1.51. Hyg.-Bakt. Untersuchungsstelle am Stadtkrankenhaus Hof Nr. 20737: Histologisch zeigt der Meniskus in den vielen Schnitten keine besonderen Veränderungen. Es findet sich weder eine Entzündung, noch finden sich degenerative Veränderungen. Vor allem finden sich keine Veränderungen von Malignität oder spez. Entzündung. gez. Dr. K"
Die Beklagte ließ den Kläger im Stadtkrankenhaus Hof untersuchen. Dr. M und Dr. P meinten im Gutachten vom 5. November 1951, die Folgen des ersten Unfalls seien nach einiger Zeit abgeklungen gewesen; der Unfall vom 7. Oktober 1950 habe jedoch eine Verletzung des rechten Innenmeniskus zur Folge gehabt; der Operationsbefund habe erwiesen, daß eine traumatische Gelenkschädigung, nicht aber eine schicksalsmäßige Gelenkerkrankung vorgelegen habe. Wegen der Unfallfolgen - mäßige Arthrosis deformans mit Schmerzhaftigkeit im rechten Kniegelenk, leichte Gehbehinderung, geringe Beugebehinderung, Muskelschwund, Gelenkschwellung - betrage die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) 20 v.H. Im Gutachten vom 17. Februar 1952 vertraten dieselben Fachärzte den Standpunkt beide Unfälle seien ihrer Art nach geeignet gewesen, einen Meniskusschaden herbeizuführen; da die feingewebliche Untersuchung des operativ entfernten Meniskus keine degenerativen Veränderungen ergeben habe, sei - trotz der allgemein als degenerativ anzusehenden Korbhenkelrißform - ein zweizeitiges Meniskustrauma im Sinne von Krömer anzunehmen. In einem Bericht vom 23. April 1952 schätzte Dr. ... die - überwiegend auf Unfallfolgen beruhende - MdE des Klägers auf 60 v.H.
Prof. Dr. ... war demgegenüber in seinen Gutachten vom 12. Mai 1952 und 23. Februar 1954 der Auffassung, beim Kläger handele es sich um eine degenerative Meniskuslösung; diese Annahme beruhe vor allem auf der Korbhenkelform des Meniskusrisses; der Umstand, daß bei der histologischen Untersuchung keine degenerativen Veränderungen gefunden wurden, stehe hierzu nicht in Widerspruch.
Die Beklagte lehnte durch die Bescheide vom 26. Mai 1952 und 8. April 1954 die Entschädigungsansprüche des Klägers ab mit der Begründung, die Gesundheitsstörungen am rechten Knie des Klägers seien keine Folgen der Unfälle vom 4. Januar und 7. Oktober 1950.
Nachdem der vom Oberversicherungsamt Nürnberg gehörte Chirurg Dr. M im Gutachten vom 28. Oktober 1953 den Unfall vom 4. Januar 1950 als auslösendes Moment für den Meniskusriß bezeichnet hatte, ließ das Sozialgericht (SG) Bayreuth, auf welches das Klageverfahren übergegangen war, durch die Chirurgische Universitätsklinik Erlangen am 31. Dezember 1954 ein Obergutachten erstatten. Prof. Dr. ... und Dr. ... führten darin aus, beide Unfälle seien nach ihrem Verletzungsmechanismus geeignet gewesen, die Entstehung der Meniskusschädigung zu erklären. Degenerative Veränderungen, die eine Meniskusablösung verursacht haben könnten, seien bei der histologischen Untersuchung nicht festgestellt worden, Korbhenkelabrisse seien häufig bei wiederholten (hier zweimaligen) Traumen zu beobachten. Ein nicht erheblicher Teil der gegenwärtigen Beschwerden werde durch schicksalsmäßige Gelenkabnutzung verursacht, der unfallbedingte Anteil habe eine MdE von 20 v.H. zur Folge.
Die Beklagte legte hierauf das Gutachten des Chirurgen Dr. P vom 17. Februar 1955 vor, der den Auffassungen des Dr. M und der Chirurgischen Universitätsklinik Erlangen entgegentrat und meinte, das klinische Bild spreche gegen eine traumatische Meniskuszerreißung. Ferner ließ die Beklagte durch Prof. Dr. C, den ehemaligen Direktor des Pathologischen Universitätsinstituts Bonn, das Gutachten vom 28. Mai 1955 erstatten. Dieser führte aus, die Beurteilung sei dadurch sehr erschwert, daß aus der Zeit unmittelbar nach dem Unfall kein genauer ärztlicher Untersuchungsbefund vorliege; unverständlich sei, daß die histologische Untersuchung keine degenerativen Veränderungen oder sonstigen Abnutzungserscheinungen am Meniskus ergeben habe, obwohl solche Veränderungen gerade bei dem Beruf des Klägers als Zimmerer zu erwarten gewesen seien; die Mechanismen beider Unfälle erschienen nicht geeignet, einen gesunden Meniskus zum Einreißen zu bringen; auch die klinischen Erscheinungen seien für eine traumatische Zerreißung nicht charakteristisch. Eine solche käme nur in Betracht, wenn der Kläger am 7. Oktober 1950 nicht mit dem linken, sondern mit dem rechten Fuß im Pedal hängengeblieben wäre. Wahrscheinlich sei die Meniskuserkrankung nicht durch die beiden Unfälle verursacht worden, sondern als Folge eines bei der Berufsarbeit langsam entstandenen Gewebsverschleißes anzusehen (Meniskopathie).
Das SG hat durch Urteil vom 12. Oktober 1955 die Klage abgewiesen.
Im Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht (LSG), um die bereits vorliegenden gegensätzlichen ärztlichen Stellungnahmen kritisch würdigen zu lassen, die Orthopädische Klinik des W. A. mit der Erstattung des Gutachtens vom 26. Januar 1959 beauftragt. Die Sachverständigen Dr. B und Dr. E haben darin gleichfalls das Fellen genauerer Angaben in den Berichten der erstbehandelnden Arzte bemängelt. Nach eingehenden Darlegungen über die Merkmale eines zur Meniskuszerreißung führenden Unfallhergangs haben sie ausgeführt, die beiden Unfälle des Klägers erschienen ungeeignet, einen noch nicht degenerativ veränderten Meniskus geschädigt zu haben. Wenn möglicherweise doch im Januar oder Oktober 1950 eine Meniskusschädigung eingetreten sei, könne sie nur auf dem Boden einer bestehenden Vorschädigung erfolgt sein. Die von Prof. Dr. C gegen den histologischen Befund geäußerten Bedenken seien berechtigt. Deshalb könne den auf diesen Befund sowie auf den Unfallmechanismus gestützten Schlußfolgerungen der Chirurgischen Universitätsklinik Erlangen nicht beigepflichtet werden. Zusammenfassend heißt es dann in dem Gutachten:
"Trotz gegenteiliger Meinungen muß eine unfallbedingte Meniskusschädigung an einer vorher gesunden Knieknorpelscheibe durch die Ereignisse am 4.1.1950 wie am 7.10.1950 unter Berücksichtigung des jeweiligen Unfallmechanismus und der bei der Operation am 29.1.1951 vorgefundenen Aufbrauchszeichen am rechten Kniegelenk zumindest als fraglich bezeichnet werden. Dem histologischen Untersuchungsergebnis kann eine überzeugende gegenteilige Beweiskraft nicht zugestanden werden. Andererseits zeigt aber der erste ärztliche Befund vom 7.1.1950 auf eine stattgehabte Schädigung an der Innenseite des rechten Kniegelenkes hin und die Operation am 29.1.1951 ergab einen Korbhenkelriß des Innenmeniskus des rechten Kniegelenkes. Auf Grund dieser Tatsachen sehen wir uns doch veranlaßt anzunehmen, daß es bei dem Sturz am 4.1.1950 tatsächlich zu einer Schädigung des bereits veränderten Innenmeniskus am rechten Kniegelenk gekommen ist. Damit könnte man dann auch eine temporäre Meniskuseinklemmung, wie sie möglicherweise bei dem ungünstigen Absteigen vom Fahrrad am 7.10.1950 in Erscheinung getreten ist, erklären. Dabei möchten wir aber nochmals betonen, daß uns die Verletzung einer gesunden Knorpelscheibe des Kniegelenkes durch das Ereignis am 4.1.1950 nicht genügend wahrscheinlich erscheint, sondern diese nur durch eine bereits bestehende Vorschädigung des betroffenen Meniskus im Sinne von degenerativen Veränderungen ausgelöst werden konnte. Krömer führt aus, daß die glatte Ablehnung des Unfallzusammenhanges bei etwas unklaren Fällen mit dem Gewissen nicht gut vereinbar ist, weil man sich immer wieder vor Augen halten muß, daß bei einem Arbeiter die Wahrscheinlichkeit, sich bei der Arbeit zu verletzen oder zu schädigen, doch weitaus größer ist als eine Verletzung in der Freizeit, wenn es sich nicht gerade um einen Fußballer und dergleichen handelt. Trotz dieser Anschauung und trotz des Fehlens eines entsprechenden histologischen Substrates ist im vorliegenden Fall nach unserer Ansicht die Entstehung des Korbhenkelrisses letztlich nur durch bereits vorhandene degenerative Störungen zu erklären.
Herr Prof. C hat in seinem ausführlichen Gutachten die berufsbedingte, vermehrte Beanspruchung der Kniegelenke bei Zimmerleuten aufgezeigt. Herr S. ist seit 1904 als Zimmermann tätig gewesen und hat nicht wesentlich Sport getrieben. Unter Voraussetzung der Richtigkeit dieser Angaben müssen wir doch einräumen, daß durch die vieljährige berufliche Belastung an den Knorpelscheiben der Kniegelenke bei Herrn S. praedisponierende Verschleißerscheinungen aufgetreten sind, wodurch es dann durch ein verhältnismäßig leichteres Trauma zu einem Riß am Innenmeniskus des rechten Kniegelenkes kommen konnte."
Nachdem sodann der von Krömer in seinem Referat auf der Unfallchirurgischen Tagung in Erlangen am 17. November 1957 (S. 122 des vom Landesverband Bayern der gewerblichen Berufsgenossenschaften herausgegebenen Tagungsberichts) vertretene Standpunkt wörtlich wiedergegeben wird, führen Dr. B und Dr. E abschließend aus:
"Gestützt auf die vorhergehenden Auffassungen namhafter Kenner der komplizierten Zusammenhänge von Meniskusschädigungen halten wir bei Annahme der Richtigkeit der gemachten Angaben des Herrn S. über seine lange berufliche Tätigkeit eine Anerkennung seiner jetzigen Veränderungen am rechten Kniegelenk insoweit berechtigt, als daß wir glauben, daß durch die vieljährige berufliche Belastung eine latente Rißbereitschaft der Kniegelenksbandscheiben bedingt wurde und daß das Ereignis vom 4.1.1950 infolge dieser berufseigenen Vorschädigung in der Lage war, einen Meniskusriß auszulösen und damit den Faktor einer wesentlichen Teilursache darstellt. Es ist nicht zu bestreiten, daß sich der Unfall vom 4.1.1950 durch die sehr wahrscheinlich stattgehabte Verletzung des bereits veränderten Innenmeniskus rechts und vor allem nach dessen notwendiger operativer Entfernung verschlimmernd auf das Aufbrauchsgeschehen am rechten Kniegelenk bei Herrn S. ausgewirkt hat. Auf diese Weise glauben wir in Anbetracht der vorliegenden komplizierten Verhältnisse und unter Berücksichtigung der besonderen beruflichen Belastung und des Lebensalters des Herrn S. eine gerechte Lösung gefunden zu haben. Es wird deshalb empfohlen, daß die Berufsgenossenschaft die bestehenden Veränderungen am rechten Kniegelenk bei Herrn S. entschädigt. Die dadurch bedingte Erwerbsminderung beträgt 20%".
Die Beklagte hat hierauf eine nochmalige gutachtliche Stellungnahme des Dr. P vom 20. Mai 1959 vorgelegt, worin dieser insbesondere den von Krömer entwickelten Auffassungen entgegengetreten ist, die praktisch eine Vorwegnahme der Anerkennung von Meniskusleiden als Berufskrankheit (BK) über den Kreis der Bergleute hinaus bedeuteten.
Durch Urteil vom 3. Juni 1959 hat das LSG die Beklagte verurteilt, dem Kläger am 7. Januar 1951 Unfallrente nach einer MdE von 20 v.H. zu zahlen. In den Gründen wird ausgeführt, das Gericht sei der von der Orthopädischen Klinik W. A. vertretenen Auffassung gefolgt, wonach vor allem das Schadensereignis vom 4. Januar 1950 den Meniskusabriß zum Teil verursacht und dadurch verschlimmernd auf das Aufbrauchsgeschehen am rechten Knie eingewirkt habe. Hiermit werde nicht von den anerkannten Beurteilungsgrundsätzen abgewichen. Der Unfallhergang vom 4. Januar 1950 erscheine geeignet, eine Meniskusschädigung rechtserheblich mitverursacht zu haben, insbesondere nachdem die allgemein als Kriterium gewerteten Degenerationsveränderungen durch die histologische Untersuchung ausgeschlossen worden seien. Dieser histologische Befund, an dessen Richtigkeit nicht gezweifelt werden könne, sei entscheidend für den Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs. Die Altdorfer Gutachter hätten mit ihrer Bezugnahme auf gewisse, bei der unfallchirurgischen Tagung in Erlangen am 16./17. November 1957 erörterte neuere Erkenntnisse die allgemeingültigen Beurteilungsgrundsätze nicht aufgegeben. Die von der Beklagten angeregte Einholung eines weiteren Gutachtens erscheine entbehrlich, zumal von Prof. M L bzw. seiner Klinik eine grundsätzlich andere Beurteilung nicht zu erwarten sei. - Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.
Gegen das am 4. September 1959 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26. September 1959 Revision eingelegt und sie am 22. Oktober 1959 begründet. Sie macht ua geltend, das vom LSG als ausschlaggebend bezeichnete Gutachten des W. A. sei in mehrfacher Hinsicht widersprüchlich und nicht geeignet, die angefochtene Entscheidung zu stützen. Auch habe das LSG zu Unrecht besonderes Gewicht auf die Beweiskraft des histologischen Befundes gelegt. Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt Verwerfung der Revision. Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Beide Beteiligten haben sich gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Von seiner hierdurch gegebenen Befugnis hat der Senat Gebrauch gemacht.
II
Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hatte auch Erfolg, da einige der aus § 162 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 SGG hergeleiteten Rügen begründet sind.
Der Senat pflichtet der Revision im Ergebnis darin bei, daß das LSG zu Unrecht in dem von ihm als maßgebend bezeichneten Gutachten der Orthopädischen Klinik W. A. eine ausreichende Entscheidungsgrundlage erblickt und Maßnahmen zur weiteren Erforschung des Sachverhalts als unnötig bzw. nicht durchführbar angesehen hat. Das Revisionsvorbringen erscheint freilich nicht in allen Punkten gleichermaßen schlüssig. So ist zwar in den Gründen des angefochtenen Urteils wie auch im Gutachten der Altdorfer Klinik der Zeitpunkt der Arbeitseinstellung und der ersten Inanspruchnahme des Dr. K nach dem Unfall vom 4. Januar 1950 nicht ganz korrekt wiedergegeben worden; Anhaltspunkte für einen wesentlichen Verfahrensmangel werden jedoch hieraus nicht ohne weiteres ersichtlich. Als abwegig ist die Meinung der Revision zu bezeichnen, das LSG sowie die Sachverständigen Dr. B und Dr. F hätten sich auf einen unbekannten Autor namens K berufen, dessen medizinische Veröffentlichungen nicht hinreichend nachgewiesen worden seien. Abgesehen davon, daß der vom LSG zitierte Hamburger Chirurg Dozent Dr. K durch seine Arbeiten zum Meniskusproblem - von ihnen wird noch die Rede sein - in Fachkreisen allgemein als weithin bekannt gelten muß (vgl. Bürkle de la Camp/Rostock, Handbuch der gesamten Unfallheilkunde, III. Bd., 2. Aufl. 1956 S. 306), ist in den Gründen des angefochtenen Urteils wie auch in den Ausführungen der Altdorfer Gutachter ausdrücklich auf den veröffentlichten Bericht über die unfallchirurgische Tagung in Erlangen 1957 Bezug genommen worden, worin die Darlegungen K auch der Beklagten zugänglich gemacht wurden.
Schwerer wiegt nach Ansicht des Senats schon die Rüge, das Gutachten der Altdorfer Klinik enthalte insofern einen ungelösten Widerspruch, als die Sachverständigen zunächst wegen der "Vorschädigung" des Kniegelenks eine MdE von 20 v.H. annehmen, später jedoch die unfallbedingte MdE ebenfalls auf 20 v.H. schätzen, ohne daß genügend klar wird, ob hierbei die gleichen Gesundheitsstörungen gemeint sind oder ob als Unfall folge ein gegenüber den Degenerationserscheinungen selbständiger Schaden in Betracht kommt. Einer Prüfung, ob das LSG deswegen zu einer Rückfrage an die Sachverständigen genötigt gewesen wäre, bedurfte es jedoch nicht. Denn die Auswertung des Altdorfer Gutachtens durch das LSG ist aus anderen von der Revision gleichfalls vorgetragenen Gründen zu beanstanden.
Während das LSG einerseits die Darlegungen der Sachverständigen Dr. B und Dr. E ausdrücklich zur Richtschnur seines Urteils erklärt hat, die angesichts der divergierenden Standpunkte der bis dahin gehörten Sachverständigen eine Klärung herbeiführen sollte, hat es andererseits seine Entscheidung maßgeblich auch noch auf die Erwägung gestützt, der negative histologische Befund sei ein sicherer Nachweis dafür, daß der Unfall vom 4. Januar 1950 die Meniskusverletzung rechtserheblich mitverursacht habe. Mit dieser Erwägung ist das LSG von einem Grundgedanken abgewichen, den das von der Orthopädischen Klinik W. erstattete Gutachten eindeutig zum Ausdruck bringt; hierin wird nämlich - im Anschluß an Prof. Dr. C und entgegen der von der Chirurgischen Universitätsklinik Erlangen vertretenen Ansicht - nicht nur der Beweiswert des histologischen Untersuchungsbefunds angezweifelt, sondern das Gutachten ist - von seinem Ergebnis her betrachtet - geradezu entscheidend auf die Annahme gestützt, daß das rechte Kniegelenk des Klägers nicht frei von degenerativen Veränderungen gewesen sein konnte, sondern schon zZt des Unfalls vom 4. Januar 1950 von einem durch die langjährige Berufsarbeit erworbenen Aufbrauchsschaden befallen gewesen sein mußte. Nach Lage dieses Falles erscheint es aber denkgesetzlich unstatthaft, die Entscheidung allgemein zwar auf das Altdorfer Gutachten zu stützen, hingegen von dem Ausgangspunkt dieses Gutachtens derart abzuweichen, daß den gutachtlichen Erwägungen schlechthin der Boden entzogen wird. In ähnlicher Weise ist das LSG vom Ausgangspunkt des Gutachtens abgewichen hinsichtlich der Frage, ob das Unfallereignis vom 4. Januar 1950 geeignet erscheint, eine Meniskusschädigung herbeigeführt zu haben.
Im übrigen lassen die Ausführungen des angefochtenen Urteils zur Beweiskraft des histologischen Befundberichts auch erkennen, daß das LSG den insoweit gebotenen Anlaß zur weiteren Erforschung des Sachverhalts nicht hinreichend geprüft hat. Die von Prof. Dr. C und dem W. geäußerter erheblichen Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Befundberichts mußten das LSG darauf hinweisen, daß dieser aktenmäßig nur in der Form eines kurzen Zitats innerhalb eines Schreibens des Facharztes G vorlag. Das LSG durfte angesichts der von den Sachverständigen Prof. Dr. C Dr. B und Dr. F erhobenen Bedenken nicht annehmen, daß eine Rückfrage bei dem als Verfasser dieses Berichts bezeichneten Dr. K unnötig sei oder keinen Erfolg verspreche. Vielmehr hätte es sich gedrängt fühlen müssen, von Dr. K eine eingehende Auskunft anzufordern, wobei es unter Umständen auch auf genaue Beschreibungen der Schnittführung und der Entnahmestelle der Schnitte bei der Seinerzeitigen Untersuchung des entfernten Meniskus ankommen konnte (vgl. Krömer in "Bericht über die unfallchirurgische Tagung in Marburg am 21./22.9.1957", herausgegeben vom Landesverband Hessen-Mittelrhein der gewerblichen Berufsgenossenschaften, S. 134).
Die Revision meint ferner, das LSG sei zu Unrecht von anerkannten Beurteilungsgrundsätzen für Meniskusschäden abgewichen. Diese Rüge trifft nach Auffassung des Senats im Ergebnis zu, ohne daß hierbei geprüft zu werden braucht, inwieweit im einzelnen medizinische Erfahrungssätze aus früherer Zeit gegenwärtig noch als verbindlich zu betrachten sind. Ein Blick in das medizinische Schrifttum zeigt, daß sich wohl ein gewisser Wandel der Auffassungen vollzieht, ohne daß jedoch zZt schon von einer endgültig gesicherten herrschenden Lehrmeinung die Rede sein könnte. Es ist nicht Aufgabe des Senats, dies erschöpfend darzulegen, immerhin sei jedoch auf einige charakteristische Meinungsänderungen hingewiesen. So wird allerdings zB das Erfordernis, eine schwere Gewalteinwirkung auf das Kniegelenk müsse sofort eindrucksvolle Symptome hervorgerufen haben (EuM 44, 13), mehr und minder Stark zZt noch in Schrifttum und Rechtsprechung vertreten (vgl. Bürkle de la Camp in Fischer/Herget/Molineus "Das ärztliche Gutachten im Versicherungswesen", Bd. I, 2. Aufl. 1955 S. 328, 332; Bürkle de la Camp/Rostock, Handbuch aaO, S. 288; Jantke in Schöneberg "Die ärztliche Beurteilung Beschädigter", 3. Aufl. 1960 S. 151, 152; LSG Baden-Württemberg und LSG Celle in Lob/Asanger/Probst "Sozialgerichtliche Entscheidungen über den Zusammenhang zwischen Unfall und Erkrankung", S. 157, 160; zT auch LSG Hamburg, Breithaupt 1957, 316). Andere Autoren haben indessen dieses Erfordernis preisgegeben oder doch jedenfalls weitgehend abgeschwächt (vgl. Breitenfelder "Die Begutachtung des Unfallzusammenhanges der Meniskusbeschädigung" Heft 57 der Hefte zur Unfallheilkunde 1958, S. 19 ff; Krömer, Der verletzte Meniskus, 3. Aufl., 1955 S. 109; Viernstein in Marburger Tagungsbericht S. 112 ff, 121; Ebbinghaus, Der Medizinische Sachverständige 1960, 25). Wenn also ein Gericht sich einer zwischen den Extremen vermittelnden Lehrmeinung (zB Breitenfelder, Viernstein) anschließen will, so muß dies nach Meinung des Senats keinen Rechtsverstoß bedeuten. Bedenken könnten schon auftreten, wenn das Gericht einem Gutachten folgt, welches - wie zB im vorliegenden Fall die Chirurgische Universitätsklinik Erlangen und das Stadtkrankenhaus Hof - seiner Beurteilung die Leitsätze Krömers (vgl. vor allem "Der verletzte Meniskus" S. 14, 105) über das "mehrzeitige" Meniskustrauma zugrunde legt. Diese Auffassung ist nämlich auf beachtlichen Widerspruch von ärztlicher Seite gestoßen (vgl. Breitenfelder aaO S. 16, 17; Viernstein aaO S. 115; Reckling, BG 1958, 372). Einer näheren Auseinandersetzung hiermit bedarf es jedoch aus Anlaß des vorliegenden Rechtsstreits nicht, da das angefochtene Urteil nicht auf dieser Anschauung beruht.
Dagegen ist das LSG offensichtlich einer anderen, damit eng verknüpften Lehrmeinung gefolgt, welche mit dem Begriff des Arbeitsunfalls und der unfallversicherungsrechtlichen Kausalitätsnorm nicht vereinbar ist. Sie geht gleichfalls auf Krömer zurück (Marburger Tagungsbericht S. 122, 123; Erlanger Tagungsbericht S. 122; "Der verletzte Meniskus" S. 116) und ist im Gutachten von Dr. ... und Dr. ... bei Anwendung auf den hier gegebenen Fall etwa wie folgt entwickelt worden: Beide Unfälle des Klägers seien zwar im Hinblick auf ihren geschilderten Hergang kaum geeignet gewesen, einen gesunden Meniskus zu schädigen; da jedoch - trotz des negativen histologischen Befunds - von einer berufsbedingten Aufbrauchsschädigung am rechten Kniegelenk schon vor dem Zeitpunkt des ersten Unfalls auszugehen sei, müsse dieses geringe Trauma als genügend erachtet werden, um einen Entschädigungsanspruch des Klägers zu rechtfertigen. Diese Betrachtungsweise läßt, wie auch die angeführten Referate K, eine an sich durchaus verständliche Tendenz erkennen, in Ermangelung eines durch die Berufskrankheiten-Verordnung gewährleisteten Versicherungsschutzes den Meniskusleidenden, deren Kniegelenke bereits durch langjährige Berufsarbeit vorgeschädigt wurden, wenigstens dann zu einem Rentenanspruch zu verhelfen, wenn ein - nach allgemeiner Erfahrung allerdings für sich allein nicht ausreichendes - Unfallereignis hinzukommt. Versicherungsrechtlich läßt sich jedoch diese Beurteilung nicht halten, und zwar auch nicht unter dem Gesichtspunkt der unfallbedingten Verschlimmerung eines vorher bestehenden Leidens. Insoweit kommt es, wie der erkennende Senat bereits entschieden hat (vgl. Beschluß vom 31. Januar 1958, MDR 1958, 281), hauptsächlich darauf an, ob der angeschuldigte Unfall wesentliche Teilursache oder nur Gelegenheitsursache war, d.h. ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar ist, daß es zur Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Eigenart unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedarf, sondern daß jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte. Dabei wird es in Fällen der vorliegenden Art wesentlich auch auf die Schwere und den Hergang des Unfalls ankommen (vgl. Reckling, BG 1958, 324). Diese ausschlaggebenden Umstände traten bei der hier erörterten Betrachtungsweise zurück hinter der Frage, ob die Krankheitsanlage auf berufsbedingten oder berufsfremden schädigenden Einwirkungen beruht. In die Praxis umgesetzt bedeutet dies, daß die Ärzte des W. ihre Schlußfolgerungen möglicherweise nicht aufrechterhalten würden, wenn das Aufbrauchsgeschehen in dem von ihnen begutachteten Kniegelenk nicht von der Berufstätigkeit, sondern etwa von einer Sportausübung herrühren würde. Daran zeigt sich zweifelsfrei, daß sie einen versicherungsrechtlich ungangbaren Weg eingeschlagen haben, der zu einer - zZt nicht dem geltenden Recht entsprechenden - Mischform von Arbeitsunfall und BK führt.
Die Gründe des angefochtenen Urteils lassen eine unmittelbare Bezugnahme auf die Anschauungen zwar vermissen; auch ist das vom W. A. erstattete Gutachten in den wichtigsten Punkten, die der Anerkennung eines Arbeitsunfalls entgegenstehen, vom LSG weder zitiert noch gewürdigt worden. Nach Meinung des Senats kann aber der am Schluß der Urteilsgründe ausgesprochene Hinweis auf "gewisse neuere Erkenntnisse", die das W. A. berücksichtigt habe, nur jene Auffassung K betreffen, welche bei einer Summierung von berufsbedingter chronischer Meniskusvorschädigung und leichterem Arbeitstrauma einen Entschädigungsanspruch für gerechtfertigt hält. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, wie das LSG das Gutachten des W. als für die Entscheidung maßgeblich angesehen haben könnte, ohne auch dieser Auffassung beizupflichten, auf der das Votum der Gutachter letztlich allein beruht. Damit aber hat das angefochtene Urteil insofern das Gesetz verletzt, als es von unrichtigen Begriffen des Unfalls und der wesentlich mitwirkenden Teilverursachung ausgegangen ist.
Auf die hiernach statthafte und begründete Revision der Beklagten mußte das angefochtene Urteil aufgehoben werden. Da die bisherigen Feststellungen eine Entscheidung in der Sache selbst nicht ermöglichen, war die Sache an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Dieses wird bei der erneuten Entscheidung - neben der Beachtung der zutreffenden Kausalitätsnorm - auch den im angefochtenen Urteil vertretenen Standpunkt zu überprüfen haben, eine weitere Erforschung des Sachverhalts sei weder erforderlich noch erfolgversprechend. Es mag sein, daß dies auf den Versuch zutreffen könnte, vom Kläger nähere Aufschlüsse über die Unfallabläufe zu erhalten. In anderer Hinsicht gilt dies nach Meinung des Senats jedoch nicht. Wie sich dem Schrifttum - unbeschadet der oben dargelegten Divergenzen zwischen verschiedenen Lehrmeinungen - unbedenklich entnehmen läßt, hängt die Entscheidung der Zusammenhangsfrage, und zwar gerade in zweifelhaften Fällen, von einer Gesamtbeurteilung aller maßgebenden Faktoren - Vorgeschichte, Art des Unfallereignisses, erste Symptome, klinischer Verlauf, Operations- und histologischer Befund - ab (vgl. Breitenfelder aaO S. 11, 12; Reckling aaO S. 373). Einige dieser Faktoren wären nach Ansicht des Senats im vorliegenden Fall besser zu beurteilen, wenn von den erstbehandelnden Ärzten Dr. K und G statt der dürftigen Angaben in den Berichtsvordrucken - es handelte sich hierbei nicht einmal um den von Breitenfelder (aaO S. 37) angeführten besonderen Krankheitsbericht bei Knieschaden) - möglichst ausführliche Beschreibungen der von ihnen festgestellten Symptome vorlägen. In dieser Richtung erscheinen Versuche, die Beurteilungsgrundlagen zu ergänzen, trotz der Länge der seither verstrichenen Zeit unerläßlich. Ob daneben noch die gutachtliche Anhörung weiterer Sachverständiger - insbesondere etwa des von der Beklagten vorgeschlagenen Prof. Dr. Max I - geboten sein wird, dürfte sich erst im weiteren Verlauf des Rechtsstreits herausstellen. Beim augenblicklichen Stand des Verfahrens könnte man wohl auch in Erwägung ziehen, die Fachärzte der Orthopädischen Klinik W. A., die jedenfalls zu den rein medizinischen Zweifelsfragen des vorliegenden Falles sehr sorgfältig und einleuchtend Stellung genommen haben, zu einer ergänzenden Äußerung aufzufordern, wobei sie allerdings auf die Beachtung der oben dargelegten Bedenken gegen ihren bisherigen versicherungsrechtlichen Ausgangspunkt hinzuweisen wären.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil des LSG vorbehalten.
Fundstellen