Leitsatz (redaktionell)
BVG § 30 Abs 2 S 2 Buchst a bis c bildet keine Ausnahme von dem nach Satz 1 grundsätzlich erforderlichen Nachweis eines besonderen beruflichen Betroffenseins.
Satz 2 bedeutet insbesondere nicht, daß die Voraussetzungen für eine Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit immer dann erfüllt sein sollen, wenn die beschriebenen Tatbestände objektiv vorliegen.
Auch in diesen Fällen steht dem Beschädigten eine Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nur zu, wenn die in diesen Tatbeständen beruflichen Nachteile ihn "subjektiv" besonders treffen, weil sie in sozialer oder wirtschaftlicher Hinsicht das Maß der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben wesentlich übersteigen.
Orientierungssatz
Der Beruf eines Bilanzbuchhalters ist sozial nicht höher zu bewerten als der eines Betriebsbuchhalters (BVG § 30 Abs 2 S 2).
In sämtlichen in BVG § 30 Abs 2 S 2 genannten Fällen steht am Beschädigten eine Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nur zu, wenn die in diesen Tatbeständen beschriebenen beruflichen Nachteile ihm subjektiv "besonders" treffen, weil sie in sozialer oder wirtschaftlicher Hinsicht das Maß der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben erheblich übersteigen.
Normenkette
BVG § 30 Abs. 2 S. 2 Buchst. a Fassung: 1960-06-27, Buchst. b Fassung: 1960-06-27, Buchst. c Fassung: 1960-06-27, S. 1 Fassung: 1960-06-27
Tenor
Die Sprungrevision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30. März 1966 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger, der den Beruf eines kaufmännischen Angestellten erlernt hat und jetzt Betriebsbuchhalter bei der Firma K-H-D AG in Köln ist, bezieht wegen einer als Schädigungsfolge im Sinne der Entstehung anerkannten Lungentuberkulose vom 1. August 1947 an Rente, die gemäß § 62 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) vom 1. Dezember 1960 an von 50 v. H. auf 40 v. H. herabgesetzt wurde. Der Widerspruch hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 23. November 1960). Die Klage wurde vor allem damit begründet, daß eine wesentliche Besserung des Lungenleidens nicht eingetreten sei und außerdem eine besondere berufliche Betroffenheit i. S. des § 30 Abs. 2 BVG vorliege, weil wegen des Lungenleidens der Beruf eines Bilanzbuchhalters und Helfers in Steuersachen nicht erreicht werden könne. Nach Erhebung der Klage entschied das Versorgungsamt (VersorgA) auf Grund einer erneuten versorgungsärztlichen Begutachtung gemäß § 40 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG), daß die Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v. H. auch über den 30. November 1960 hinaus zu zahlen sei. Dem Kläger wurde ferner in einem Vergleichsangebot eine Entscheidung über den Antrag auf Erhöhung der MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit gemäß § 30 Abs. 2 Buchst. c BVG zugesagt, worauf dieser unter Annahme des Angebots die Klage zurücknahm. Das VersorgA lehnte nach Einholung einer Auskunft der Firma K-H-D AG mit Bescheid vom 11. März 1963 die Erhöhung der MdE von 50 auf 60 v. H. wegen besonderer beruflicher Betroffenheit ab, weil der Kläger nach der versorgungsärztlichen Beurteilung vom 26. Februar 1962 seinen erlernten Beruf trotz der Schädigung ohne wesentliche Behinderung ausüben könne und nach der genannten Auskunft auch in seiner derzeitigen Tätigkeit als Betriebsbuchhalter keinen Einkommensverlust erleide. Der Widerspruch und die Klage hatten keinen Erfolg.
Das Sozialgericht (SG) hat in seinem Urteil vom 30. März 1966 ausgeführt, die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 Buchst. a und b BVG idF des 1. Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts (1. NOG) seien nicht gegeben, weil der Kläger seinen erlernten Beruf noch ausübe und in diesem Beruf weder nach dem Gutachten der ärztlichen Sachverständigen vom 25. November 1965 noch nach der Auskunft seiner Firma vom 9. Oktober 1962 in einem wesentlich höheren Grad als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sei. Der Kläger sei zwar durch die Art seiner Schädigung am weiteren beruflichen Aufstieg gehindert, weil er höhere Stellungen als Bilanzbuchhalter oder als Betriebswirt nur nach entsprechender Weiterbildung durch Abendkurse oder ein sechssemestriges Studium an einer höheren Wirtschaftsfachschule erlangen könne, die jedoch nach Ansicht der ärztlichen Sachverständigen Dres. R und W und Dr. H nur auf Kosten der Gesundheit möglich seien. Gleichwohl könne § 30 Abs. 2 Buchst. c BVG keine Anwendung finden. Als angestrebter Beruf könne nur der des Bilanzbuchhalters berücksichtigt werden, den der Kläger in seiner Klageschrift vom 7. Dezember 1960 und in seinem Schriftsatz vom 8. Mai 1962 allein genannt habe und dem nach seinen Erklärungen in der Sitzung vom 1. Dezember 1964 allein seine Bemühungen gegolten hätten. Der Beruf eines Betriebswirts müsse dagegen außer Betracht bleiben, weil dieser ein Studium an einer höheren Wirtschaftsfachschule voraussetze, die Zulassung zu diesem Studium aber von der Fachschulreife abhängig sei, die der Kläger, der nur die Volksschule besucht habe, nicht besitze und auch nicht zu erlangen trachtete. Dagegen hätte dieser entsprechend seinen Fähigkeiten, seinen Kenntnissen und der bisher gezeigten Zielstrebigkeit ohne die Schädigungsfolgen den Beruf eines Bilanzbuchhalters oder Helfers in Steuersachen erreichen können. Mit diesen Tätigkeiten sei aber im Vergleich mit der derzeitigen Tätigkeit als Betriebsbuchhalter ein sozial und wirtschaftlich wesentlicher Aufstieg nicht verbunden. Das derzeitige monatliche Bruttogehalt betrage 1.333,- DM. Dazu komme die Grundrente von monatlich 80,- DM. Das Gehalt des Bilanzbuchhalters würde nach den Angaben des Zeugen K wahrscheinlich um 200,- DM monatlich höher sein. Die Steigerung um etwa 120,- DM bis 150,- DM monatlich könne jedoch im Vergleich mit dem derzeitigen Einkommen nicht als wesentlich bezeichnet werden (vgl. Urteile des Bundessozialgerichts - BSG - vom 6. Oktober und 24. November 1965). Das SG hat die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 31. Mai 1966, der beim BSG am 1. Juni 1966 eingegangen ist, Sprungrevision eingelegt und die schriftliche Erklärung des Beklagten beigefügt, in der dieser sich mit der Durchführung der Sprungrevision einverstanden erklärt.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des SG Düsseldorf vom 30. März 1966 und unter Abänderung der Bescheide vom 11. März und 16. Juli 1963 den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit vom 1. Dezember 1960 eine Rente nach einer MdE um 60 v. H. zu gewähren.
In der Revisionsbegründung vom 2. Juni 1966, die am 3. Juni 1966 beim BSG eingegangen ist, rügt der Kläger eine unrichtige Anwendung des § 30 Abs. 2 Buchst. c BVG idF des 1. NOG sowie eine Verletzung des § 103 SGG. Er ist der Auffassung, die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 Buchst. c BVG seien immer dann erfüllt, wenn der Beschädigte infolge seiner Schädigung objektiv am weiteren Aufstieg in seinem Beruf gehindert ist. Diese Voraussetzung liege vor. Das SG habe ausdrücklich festgestellt, daß der Kläger durch die Art der Schädigungsfolgen am weiteren Aufstieg in seinem Beruf gehindert ist und mindestens den angestrebten Beruf eines Bilanzbuchhalters oder Helfers in Steuersachen erreicht hätte. Allein auf Grund dieser Feststellungen hätte gemäß § 30 Abs. 2 Buchst. c BVG die MdE erhöht werden müssen, ohne daß es auf den wirtschaftlichen Erfolg des Aufstiegs ankomme.
Die Feststellung des SG, daß durch die Verhinderung des weiteren Aufstieges ein sozial und wirtschaftlich wesentlicher Schaden nicht entstanden sei, beruhe auf einer ungenügenden Klärung der für die soziale Beurteilung des Aufstieges zum Bilanzbuchhalter oder Helfer in Steuersachen erheblichen Tatsachen. Das SG habe nämlich nicht beachtet, daß diese Berufe auch selbständig ausgeübt werden könnten und schon aus diesem Grunde ein wesentlich höheres soziales Ansehen verliehen als dem als Angestellten tätigen Betriebsbuchhalter. Dies hätte durch eine Anfrage bei einer berufsständischen Organisation oder der Industrie- und Handelskammer geklärt werden können. Durch den verhinderten Aufstieg in dem angestrebten Beruf sei dem Kläger aber auch ein nicht unwesentlicher Schaden entstanden. Selbst wenn es nach § 30 Abs. 2 Buchst. c BVG auch auf den wirtschaftlichen Erfolg des beruflichen Aufstieges ankomme, könne jedenfalls ohne Klärung der persönlichen Verhältnisse des Klägers eine monatliche Einbuße von 120,- DM bis 150,- DM bei einem Bruttogehalt von monatlich 1.333,- DM nicht als wirtschaftlich nicht wesentlich bezeichnet werden. Das SG hätte vielmehr die wirtschaftlichen Verhältnisse prüfen und die aus dem Bruttogehalt zu bestreitenden finanziellen Verpflichtungen feststellen müssen, die für das schädigungsbedingte Lungenleiden besondere Aufwendungen ergeben hätten, die nach Abzug der übrigen Verpflichtungen nur einen Betrag übrig lassen, im Vergleich mit dem ein Mehrverdienst von 100,- DM bis 150,- DM monatlich als eine wesentliche wirtschaftliche Einbuße betrachtet werden muß.
Die Rechtsauffassung des SG widerspreche dem Willen des Gesetzgebers auch deshalb, weil ein Schwerbeschädigter nach § 30 Abs. 3 BVG idF des 2. NOG auch dann einen Berufsschadensausgleich erhalte, wenn sein Einkommensverlust infolge der Schädigungsfolgen monatlich mindestens 75,- DM betrage. Es sei nicht einzusehen, daß dann ein Schwerbeschädigter, der am weiteren Aufstieg in seinem Beruf gehindert ist und dadurch eine monatliche Geldeinbuße von 120,- DM bis 150,- DM erleidet, nicht wenigstens beruflich besonders betroffen i. S. des § 30 Abs. 2 Buchst. c BVG sei und eine durch um 10 v. H. erhöhte Rente erhalten dürfte.
Der Beklagte beantragt,
die Sprungrevision des Klägers gegen das Urteil des SG Düsseldorf vom 30. März 1966 als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend. Eine Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG sei im übrigen auch durch § 30 Abs. 6 BVG ausgeschlossen, weil mögliche und zumutbare berufsfördernde Maßnahmen, die Vorrang vor der Erhöhung der MdE gemäß § 30 Abs. 2 BVG haben, aus Gründen gescheitert sind, die der Kläger zu vertreten hat.
Die Sprungrevision des Klägers ist statthaft.
Nach § 161 Abs. 1 SGG kann gegen das nach § 150 SGG mit der Berufung anfechtbare Urteil des SG unter Umgehung des Berufungsverfahrens die Revision unmittelbar beim BSG eingelegt werden (Sprungrevision), wenn der Rechtsmittelgegner einwilligt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Berufung ist nach § 150 Nr. 1 SGG zugelassen worden und die schriftliche Einwilligungserklärung des Beklagten liegt vor. Die sonach statthafte Sprungrevision ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die sonach zulässige (§§ 164, 166 SGG) Sprungrevision ist aber nicht begründet.
Angefochten ist der Bescheid vom 11. März 1963, mit dem die Versorgungsverwaltung die Erhöhung der MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit im Sinne des § 30 Abs. 2 Buchst. c BVG abgelehnt hat, weil der Kläger in seiner derzeitigen Tätigkeit als Betriebsbuchhalter keine wirtschaftliche Einbuße erleidet und nach entsprechender Weiterbildung auch in eine höhere Stellung aufsteigen kann. Obwohl in dem vorhergehenden Bescheid die Rente bereits von 40 v. H. auf 50 v. H. erhöht und dieser Bescheid durch die Zurücknahme der Klage bindend geworden war, ist die Ablehnung des Antrages auf Erhöhung der MdE gem. § 30 Abs. 2 BVG kein Bescheid nach § 40 Abs. 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung. Die Entscheidung über die gem. § 30 Abs. 2 BVG begehrte Erhöhung der MdE war in dem Vergleich, der das vorausgegangene Verfahren abschloß, vielmehr ausdrücklich einem besonderen Bescheid vorbehalten. Die Versorgungsverwaltung hatte demgemäß ungeachtet früherer Entscheidungen geprüft, ob dem Beschädigten eine höhere Rente wegen besonderer Betroffenheit in seinem Beruf zusteht, und hat diese Erhöhung abgelehnt. Es handelt sich bei dieser Ablehnung um einen auf Grund neuer sachlicher Prüfung ergangenen Bescheid (vgl. BSG 13, 48).
Die Rechtmäßigkeit dieses angefochtenen Bescheides hängt von der Frage ab, ob der Kläger die Voraussetzungen für eine Erhöhung der MdE gemäß § 30 Abs. 2 Buchst. c BVG in der hier anwendbaren Fassung des 1. NOG vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) erfüllt. Nach § 30 Abs. 1 BVG idF des 1. NOG ist die MdE grundsätzlich nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen. Nach Abs. 2 Satz 1 ist die MdE höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten, begonnenen, derzeitigen oder nachweisbar angestrebten Beruf besonders betroffen ist. Dies ist nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG 10, 69; BSG in SozR BVG § 30 Nr. 7 und 8; BSG in BVBl 1960, 51) dann der Fall, wenn der Beschädigte infolge der Schädigung berufliche Nachteile erleidet, die sozial oder wirtschaftlich das Maß der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben wesentlich übersteigen. Nach § 30 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a bis c BVG ist der Beschädigte besonders betroffen, wenn er
a) infolge der Schädigung weder seinen bisher ausgeübten, begonnenen oder den nachweisbar angestrebten, noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben kann,
b) zwar seinen vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf weiter ausübt oder den nachweisbar angestrebten Beruf erreicht hat, in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen aber in einem wesentlich höheren Grad als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert ist und
c) infolge der Schädigung nachweisbar am weiteren Aufstieg in seinem Beruf gehindert ist.
Diese durch das 1. NOG dem § 30 Abs. 2 BVG eingefügte Ergänzung bildet keine Ausnahme von dem nach Satz 1 grundsätzlich erforderlichen Nachweis eines besonderen beruflichen Betroffenseins. Sie bedeutet insbesondere nicht, daß die Voraussetzungen für eine Erhöhung der MdE in den genannten Fällen immer dann erfüllt sein sollen, wenn die beschriebenen Tatbestände objektiv vorliegen. Auch in diesen Fällen steht dem Beschädigten eine Erhöhung der MdE vielmehr nur zu, wenn die in diesen Tatbeständen beschriebenen beruflichen Nachteile ihn subjektiv "besonders" treffen, weil sie in sozialer oder wirtschaftlicher Hinsicht das Maß der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben wesentlich übersteigen. Die gleichen Merkmale, die für das besondere berufliche Betroffensein im Sinne des § 30 Abs. 2 Satz 1 BVG maßgebend sind, gelten auch für das besondere berufliche Betroffensein im Sinne des Satzes 2. Diese Auslegung entspricht dem den Absatz 2 des § 30 BVG beherrschenden System, das die Berücksichtigung beruflicher Nachteile bei der Bewertung der MdE nur zuläßt, wenn der Beschädigte dadurch in besonderem Maße betroffen wird. Zweck des § 30 Abs. 2 BVG ist es, im Einzelfall auch den Einfluß der Schädigungsfolgen auf die Berufsausübung zu berücksichtigen, wenn die Bewertung der Körperschäden nach allgemeinen Grundsätzen, entsprechend dem Grad der Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben, nicht ausreicht, um die beruflichen Nachteile auszugleichen, die dem Beschädigten aus der Schädigung erwachsen (vgl. BSG in BVBl 1960 S. 51; van Nuis/Vorberg, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, IV. Teil S. 17). Dieser Ausgleich setzt aber stets voraus, daß der Beschädigte durch die Art seiner Schädigungsfolgen beruflich besonders betroffen ist und von der allgemeinen Bewertung der MdE nicht erfaßte berufliche Nachteile erleidet. Da die wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auch bei der Festsetzung des Grades der MdE nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben Berücksichtigung finden und die Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG nur dem Ausgleich beruflicher Nachteile dient, die den Beschädigten besonders treffen, kann nicht jeder berufliche Nachteil, sondern nur ein solcher zur höheren Bewertung der MdE führen, der das Maß der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben "wesentlich" übersteigt. Demzufolge ist nach § 30 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a und b BVG eine Erhöhung der MdE nur zulässig, soweit der Beschädigte dadurch besonders betroffen ist, daß er infolge der Schädigung den früheren, begonnenen oder angestrebten Beruf oder einen sozial gleichwertigen Beruf überhaupt nicht ausüben kann oder in dem ausgeübten oder erreichten Beruf in einem wesentlich höheren Grad als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert ist. In diesem Falle ist der Beschädigte nur dann besonders betroffen, wenn mit seiner Schädigung berufliche Nachteile verbunden sind, die den Grad der Bewertung der MdE im allgemeinen Erwerbsleben erheblich überschreiten. Ist die Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG aber grundsätzlich davon abhängig, daß der Beschädigte in seinem Beruf besonders betroffen ist, und ist diese Voraussetzung nur erfüllt, wenn die mit der Schädigung verbundenen Nachteile zu einer wesentlich höheren Erwerbsminderung als nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben führen, so kann auch eine Verhinderung des weiteren Aufstieges die Erhöhung der MdE nur dann rechtfertigen, wenn dieser Aufstieg mit sozial oder wirtschaftlich wesentlichen Vorteilen verbunden ist, durch deren Versagung der Beschädigte besonders betroffen wird.
Bei der Entscheidung hierüber ist im vorliegenden Fall von den Feststellungen des SG auszugehen, daß der Kläger infolge seiner Schädigung am Aufstieg vom Betriebsbuchhalter zum Bilanzbuchhalter gehindert ist. Nicht angegriffen ist auch die Feststellung, daß der Unterschied zwischen dem Einkommen eines Betriebsbuchhalters und dem eines Bilanzbuchhalters 200,- DM beträgt. Der Kläger bringt vor, das SG hätte bei der Bewertung dieses Unterschiedes auch die finanziellen Verpflichtungen des Klägers, insbesondere dessen Aufwendungen für die als Schädigungsfolge anerkannte Lungentuberkulose, klären müssen. Diese Rüge ist aber nicht hinreichend substantiiert (§ 164 Abs. 2 Satz 2 SGG), um eine Verletzung des § 103 SGG darzutun. Im übrigen war das SG zur Klärung der für die Lungentuberkulose erforderlichen Aufwendungen auch nicht verpflichtet, weil diese grundsätzlich durch die Anerkennung der Gesundheitsstörung und die damit verbundene Heilbehandlung sowie durch die Gewährung der Rente abgegolten werden. Soweit der Beklagte auch in der Erwiderung zur Revisionsbegründung auf die am Verhalten des Klägers gescheiterten berufsfördernden Maßnahmen hingewiesen hat, dienen diese Ausführungen nicht einem Angriff gegen Feststellungen des SG, sondern nur der Begründung der auf § 30 Abs. 6 BVG gestützten Rechtsauffassung des Beklagten. Ist sonach von den nicht oder erfolglos angegriffenen Feststellungen des SG auszugehen, daß mit dem verhinderten Aufstieg vom Betriebsbuchhalter zum Bilanzbuchhalter dem Kläger eine zu erwartende Steigerung des Gehaltes um 200,- DM entgangen ist, so hat das SG zutreffend gefolgert, daß der Kläger dadurch nicht sozial oder wirtschaftlich wesentlich getroffen ist. Zwischen beiden Tätigkeiten besteht in sozialer Hinsicht überhaupt kein nennenswerter Unterschied. Mit dem Aufstieg zum Bilanzbuchhalter ist ein höherer sozialer Rang nicht verbunden. Die Möglichkeit einer selbständigen Ausübung des Berufes als Bilanzbuchhalter kann dabei nicht in Betracht gezogen werden, weil nach § 30 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c BVG ein Vergleich im Rahmen des weiteren Aufstieges nur mit Tätigkeiten möglich ist, die in der durch den ausgeübten Beruf vorgezeichneten Richtung liegen. Der Kläger hat seinen Beruf aber immer nur als Angestellter ausgeübt und nur in diesem Rahmen die Beförderung zum Bilanzbuchhalter angestrebt.
Auch der wirtschaftliche Unterschied, der sich in der unterschiedlichen Höhe der Gehälter ausprägt, genügt nicht, um den Kläger als beruflich besonders betroffen zu bezeichnen. Wie der erkennende Senat schon in seinem Urteil vom 6. Oktober 1965 - 10 RV 699/63 - entschieden hat, ist die besondere berufliche Betroffenheit in wirtschaftlicher Hinsicht nach den gleichen Grundsätzen zu beurteile, wie sie der 3. Senat des BSG zur Frage der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit von Tätigkeiten in BSG 3, 171 dargelegt hat. Danach liegt bei einem monatlichen Verdienst von 454,25 DM ein monatliches Mindereinkommen von 81,75 DM noch innerhalb der Grenzen des im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertigen Einkommens, während ein Lohnunterschied von 100 DM und mehr diese Grenze überschreiten würde. Es kommt nicht allein auf den absoluten Hundertsatz des Minderverdienstes, sondern zumindest ebenso entscheidend auf die absolute Höhe der Differenz an, wobei bei geringen Einkommen auch prozentual näher beieinanderliegende Vergleichsbeträge nicht mehr als im wesentlichen gleichwertig angesehen werden. Wenn nach dieser vom erkennenden Senat gebilligten Ansicht bei einem monatlichen Verdienst von rund 450,- DM eine Einbuße von rund 80,- DM (rund 18 %) noch innerhalb der Grenzen des im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertigen Einkommens liegt, so ist diese Grenze bei dem Kläger im Hinblick auf seinen höheren Monatsverdienst von 1333,- DM als Betriebsbuchhalter bei einer Einbuße von 200,- DM (rund 15 %) gegenüber dem Gehalt eines Bilanzbuchhalters noch nicht überschritten. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit von dem vollen Gehaltsunterschied oder nur von dem um die Grundrente gekürzten Unterschiedsbetrag auszugehen ist. Wie vorher dargelegt, ist auch ohne Berücksichtigung der Grundrente die durch die Beförderung zum Bilanzbuchhalter erreichbare Steigerung des Einkommens nicht als wirtschaftlich wesentlich anzusehen, so daß die Erhöhung der MdE wegen besonderen beruflichen Betroffenseins nicht gerechtfertigt ist.
Sind somit die Voraussetzungen einer Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG nicht erfüllt, so erübrigt sich jede Erörterung über die Möglichkeit und Zumutbarkeit des in § 30 Abs. 6 BVG vorgeschriebenen Versuches eines Ausgleichs beruflicher Nachteile durch berufsfördernde Maßnahmen im Sinne des § 26 BVG.
Das SG hat sonach § 30 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c BVG richtig angewandt. Die Sprungrevision des Klägers ist nicht begründet und war daher zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen