Leitsatz (redaktionell)

1. Berufsausbildung iS des BVG § 45 Abs 3 Buchst a liegt nicht vor, wenn ein Offiziersanwärter Dienstbezüge nach dem BBesG als Soldat auf Zeit erhält.

2. Durch die Neufassung im KOVNOG 3 sollte nicht etwa der Begriff der Berufsausbildung eingeengt werden, sondern lediglich die bisherige Rechtsprechung sanktioniert werden.

 

Normenkette

BVG § 45 Abs. 4 Buchst. a Fassung: 1960-06-27, Abs. 3 Buchst. a Fassung: 1964-02-21

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 4. August 1966 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger, geboren im April 1944, bezog nach seinem im letzten Weltkrieg gefallenen Vater Halbwaisenrente, zuletzt aufgrund des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), bis zur Erlangung des Reifezeugnisses mit Ablauf des März 1963. Von seinem damaligen Wohnort B aus meldete er sich sodann freiwillig zur Bundesluftwaffe als Offiziersanwärter. Seinen Antrag vom April 1963 auf Weitergewährung der Halbwaisenrente lehnte das Versorgungsamt (VersorgA) durch Bescheid vom 19. Juni 1963 ab. Der Widerspruch blieb erfolglos, weil. die Ausbildung zum Berufsoffizier entsprechend der Verwaltungsvorschrift zu § 33 b BVG nicht als eine Berufsausbildung im allgemeinen Sinne angesehen werde, zumal der Kläger während des Ausbildungslehrganges volle Dienstbezüge erhalte.

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) durch Urteil vom 21. Januar 1965 den Beklagten unter Aufhebung der Verwaltungsbescheide verurteilt, mit Wirkung vom 1. April 1963 an weiterhin Waisenrente zu gewähren. Aus § 45 Abs. 4 Satz 2 BVG lasse sich nicht schließen, daß der Militärdienst die Gewährung einer Waisenrente über das 18. Lebensjahr hinaus grundsätzlich ausschließe. Der Kläger habe bei seinem Eintritt in die Luftwaffe einer gesetzlichen Dienstpflicht nicht unterlegen. Er stehe bis zur Erreichung des Berufszieles, der Ernennung zum Offizier, in Berufsausbildung. Die Besoldung schließe eine derartige Annahme nicht aus, da auch Lehrlinge, Verwaltungs- und Beamtenanwärter Vergütungen bezögen.

Der Beklagte hat Berufung eingelegt und ist der Auffassung gewesen, der Hinweis auf Lehrlinge, Verwaltungs- und Beamtenanwärter im Urteil des SG gehe fehl, weil diese Personen weder Lohn noch Gehalt, sondern nur einen Unterhaltszuschuß erhielten, dem Kläger hingegen die seinem Dienstgrad entsprechende Besoldung gezahlt werde. Durch Urteil vom 4. August 1966 hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen; es hat die Revision zugelassen. Die Verwaltungsvorschrift Nr. 12 zu § 33 b BVG idF des 1. Neuordnungsges. (NOG) entspreche dem Sinn des § 45 BVG, denn die Weitergewährung der Waisenrente über das 18. Lebensjahr hinaus diene dem Zweck, die wirtschaftliche Lage des Auszubildenden zu erleichtern, solange für die Bestreitung des Unterhalts die während der Ausbildungszeit gezahlten Zuschüsse nicht ausreichten. Der Hinweis auf Justizanwärter oder Referendare beeinflusse die Entscheidung nicht, weil sie - im Gegensatz zum Kläger - keine Dienstbezüge, sondern lediglich einen Unterhaltszuschuß erhielten, welcher die wirtschaftliche Lage des Beamten im Vorbereitungsdienst erleichtern, nicht aber den Unterhalt voll sicherstellen solle. Auch der Höhe nach entspreche der Unterhaltszuschuß nicht den Dienstbezügen eines Offiziersanwärters. Dieser werde bei seiner Einberufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen und erhalte die vollen Dienstbezüge entsprechend seinem militärischen Rang und die Leistungen des Staates zum sonstigen Unterhalt (Kleidung, Unterkunft, Verpflegung). Deshalb stehe er nicht in einem echten Ausbildungsverhältnis, sondern übe eine hauptberufliche Tätigkeit aus. Durch die Wehrdienstbezüge sei die wirtschaftliche Lage eines Offiziersanwärters im Gegensatz zu der eines Justizanwärters oder Referendars sichergestellt.

Der Kläger hat Revision eingelegt und beantragt,

das Urteil des LSG Berlin vom 4. August 1966 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Berlin vom 21. Januar 1965 zurückzuweisen.

Er rügt mit näherer Begründung eine unrichtige Anwendung des § 45 Abs. 4 BVG.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Kläger hat die durch Zulassung statthafte Revision form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Sein Rechtsmittel ist demnach zulässig, konnte aber keinen Erfolg haben.

Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß die Berufung nicht etwa deshalb ausgeschlossen gewesen ist, weil nur die Versorgung für abgeschlossene Zeiträume in Streit gewesen wäre. Zur Zeit der Berufungseinlegung hatte der Kläger seine Ausbildung zum Offizier der Luftwaffe noch nicht beendet. Sie ist vielmehr erst mit dem 30. September 1965 zu Ende gegangen. Deshalb hat das Berufungsgericht zu Recht in der Sache entschieden (vgl. dazu statt anderen BSG in SozR SGG § 146 Nr. 12).

Maßgebend ist hier das BVG idF des 2. NOG (vgl. BSG 15, 239 ff, 243 - 244). Nach § 45 erhalten Waisen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Rente. Nach Abs. 3 Satz 1 Buchst. a aaO wird sie an unverheiratete Waisen auch darüber hinaus - längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres - gewährt, wenn sie sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden. Hier kommt es also darauf an, ob die Ausbildung zum Berufsoffizier eine Berufsausbildung im Sinne dieser Vorschrift ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. statt anderen BSG 25 S. 276 ff, 277) ist Berufsausbildung im Sinne des § 45 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a BVG die Ausbildung für einen zukünftig gegen Entgelt auszuübenden Lebensberuf, welche die Arbeitskraft des Auszubildenden ausschließlich oder überwiegend in Anspruch nimmt. Der Inhalt dieser Begriffsbestimmung ist durch das 3. NOG in die Vorschrift des § 45 BVG aufgenommen worden. Vorher war sie in Nr. 11 der Verwaltungsvorschriften (VV) zu der gleichlautenden Vorschrift des § 33 b Abs. 4 Buchst. a BVG (= Nr. 12 VV zu § 33 b BVG idF des 1. NOG) enthalten. Hierzu heißt es in der amtlichen Begründung (BR-Drucksache 370/66 S. 26), die neuen Definitionen der Schul- und Berufsausbildung entsprächen nicht nur den bisherigen Verwaltungsvorschriften Nr. 10 und 11 zu § 33 b BVG, sondern stimmten inhaltlich überein mit § 18 Abs. 2 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG). Wie sich hieraus ergibt, sollte durch die Neufassung im 3. NOG nicht etwa der Begriff der Berufsausbildung eingeengt werden, sondern lediglich die bisherige Rechtsprechung durch die Fassung des Gesetzes sanktioniert werden. Hinzu kommt noch folgendes:

Nach ihrem Sinn und Zweck ist die Waisenrente für den Unterhalt des Kindes gedacht. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, daß das Kind bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres seinen Lebensunterhalt im allgemeinen noch nicht selbst bestreiten kann und deshalb auf die Unterhaltsgewährung von seinen Eltern angewiesen ist. Wenn diese durch Kriegseinwirkungen verstorben sind, tritt an die Stelle der Unterhaltsgewährung durch die Eltern die Waisenrente nach dem BVG. Wenn auch mit der Vollendung des 18. Lebensjahres im allgemeinen eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werden kann, aufgrund deren das Kind seinen Lebensunterhalt selbst verdienen kann, soll doch die Waisenrente in den Fällen nach ihrem Sinn und Zweck weitergewährt werden, in denen die Waise für ihren Lebensunterhalt durch eine Erwerbstätigkeit deshalb noch nicht selbst sorgen kann, weil sie entweder ihre Ausbildung noch nicht abgeschlossen hat oder wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen sich nicht selbst unterhalten kann. Diese gesetzgeberische Erwägung führt ebenfalls zur Einengung des Begriffs der Berufsausbildung im Sinne des § 45 BVG; denn eine Ausbildung im Rahmen eines normalen Beschäftigungsverhältnisses, welches den Unterhalt der Waise sicherstellt, schafft nicht mehr die Notwendigkeit für die Gewährung der Waisenrente. Vielmehr hat die Waise bereits einen gegen Entgelt ausgeübten Lebensberuf erreicht und wird in ihm nur weiter ausgebildet. Eine derartige Fort- oder Ausbildung aber fällt nicht unter den Begriff einer Berufsausbildung im Sinne des § 45 BVG.

In diesem Sinne hat die Rechtsprechung eine Berufsausbildung dann nicht mehr angenommen, wenn ein Polizeibeamter auf Probe planmäßiger Beamter mit vollen Dienstbezügen gewesen ist und einen Grundlehrgang der Polizeischule besuchte (Urteil des 10. Senats vom 12. Juli 1966 - 10 RV 879/64 - KOV 1967 S. 28 f). Andererseits ist ein Ausbildungsverhältnis noch angenommen worden bei einem unverheirateten Inspektoranwärter, dem für die Zeit der Berufsausbildung ein Unterhaltszuschuß in Höhe der zuletzt bezogenen Angestelltenvergütung gezahlt worden ist (BSG 25 S. 276 ff). Denn in diesem Falle ist nicht die Fortbildung innerhalb eines bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses, sondern eine echte Ausbildung angenommen und die Zahlung der zuletzt bezogenen Angestelltenvergütung als ein Unterhaltszuschuß eigener Art angesehen worden, welcher gegen das Vorliegen eines Dienstverhältnisses und der Gewährung von Bezügen aus ihm spricht.

In den Entscheidungen ist auf die gleichgelagerten Vorschriften der §§ 1267 der Reichsversicherungsordnung (RVO), 44 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) hingewiesen worden. Sie stimmen mit § 45 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a BVG inhaltlich überein. Die gesetzgeberischen Erwägungen, die zu diesen Vorschriften im Recht der Sozialversicherung geführt haben, sind die gleichen, die auch die Regelung des § 45 BVG tragen (vgl. statt anderen BSG 21, 185 ff). Der Senat sieht keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung zu § 45 BVG abzuweichen. Er folgt ihr umso unbedenklicher, als sie durch das 3. NOG mit der Ergänzung des § 45 BVG bestätigt und nicht etwa als neue Regelung aufgenommen worden ist. Dies hat der 1. Senat in seiner Entscheidung vom 29. November 1967 (BSG SozR RVO § 1267 Nr. 31) ebenfalls ausgesprochen und entschieden, daß ein - an sich von der Ableistung der Wehrpflicht befreiter - Offiziersanwärter, der als Soldat auf Zeit Dienstbezüge nach dem BBesG erhält, sich nicht in Berufsausbildung befindet.

Hier hat das LSG für das Dienstverhältnis des Klägers zu Recht als entscheidend angesehen, daß er - ebenso wie in dem vom 1. Senat entschiedenen Fall - als Soldat auf Zeit eingestellt worden ist. Das ergibt sich aus §§ 39 und 40 des Soldatengesetzes. Infolgedessen konnte es ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis kommen, daß der Kläger in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis gestanden hat. Mag sein Dienst in der Bundeswehr auch sein Gepräge - einschließlich der Beförderungsmöglichkeiten - von dem Ziel der Ausbildung zum Offizier erhalten haben, so hat keine Berufsausbildung im Sinne des § 45 BVG bestanden. Vielmehr ist der Kläger im Rahmen seines Dienstverhältnisses als Soldat auf Zeit weitergebildet worden, um das Ziel des Eintritts in die Offizierslaufbahn zu erreichen. Da sonach die angefochtene Entscheidung im Ergebnis richtig ist, mußte die Revision des Klägers zurückgewiesen werden.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2284869

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