Leitsatz (redaktionell)
Der Nutzungswert der im Eigenheim benutzten Wohnung ist zum Bruttoeinkommen iS des BVG § 40a Abs 2 idF des 2. NOG-KOV zu rechnen.
Normenkette
BVG § 40a Abs. 2 Fassung: 1964-02-21, § 33 DV § 12 Abs. 2 Fassung: 1964-07-22
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 29. September 1966 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin bezog auf ihren Antrag vom 27. Februar 1965 Schadensausgleich vom 1. Oktober 1964 bis 31. Mai 1965 von monatlich 27,- DM. Dabei war ein Einkommen aus Hausbesitz (Einheitswert: 8.700,- DM) mit monatlich 25,37 DM errechnet worden. Vom 1. Juni 1965 an entfiel die Zahlung eines Schadensausgleichs, weil sich die Sozialversicherungsrente der Klägerin von diesem Zeitpunkt an von 174,80 DM auf 191,30 DM erhöht hatte (Bescheid vom 28. Juni 1965). Der Widerspruch hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 9. November 1965). Im Klageverfahren hat die Klägerin begehrt, daß jegliches Einkommen aus Hausbesitz außer Ansatz bleibe. Streitig ist allein, ob der Nutzungswert des von ihr selbst bewohnten Eigenheims ihrem (mit dem Durchschnittseinkommen des verstorbenen Ehemanns zu vergleichenden) Bruttoeinkommen im Sinne des § 40 a Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) idF des Zweiten Neuordnungsgesetzes (2. NOG) zuzurechnen ist. Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 10. Mai 1966 die Klage abgewiesen. Nach seiner Ansicht hat die Versorgungsbehörde den Mietwert der Wohnung der Klägerin im Eigenhaus zutreffend mit 3 1/2 % des Einheitswerts von 8.700,- DM berechnet; es hat sie auch für befugt angesehen, dieses Einkommen dem Bruttoeinkommen der Klägerin zuzurechnen. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 29. September 1966 die Berufung der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Es hat ausgeführt: Über das mutmaßliche Einkommen des verstorbenen Ehemanns bestehe kein Streit. Das Einkommen der Klägerin sei nach § 33 BVG zu ermitteln. Der Schadensausgleich verlange nicht, daß das Bruttoeinkommen der Witwe in Zusammenhang mit dem Tod des Ehemanns bewertet werden müsse; das Gesetz wolle vielmehr unter bestimmten Voraussetzungen nur die durch den Tod eingetretene tatsächliche wirtschaftliche Verschlechterung der Witwe ausgleichen oder mildern. Der Schadensausgleich verfolge den gleichen Zweck wie die Ausgleichsrente, so daß mit § 33 BVG auch seine Durchführungsverordnung (DVO) anzuwenden sei. Nach § 12 der DVO zu § 33 BVG errechne sich das Einkommen aus einem eigenen Einfamilienhaus nach der Verordnung (VO) über die Bemessung des Nutzungswerts im eigenen Einfamilienhaus vom 26. Januar 1937 (RGBl I 99). Da das Haus nach dem 31. Dezember 1924 bezugsfertig geworden sei, sei der Nutzungswert mit 3 1/2 % des Einheitswerts von 8.700,- DM zu berechnen. Das seien monatlich 25,37 DM. Die Klägerin habe auch keine Schuldzinsen mehr zu bezahlen, so daß das Einkommen aus Hausbesitz in Höhe von 25,37 DM ungekürzt dem Bruttoeinkommen zuzurechnen sei.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin, das LSG habe den Begriff des Bruttoeinkommens im Sinne des § 40 a Abs. 2 Satz 1 BVG idF des 2. NOG verkannt. Das 2. NOG habe den wirtschaftlichen Schadensausgleich von der Ausgleichsrente gelöst. Der Begriff "Bruttoeinkommen" sei im Gesetz nicht definiert, insbesondere enthalte § 12 der DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG keine positive Begriffsbestimmung. Die Auslegung durch die Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 7. August 1964 (BVBl 1964, 129) und vom 18. Februar 1965 (BVBl 1965, 38) finde im Gesetz keine Stütze. Weder § 33 BVG noch § 30 Abs. 3 und 4 BVG bestimmten den Begriff des Bruttoeinkommens. In § 40 a BVG fehle die dem § 30 Abs. 7 BVG idF des 2. NOG entsprechende Gesetzesverweisung. Die Bezugnahme des BMA auf § 12 der DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG gehe daher fehl. Das Bruttoeinkommen beinhalte nur jene Einkünfte, die der Witwe aus früherer beruflicher Tätigkeit ihres Ehemannes zufließen, nicht aber die, welche die Witwe auch ohne den Verlust ihres Ehemannes erzielen würde (so KOV 1965, 221). Beim Beschädigten blieben nach § 30 Abs. 4 BVG Einkünfte außerhalb des Berufs außer Ansatz. Diesem Grundgedanken entspreche auch § 40 a BVG idF des 2. NOG, weil diese Vorschrift die Witwe wirtschaftlich dafür entschädige, daß das Erwerbseinkommen des Ehemanns weggefallen sei. Der Begriff "Bruttoeinkommen" sei daher beim Beschädigten wie bei der Witwe gleich zu verstehen, nämlich als Bruttoeinkommen aus früherer Erwerbstätigkeit; Einkünfte, die mit der früheren Berufstätigkeit ihres Einkommens nicht zusammenhingen, fielen nicht darunter.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile der Vorinstanzen sowie die Verwaltungsbescheide aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, vom 1. Januar 1964 an für die Gewährung des Schadensausgleichs bei der Feststellung des Bruttoeinkommens Einkünfte der Witwe aus Hausbesitz nicht zu berücksichtigen,
hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Beklagte hatte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung beantragt er,
nach Lage der Akten zu entscheiden (§ 126 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Der Begriff des Bruttoeinkommens sei in § 12 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG bestimmt. Diese Vorschrift enthalte eine Verweisung auf die DVO zu § 33 BVG, woraus zu entnehmen sei, daß das Bruttoeinkommen der Kriegerwitwe in analoger Anwendung zu § 33 BVG zu ermitteln sei (ebenso Tichy in KOV 1965, 146). Zwischen den Vorschriften über den Berufsschadensausgleich des Beschädigten und dem Schadensausgleich der Witwe bestehe kein innerer Zusammenhang, weil nur den durch den Tod wirtschaftlich betroffenen Witwen mit dem Schadensausgleich nach dem 2. NOG geholfen werden soll.
Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG); sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; die Revision ist daher zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Streitig ist, ob der in § 40 Abs. 2 BVG idF des 2. NOG verwendete Begriff "das von der Witwe erzielte Bruttoeinkommen", das mit dem mutmaßlichen Durchschnittseinkommen des Ehemanns zu vergleichen ist, auch das Einkommen aus dem Hausbesitz der Witwe umfaßt.
Nach § 40 a Abs. 2 BVG ist zur Feststellung des Schadensausgleichs das von der Witwe erzielte Bruttoeinkommen zuzüglich der Grund- und Ausgleichsrente sowie des Zuschlags nach § 41 Abs. 4 BVG mit dem in § 40 a Abs. 2 Satz 2 BVG näher bezeichneten Durchschnittseinkommen des (verstorbenen) Ehemannes zu vergleichen. Die Bundesregierung ist in § 40 a Abs. 4 BVG durch die Bezugnahme auf § 30 Abs. 7 BVG ermächtigt worden, durch RechtsVO zu bestimmen, welche Vergleichsgrundlage zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist. Von der in § 30 Abs. 7 BVG normierten Ermächtigung der Bundesregierung hat diese in der DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG vom 30. Juli 1964 (BGBl I 574) Gebrauch gemacht. In § 12 dieser DVO ist bestimmt, daß zum Bruttoeinkommen im Sinne des § 40 a Abs. 2 Satz 1 BVG nicht die in § 2 Abs. 1 DVO zu § 33 BVG idF vom 22. Juli 1964 (BGBl I 538) genannten Einkünfte (Sozialhilfe usw.) und die in § 14 Abs. 3 aaO bezeichneten Einkünfte (Leistungen nach § 44 Abs. 5 BVG, also Versorgungsansprüche aus einer neuen Ehe) zu rechnen sind. Mit dieser Bezugnahme auf § 12 DVO zu § 30 BVG ist das Bruttoeinkommen der Witwe nur negativ umschrieben, weil diese Vorschriften nur die Einkünfte bezeichnen, welche zum Bruttoeinkommen nicht mitgerechnet werden dürfen. Aus dem Gesetz (§ 30 Abs. 7 BVG) und aus der DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG sowie aus der Tatsache, daß § 12 DVO zu § 30 BVG bei der Ausklammerung von Einkommensarten auf die DVO zu § 33 BVG Bezug nimmt, läßt sich aber mit hinreichender Deutlichkeit folgern, daß auch die übrigen Einkommensarten, die positiv das Bruttoeinkommen der Witwe bilden sollen, nach § 33 BVG und der DVO zu § 33 BVG vom 22. Juli 1964 zu ermitteln sind. Eine VO muß nach Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) auf eine nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmte Ermächtigung zurückgehen. Die Art der Ermittlung des Bruttoeinkommens der Witwe im Sinne des § 40 a BVG idF des 2. NOG ist aus der entsprechenden Anwendung des § 30 Abs. 7 BVG in § 40 a Abs. 4 BVG und aus § 12 der DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG zu entnehmen, weil darin auf die Einkünfte i. S. des § 33 BVG verwiesen ist. Das LSG konnte daher ohne Gesetzesverletzung den Inhalt des Begriffs des Bruttoeinkommens in § 40 a Abs. 2 Satz 1 BVG der konkreteren Umschreibung des Bruttoeinkommens in § 33 BVG und der DVO zu § 33 BVG entnehmen. Auch sonst ist die nähere Bestimmung eines Begriffs aus dem Gesetzeswerk auszulegen, dem dieser Begriff angehört (logisch-systematische Auslegung im Sinne von Larenz, Allgemeiner Teil des BGB 1967, S. 35 und Larenz, Methodenlehre 1960, S. 244).
Die Begriffsbestimmung aus dem Gesetz ist daher stets der Bestimmung eines neuen Begriffs vorzuziehen. Auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann auf sinngemäß gleichartige Tatbestände eine im Gesetz normierte Rechtsfolge durch Analogieschluß angewandt werden (BSG 14, 241). Dieses Auslegungsergebnis entspricht auch dem Gesetzeszweck, der beim Schadensausgleich (§ 40 a BVG) und bei der Ausgleichsrente (§§ 32, 33, 41 BVG) gleich ist, nämlich der Sicherstellung des Lebensunterhalts. Denn auch der Schadensausgleich hat sich historisch aus der erhöhten Ausgleichsrente der wirtschaftlich besonders betroffenen Witwe nach § 41 Abs. 3 BVG idF des 1. NOG entwickelt. Zu dem gleichen Ergebnis hinsichtlich der Bestimmung des Begriffs des Bruttoeinkommens ist auch der 9. Senat des BSG in seinem Urteil vom 25. Juli 1967 - 9 RV 698/66 - (abgedruckt im BVBl 1968, S. 47 Nr. 7) gekommen. Auch er hat das Einkommen aus Hausbesitz (§ 12 der DVO zu § 33 vom 22. Juli 1964) mit dem Nutzungswert der Eigenwohnung zum Bruttoeinkommen der Witwe gerechnet und weiter ausgeführt, daß es beim Schadensausgleich der Witwe weder auf einen Berufsschaden der Witwe noch auf einen Berufsschaden des Ehemanns ankommt. Der Senat folgt diesem Urteil auch insoweit. Das LSG hat daher zutreffend bei der Ermittlung des Bruttoeinkommens der Klägerin § 12 Abs. 2 DVO zu § 33 BVG i. V. m. § 2 der VO über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus vom 26. Januar 1937 angewendet und 3 1/2 % des Einheitswertes - das von der Klägerin bewohnte Einfamilienhaus ist 1955, also nach dem 31. Dezember 1924, bezugsfertig geworden - als Einkommen aus Hausbesitz gerechnet.
Ob der Klägerin Schadensausgleich nach § 40 a BVG idF des 3. NOG, das am 1. Januar 1967 in Kraft getreten ist, zusteht, hatte der Senat nicht zu entscheiden, weil in Ausführung des 3. NOG ein Verwaltungsakt noch nicht ergangen ist und bei diesem Rechtsstreit nur streitig war, ob der Nutzungswert der im Eigenheim benutzten Wohnung zum Bruttoeinkommen im Sinne des § 40 a Abs. 2 BVG idF des 2. NOG zu rechnen ist.
Damit erweist sich die Revision der Klägerin als unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen