Entscheidungsstichwort (Thema)
Subsumtion von Teilleistungen. Abrechnung ärztlicher Leistungen (Abrechnungsfähigkeit der Nummer 49 Bema)
Leitsatz (amtlich)
Zum Begriff der "alleinigen Leistung" in Nr 49 Bema.
Orientierungssatz
1. Eine (nicht selbständig abrechenbare) Teilleistung kann nur dann vorliegen, wenn Leistungen derart zur Erbringung der Gesamtleistung gehören, daß diese ohne jenen Teil nicht als ordnungsgemäß erbracht angesehen werden können.
2. Ist im Rahmen der übergreifenden Versorgung die Erbringung der untergeordneten Leistung nur ausnahmsweise, nämlich nur in vereinzelten Fällen notwendig, so kann grundsätzlich nicht von der gebührenmäßigen Mitbewertung dieser (untypischen) Leistung ausgegangen werden.
3. Der Hinweis "als alleinige Leistung" besagt, daß eine Leistung nach Nr 49 Bema, wenn sie mit einer übergreifenden Leistung in dem vg Bedingungszusammenhang steht, in keinem Falle selbständig abrechnungsfähig ist, also die zweite Voraussetzung der Subsumtion - das Auftreten der Teilleistung als typischer Bestandteil der übergreifenden Leistung - nicht mehr geprüft zu werden braucht, sondern davon auszugehen ist, daß es sich gegenüber der Gesamtleistung um keine atypische, die Subsumierung unterlaufende Leistung handelt.
Normenkette
RVO § 368g Abs 4 S 1; BMV-Z § 26 Abs 3; Bema Nr 49 Fassung: 1981-01-01
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 10.11.1982; Aktenzeichen L 12 Ka 77/81) |
SG München (Entscheidung vom 24.09.1981; Aktenzeichen S 33 Ka 250/80) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Abrechnungsfähigkeit kassenzahnärztlicher Leistungen. Der Prüfungsausschuß der Beigeladenen zu 1), einer Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV), hat im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung dem als Kassenzahnarzt in Regensburg zugelassenen Beigeladenen zu 2) für das Quartal I/79 die nach Nr. 49 Bema (Excision oder Kauterisation der Schleimhaut in kleinem Umfang als alleinige Leistung) geltend gemachten Leistungen um 80 % gekürzt. Auf den Widerspruch des Beigeladenen zu 2) hat der beklagte Beschwerdeausschuß den Erstbescheid teilweise aufgehoben und lediglich in 12 Fällen eine Leistungsvergütung nach Nr. 49 Bema verweigert (Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 1980). Auf die Klage der AOK Regensburg hat das Sozialgericht (SG) unter Abänderung des Zweitbescheides ua dahin entschieden, daß die vom Beigeladenen Ziffer 2) im Zusammenhang mit Zahnersatz erbrachten Leistungen nach Nr. 49 Bema (- ausgenommen zweier einer anderen Gebührenziffer zugeordneten Leistungen -) abgesetzt werden. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß Leistungen nach Nr. 49 Bema bei der Versorgung mit Zahnersatz nach den Nrn. 20, 91, 92 (Kronen und Brücken) nicht abrechnungsfähig seien. Die Berufungen der Beigeladenen (zu 1 und 2) hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen. Eine Leistung nach Nr. 49 Bema sei nur abrechnungsfähig, wenn sie nicht mit einer (übergreifenden) anderen Leistung zusammenhänge, also auch nicht, wie hier, mit einer Zahnersatzversorgung. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beigeladenen zu 1). Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und ist der Ansicht, das LSG habe Nr. 49 Bema unrichtig ausgelegt.
Die Revisionsklägerin beantragt, das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. November 1982 - L 12 Ka 77/81 - aufzuheben sowie das Urteil des Sozialgerichts München vom 24. September 1981 - S 33 Ka 250/80 Z - abzuändern, soweit es den Beklagten verpflichtete, die streitigen Leistungen nicht nach Nr. 49 Bema abzurechnen und insoweit die Klage (gegen den Widerspruchsbescheid des Beklagten) abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der Beigeladene zu 2) hat seine zunächst eingelegte Revision zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 26 Abs 3 des (nach § 368 g der Reichsversicherungsordnung - RVO- aF; jetzt: § 368g Abs 3 und 4 Satz 1 RVO geschlossenen) Bundesmantelvertrags-Zahnärzte (BMV-Z), gültig ab 1. Juni 1962, erfolgen die Bewertung und Abrechnung der kassenzahnärztlichen Leistungen "nach dem als Anlage A zu diesem Vertrag vereinbarten Bewertungsmaßstab für die kassenzahnärztlichen Leistungen (Bema)". In dem Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen sowohl vom 1. Dezember 1965 (Bema 1965) als auch vom 1. Januar 1981 (Bema 1981) ist die Gebühren-Nr. 49 wie folgt beschrieben: Excision oder Kauterisation der Schleimhaut in kleinem Umfang als alleinige Leistung. Nach den Feststellungen des LSG hat der Beigeladene Ziffer 2 diese Behandlung nicht allein, sondern im Zusammenhang mit Zahnersatzleistungen erbracht. Nach § 5 der Allgemeinen Bestimmungen des Bema 1965 darf eine Gebühr "für eine Leistung nicht berechnet werden, die nach den Leistungsansätzen dieses Bewertungsmaßstabes Teil einer anderen Leistung ist, wenn für die letztere eine Gebühr berechnet wird". Und nach § 2 der Allgemeinen Bestimmungen des Bema 1981 ist eine Leistung "als selbständige Leistung dann nicht abrechnungsfähig, wenn sie Bestandteil einer anderen abrechnungsfähigen Leistung ist". Diesen Bestimmungen liegt der Gedanke zugrunde, daß entsprechende Gebührenbestimmungen notwendigerweise nach zweckorientierten Leistungseinheiten vorgenommen werden müssen, nicht aber nach den Einzelbemühungen, aus denen sich eine solche Leistungseinheit zusammensetzt (Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 5. März 1981 - 6 RKa 1/79 -) und daß demnach mit jeder Leistungseinheit alles abgegolten ist, was an solchen Einzelbemühungen in der Gesamtleistung enthalten ist (Grundsatz der Subsumierung der Teilleistung; vgl BSG, Urteil vom 18. Mai 1983 - 6 RKa 23/80 -). Es ist daher entscheidungserheblich, unter welchen Voraussetzungen eine Leistung als unselbständige Teilleistung einer (allein abrechnungsfähigen Gesamtleistung) anzusehen ist, ob also eine Leistung als bloßer Bestandteil einer übergeordneten Leistung (und mit dieser als teilidentisch) betrachtet werden muß.
Diese Frage kann nicht schon deshalb verneint werden, weil die potentielle Gesamtleistung und die potentielle Teilleistung unter verschiedenen Teilen des Bema aufgeführt sind. Denn solange nicht festzustellen ist, daß die potentielle Teilleistung ihrer Natur nach niemals als Bestandteil der in einem anderen Bema-Teil beschriebenen Leistungen auftreten kann, solange kann die fragliche Teilidentität auch nicht verneint werden. Da die Leistung der Gebührennummer 49 aber durchaus als Bestandteil der "Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen" denkbar ist, ist eine solche Verneinung der Teilidentität hier ausgeschlossen.
Eine Lösung der hier aufgeworfenen Bestandteil-Frage könnte (- zweitens -) darin liegen, daß der Bewertungsmaßstab bei allen Leistungen, die überhaupt als mehrteilige Leistungen in Frage kommen, abschließend aufzählt, welche Teilleistungen mit ihr abgegolten sind. Im Bema 1965 Nr 20 hatte es erläuternd geheißen, daß durch die Gebühr nach Nr 20 "folgende zahnärztliche Leistungen abgegolten" seien: Beschleifen des Zahnes, Bißnahme, Einpassen, Abdrucknahme, Einprobe, Einfügen, Nachkontrolle; Bema 1981 enthält eine gleiche Regelung. Und im Bema 1965 hieß es, daß durch die Gebühren nach den Nrn 91, 92 "alle Behandlungsmaßnahmen bei der Eingliederung von Brücken abgegolten (sind), mit Ausnahme der Leistungen nach den Nrn 3, 6 und 7" (Heil- und Kostenplan; Abdruck; Verbreitende Maßnahmen für Modelle), während Bema 1981 die oben angegebene Regelung wie Bema 1965 Nr 20 enthält, daß nämlich durch die Nrn 91 und 92 die obengenannten Einzelleistungen abgegolten seien. Damit ist in beiden Bewertungsmaßstäben der Grundsatz der Subsumierung der Teilleistungen ua dahin verdeutlicht worden, daß die aufgeführten Leistungen bei der Versorgung mit Kronen und Brücken als nicht anrechenbare Teilleistungen anzusehen sind. In diesen Abgeltungshinweisen ist jedoch keine abschließende Aufzählung zu erkennen, die den Schluß erlauben würde, daß jede hier nicht genannte Leistung als nichtanrechenbare Teilleistung außer Betracht zu bleiben habe. Dies schon deshalb, weil nicht auszuschließen ist, daß die angeführten (- abgegoltenen -) Teilleistungen wiederum mit einzelnen Leistungen verbunden sein können, bei denen es fraglich ist, ob sie echte Teilleistungen sind und damit gleichfalls vom Grundsatz der Subsumierung der Teilleistungen erfaßt werden. Aus der Aufzählung der abgegoltenen Leistungen läßt sich mit anderen Worten nicht schließen, daß jede hier nicht genannte Leistung gebührenmäßig anzurechnen wäre, sofern sie überhaupt als abrechnungsfähige Leistung im Bema aufgeführt ist. Ein solcher Schluß ließ sich aber auch nicht aus der obengenannten Formulierung des Bema 1965 herleiten, daß nämlich durch die Gebühren nach den Nrn 91, 92 "alle Behandlungsmaßnahmen bei der Eingliederung von Brücken abgegolten" seien. Auch diese Formulierung läßt nicht erkennen, daß damit nicht etwa nur die im Bema 1981 ausdrücklich aufgeführten brückenspezifischen Leistungen, sondern jedwede weitere im konkreten Einzelfall mit der Eingliederung einer Brücke verbundene Leistung abgegolten sein sollte.
Die Frage, ob die Leistung nach Nr 49 Bema gegenüber der "Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen" als eine (nicht selbständig abrechenbare) Teilleistung zu gelten hat, ist somit weder aus der Bema-Systematik noch aus den Abgeltungsvorschriften bei Zahnersatzleistungen zu beantworten. Eine Teilleistung im obengenannten Sinne kann nur dann vorliegen, wenn Leistungen derart zur Erbringung der Gesamtleistung gehören, daß diese ohne jenen Teil nicht als ordnungsgemäß erbracht angesehen werden können. Es kommt also darauf an, ob die vom Beigeladenen Ziffer 2) durchgeführten Excisionen der Schleimhaut notwendig waren, die Leistungen Nr. 20, 91, 92 oder sonstiger in Betracht kommender übergreifender Bema-Leistungseinheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst erfolgreich durchzuführen - diese Excisionen insoweit also diesen Erfolg mitbedingten - oder ob sie außerhalb dieses Zusammenhangs erbracht wurden. Aber nicht bei jedem dieser Bedingungszusammenhänge kann von einer Teilleistung im Sinne des Subsumierungsgrundsatzes gesprochen werden. Ist eine kassenzahnärztliche Tätigkeit ausdrücklich als gebührenmäßig anzurechnende Leistung beschrieben, so muß die Nichtanrechenbarkeit besonders begründet sein. Dieser Grund liegt nicht schon darin, daß die potentielle Teilleistung eine Bedingung des Erfolgs der übergreifenden Leistung sei, sondern erst darin, daß sie regelmäßig in ihr enthalten, also typischerweise mit solchen umfassenden Leistungen verbunden ist. Denn eine Leistung kann sehr wohl für den Erfolg der umfassenden Leistung notwendig sein und doch, wenn sie nämlich atypisch ist, außerhalb des mitbewerteten typischen Leistungsinhalts stehen. Insofern gehört zur Qualifizierung als Teilleistung im Sinne des Subsumierungsgrundsatzes nicht nur der obengenannte Bedingungszusammenhang für den Erfolg, sondern auch eine gewisse Typik. Ist also im Rahmen der übergreifenden Versorgung die Erbringung der untergeordneten Leistung nur ausnahmsweise, nämlich nur in vereinzelten Fällen, notwendig, so kann grundsätzlich nicht von der gebührenmäßigen Mitbewertung dieser (untypischen) Leistung ausgegangen werden.
Soweit aber Nr. 49 Bema die Abrechnungsfähigkeit davon abhängig macht, daß es sich um eine "alleinige Leistung" handelt, so kann dieser Wortlaut nur im Zusammenhang mit der genannten Problematik (der Subsumtion von Teilleistungen) gesehen werden. Der Hinweis "als alleinige Leistung" besagt demnach, daß eine Leistung nach Nr. 49 Bema, wenn sie mit einer übergreifenden Leistung in dem obengenannten Bedingungszusammenhang steht, in keinem Falle selbständig abrechnungsfähig ist, hier also die zweite Voraussetzung der Subsumtion - das Auftreten der Teilleistung als typischer Bestandteil der übergreifenden Leistung - nicht mehr geprüft zu werden braucht, sondern davon auszugehen ist, daß es sich gegenüber der Gesamtleistung um keine atypische, die Subsumierung unterlaufende Leistung handelt. Es genügt also für das Fehlen der Abrechnungsfähigkeit, wenn der bloße Nachweis des genannten Bedingungszusammenhangs erbracht ist; mit dem Einwand, dieser Zusammenhang sei ganz untypisch, kann der Kassenzahnarzt dann nicht mehr gehört werden. Das LSG hat, wie der Gesamtheit der Urteilsgründe entnommen werden kann, den Bedingungszusammenhang der hier streitigen Excisionen mit der übergreifenden Zahnersatzleistung bejaht. Einer weiteren Prüfung brauchte es aus den obengenannten Gründen nicht nachzugehen. Es hat daher im Ergebnis zu Recht dahin entschieden, daß die streitigen Excisionen gebührenmäßig nicht abrechnungsfähig sind.
Die Revision war somit zurückzuweisen, dies jedoch wegen des Verbots der Schlechterstellung mit der sich aus dem Urteilstenor ergebenden Maßgabe (vgl BSGE 53, 284ff).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen