Entscheidungsstichwort (Thema)
Verrechnung. öffentlich-rechtlicher Vertrag. Schriftform. Verrechnung künftiger Rentenansprüche. Rangfolge Verrechnung. Erstattungsanspruch. Ermessen
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Vereinbarung der Verrechnung zwischen Leistungsträgern handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag.
2. Eine einheitliche Verrechnungserklärung für künftige Rentenauszahlungsansprüche ist zulässig.
3. Es besteht kein allgemeiner Vorrang des Erstattungsanspruchs gem § 104 Abs 1 S 4 SGB 10 gegenüber einem Verrechnungsanspruch.
Orientierungssatz
1. Die Verwendung des Begriffs "kann" bei der Verrechnung des § 52 SGB 1 muß nicht zwangsläufig zum Ausdruck bringen, daß die Entscheidung nach Ermessen zu treffen ist. Statt eines "Ermessens -Kann" kann auch ein sogenannter "Kompetenz-Kann" vorliegen, durch das die Befugnis eingeräumt wird, eine bestimmte Maßnahme durchzuführen.
2. Bei - koordinationsrechtlichen öffentlich-rechtlichen Verträgen zwischen Leistungsträgern kann von dem Erfordernis der "Urkundeneinheit" des § 126 Abs 2 S 1 BGB, also der Unterschrift der Vertragspartner auf einer Urkunde, abgesehen werden.
Normenkette
SGB I § 52; SGB X § 53 Abs. 1 S. 1, §§ 56, 59 Abs. 1 S. 1, § 88 Abs. 1, § 104 Abs. 1 Sätze 1, 4, § 107 Abs. 1; BGB § 126 Abs. 2 S. 1; BSHG § 29 S. 2
Verfahrensgang
SG Berlin (Entscheidung vom 06.08.1987; Aktenzeichen S 9 An 429/87) |
LSG Berlin (Entscheidung vom 29.03.1989; Aktenzeichen L 6 An 99/87) |
Tatbestand
Streitig ist, ob die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zur Fortsetzung einer Verrechnung von Rentenansprüchen der Versicherten Margot B. (Beigeladene zu 2) zugunsten der klagenden Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) verpflichtet ist.
Die Klägerin hatte gegen die Beigeladene zu 2), die von der Beklagten ein Altersruhegeld bezieht, eine titulierte Regreßforderung in Höhe von zunächst 7.656,90 DM zuzüglich Zinsen (Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Tempelhof/Kreuzberg vom 23. Juli 1981). Mit Schreiben vom 25. September 1985 bat die Klägerin die Beklagte um Verrechnung der Regreßforderung mit den Rentenzahlungen an die Beigeladene zu 2). Die Beklagte teilte der Klägerin mit, sie werde die Verrechnung vornehmen (Schreiben vom 10. Oktober 1985). Mit einem gegenüber der Beigeladenen zu 2) erlassenen, bindend gewordenen Bescheid vom 10. Oktober 1985 verrechnete die Beklagte ab 1. Dezember 1985 die Regreßforderung der Klägerin in Höhe von 394,20 DM monatlich (ab 1. Juli 1986 408,20 DM) mit dem Altersruhegeld der Beigeladenen zu 2). Bezüglich des Altersruhegeldes der Beigeladenen zu 2), von dem monatlich noch 30,-- DM aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses einbehalten wurden, gingen bei der Beklagten am 31. Januar und 14. März 1986 weitere Pfändungen ein.
Ab dem 27. Mai 1986 gewährte das Land Berlin (Beigeladener zu 1) der Beigeladenen zu 2), die seit März 1986 unter Pflegschaft steht, als Hilfe in besonderen Lebenslagen gemäß §§ 27 ff des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) die Unterbringung in einem Heim. Hierfür entstanden Kosten in Höhe von 71,90 DM täglich. Mit einem am 12. September 1986 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben nahm der Beigeladene zu 1) den Rentenanspruch der Beigeladenen zu 2) gemäß § 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in voller Höhe in Anspruch. Die Beklagte teilte daraufhin der Klägerin mit (Schreiben vom 2. Oktober 1986), der Erstattungsanspruch des Beigeladenen zu 1) nach § 104 SGB X genieße Vorrang gegenüber allen anderen Forderungen, so daß ab 1. November 1986 Zahlungen an die Klägerin nicht mehr erbracht werden könnten. Die Beklagte zahlte das Altersruhegeld der Beigeladenen zu 2) ab 1. November 1986 in voller Höhe an den Beigeladenen zu 1) aus.
Auf die Klage der Klägerin, die weiterhin die Durchführung der Verrechnung begehrte, hat das Sozialgericht (SG) Berlin die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, die Forderungen der Klägerin mit den der Beigeladenen zu 2) gegen die Beklagte zustehenden Rentenansprüchen über den 31. Oktober 1986 hinaus zu verrechnen und die Verrechnungsbeträge monatlich an die Klägerin auszuzahlen (Urteil vom 6. August 1987). Unter Bezugnahme auf die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14. November 1984 - 1/4 RJ 57/84 (BSGE 57, 218 = SozR 1300 § 104 Nr 3) und vom 30. Januar 1985 - 1/4 RJ 107/83 (BSG SozR aaO Nr 4) hat es ausgeführt, daß bei konkurrierenden Verfügungen über Sozialleistungsansprüche von Berechtigten das Prioritätsprinzip gelten müsse und deshalb der Beigeladene zu 1) von der Beklagten nur in der Höhe Erstattung erhalten könne, wie der Anspruch der Beigeladenen zu 2) auf Altersruhegeld nicht durch die zugunsten der Klägerin durchgeführte Verrechnung berührt worden sei.
In Ausführung des SG-Urteils hat die Beklagte ab 1. März 1988 die Verrechnung zugunsten der Klägerin durchgeführt.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 29. März 1989). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen dargelegt, der Beigeladene zu 1) habe gemäß § 104 Abs 1 Satz 4 SGB X einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte, weil die Beigeladene zu 2) ihr Renteneinkommen zur Deckung der wesentlich höheren Heimkosten einzusetzen habe und daher dem Beigeladenen zu 1) zum Aufwendungsersatz verpflichtet sei. Dessen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte sei ab 1. November 1986 wirksam geworden. Die damit eingreifende Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB X bewirke, daß monatlich im Zeitpunkt des Entstehens des Rentenauszahlungsanspruchs der Beigeladenen zu 2) dieser durch die fingierte Erfüllung sofort wieder erlösche und kein Raum mehr für eine Verrechnung des Anspruchs der Klägerin gegen die Rentenauszahlungsansprüche der Beigeladenen zu 2) bleibe. Während sich in den Fällen der Abtretung und der Pfändung einer Forderung der Anspruch des Rentenberechtigten auf Auszahlung seiner monatlichen Rente gegen den Sozialversicherungsträger verringere und sich daher der Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers und demgemäß die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X nur auf die noch in der Person des Rentenempfängers verbliebenen Ansprüche erstrecke (Hinweis auf BSGE 57, 218 = SozR 1300 § 104 Nr 3 und BSGE 60, 87 = SozR 1200 § 53 Nr 6), träten diese Wirkungen mangels entsprechender gesetzlicher Vorschriften bei einer Verrechnungs- bzw Aufrechnungslage nicht ein. Da die Beigeladene zu 2) die Auszahlung des ihr zustehenden Altersruhegeldes erst am Beginn eines jeden Monats von der Beklagten habe verlangen können und im selben Augenblick die Erfüllung dieser Forderung wegen des Erstattungsanspruchs des Beigeladenen zu 1) eingetreten sei, gehe eine Verrechnungserklärung wegen Fehlens einer Forderung, gegen die verrechnet werden könne, ins Leere. Wegen der unterschiedlichen Wirkungen der Pfändung und Abtretung von Forderungen einerseits und der Aufrechnung und Verrechnung andererseits komme es somit auf das in der Zwangsvollstreckung und bei Abtretungen geltende Prioritätsprinzip nicht an. Ebensowenig stelle sich die Frage der "Vorrangigkeit" des Erstattungsanspruchs von Sozialhilfeträgern gegenüber Ansprüchen von Pfändungsgläubigern, Zessionaren oder Aufrechnungs- bzw Verrechnungsberechtigten. Auf eine entsprechende Anwendung des § 392 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) könne sich die Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs ebenfalls nicht berufen, weil diese Schuldnerschutzvorschrift auf die unter Verzicht auf die Gegenseitigkeit der Forderungen durchzuführende Verrechnung nicht anzuwenden sei.
Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts. Für die Rangfolge konkurrierender Gläubiger beim Zugriff auf einen Sozialleistungsanspruch des Schuldners sei entsprechend den allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen für Verfügungen das Prioritätsprinzip maßgeblich. Entscheidend sei damit der Zeitpunkt, in dem das Verrechnungsersuchen wirksam werde. Dieser habe hier vor dem Zeitpunkt gelegen, zu dem der Erstattungsanspruch des Beigeladenen zu 1) erhoben worden sei. Für diese Auffassung spreche auch § 392 BGB iVm § 52 SGB I, wonach eine Aufrechnung/Verrechnung auch gegen eine beschlagnahmte Forderung bei einer schon vor der Beschlagnahme vorhandenen Aufrechnungslage weiterhin rechtlich zulässig sei. Aus § 107 SGB X könne nicht entnommen werden, daß dem Gläubiger eines Erstattungsanspruchs gemäß § 104 SGB X der Vorrang gegenüber einer zuvor erklärten Verrechnung zukomme. Die Vorschrift bezwecke lediglich die Klarstellung, daß dem Leistungsberechtigten nach Durchführung der Erstattung kein Leistungsanspruch mehr gegenüber dem verpflichteten Träger zustehe, um so Doppelleistungen zu vermeiden. Die Entscheidung des LSG laufe im Verhältnis zur Pfändung oder Abtretung von Sozialleistungsansprüchen auf eine Entwertung des Rechtsinstituts der Verrechnung hinaus, das gerade aus Vereinfachungsgründen eingeführt worden sei. Gläubiger, die gleichzeitig Leistungsträger seien, müßten danach bei einer Verrechnung Rechtsnachteile in Kauf nehmen, die sie unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG bei Abtretung und Pfändung nicht hätten. Der vom Gesetzgeber verfolgte Vereinfachungszweck würde damit verfehlt und das Ziel des Gläubigerschutzes unterlaufen.
Die Klägerin beantragt,
"das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 29. März 1989 aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen."
Die Beklagte und der Beigeladene zu 1) beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, es bestehe ein vom Gesetzgeber gewollter logischer Vorrang einzelner Erstattungsansprüche gegenüber anderweitigen Verfügungen über den Sozialleistungsanspruch. Dieser Vorrang ergebe sich einerseits aus Sinn und Zweck der in §§ 102 ff SGB X geregelten Erstattungsansprüche, andererseits aus der in § 107 Abs 1 SGB X angeordneten Erfüllungsfiktion, nach der anderweitige Ansprüche eindeutig zurücktreten sollten. Die Erstattungsansprüche der §§ 102 ff SGB X hätten das Ziel, dem Erstattungsberechtigten weitgehend die Leistungen zu ersetzen, die er bei rechtzeitiger Zahlung der endgültigen Leistung nicht erbracht hätte. Mit der Abwicklung der Erstattungsansprüche werde zunächst eine Bereinigung der Leistungsansprüche des Leistungsberechtigten gegenüber verschiedenen Leistungsträgern im Nachzahlungszeitraum erreicht. Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff SGB X seien deshalb stets vor den sonstigen Ansprüchen zu befriedigen. Zwar habe das BSG mit seinen Urteilen vom 14. November 1984 und vom 30. Januar 1985 zum Zusammentreffen von Abtretungsansprüchen nach § 53 SGB I mit Erstattungsansprüchen des Sozialhilfeträgers nach § 104 SGB X eine gegenteilige Auffassung vertreten und entschieden, daß die abgetretenen Ansprüche den Vorrang genießen würden, wenn die Abtretung zeitlich früher erfolgt sei. Diese Rechtsprechung könne jedoch weder überzeugen noch als gesichert angesehen werden, so daß ihr schon aus diesem Grunde nicht zu folgen sei, zumal die Rentenversicherungsträger und auch die überwiegende Mehrheit im Schrifttum (Hinweis auf Andr, Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, 1985, S 337 ff mwN) anderer Ansicht seien. Durch die sich aus den §§ 102 ff SGB X ergebende Erstattungspflicht des letztlich verpflichteten Leistungsträgers gegenüber anderen Leistungsträgern sei der Auszahlungsanspruch des Leistungsberechtigten von vornherein beschränkt. Dies ergebe sich besonders deutlich aus § 107 Abs 1 SGB X, wonach der Anspruch des Leistungsberechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt gelte, soweit ein Erstattungsanspruch bestehe. Wenn also ein berechtigter Erstattungsanspruch vorliege, könne sich demnach die Belastung des Sozialleistungsanspruchs durch Ansprüche aus §§ 48, 51 bis 54 SGB I nur noch auf verbleibende Leistungsanteile auswirken. Zwar fehle eine ausdrückliche gesetzliche Klarstellung dieser Vorrangigkeit zugunsten der Erstattungsansprüche; nach dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers müsse jedoch davon ausgegangen werden, daß die Erstattungsansprüche der Sozialleistungsträger untereinander nicht durch anderweitige Verfügungen über den Sozialleistungsanspruch zugunsten von Berechtigten außerhalb der Sozialleistungsbereiche eingeschränkt werden sollten.
Der Beigeladene zu 1) führt aus, zugunsten der Klägerin habe schon keine Aufrechnungslage mehr bestanden. Die Beklagte habe nicht im voraus bereits die zukünftigen und ungewissen Einzelansprüche der Beigeladenen zu 2) auf Altersruhegeld erfüllen dürfen. Eine Aufrechnung gegen künftige Ansprüche sei nicht möglich. Mit der von der Klägerin vertretenen Auffassung, die auf eine Angleichung der Verrechnung an die Institute der Abtretung und Pfändung hinauslaufe, solle der Verrechnung ein größerer Wirkungskreis eingeräumt werden, als ihn die Aufrechnung gegenüber der Abtretung und Pfändung habe. Das könne nicht zutreffen.
Die Beigeladene zu 2) hat sich im Revisionsverfahren zur Sache nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des LSG war aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß die Klägerin den von ihr geltend gemachten Anspruch auf - weitere - Durchführung der Verrechnung und Erstattung der durch die Verrechnung erlangten Beträge im Wege der allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) geltend machen kann (BSGE 53, 208, 209 = SozR 1200 § 52 Nr. 6).
Der Anspruch der Klägerin, von der Beklagten die Verrechnung ihrer Forderung gegen die Beigeladene zu 2) über den 31. Oktober 1986 hinaus zu verlangen, gründet sich auf den zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Verrechnungsvertrag. Hierbei handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag iS des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB X. Er weist zwar auftragsähnliche Züge auf, stellt sich aber weder als gesetzlicher noch als rechtsgeschäftlicher Auftrag dar.
Der gesetzliche Auftrag des § 93 SGB X setzt voraus, daß die Beauftragung selbst unmittelbar durch Rechtsvorschriften erfolgen muß (Hauck/Haines, SGB X 3, § 93 RdNr 6; Schroeder-Printzen/ Engelmann/Schmalz/Wiesner/v. Wulffen, SGB X, 2. Aufl 1990, § 93 Anm 1). Das ist bei der Verrechnung jedoch nicht der Fall. § 52 SGB I enthält - außer der Regelung des Instituts der Verrechnung und der Voraussetzungen ihrer Durchführung - zwar die Ermächtigung des für eine Geldleistung zuständigen Leistungsträgers zum Abschluß eines Verrechnungsvertrages ("kann"), läßt aber dessen Zustandekommen von übereinstimmenden Willenserklärungen der beteiligten Leistungsträger abhängen. Die gesetzliche Zuweisung der Befugnis zur Verrechnung genügt nicht für die Qualifizierung als gesetzlicher Auftrag (aA insoweit: BSGE 53, 208, 209 = SozR aaO, wo die Verrechnung als gesetzlicher Auftrag gewertet wird; im Ergebnis wie hier: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S 963 b; Hauck/Haines, aaO; Peters, SGB I, § 52 Anm 4).
Auch der in der Literatur zur Rechtsnatur der zwischen den Leistungsträgern bestehenden Beziehungen überwiegend vertretenen Auffassung kann nicht gefolgt werden. Danach kann das Verhältnis zwischen dem um Verrechnung ersuchenden und dem ersuchten Leistungsträger als öffentlich-rechtliches Auftragsverhältnis bezeichnet werden, auf das die §§ 88 ff SGB X angewendet werden können (so Grüner, SGB I, § 52 Anm III 1, IV; ähnlich Peters, aaO, § 52 Anm 4; Heinze in: Bochumer Kommentar, § 52 RdNr 2; Hauck/Haines, aaO, § 52 RdNr 3; v. Maydell in: Burdenski/ v. Maydell/Schellhorn, GK-SGB I, 2. Aufl 1981, § 52 RdNr 17, der offen läßt, ob es sich um ein gesetzliches oder vertragliches Auftragsverhältnis handelt). Dem ist insoweit zuzustimmen, als in der Verrechnung ein vertragliches Verhältnis - bei dem Auftrag iS des § 88 Abs 1 Satz 1 SGB handelt es sich um eine spezielle Ausformung des öffentlich-rechtlichen Vertrages (Eichenhofer in: Wannagat, SGB X 3, § 88 RdNr 12; Schroeder-Printzen, aaO, § 88 Anm 1, 6) - gesehen wird. Entgegen dieser Auffassung liegt aber kein Auftragsverhältnis iS des § 88 Abs 1 Satz 1 SGB X vor; denn dieses verlangt die Wahrnehmung einer dem Auftraggeber "obliegenden Aufgabe" durch den Beauftragten. Mit dem Ersuchen um Verrechnung überträgt jedoch der ersuchende Leistungsträger keine ihm obliegende Sachaufgabe zur Wahrnehmung durch den ersuchten Leistungsträger (so zutreffend Seewald, KassKomm, SGB I, § 52 RdNr 16). Ebenso spricht die gesetzliche Beschränkung der Zulässigkeit rechtsgeschäftlicher Auftragsverhältnisse auf bestimmte Sozialleistungsbereiche (§ 88 Abs 1 Satz 2 SGB X) gegen die Anwendung des Auftragsrechts der §§ 88 ff SGB X auf das allgemeine, nicht auf einzelne Sozialleistungsbereiche begrenzte Institut der Verrechnung gemäß § 52 SGB I (differenzierend insoweit Peters, aaO, Anm 4).
Der Annahme eines öffentlich-rechtlichen Verrechnungsvertrages kann nicht entgegen gehalten werden, es stehe im pflichtgemäßen Ermessen des ersuchten Leistungsträgers, ob er eine Verrechnung vornehme. Ungeachtet dessen, daß dies von vornherein der Qualifizierung einer Verrechnung als vertraglicher Regelung nicht widerspricht, räumt § 52 SGB I dem ersuchten Leistungsträger jedenfalls im Verhältnis zum ersuchenden Leistungsträger kein Ermessen ein.
In der Literatur wird hierzu allgemein vertreten, daß es sich bei der Frage der Verrechnungsdurchführung im Verhältnis ersuchender/ersuchter Leistungsträger um eine Ermessensentscheidung handele (s zB Grüner, aaO, § 52 Anm I, V; Hauck/ Haines, aaO, § 52 RdNr 4 b; v. Maydell, aaO, § 52 RdNr 11; Seewald, aaO, § 52 RdNr 13; VerbKomm, SGB I, § 52 RdNr 6). Dies wird - ohne nähere Begründung - ersichtlich aus der Formulierung des § 52 SGB I gefolgert, wonach der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger verrechnen "kann". Die Verwendung des Begriffs "kann" muß indes nicht zwangsläufig zum Ausdruck bringen, daß die Entscheidung nach Ermessen zu treffen ist. Statt eines "Ermessens-Kann" kann auch ein sog "Kompetenz-Kann" vorliegen, durch das die Befugnis eingeräumt wird, eine bestimmte Maßnahme durchzuführen (zum Gesichtspunkt der Befugnis bei der Aufrechnung s BSG SozR 1200 § 51 Nr 11 S 24; allgemein zum "Kompetenz-Kann": Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Auflage 1990, S 101 unter Hinweis auf BVerwGE 23, 25, 29; 43, 339, 342). Es liegt nahe, bei der Verrechnung des § 52 SGB I die Kann-Formulierung als "Kompetenz-Kann" zu werten; denn die Vorschrift begründet erst die Berechtigung eines Leistungsträgers dem Grunde nach, überhaupt eine Verrechnung vorzunehmen. Sie gibt aber keinen Anhalt dafür, daß und welche Ermessensgesichtspunkte (Zweckmäßigkeitserwägungen) bei der Entscheidung darüber, ob eine Verrechnung durchgeführt werden soll, im Verhältnis zum ersuchenden Leistungsträger berücksichtigt werden könnten. Zudem bezieht sich Ermessen typischerweise auf das Handeln der Verwaltung im Verhältnis zum Bürger, nicht jedoch auf die Zusammenarbeit der Leistungsträger untereinander. Dieses ist vielmehr durch ein gegenseitiges Pflichtenverhältnis (zB Pflicht zur Amtshilfe - § 3 Abs 1 SGB X, Art 35 Abs 1 Grundgesetz) gekennzeichnet, das im Sozialleistungsbereich mit der Verpflichtung des § 86 SGB X zur engen Zusammenarbeit seine besondere Ausprägung erfahren hat.
Da es sich nach allem bei der Verrechnung um einen öffentlich-$rechtlichen Vertrag gemäß § 53 Abs 1 Satz 1 SGB X handelt, dessen Voraussetzungen und Inhalt in den §§ 53 ff SGB X weitgehend gesetzlich normiert worden sind, besteht zum einen nicht die Notwendigkeit, die Vorschriften des zivilen Auftragsrechts (§§ 662 ff BGB) entsprechend heranzuziehen (so für den Rechtszustand vor Inkrafttreten der §§ 88 ff SGB X: Heinze, aaO; v. Maydell, aaO), sofern deren Anwendung nicht ohnehin bereits durch § 88 SGB X als lex specialis ausgeschlossen sein sollte. Zum anderen ist mangels einer Lückenhaftigkeit der §§ 53 ff SGB X im hier maßgeblichen Bereich auch eine analoge Heranziehung der §§ 88 ff SGB X auf den Verrechnungsvertrag nicht geboten.
Die übereinstimmenden Willenserklärungen der Klägerin im Schreiben vom 25. September 1985 und der Beklagten im Schreiben vom 10. Oktober 1985 erfüllen die Voraussetzungen für die Annahme eines öffentlich-rechtlichen Verrechnungsvertrages. Dieser ist auch nicht etwa deshalb unwirksam, weil die Vertragsparteien nicht gemeinsam eine Vertragsurkunde unterzeichnet haben, wie dies § 56 SGB X iVm dem - ggf entsprechend anzuwendenden - § 126 Abs 2 Satz 1 BGB voraussetzen könnte. Im Hinblick darauf, daß bei - koordinationsrechtlichen - öffentlich-rechtlichen Verträgen zwischen Leistungsträgern der mit dem Schriftformerfordernis des § 56 SGB X erstrebten Dokumentations- und Schutzfunktion nicht die Bedeutung zukommt wie bei subordinationsrechtlichen Verträgen, kann von dem Erfordernis der "Urkundeneinheit" des § 126 Abs 2 Satz 1 BGB, also der Unterschrift der Vertragspartner auf einer Urkunde, abgesehen werden (im Ergebnis ebenso: Bonk in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, 3. Aufl 1990, § 57 RdNr 11 mwN). Ausreichend für die Erfüllung der Schriftform ist in diesen Fällen die - vorliegend vorhandene - willensmäßige Übereinstimmung schriftlich abgegebener Willenserklärungen.
Nach Ansicht des Beigeladenen zu 1) soll die Beklagte schon deshalb nicht zur Verrechnung berechtigt gewesen sein, weil sie nicht mit künftigen und ungewissen Einzelansprüchen der Beigeladenen zu 2) auf Altersruhegeld habe verrechnen dürfen. Dem liegt wohl die Rechtsansicht zugrunde, durch die Verrechnung mit künftigen Forderungen sei gegen die - entsprechend geltende - Vorschrift des § 387 BGB verstoßen worden. Daraus könnte gemäß § 58 Abs 1 SGB X iVm § 306 BGB (anfängliche objektive Unmöglichkeit) die Nichtigkeit des Verrechnungsvertrages folgen. Ein derartiger Verstoß liegt jedoch nicht vor.
Nach § 52 SGB I kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Die Verrechnung stellt sich damit als Aufrechnung unter Verzicht auf die bei der Aufrechnung erforderliche Gegenseitigkeit der Ansprüche von Schuldner und Gläubiger dar. Auf die Verrechnung des § 52 SGB I finden demgemäß, ebenso wie bei der Aufrechnung des § 51 SGB I, die das Institut der Aufrechnung im Zivilrecht regelnden Vorschriften der §§ 387 ff BGB entsprechende Anwendung, sofern sich aus dem Regelungsgehalt des § 52 SGB I nichts anderes ergibt (BSGE 67, 143, 155 f = SozR 3-1200 § 52 Nr 1 mwN). Die Aufrechnung/Verrechnung, die durch Erklärung des Schuldners dem anderen Teil gegenüber wirksam wird (vgl § 388 Satz 1 BGB), setzt gemäß § 387 BGB neben anderem im Zeitpunkt der Aufrechnung/Verrechnung zwar keine fällige, aber eine entstandene und erfüllbare Hauptforderung voraus; gegen eine künftige oder aufschiebend bedingte Forderung kann nicht aufgerechnet werden (BGH NJW 1988, S 2542, 2543, mwN; Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, 1983, S 232). Künftig in diesem Sinne sind Forderungen, für deren Entstehen zumindest ein Tatbestandsmerkmal fehlt, auch wenn ihr Rechtsgrund bereits gegeben sein mag (Gernhuber, aaO).
Die Verrechnungserklärung der Beklagten gegenüber der Versicherten (Beigeladene zu 2) stellt sich nicht als Verrechnung mit künftigen Forderungen im aufgezeigten Sinne dar. Sie erfaßt zunächst nicht das Rentenstammrecht, also den Rentenanspruch dem Grunde nach, kann diesen mithin nicht zum Erlöschen bringen. Die Verrechnung bezieht sich vielmehr auf die aus dem Rentenstammrecht erwachsenden Rentenauszahlungsansprüche (zur Unterscheidung Rentenstammrecht - Auszahlungsanspruch s etwa BSGE 53, 8, 12 = SozR 7610 § 1813 Nr 1; BSGE 61, 108, 110 = SozR 2200 § 1269 Nr 3; Funk in KassKomm, § 1278 RVO RdNr 13), die regelmäßig jeweils monatlich fällig werden. Gemäß § 74 Satz 1 AVG (= § 1297 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫) wird die Rente nämlich in monatlichen Beträgen im voraus gezahlt. Der Leistungsanspruch auf Rentenauszahlung entsteht somit jeweils mit dem Monatsersten erneut (BSGE 61, 108, 111 = SozR aaO). Sollte mit derartigen Rentenauszahlungsansprüchen in die Zukunft hinein durch einmalige Verrechnungserklärung verrechnet werden, mithin der zukünftig entstehende Anspruch von vornherein zum Erlöschen gebracht werden, handelte es sich um eine Verrechnung mit zukünftigen Passivforderungen im aufgezeigten Sinne, die unzulässig wäre (für ihre Zulässigkeit aber wohl Zweng/Scheerer/ Buschmann, Handbuch der Rentenversicherung, 2. Auflage, § 51 SGB I Anm III 1, wonach der Rentenversicherungsträger auf einmal mit der gesamten Schuld des Rentenberechtigten aufrechnen können soll); denn bei einer derartigen Verrechnung würden noch nicht entstandene, also zukünftige Ansprüche verrechnet, obwohl der Fortbestand des Dauerrechtsverhältnisses bis zum Zeitpunkt der möglichen Entstehung des Rentenauszahlungsanspruchs ungewiß ist (vgl zur - beschränkten - Ausnahme vom Erfordernis der Erfüllbarkeit: BGH NJW 1972, S 154, wonach wiederkehrende Ruhegehaltsansprüche für sechs Monate im voraus durch Aufrechnung erfüllt werden können).
Zulässig ist hingegen die Abgabe einer "einheitlichen Verrechnungserklärung" für künftige Rentenauszahlungsansprüche mit Wirkung für den jeweiligen Zeitpunkt ihres Entstehens. Dies ergibt sich zwingend aus Sinn und Zweck des Rechtsinstituts "Verrechnung", das den Verwaltungsträgern insbesondere bei Dauerleistungsverhältnissen eine besonders einfache Durchsetzung ihrer Gegenforderungen gegenüber dem Leistungsberechtigten ermöglichen soll; denn die Verrechnung/Aufrechnung durch die Leistungsträger bezieht sich regelmäßig auf wiederkehrende Sozialleistungen aus Dauerleistungsverhältnissen. Wollte man hinsichtlich der Verrechnung/Aufrechnung mit diesen Ansprüchen eine jeweils monatlich abzugebende Erklärung verlangen, wäre ein hoher Verwaltungsaufwand erforderlich, ohne daß sich daraus Rechtsvorteile für den Bürger ergäben. Vielmehr wäre entgegen Sinn und Zweck der Norm den Leistungsträgern gerade keine vereinfachte Möglichkeit zur Durchsetzung ihrer Forderungen eröffnet (zu dieser Zielvorstellung des Gesetzgebers s mwN: BSGE 67, 143, 156f = SozR aaO). Darüber hinaus gibt es kein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der jeweils monatlichen Wiederholung der Verrechnungs-/Aufrechnungserklärung (so bereits Gernhuber, aaO, S 233 Fn 62; im Ergebnis ebenso: Hauck/Haines, aaO, § 51 RdNr 10; Kamprad, DRV 1991, S 352, 358 ff).
Aus allem folgt, daß nicht nur der Verrechnungsvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten, sondern auch die im Bescheid vom 10. Oktober 1985 enthaltene Verrechnungserklärung gegenüber der Beigeladenen zu 2), mit der nicht eine "Gesamtverrechnung" vorgenommen, sondern eine "einheitliche Verrechnungserklärung" abgegeben wurde, wirksam war.
Die Beklagte war nicht berechtigt, das zwischen ihr und der Klägerin aufgrund der Annahme des Verrechnungsersuchens entstandene Dauerschuldverhältnis zu kündigen. Als derartige Maßnahme ist ihre Erklärung im Schreiben vom 2. Oktober 1986 zu werten, in dem sie der Klägerin sinngemäß mitgeteilt hat, ab 1. November 1986 eine Verrechnung nicht mehr vorzunehmen.
Das Recht, die Verrechnungsvereinbarung zu kündigen, setzt gemäß § 59 Abs 1 Satz 1 SGB X voraus, daß sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit Abschluß des Vertrages so wesentlich geändert haben, daß einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist und eine Anpassung des Vertragsinhaltes an die geänderten Verhältnisse nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist. Die danach geforderte wesentliche Änderung der Verhältnisse, die für den Vertragsabschluß maßgebend waren (zu ihren Voraussetzungen s Schroeder-Printzen, aaO, § 59 Anm 2.1.) kann sowohl im tatsächlichen als auch im rechtlichen Bereich liegen.
Der vom Beigeladenen zu 1) geltend gemachte Erstattungsanspruch, der hier als einzige "wesentliche Änderung" in Betracht kommt, rechtfertigt jedoch die Kündigung des Verrechnungsvertrages nicht. Denn er ist zeitlich nach dem Verrechnungsanspruch der Klägerin entstanden und wirkt sich deswegen nicht auf die Erfüllbarkeit des Anspruchs der Klägerin auf Verrechnung durch die Beklagte aus.
Erstattungsansprüche haben - entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung - keinen allgemeinen Vorrang gegenüber einem Anspruch auf Verrechnung. Der Beigeladene zu 1) trägt gemäß §§ 29, 43 BSHG die Heimunterbringungskosten der Beigeladenen zu 2). Er hat insoweit gemäß § 29 Satz 2 BSHG einen Aufwendungsersatzanspruch, aufgrund dessen er gemäß § 104 Abs 1 Satz 4 iVm Satz 1 SGB X die Erstattung aus den von der Beklagten zu erbringenden Rentenleistungen dem Grunde nach verlangen kann. Dieser Erstattungsanspruch geht auch nicht aus anderen Gründen dem Verrechnungsanspruch der Klägerin vor. Das ergibt sich aus folgendem:
Das - allgemeine - Konkurrenzverhältnis von Erstattungsansprüchen im Verhältnis zu anderen Verfügungen über einen Sozialleistungsanspruch ist gesetzlich nicht geregelt. Es war daher wiederholt Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen. So hat der 1. Senat des BSG für die Konkurrenz "Abtretung - Erstattungsanspruch gemäß § 104 Abs 1 SGB X " entschieden (BSGE 57, 218 = SozR 1300 § 104 Nr 3; SozR aaO Nr 4), daß § 104 Abs 3 SGB X den Anspruch des Sozialhilfeträgers auf Erstattung erbrachter Sozialleistungen gegen den Rentenversicherungsträger ausschließt, soweit dieser aufgrund früherer wirksamer Abtretungen des Rentenanspruchs an einen Dritten zu leisten verpflichtet ist. Sowohl der Gläubigerschutz wie auch die Freiheit der Verfügung des Rentners über seinen Rentenanspruch, wie sie beide durch § 53 Abs 3 SGB I gezielt neu ausgeformt worden seien, verböten dies. Ein Vorrang des Erstattungsanspruchs gegenüber einer Abtretung bestehe nicht. - Dieser Rechtsprechung haben sich der 5. und 8. Senat des BSG angeschlossen (Urteile vom 27. Februar 1990 - 5 RJ 4/89; vom 18. Dezember 1990 - 8 RKn 17/89 = SGb 1991, 321 mit Besprechungsaufsatz von Eichenhofer, SGb 1991, 292 ff - und vom 4.2.1991 - 8 RKn 14/89). Der 5. Senat ist ihr ausdrücklich auch hinsichtlich der Konkurrenz von Pfändung eines Sozialleistungsanspruchs und Erstattungsanspruchs gefolgt (Urteil vom 7.9.1989 - 5 RJ 63/88 = BSGE 65, 258 = SozR 1300 § 104 Nr 17). In den genannten Entscheidungen ist hinsichtlich des Vorrangs eines Erstattungsanspruchs im Verhältnis zur anderweitigen Verfügung über den Leistungsanspruch das sogenannte Prioritätsprinzip (s dazu mwN: BSGE 67, 143, 154 = SozR aaO) zugrunde gelegt worden. Danach kommt es darauf an, welche der Verfügungen zeitlich zuerst vorgenommen worden sind (vgl zum Vorrang des Erstattungsanspruches gemäß § 104 SGB X bei der besonderen Konstellation der Abzweigung nach § 48 SGB I: BSG-$Urteil vom 25.4.1990 - 5 RJ 12/89 = BSGE 67, 6 = SozR 3-1200 § 48 Nr 1 = SGb 1991, 317 mit Anm von v. Einem).
Somit besteht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kein allgemeiner Vorrang der Erstattungsansprüche (hier nach § 104 Abs 1 Satz 4 SGB X) im Verhältnis zu einer anderweitigen Verfügung über den Leistungsanspruch des Versicherten (hier durch Verrechnung gemäß § 52 SGB I).
Die Beklagte kann sich demgegenüber für ihre Ansicht, daß Erstattungsansprüche Verrechnungsansprüchen vorgingen, nicht auf § 107 Abs 1 SGB X stützen. Danach gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. Aus dieser sog. Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB X ist nicht abzuleiten, Erstattungsansprüche gingen anderweitigen Verfügungen vor (so schon BSGE 65, 258, 260 = SozR aaO). Die Vorschrift, wonach der Anspruch des Berechtigten als erfüllt gilt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht, setzt auf der Tatbestandsseite das Bestehen eines Erstattungsanspruchs voraus. Dieses löst die Rechtsfolge der Erfüllungsfiktion aus (vgl Eichenhofer in: Wannagat, SGB X/3 RdNr 7). Die Tilgung der Schuld des Leistungspflichtigen tritt somit nur ein, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. Aus dem bloßen Erheben eines Erstattungsanspruchs kann nicht im Umkehrschluß auf eine Erfüllungsfiktion geschlossen werden; denn der Erstattungsanspruch des Beigeladenen zu 1) entstand frühestens zu dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch auf Aufwendungsersatz, der bereits begrifflich das Erbringen von Aufwendungen voraussetzt, gegeben war, also zB zu Beginn eines Monats frühestens mit dem Ablauf des Monatsersten. Zu diesem Zeitpunkt ist jedoch der Rentenanspruch der Beigeladenen zu 2) für den jeweiligen Kalendermonat durch die fortwirkende, am Monatsersten wirksam gewordene (Teil-)Verrechnung in Höhe des Verrechnungsbetrages erfüllt gewesen, so daß der Beigeladene zu 1) in dieser Höhe mangels Zugriffsmasse keine Erstattung von der Beklagten verlangen konnte.
Dieses Verständnis des § 107 Abs 1 SGB X wird durch die Behandlung der Vorschrift im Gesetzgebungsverfahren zum Ersten Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuchs (1. SGBÄndG) vom 20. Juli 1988 (BGBl I S 1046) bestätigt. Der Bundesrat (BT-$Drucks 11/1004 S 19 Nr 1) hatte damals für § 53 SGB I die Prüfung angeregt, wie vermieden werden könne, daß sich Kreditinstitute letztlich auf Kosten der Sozialleistungsträger befriedigen dürften. Die Bundesregierung ist dieser Anregung gefolgt und hat eine Ergänzung des § 107 Abs 1 SGB X um einen Satz 2 vorgeschlagen, wonach Satz 1 auch anzuwenden sei, wenn der Anspruch übertragen oder verpfändet worden ist (BT-Drucks 11/1004, S 20). Die Gesetzgebungsorgane gingen mithin ersichtlich davon aus, daß ohne eine Änderung der gesetzlichen Regelung ein Vorrang von Erstattungsansprüchen gegenüber anderweitigen, zeitlich vorhergehenden Verfügungen über Leistungsansprüche von Berechtigten nicht gegeben sei. Zu der ins Auge gefaßten Ergänzung des § 107 Abs 1 SGB X ist es nicht gekommen (zu den Gründen vgl Michaelis/Kramer, DAngVers 1989, S 67, 75; Sasdrich, BABl 12/1988, S 5, 8; s auch Beschlußempfehlung und Bericht des BT-$Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zum Entwurf des 1. SGBÄndG, BT-Drucks 11/2460, S 15, zu Art I zu Nr 3, wo auf die Erweiterung der Aufrechnungs-/Verrechnungsmöglichkeiten in § 53 Abs 5 SGB I hingewiesen wird). Nachdem die im Hinblick auf die Statuierung eines Vorrangs von Erstattungsansprüchen für notwendig erachtete Änderung des § 107 Abs 1 SGB X nicht erfolgt ist, hat sich an der geltenden Rechtslage nichts geändert. Zutreffend hat der 5. Senat des BSG in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen (BSGE 65, 258, 260 = SozR aaO), daß es in erster Linie Sache des Gesetzgebers ist, eine vielleicht sozialpolitisch als unbefriedigend empfundene gesetzliche Regelung zu ändern (auch deswegen nicht überzeugend der Ansatz von Eichenhofer, SGb 1991, 292 ff, der für die ab 1. Januar 1989 geltende Rechtslage einen Vorrang der Erstattungsansprüche begründen möchte).
Schließlich stehen - worauf die Klägerin zutreffend hingewiesen hat - durchgreifende systematische Gründe der von der Beklagten vertretenen Auslegung des § 107 Abs 1 SGB X entgegen. Nach diesem Verständnis gingen zwar zeitlich früher geltend gemachte Abtretungen und Pfändungen einem Erstattungsanspruch vor; der zeitlich früher begründete Verrechnungsanspruch dagegen wäre dem später begründeten Erstattungsanspruch gegenüber nachrangig. Ein Sachgrund hierfür ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil: Die Leistungsträger könnten im Ergebnis regelmäßig nicht auf eine Verrechnung zurückgreifen. Dies widerspräche jedoch dem oben dargelegten Zweck der Einführung des Instituts der Verrechnung.
In Fortführung der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Verhältnis widerstreitender Verfügungen über den Leistungsanspruch eines Berechtigten entwickelten Grundsätze ist auch der - hier streitige - Vorrang zwischen Verrechnungsanspruch einerseits und Erstattungsanspruch gemäß § 104 Abs 1 Satz 4 SGB X andererseits unter Rückgriff auf das - bereits dargestellte- Prioritätsprinzip zu bestimmen. Es ist der Anspruch vorrangig zu erfüllen, dessen Anspruchsgrund zeitlich früher entstanden ist. Dabei kann für das Verhältnis der Leistungsträger zueinander nicht die Einzelverrechnung zum Beginn des jeweiligen Leistungszeitraums (hier: zum Monatsersten) bzw das jeweilige Entstehen der Aufwendungsersatzansprüche des Beigeladenen zu 1) und der darauf fußenden Einzelerstattungsansprüche maßgeblich sein. Dies würde eine wenig sachgerechte und überdies im Einzelfall von Zufälligkeiten abhängige Schematisierung bedeuten. Entscheidend ist vielmehr der Zeitpunkt des Eintritts der - allgemeinen- Verrechnungslage bzw der Aufwendungsersatzlage. Denn jeder um Verrechnung ersuchende oder Ersatz(Erstattung) begehrende Leistungsträger kann dann Zugriff auf Sozialleistungsansprüche nur in dem Umfang nehmen, wie sie der Leistungsberechtigte noch hätte durchsetzen können. Diese Lösung gewährleistet die Gleichbehandlung aller Leistungsträger. Gründe, einige von ihnen gegenüber anderen zu privilegieren, sind, wie oben ausgeführt, dem Gesetz nicht zu entnehmen.
Die Beklagte hat danach den Verrechnungsanspruch der Klägerin vorrangig zu erfüllen, da die Verrechnungslage vor dem Entstehen der Aufwendungsersatzanlage, auf der der Erstattungsanspruch des Beigeladenen zu 1) beruht, begründet worden ist. Die Beklagte war also nicht zur Kündigung des Verrechnungsvertrages mit der Klägerin befugt. Sie war vielmehr verpflichtet, den Verrechnungsanspruch der Klägerin auch nach Erhebung des Erstattungsanspruchs durch den Beigeladenen zu 1) zu erfüllen.
Nach alledem war auf die Revision der Klägerin das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das zutreffende Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen