Beteiligte
Sächsische Landwirtschaftliche Alterskasse |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 21. September 2000 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Ausgleichsgeld für landwirtschaftliche Arbeitnehmer hat.
Die 1941 geborene Klägerin war von 1985 bis 1991 Mitglied einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft und anschließend bei der Agrarbetrieb F eG beschäftigt; zunächst als Tierpflegerin in der – Anfang 1995 eingestellten – Schweineproduktion, ab März 1995 dann als Tankwartin. Das Beschäftigungsverhältnis endete durch Kündigung der Arbeitgeberin zum 31. Dezember 1995. Die Arbeitgeberin hatte in den Jahren 1993 bis 1996 zwischen 102,82 ha und 148,13 ha ihrer landwirtschaftlichen Gesamtnutzfläche von mehr als 900 ha stillgelegt. Die Zahl der Beschäftigten sank in diesen Jahren von 50 (1993) über 43 (1994) und 37 (1995) auf 29 (1996).
Die Beklagte lehnte es ab, der Klägerin Ausgleichsgeld zu gewähren (Bescheid vom 15. Dezember 1997; Widerspruchsbescheid vom 12. März 1998). Klage und Berufung blieben erfolglos (Urteile des Sozialgerichts Dresden vom 12. Mai 1999 und des Sächsischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 21. September 2000). Das LSG hat ausgeführt: Der Klägerin stehe Ausgleichsgeld nicht zu, weil ihre Beschäftigung – anders als in § 9 Abs 1 des Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (FELEG) gefordert – nicht „auf Grund” von Flächenstillegung geendet habe. Wie auch sonst im Sozialrecht sei der Ursachenzusammenhang im FELEG nach der Lehre von der rechtlich wesentlichen Bedingung zu beurteilen. Die Ursächlichkeit zwischen Flächenstillegung und Ende der Beschäftigung sei hier zu verneinen. Das ergebe eine Gesamtwürdigung nach den Kriterien innerer Zusammenhang, zeitlicher Zusammenhang, Proportionalität zwischen Umfang der Flächenstillegung und Verringerung des Personalbestandes, tatsächlicher Wegfall des innegehabten Arbeitsplatzes und Flächenbezug der ausgeübten Tätigkeit. Flächenstillegungen hätten für die Entlassung der Klägerin danach nur eine untergeordnete Rolle gespielt, vorrangig sei die Kündigung auf Modernisierung des Fuhrparks und damit eine verbundene Verringerung der Tankvorgänge zurückzuführen.
Die Klägerin macht mit der Revision geltend, das LSG habe § 9 Abs 1 FELEG verletzt. An die Ursächlichkeit der Flächenstillegung für das Beschäftigungsende dürften keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Es genüge Mitursächlichkeit und zu deren Nachweis eine – hier vorliegende – Bescheinigung der ehemaligen Arbeitgeberin.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom 21. September 2000 und des Sozialgerichts Dresden vom 12. Mai 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab 1. Dezember 1996 Ausgleichsgeld zu gewähren.
Die Beklagte stellt keinen Antrag.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ausgleichsgeld, weil ihre Beschäftigung als landwirtschaftliche Arbeitnehmerin nicht aufgrund von Flächenstillegung geendet hat.
Gemäß § 9 Abs 1 Satz 1 FELEG in der hier maßgebenden Fassung des Agrarsozialreformgesetzes 1995 (≪ASRG 1995≫ vom 29. Juli 1994, BGBl I 1890) erhalten ua Arbeitnehmer, die in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind, ein Ausgleichsgeld, wenn
- ihre Beschäftigung in einem Unternehmen der Landwirtschaft iS des § 1 Abs 2 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) auf Grund dessen Stillegung (§ 2) oder Abgabe (§ 3) endet und
- sie in den letzten 120 Kalendermonaten vor der Antragstellung mindestens 90 Kalendermonate in Unternehmen der Landwirtschaft iS des § 1 Abs 2 des ALG, davon in den letzten 48 Kalendermonaten vor der Stillegung oder Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft mindestens 24 Kalendermonate in diesem Unternehmen hauptberuflich tätig gewesen sind.
Die Leistungen werden nach Satz 2 aaO frühestens ab Vollendung des 55. Lebensjahres, bei Vorliegen von Berufsunfähigkeit ab Vollendung des 53. Lebensjahres, gewährt; das maßgebende Lebensjahr muß vor dem 1. Januar 1997 vollendet sein. Diese Vorschrift gilt gemäß § 13 Abs 1 Nr 6 FELEG entsprechend für Arbeitnehmer, deren Beschäftigung in einem Unternehmen der Landwirtschaft auf Grund einer Maßnahme nach Maßgabe von sonstigen (nicht in Nr 1-5 aaO genannten) EWG-rechtlichen Vorschriften hinsichtlich einer Stillegung landwirtschaftlicher Nutzflächen endet. Gemäß § 18c Abs 1 FELEG gilt § 9 FELEG für am 1. Juli 1990 im Beitrittsgebiet ansässige und rentenversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer mit der Maßgabe, daß auf die nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 2 FELEG erforderlichen Zeiten der Tätigkeit auch Zeiten der hauptberuflichen Tätigkeit in einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft, einem volkseigenen Gut oder einer vergleichbaren Einrichtung angerechnet werden. Nach § 22 Abs 3 FELEG sind die durch das ASRG 1995 erweiterten Tatbestände des § 13 Abs 1 FELEG ab 1. Januar 1995 (Art 48 Abs 1 ASRG 1995) auch dann anzuwenden, wenn sie bereits vor jenem Zeitpunkt erfüllt sind.
Der Rechtsbegriff „auf Grund” beschreibt nach allgemeinem juristischem Sprachgebrauch einen kausalen Zusammenhang. Nichts anderes gilt im Regelungszusammenhang des FELEG (vgl zu §§ 9, 13 FELEG bereits den Senatsbeschluß vom 18. März 1999 – B 10 LW 11/98 B –, auszugsweise abgedruckt in Neue Landwirtschaft – Briefe zum Agrarrecht 1999, 390 f). Das Gesetz verwendet diesen Begriff nicht nur in § 9 Abs 1 Nr 1 und § 13 Abs 1, sondern an zahlreichen weiteren Stellen (§ 1 Abs 1 Satz 1 Nr 4, § 3 Abs 3, § 6 Abs 3 Satz 5 Nr 1, § 16 Abs 1). Die Bedeutung ist überall dieselbe. Zu Recht hat das LSG sie in der Forderung nach einem Kausalzusammenhang nicht lediglich im philosophisch-naturwissenschaftlichen Sinne (conditio sine qua non) erkannt. Kausalität im naturwissenschaftlichen Sinn ist hier zwar notwendig, sie reicht für den Anspruch auf Ausgleichsgeld aber nicht aus.
Auf dem Gebiet der Sozialversicherung, insbesondere der Unfall– (BSGE 45, 176, 178 = SozR 2200 § 548 Nr 37), aber auch in der Kranken– (BSGE 33, 202, 204 = SozR Nr 48 zu § 182 Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫) und Rentenversicherung (BSGE 30, 167, 178 = SozR Nr 79 zu § 1246 RVO), im Recht der sozialen Entschädigung (BSGE 79, 87, 88 = SozR 3-3800 § 2 Nr 5) und im Arbeitsförderungsrecht (BSGE 69, 108, 110 ff = SozR 3-4100 § 119 Nr 6) sowie beim sozialrechtlichen Herstellungsanspruch (Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 5. Mai 1988 – 12 RK 44/86 – SozSich 1988, 382) wird in ständiger, vom Schrifttum nahezu einhellig gebilligter Rechtsprechung die Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung angewandt, die in der Rechtsprechung auch als Theorie der „wesentlich mitwirkenden Ursache” bezeichnet wird (hierzu im einzelnen mit umfangreichen Nachweisen auch: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band II S 480 ff, Stand: 1989 sowie Erlenkämper in: Erlenkämper/Fichte, Sozialrecht, 4. Aufl 1999, S 74 ff). Es gibt im Gesetz keinen Anhaltspunkt noch sonst einen sachlichen Grund, warum dies im Regelungsbereich des FELEG anders sein sollte. Die hierin geregelten Leistungen – die Produktionsaufgaberente für ältere landwirtschaftliche Unternehmer sowie das Ausgleichsgeld für ältere landwirtschaftliche Arbeitnehmer und mitarbeitende Familienangehörige – mögen zwar vorwiegend agrarstrukturelle Ziele verfolgen (vgl die Antwort der Bundesregierung vom 7. Februar 1995 auf eine parlamentarische Kleine Anfrage, BT-Drucks 13/391 S 8) – sie sind aber Sozialleistungen: § 18 Abs 1 FELEG bestimmt die entsprechende Geltung der für die Alterssicherung der Landwirte maßgebenden Vorschriften des Ersten, Vierten und Zehnten Buches Sozialgesetzbuch; § 18 Abs 4 FELEG ordnet an, daß Streitigkeiten in Angelegenheiten dieses Gesetzes Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialversicherung sind und demgemäß nach § 51 Abs 1 SGG in die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit fallen.
Daraus folgt: Bei der in § 9 Abs 1 FELEG geforderten Feststellung eines kausalen Zusammenhanges dürfen als Ursachen für das Ende der Beschäftigung eines landwirtschaftlichen Arbeitnehmers – unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes – nur die (naturwissenschaftlich wirksam gewordenen) Bedingungen angesehen werden, die wegen ihrer besonderen Beziehungen zu dem Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl das zur Veröffentlichung in SozR vorgesehene Urteil des Senats vom 9. August 2001 – B 10 LW 9/00 R –; ferner BSGE 1, 72, 76; Urteil des Senats vom 12. Juni 2001 – B 9 V 5/00 R – zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Die Beurteilung, ob eine Bedingung wesentlich und deshalb (auch) rechtlich Ursache oder Mitursache ist, stellt eine Wertentscheidung dar (BSGE 69, 108, 113 = SozR 3-4100 § 119 Nr 6). Sie richtet sich nach der Qualität der Bedingung, die nicht davon abhängt, an welcher Stelle der Kausalkette sie steht. Insbesondere ist eine Bedingung nicht erst (oder schon) deshalb wesentlich, weil sie als letzte eingetreten ist und den Erfolg sichtbar gemacht hat (vgl BSGE 13, 40, 42 = SozR Nr 9 zu § 35 Bundesversorgungsgesetz). Entscheidend kommt es stets auf die Umstände des einzelnen Falles an (vgl BSG SozR 2200 § 548 Nr 81). Sind zwei oder mehr Ereignisse im gleichen Maße wesentlich für den Erfolg, dann sind sie sämtlich wesentliche Bedingungen und damit Ursachen im Rechtssinn (BSG SozR Nr 6 zu § 589 RVO); ist eine der Bedingungen oder sind mehrere Bedingungen gemeinsam gegenüber anderen Bedingungen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur jene die wesentliche Bedingung und damit die Ursache im Rechtssinne der geltenden Kausalitätslehre (BSGE 12, 242, 245 f = SozR Nr 27 zu § 542 aF RVO).
Dem Urteil des LSG läßt sich entnehmen, daß es – zutreffend – zwischen der Kausalitätsfeststellung (im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn) als Tatsache und deren Subsumtion unter den Rechtsbegriff der „wesentlichen Ursache” (BSGE 1, 268, 269 f; 7, 288, 290 f; Urteil des Senats vom 29. Juli 1998 – B 9 V 10/97 R –, SGb 1998, 582 f; May, Die Revision, 2. Aufl 1997, 374 f; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl 1997, 402) unterschieden hat. Das angegriffene Urteil stellt fest, die Klägerin sei als Tankwartin gekündigt worden, weil sich die Anzahl der Tankvorgänge verringert habe. Das sei sowohl auf die Flächenstillegungen als auch auf eine Modernisierung des Fuhrparks zurückzuführen. Von diesen Mitursachen wertet das Berufungsgericht – rechtsfehlerfrei – die Modernisierung des Fuhrparks als gewichtiger, die Flächenstillegung damit als nicht wesentlich für das Beschäftigungsende.
Dieses Ergebnis widerspricht zwar der Angabe der ehemaligen Arbeitgeberin, sie habe die Klägerin wegen Flächenstillegung entlassen. Das ist aber unschädlich. Denn das von der Arbeitgeberin angegebene Motiv mag Anlaß sein, die Kausalitätsfrage zu prüfen, beantwortet sie aber nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen