Leitsatz (amtlich)

Eine Familien - Zusatzsterbegeldversicherung, die ein in der KVdR versicherter Rentner eingegangen war, kann nach seinem Tod von der Witwe als Mitglieder - Zusatzsterbegeldversicherung fortgeführt werden.

 

Normenkette

KVdRG Art. 2 § 10 Abs. 2 Fassung: 1956-06-12, Abs. 1 S. 2 Fassung: 1956-06-12; RVO § 313 Abs. 2 Fassung: 1956-06-12, Abs. 4 S. 1 Fassung: 1930-07-26

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 21. Oktober 1958 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I.

Der Ehemann der Klägerin, ein ehemaliger Schiffsoffizier, bezog seit Februar 1956 von der beklagten Seekasse ein Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit und war bei dieser Kasse als Pflichtmitglied gegen Krankheit versichert. Außerdem war er eine Zusatzsterbegeldversicherung (ZStV) über ein Mitgliedersterbegeld von 425 DM und ein Familiensterbegeld in Höhe von 260 DM eingegangen.

Nach seinem Tode (14. März 1957) wurde die Klägerin als Bezieherin einer Hinterbliebenenrente selbst Pflichtmitglied der beklagten Seekasse. Sie beantragte bei dieser Kasse die Fortführung der Familien-ZStV . Die beklagte Seekasse lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, mit dem Tode des Ehemannes der Klägerin sei dessen Mitgliedschaft bei der beklagten Seekasse und damit auch die ZStV erloschen (Bescheid vom 27. Mai 1957).

Der Widerspruch der Klägerin wurde zurückgewiesen (Bescheid vom 12. Juli 1957). Die beklagte Seekasse berief sich wiederum darauf, daß die vom Ehemann der Klägerin eingegangene ZStV mit dessen Tode erloschen sei und neue ZStV'en seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über Krankenversicherung der Rentner vom 12. Juni 1956 (KVdR) - BGBl I 500 - nicht mehr begründet werden könnten.

Mit der Klage vor dem Sozialgericht (SG) beantragte die Klägerin,

den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 12. Juli 1957 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihre Zusatzsterbegeldversicherung auf Grund der Krankenversicherung ihres verstorbenen Ehemannes weiterhin anzuerkennen.

Sie hält sich für berechtigt, die von ihrem Ehemann eingegangene ZStV über ein Familiensterbegeld nach dessen Tode als Mitglieder-ZStV in eigenem Namen fortzusetzen. Im Rahmen der ZStV habe ihr Ehemann Beiträge für sie gezahlt. Es verstieße gegen Treu und Glauben, wenn ein solches Versicherungsverhältnis vor Eintritt des Versicherungsfalles einseitig vom Verpflichteten ohne Entschädigung als hinfällig erklärt werden könnte.

Die beklagte Seekasse bat unter Beibehaltung ihres Rechtsstandpunktes um

Abweisung der Klage.

Das SG hat die beklagte Seekasse verurteilt, die streitige ZstV als weiterbestehend zu behandeln (Urteil vom 29. Januar 1958). Es hat die Klage als Vornahmeklage nach § 54 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) für zulässig erachtet. Die nach Art. 2 § 10 Abs. 1 Satz 2 KVdR aufrechterhaltenen ZStV'en seien nach der bis zum Inkrafttreten des KVdR geltenden Regelung, nämlich der Verordnung über die Krankenversicherung der Rentner vom 4. November 1941 - VO 1941 - (RGBl I 689), zu beurteilen. Wenn in § 13 Abs. 3 Nr. 3 VO 1941 bestimmt werde, daß die Zusatzversicherung "nach Beendigung der Rentnerkrankenversicherung" erlösche, so sei damit der gesamte für die Familie bestehende Schutz der Rentnerkrankenversicherung gemeint. Deshalb ende auch der von dem Ehemann für die Ehefrau begründete Versicherungsschutz nicht bei dessen Tod, sondern setze sich in veränderter Rechtsform zugunsten der Witwe fort.

Gegen dieses Urteil hat die beklagte Seekasse Berufung mit dem Antrag eingelegt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer Rechtsauffassung fest, mit dem Erlöschen der Mitgliedschaft des Ehemannes der Klägerin in der KVdR habe auch die Familien-ZStV ihr Ende gefunden. Voraussetzung eines Anspruchs auf Familienzusatzsterbegeld sei wie beim Familiensterbegeld nach § 205 b der Reichsversicherungsordnung (RVO), daß der Familienangehörige vor dem Versicherten gestorben sei. Nach dem Tode des Versicherten könne kein Anspruch auf Familiensterbegeld mehr entstehen.

Die Klägerin hat unter Aufrechterhaltung ihres Rechtsstandpunktes

Zurückweisung der Berufung

beantragt.

Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen; die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 21. Oktober 1958). Das LSG geht wie das SG davon aus, daß für die nach Art. 2 § 10 Abs. 1 Satz 2 KVdR aufrechterhaltenen ZStV'en , abgesehen von der in der genannten Übergangsvorschrift enthaltenen Regelung, die VO 1941 gelte. Nach § 13 Abs. 3 Nr. 3 VO 1941 sei die Zusatzversicherung mit Beendigung des Mitgliedschaftsverhältnisses erloschen. Die Klägerin habe - weil selbst Pflichtmitglied der KVdR - die Krankenversicherung ihres verstorbenen Ehemannes nicht nach den Vorschriften über die freiwillige Weiterversicherung fortsetzen können. Das Fortbestehen der Hauptversicherung sei aber Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der hiermit gekoppelten ZStV. Entscheidend sei, daß der Anspruch auf Familiensterbegeld nur den Versicherten zustehe. Das gelte auch uneingeschränkt für die Familien-ZStV; sie sei somit nicht nach Art eines Vertrages zugunsten Dritter für die Klägerin abgeschlossen. Mit dem Tode des Ehemannes der Klägerin, mit dessen Krankenversicherung die von ihm eingegangene Familien-ZStV unlösbar verbunden gewesen sei, habe daher diese Versicherung geendet.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt mit dem Antrag,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 29. Januar 1958 zurückzuweisen,

hilfsweise,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Klägerin ist in Übereinstimmung mit einem Urteil des Hessischen LSG vom 4. Dezember 1957 (Betriebskrankenkasse 1958 Sp. 556) der Auffassung, aus dem der Aufrechterhaltung der bestehenden ZStV'en zugrunde liegenden Gedanken der Besitzstandswahrung sei zu schließen, daß die überlebende Ehefrau eines Rentners eine von ihrem Ehemann eingegangene Familien-ZStV fortsetzen könne, wenn sie für den Fall der Krankheit versichert sei. - Für den Fall, daß es auf die Einhaltung einer Frist für die Anzeige der Fortsetzung der Familien-ZStV ankomme, trägt die Klägerin vor, sie habe bereits bei Stellung des Antrags auf Hinterbliebenenrente am 26. März 1957 dem zuständigen Sachbearbeiter der beklagten Seekasse ihren Willen bekundet, die Zusatzversicherung fortzuführen.

Die beklagte Seekasse hat um

Zurückweisung der Revision

gebeten. Sie hält die Auffassung des LSG für zutreffend, daß die Familien-ZStV keine selbständige Versicherung, sondern vom Bestehen des Grundversicherungsverhältnisses abhängig sei, in dessen Rahmen sie abgeschlossen sei. Mit der Beendigung des Grundversicherungsverhältnisses sei daher auch die hieran gekoppelte ZStV erloschen.

II.

Die Revision ist begründet. Zu Unrecht hat das LSG die Fortführung der vom Ehemann der Klägerin eingegangenen ZStV durch die Klägerin für unzulässig erachtet.

Nach Art. 2 § 10 Abs. 2 KVdR können neue Zusatzversicherungen seit Inkrafttreten des KVdR - 1. August 1956 (Art. 4 Abs. 1 KVdR) - nicht mehr abgeschlossen werden. Bei einer an der äuß e ren Erscheinungsform haftenden Betrachtungsweise könnte in der Tat der Eindruck entstehen, daß die von der Klägerin erstrebte Aufrechterhaltung der ZStV auf den Abschluß einer neuen ZStV ziele. Von einer Fortführung der vom Ehemann der Klägerin begründeten Familien-ZStV, die ihm in Ergänzung seines Anspruchs auf das Familiensterbegeld nach § 205 b RVO beim Tode des Ehegatten oder bestimmter anderer Angehöriger einen zusätzlichen Anspruch gemäß der ZStV gegeben hätte, könnte nur dann gesprochen werden, wenn die Klägerin die Aufrechterhaltung dieser Familien-ZStV als solcher anstrebte, was nach dem Familienstand der Klägerin - sie hat eheliche Kinder, bei deren Tod die Voraussetzungen für die Gewährung des Familiensterbegeldes nach § 205 b RVO erfüllt sein würden und die von der vom Ehemann der Klägerin eingegangenen Familien-ZStV bereits erfaßt waren - durchaus denkbar wäre. Die Klägerin will jedoch die "für sie" eingegangene ZStV aufrechterhalten wissen. Bei ihrem Tod soll das Zusatzsterbegeld gewährt werden. Sie strebt somit die Umwandlung der von ihrem Ehemann abgeschlossenen Familien-ZStV - bei der ihr Ehemann als "Versicherter" (§ 205 b Satz 1 RVO) anspruchsberechtigt und sie selbst nur einer von mehreren Familienangehörigen gewesen wäre, deren Tod den Anspruch ausgelöst hätte - in eine Mitglieder-ZStV an, die nur bei ihrem Tod die beklagte Seekasse zur Leistung an die nach § 203 RVO Anspruchsberechtigten verpflichten würde.

Obwohl damit der äußeren Rechtsform nach die bisherige Familien-ZStV wesentlich verändert wird, verstößt eine solche Umgestaltung einer bestehenden Familien-ZStV in eine Mitglieder-ZStV nicht gegen das Verbot des Art. 2 § 10 Abs. 2 KVdR. Vielmehr steht diese Umwandlung in Einklang mit dem Sinngehalt des Art. 2 § 10 Abs. 1 Satz 2 KVdR, der grundsätzlich das Auslaufen der bei Inkrafttreten der KVdR bestehenden ZStV'en gewährleistet. Der erkennende Senat hat bereits ausgesprochen und näher begründet, daß die Frage, wie die bestehenden ZStV'en weitergeführt werden, angesichts der dürftigen Regelung des Art. 2 § 10 Abs. 1 Satz 2 KVdR - die sich abgesehen vom Grundsatz der Weiterführung der bestehenden ZStV'en nur über Änderungen gegenüber dem bisherigen Recht äußert - unter Heranziehung von Grundsätzen des bisherigen Rechts zu beantworten ist, die für diese Art Versicherung wesentlich oder nach dem in der Neuregelung zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzes als vorausgesetzt gelten müssen (BSG 15, 71,72). Indessen versagt in diesem Fall auch der Rückgriff auf das frühere Recht, weil das alte Recht bei Bestehen eines Rentner-Krankenversicherungsverhältnisses jedem Rentner den Abschluß einer ZStV unter bestimmten Voraussetzungen gestattete (vgl. § 13 VO 1941) und deshalb die diesem Rechtsstreit zugrunde liegende Fragestellung nicht kannte.

Die näheren Umstände und Zusammenhänge, die den Gesetzgeber die Weiterführung der bestehenden ZStV'en zu gestalten veranlaßten, zeigen jedoch mit hinreichender Deutlichkeit, daß die Umwandlung der von einem versicherten Rentner abgeschlossenen Familien-ZStV in eine auf den Tod seiner Ehefrau abstellende Mitglieder-ZStV nach dem Zweck des Art. 2 § 10 Abs. 1 Satz 2 KVdR zulässig ist. Diese Regelung wird vom Gedanken der Wahrung des Besitzstandes beherrscht.

Die bestehenden ZStV'en sollen auslaufen dürfen

(vgl. Schriftl. Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik, Deutscher Bundestag, 2. Wahlperiode 1953, Abs. IV 4 "zu Drucks. Nr. 2256" und Bericht in der 141. Sitzung des Bundestags vom 19. April 1956, Verhandl. des Deutschen Bundestags S. 7269).

Hierfür waren "soziale" Gründe (so der Schriftl. Bericht) bestimmend, wie sie vom Bundesrat in seinen Änderungsvorschlägen zum Regierungsentwurf geltend gemacht wurden

(Drucks. 1234 des Deutschen Bundestags, 2. Wahlperiode 1953, Anl. 2 Nr. 14: "Die Beseitigung der Zusatzsterbegeldversicherung würde eine außerordentliche Härte und einen Verstoß gegen Treu und Glauben für die betroffenen Rentner bedeuten".).

Selbst der Regierungsentwurf, der ursprünglich das Erlöschen der bestehenden ZStV'en vorgesehen hatte (Art. 2 § 9 Satz 1 des Entwurfs, Drucks. 1234, Anl. 1), hatte "zur Wahrung des Besitzstandes ... Vorsorge getroffen", daß die seit der Währungsumstellung gezahlten Beiträge zur ZStV beim Tode des Versicherten auf Antrag erstattet werden sollten (vgl. Art. 2 § 9 Satz 2 des Entwurfs und Begründung, Teil B, S. 14, "Zu § 9"). Demnach sollte in jedem Fall bei der Überleitung der Rentnerkrankenversicherung auf das neue Recht vermieden werden, daß die einmal eingegangenen ZStV'en , für die in mehr oder weniger großem Umfange Beiträge entrichtet waren, ersatzlos vor Eintritt des Versicherungsfalls erlöschen, falls nicht der Rentner selbst sie aufgibt. Ein solches zwangsweises Erlöschen der ZStV mochte noch im Rahmen einer Gesamtregelung angehen, die dem Versicherten auf andere Weise ein angemessenes Äquivalent bot (vgl. BSG 15, 71, 75 ff). Ohne einen solchen Ausgleich muß nach dem Zweck des Gesetzes die Versagung der rechtlichen Möglichkeit, die angefangene ZStV auch auslaufen zu lassen, als mit dem Zweck der Übergangsregelung in Widerspruch stehend angesehen werden.

Ist hiernach eine den Besitzstand möglichst wahrende Auslegung der Übergangsvorschriften geboten, so fällt auch die Umwandlung einer bestehenden Familien-ZStV in eine Mitglieder-ZStV nach dem Tode des Versicherten unter den Begriff des "Auslaufens". Der formale Gesichtspunkt, daß bei einer solchen Umwandlung die Person des Anspruchsberechtigten wechselt, tritt hier hinter dem von der Sache her bestimmenden Gesichtspunkt zurück, daß in beiden Formen der ZstV das gleiche Ereignis im Vordergrund steht, nämlich der Tod der Witwe des Rentners als das den Anspruch auf das Zusatzsterbegeld auslösende Tatbestandsmerkmal. Zwar erfaßte die ursprünglich abgeschlossene Familien-ZStV nicht nur die Klägerin, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch sonstige Angehörige, insbesondere die Kinder (§ 205 b RVO). Indessen gilt erfahrungsgemäß die Familien-ZStV vor allem der Sicherstellung der beim Tode des Ehegatten entstehenden Bestattungskosten, so daß die Klägerin sich mit Recht darauf berufen kann, ihr Ehemann habe die Familien-ZStV "für sie" abgeschlossen. Sie sieht sich selbst als durch die ZStV geschützt in dem Sinne, daß dadurch im Falle ihres Todes für eine würdige Bestattung Vorsorge getroffen ist. Dieser Schutzgedanke bleibt auch bei der Umwandlung der Familien-ZStV in eine Mitglieder-ZStV voll gewahrt, so daß in diesem Fall keine "neue" ZStV im Sinne des Art. 2 § 10 Abs. 2 KVdR begründet, sondern nur eine bestehende ZStV den durch den Tod des ursprünglich Versicherten veränderten Umständen angepaßt wird (im Ergebnis ebenso Hess. LSG, Urteil vom 4. Dezember 1957 - Az.: 6 Kr 48/57-, teilw. wiedergegeben in Betriebskrankenkasse 1958 Sp. 556 f).

Demnach muß das angefochtene Urteil aufgehoben werden. Eine abschließende Entscheidung ist nicht möglich, da es hierfür auf Umstände ankommt, die noch geklärt werden müssen. Das LSG hat zwar im angefochtenen Urteil von der offenbaren Fristversäumnis der Klägerin bei der Anzeige der Fortführung der ZStV als Mitglieder-ZStV gesprochen. Doch ist dies wohl nur als beiläufige Bemerkung zu verstehen, zumal es nach dem Standpunkt des LSG auf die Fristwahrung nicht ankam. Das LSG wird somit bei der nunmehr notwendigen neuen Verhandlung der Streitsache - unter Beachtung des neuen Vorbringens der Beteiligten in der Revisionsinstanz zu diesem Punkt - festzustellen haben, ob die Klägerin die Anzeige der Fortführung der ZStV als Mitglieder-ZStV innerhalb der Frist des § 313 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 RVO, die hier sinngemäß anzuwenden ist, erstattet hat.

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

BSGE, 80

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