Das AAÜG ist in erweiternder verfassungskonformer Auslegung des § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG (dazu: BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 12 f; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 3 S 20; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 4 S 26 f; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 5 S 32; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 39; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S 58 f; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 8 S 73) auf die Klägerin anwendbar, weil die Beteiligten durch den prozessrechtlichen (§ 101 Abs 2 SGG) und verwaltungsrechtlichen Vertrag (§§ 53 Abs 1, 56, 58 SGB X) des angenommenen Anerkenntnisses, der durch zwei aufeinander bezogene, inhaltlich übereinstimmende prozess- und materiell-rechtliche Erklärungen vor dem SG abgeschlossen wurde, geregelt haben, dass am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für die Einbeziehung nach § 1 Abs 1 AAÜG vorgelegen haben. Das BSG ist an diese formwirksam geschlossene vertragliche Regelung, die Doppelnatur hat, gebunden. Prozessrechtlich ist dadurch der Streit um den Anspruch auf die Feststellung einer fiktiven Versorgungsberechtigung und der daraus folgenden Einbeziehung in den persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG, der ein eigenständiger und für das Begehren auf Feststellung von Daten nach den §§ 5 bis 8 AAÜG vorgreiflicher Anspruch ist, in der Hauptsache erledigt (§ 101 Abs 2 SGG). Materiell-rechtlich steht fest, dass eine fiktive Versorgungsberechtigung der Klägerin besteht, sodass die §§ 5 bis 8 AAÜG auf sie anwendbar sind (vgl BSG, Urteil vom 24. Juli 2003 – B 4 RA 40/02 R, SozR 4-8570 § 5 Nr 1 RdNr 28; BSG, Urteil vom 6. Mai 2004 – B 4 RA 52/03 R, veröffentlicht in JURIS RdNr 16).
Demzufolge stellt sich allein die Frage, ob die Klägerin im Zeitraum vom 1. März 1976 bis 31. Dezember 1981 die Voraussetzungen für die positive Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem der AVItech und der in diesen Zeiten erzielten Arbeitsentgelten erfüllt hat. Die Entscheidung des SG, dass die umstrittenen Beschäftigungszeiten Zugehörigkeitszeiten iS des § 5 Abs 1 AAÜG und damit Tatbestände von gleichgestellten Pflichtbeitragszeiten iS des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sind, ist nach den im Verfahren der Sprungrevision nicht angreifbaren (§ 161 Abs 4 SGG) und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des SG zutreffend.
a) Maßstabsnorm ist § 5 Abs 1 Satz 1 AAÜG. Diese Norm ordnet die Gleichstellung von Zeiten mit Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung (“gelten als”) an, in denen der (zum 1. August 1991) “Versorgungsberechtigte” eine entgeltliche Beschäftigung zu irgendeinem Zeitpunkt (notwendig vor dem 1. Juli 1990) ausgeübt hat, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in einem System vorgesehen war, das in der Anlage 1 und 2 zum AAÜG aufgelistet ist (vgl dazu: BSG SozR 3-8570 § 5 Nr 5 S 27; BSG SozR 3-8570 § 5 Nr 6 S 37 f; BSG SozR 3-8570 § 8 Nr 7 S 37; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 3 S 21 f; BSG SozR 4-8570 § 5 Nr 1 RdNr 29; BSG, Urteil vom 18. Juni 2003 – B 4 RA 1/03 R, veröffentlicht in JURIS RdNr 13; BSG, Urteil vom 6. Mai 2004 – B 4 RA 49/03 R, veröffentlicht in JURIS RdNr 20; BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R, veröffentlicht in JURIS RdNr 15). Ob die Tatbestandsvoraussetzungen für diese Gleichstellung mit rentenrechtlichen Pflichtbeitragszeiten erfüllt sind, hängt somit davon ab, ob (1) der Betroffene eine “Beschäftigung” ausgeübt hat, die (2) “entgeltlich” war und die (3) ihrer Art nach von einem Versorgungssystem erfasst war.
Die letztgenannte Voraussetzung beurteilt sich nach den versorgungsrechtlichen Bestimmungen, die – und soweit sie – partielles Bundesrecht geworden waren. Der Rechtsgehalt des § 5 AAÜG ist (anders als derjenige des § 1 Abs 1 AAÜG) ausschließlich nach objektiven Auslegungskriterien des Bundesrechts unter Beachtung des Gleichheitssatzes zu ermitteln, wobei die jeweiligen Versorgungsordnungen iVm den Durchführungsbestimmungen sowie sonstigen, diese ergänzenden bzw ausfüllenden abstrakt-generellen Regelungen lediglich faktische Anknüpfungspunkte dafür sind, ob in der DDR eine Beschäftigung ihrer Art nach von einem Versorgungssystem erfasst war. Auf die Auslegung der Versorgungsordnung durch die Staatsorgane der DDR und deren Verwaltungspraxis kommt es nicht an (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 3 S 22).
Nach den §§ 1, 5 VO-AVItech vom 17. August 1950 (GBl 844) iVm § 1 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 2. DB vom 24. Mai 1951 (GBl 487) waren von der AVItech Beschäftigungen ihrer Art nach unter folgenden drei Voraussetzungen erfasst: Der Beschäftigte
- musste die Berechtigung gehabt haben, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und
- eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar
- in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
(Vgl hierzu stellvertretend: BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 40; BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 8 S 74 und zuletzt BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R, veröffentlicht in JURIS RdNr 16 f).
b) Ausgehend von seinen tatsächlichen Feststellungen, die für den Senat bindend sind (§§ 161 Abs 4, 163 SGG), ist das SG zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass die Klägerin mit den Beschäftigungen, die sie im Zeitraum vom 1. März 1976 bis 31. Dezember 1981 ausgeübt hat, sämtliche drei Voraussetzungen erfüllte. Das SG hat festgestellt, dass die Klägerin am 27. Mai 1968 den Titel eines “Diplom-Ingenieurs” erworben hat und damit berechtigt war, eine in § 1 Abs 1 2. DB benannte Berufsbezeichnung zu führen. Das SG hat weiter festgestellt, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. März 1976 bis 31. Dezember 1981 als “Problemanalytikerin” und “Mitarbeiterin Entwurfsmethodik” tätig war und damit gemäß den Funktionsplänen eine ihrer Qualifikation entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Klägerin in diesem Zeitraum auch in Betrieben beschäftigt, die durch § 1 Abs 2 2. DB den volkseigenen Produktionsbetrieben (der Industrie oder des Bauwesens) gleichgestellt waren. Die “Arbeitsstelle für Molekularelektronik D…”, das “Institut für Mikroelektronik D…”, das “VE Institut für Mikroelektronik D…” und der “VEB Zentrum für Forschung und Technologie Mikroelektronik (ZFTM) D…” waren Forschungsinstitute iS des § 1 Abs 2 2. DB.
aa) Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist ein Forschungsinstitut eine Forschung betreibende Einrichtung, wobei unter Forschung die planmäßige und zielgerichtete Suche nach neuen Erkenntnissen in einem bestimmten Wissensgebiet (wissenschaftliche Forschung) verstanden wird (vgl Brockhaus, Die Enzyklopädie, 20. Aufl ≪1997≫, Stichwort “Forschung”). Bei der Auslegung des Begriffs “Forschungsinstitut” iS des § 1 Abs 2 2. DB sind jedoch ebenso wie bei der Auslegung des Begriffs “Forschungsinstitut” iS des § 6 der VO-AVIwiss als faktische Anknüpfungspunkte die jeweiligen Besonderheiten in der DDR zu beachten. In der DDR wurde zwischen (staatlicher) Forschung an der Akademie der Wissenschaften und an den dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen unterstellten Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen einerseits (vgl Verordnung über die Aufgaben der Universitäten, wissenschaftlichen Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen mit Hochschulcharakter vom 25. Februar 1970, GBl II 189; Verordnung über die Leitung, Planung und Finanzierung der Forschung an der Akademie der Wissenschaften und an Universitäten und Hochschulen – Forschungs-VO – vom 23. August 1972, GBl II 589) und der Forschung an den Wirtschaftseinheiten andererseits unterschieden (vgl dazu: Ulrich in Andersen/Woyke, Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, 5. Aufl ≪2003≫, Stichwort: “Wissenschaft, Forschung und Technologie”, S 710 f; Heuer, Wirtschaftsrecht ≪1985≫, S 402 ff). Die Akademie der Wissenschaften und die Hochschulen hatten die Aufgabe, “nach neuen Erkenntnissen über bisher unbekannte objektive gesetzmäßige Zusammenhänge sowie nach neuen Prozessen und Eigenschaften und ihren Nutzungsmöglichkeiten planmäßig zu forschen, neue wissenschaftliche Methoden und Erfahrungen zu entwickeln und wissenschaftliche Grundlagen für die Beherrschung technologischer Prozesse und Verfahren zu schaffen sowie die wissenschaftlichen Grundlagen für die angewandte Forschung, die Entwicklung und die Überleitung ihrer Ergebnisse in die gesellschaftliche Praxis ständig zu erweitern” (§ 2 Abs 2 Forschungs-VO). Den Wirtschaftseinheiten oblag die zweck- und betriebsbezogene Forschung und Entwicklung. Die Kombinate als grundlegende Wirtschaftseinheiten der materiellen Produktion verfügten auch über wissenschaftlich-technische Kapazitäten (vgl § 1 Abs 1 der Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe – Kombinats-VO – vom 8. November 1979, GBl I 355). Sie hatten die Verantwortung nicht nur für die bedarfsgerechte Produktion, sondern auch für die Entwicklung neuer Erzeugnisse mit wissenschaftlich-technischem Höchststand (vgl § 2 Kombinats-VO 1979; dazu auch: §§ 15, 24, 25 der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der volkseigenen Betriebe, Kombinate und VVB vom 28. März 1973, GBl I 129; §§ 1 Abs 2, 8, 18, 19 der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes vom 9. Februar 1967, GBl II 121). Die Kombinate konnten die Aufgaben der Forschung und Entwicklung entweder selbst wahrnehmen oder auf Kombinatsbetriebe bzw auf Betriebsteile von Kombinatsbetrieben übertragen (§§ 6 Abs 1, 7 Abs 1 und 2 Kombinats-VO 1979). Das SG hat deshalb zu Recht den Begriff “Forschungsinstitut” iS von § 1 Abs 2 2. DB anders verstanden als in § 6 VO-AVIwiss.
bb) Der Senat hat bereits entschieden, dass zu den Forschungsinstituten iS des § 6 VO-AVIwiss nur jeweils “selbständige staatliche” (wissenschaftliche) Einrichtungen zählen und nicht VEB, auch wenn sie über wissenschaftliche Forschungseinrichtungen bzw Abteilungen verfügen (vgl BSG, Urteil vom 10. April 2002 – B 4 RA 56/01 R, SozR 3-8570 § 1 Nr 4 S 28; BSG, Urteil vom 31. Juli 2002 – B 4 RA 62/01 R, veröffentlicht in JURIS RdNr 23 f).
cc) Demgegenüber sind Forschungsinstitute iS des § 1 Abs 2 2. DB, die durch diese Bestimmung volkseigenen Produktionsbetrieben im Bereich der Industrie oder des Bauwesens gleichgestellt sind, Forschung betreibende selbständige Einrichtungen der Wirtschaft, deren Hauptzweck die zweck- und betriebsbezogene (wissenschaftliche) Forschung und Entwicklung ist. Auch Forschungsinstitute iS des § 1 Abs 2 2. DB müssen rechtlich selbständige Wirtschaftseinheiten sein, nämlich Betriebe, bei denen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Beschäftigungsverhältnis, also im Regelfall ein Arbeitsverhältnis, besteht (vgl BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 20/03 R, SozR 4-8570 § 1 Nr 2 RdNr 31). Betrieblicher Hauptzweck (dazu: BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 5 S 34 f; BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 18/03 R, SozR 4-8570 § 1 Nr 1 RdNr 18; BSG, Urteil vom 6. Mai 2004 – B 4 RA 52/03 R, veröffentlicht in JURIS RdNr 27 ff; BSG, Urteil vom 8. Juni 2004 – B 4 RA 57/03 R, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen) dieser Einrichtungen der Wirtschaft muss die zweck- und betriebsbezogene (wissenschaftliche) Forschung (und Entwicklung) gewesen sein. Diese Auslegung ergibt sich auch aus der Präambel der VO-AVItech. In dieses Versorgungssystem sollten grundsätzlich nur solche Personen einbezogen werden, die für die Entwicklung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit und der Technik zuständig waren, also diejenigen, die mit ihrer “technischen” Qualifikation aktiv den Produktionsprozess, sei es in der Forschung oder bei der Produktion, förderten (vgl BSG, Urteil vom 31. März 2004 – B 4 RA 31/03 R, veröffentlicht in JURIS RdNr 19). Zu den durch § 1 Abs 2 2. DB als Forschungsinstitute gleichgestellten Betrieben gehören demnach vor allem volkseigene (Kombinats-)Betriebe, die nicht Produktionsbetriebe waren, aber deren Aufgabe die Forschung und Entwicklung war. Dass die Betriebe, bei denen die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. März 1976 bis 31. Dezember 1981 beschäftigt war, als tatsächlichen betrieblichen Hauptzweck die zweck- und betriebsbezogene (wissenschaftliche) Forschung verfolgten, hat das SG festgestellt. Diese tatsächlichen Feststellungen sind für den Senat nach §§ 161 Abs 4, 163 SGG bindend.
dd) Soweit die Beklagte meint, betriebliche Forschungseinrichtungen zählten nur dann zu den Forschungsinstituten (und wissenschaftlichen Instituten), wenn es sich um solche der Post, der Eisenbahn und der Schifffahrt gehandelt habe, findet diese Auffassung im Wortlaut des § 1 Abs 2 2. DB keine Stütze. Denn in der durch Semikolon jeweils getrennten Aufzählung der gleichgestellten Betriebe sind neben den ohne Zusatz genannten “Forschungsinstituten” nur “Schulen, Institute und Betriebe der Eisenbahn, Schifffahrt sowie des Post- und Fernmeldewesens” aufgeführt.