Leitsatz (amtlich)

Bei der Gewährung einer Elternbeihilfe sind grundsätzlich auch Unterhaltsansprüche als Einkommen der Eltern zu berücksichtigen.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die in BVG§33DV § 16 Abs 2 S 2 von 1961-01-11 angeordnete Berücksichtigung von bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsansprüchen und die Ermittlung des in solchen Fällen anzusetzenden Betrages steht im Einklang mit der in BVG § 51 Abs 9 Buchst a und b nF erteilten Ermächtigung.

2. Die Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen gemäß BVG § 33 DV § 16 Abs 2 S 2 widerspricht nicht dem Grundsatz der Sozialstaatlichkeit und dem der Gleichheit vor dem Gesetz.

 

Normenkette

BVG § 50 Abs. 2 Fassung: 1957-07-01, Abs. 2 Fassung: 1960-06-27, § 51 Abs. 2 Fassung: 1957-07-01, Abs. 2 Fassung: 1960-06-27, § 33 DV § 33 Fassung: 1958-08-02, § 33 DV § 33 Fassung: 1961-01-11, § 33 DV § 16 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1961-01-11, § 51 Abs. 9 Buchst. a, b; GG Art. 28 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1

 

Tenor

Auf die Sprungrevision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 21. Januar 1964 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Gründe

Die Kläger begehren Elternbeihilfe, die zunächst deshalb versagt worden war, weil die Ernährereigenschaft ihres gefallenen Sohnes verneint wurde. Das Sozialgericht (SG) Regensburg bejahte die Ernährereigenschaft des Sohnes und sprach die Elternbeihilfe dem Grunde nach zu. Mit Bescheid vom 5. April 1962 lehnte das Versorgungsamt (VersorgA) die Elternbeihilfe nunmehr deshalb ab, weil Unterhaltsansprüche der Kläger gegen die beiden noch lebenden Söhne in Höhe von mindestens 90,- DM die für die Gewährung der Elternbeihilfe festgesetzten Einkommensgrenzen überstiegen. Der Widerspruch der Kläger wurde mit Bescheid vom 12. Juni 1962 zurückgewiesen. Das SG hat den Klägern mit Urteil vom 21. Januar 1964 die Elternbeihilfe in vollem Umfang zugesprochen und die Berufung zugelassen. Es hat festgestellt, daß von beiden Söhnen keine Unterhaltsleistungen erbracht werden. Eine Berücksichtigung der gegen die Söhne bestehenden Unterhaltsansprüche hat es nicht für zulässig gehalten, weil § 16 Abs. 2 Satz 2 der zur Durchführung des § 33 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) auf Grund des § 51 Abs. 9 BVG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) erlassenen Verordnung (DVO) unwirksam sei und gegen das Grundgesetz verstoße. Der § 51 Abs. 9 Buchst. a BVG aF enthalte nur die Ermächtigung zu bestimmen, was als Einkommen gelte. Nach § 16 Abs. 2 DVO seien als Einkommen aber nicht nur Unterhaltsleistungen auf Grund bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsansprüche zu berücksichtigen, sondern auch "fiktive", tatsächlich nicht erbrachte Leistungen. Diese Regelung habe zu einer unzulässigen Erweiterung des Einkommensbegriffes geführt, der rechtlich und wirtschaftlich nur Unterhaltsleistungen, aber nicht Ansprüche darauf umfasse. Die nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) eng auszulegende Ermächtigung enthalte nur die Befugnis, bestimmte Einkünfte von der Anrechnung auf die Elternrente oder Elternbeihilfe auszunehmen; eine Anrechnung "fiktiven" Einkommens sei im BVG nicht vorgesehen (vgl. Urteil des BSG vom 7. Dezember 1962 - 9 RV 253/59). Die Regelung in § 16 Abs. 2 Satz 2 DVO verstoße auch gegen die Grundsätze des Sozialstaates nach Art. 20 und 28 GG. Der Versorgungsanspruch der Eltern eines Gefallenen sei nicht nur ein Ersatz für den Wegfall des Unterhaltsanspruches, sondern vor allem auch eine Entschädigung für das von ihnen gebrachte Opfer. Den Eltern gegenüber sei der Staat in höherem Maße verpflichtet als gegenüber den vom Bundessozialhilfegesetz (BSHG) erfaßten Personen, für deren Ansprüche nur das Fürsorgeprinzip maßgebend sei. Die Anwendung des § 16 Abs. 2 Satz 2 DVO führe aber zu einer erheblichen Benachteiligung der Eltern, wobei zu berücksichtigen sei, daß die Versorgungsbehörden im Bezirk des SG grundsätzlich ein Fünftel des pfändungsfreien Betrages des Einkommens der lebenden Kinder als sonstiges Einkommen auf die Elternbeihilfe anrechnen, ohne zu prüfen, ob solche Beträge tatsächlich gezahlt würden oder ob deren Beitreibung erzwungen werden könne. Den Empfängern von Sozialhilfe dagegen würden nur die tatsächlichen Leistungen angerechnet, auch könnten die Sozialhilfeempfänger nicht zur Beitreibung der ihnen gegen die Unterhaltsverpflichteten zustehenden Leistungen gezwungen werden. Ähnlich sei die Regelung in § 267 Abs. 2 Nr. 1 des Lastenausgleichsgesetzes. Schließlich verstoße § 16 Abs. 2 Satz 2 DVO gegen Art. 3 GG, weil "fiktive" Unterhaltsleistungen nur bei den Eltern, aber nicht bei anderen Hinterbliebenen und bei den Empfängern einer Ausgleichsrente als Einkommen angerechnet würden (vgl. §§ 32, 33, 41 Abs. 4 BVG; §§ 2 Abs. 1 Nr. 19, 4, 14 und 15 DVO), obwohl es sich dabei um gleichartige Fälle handle. Die nachteilige Behandlung bei Feststellung der Elternrente oder der Elternbeihilfe sei somit nicht gerechtfertigt. Da die Regelung in § 16 Abs. 2 Satz 2 DVO nichtig sei, müsse der ablehnende Bescheid geändert und die Elternbeihilfe vom 1. Mai 1957 an ohne Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen zuerkannt werden. Das SG hat die Berufung zugelassen.

Gegen dieses am 30. Januar 1964 zugestellte Urteil des SG hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 14. Februar 1964, beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen am 15. Februar 1964, Sprungrevision eingelegt und eine schriftliche Erklärung des Prozeßbevollmächtigten der Kläger vom 4. Februar 1964 beigefügt, in dem diese sich mit der Einlegung der Sprungrevision einverstanden erklärt haben.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Regensburg vom 21. Januar 1964 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

In der Begründung der Sprungrevision vom 17. April 1964, die innerhalb der bis zum 30. April 1964 verlängerten Begründungsfrist am 18. April 1964 beim BSG eingegangen ist und auf deren Inhalt im übrigen verwiesen wird, führt der Beklagte vornehmlich aus, das SG habe, soweit die Elternbeihilfe für die Zeit vom 1. Mai 1957 bis zum 31. Mai 1960 in Betracht komme, übersehen, daß § 16 Abs. 2 Satz 2 DVO in der vom SG angewandten Fassung damals noch nicht gegolten habe und daß diese Fassung erst am 1. Juni 1960 in Kraft getreten sei. Bis dahin sei die Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen nach § 50 Abs. 3 BVG aF (Fassung vor dem 1. Neuordnungsgesetz - NOG -) und nach § 16 Abs. 1 DVO zu § 33 BVG vom 2. August 1958 zu beurteilen gewesen. Die auf Grund des § 51 Abs. 9 BVG nF in § 16 Abs. 2 Satz 2 DVO ab 1. Juni 1960 getroffene Regelung sei aber nicht als unwirksam anzusehen. Sie habe nicht zu einer unzulässigen Ausdehnung des Einkommensbegriffes geführt und die Beschränkung auf den steuerrechtlichen Einkommensbegriff sei von der Rechtsprechung des BSG als zu eng abgelehnt worden. Der Hinweis auf Art. 80 GG sei verfehlt, weil diese Vorschrift die Möglichkeit zum Erlaß einer Rechtsverordnung auf Grund einer gesetzlichen Ermächtigung eröffne, aber keine Bestimmung über den Inhalt der Ermächtigung zur Abgrenzung des Begriffes "Einkommen" enthalte. Der Inhalt der Ermächtigung ergebe sich aus dem Gesetz, in diesem Falle aus dem BVG. Bei der Regelung in § 16 Abs. 2 DVO handele es sich nicht um eine Fiktion und aus § 51 Abs. 9 BVG ergebe sich auch nicht, daß nur eine Regelung über Ausnahmen von der Anrechnung von Einkommen durch Rechtsverordnung getroffen werden könne. Das BVG enthalte auch Bestimmungen über die Anrechnung "fiktiven" Einkommens. Die vom SG erwähnte Entscheidung des BSG vom 7. September 1962 - 9 RV 250/59 - betreffe nicht die Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen. Andererseits habe das BSG wiederholt entschieden (vgl. Urteile vom 31. Januar 1963 - 9 RV 886/61 -, vom 19. Februar 1959 - 8 RV 875/57 - und vom 5. Dezember 1956 - 9 RV 38/54 -), daß im Rahmen des anrechenbaren Einkommens auch die Unterhaltsansprüche berücksichtigt werden müßten. Insbesondere im Urteil vom 19. Februar 1959 sei dies ausdrücklich auch für die Elternbeihilfe nach § 50 Abs. 2 BVG entschieden und dazu ausgeführt worden, daß bereits das frühere Reichsversorgungsgericht eine andere Auffassung nicht für richtig gehalten habe. Die Regelung in § 16 Abs. 2 Satz 2 DVO entspreche somit der Ermächtigung des § 51 Abs. 9 BVG nF. Sie verstoße nicht gegen die Art. 20 und 28 GG. Zum Einkommen im Sinne des BVG seien von jeher auch die Unterhaltsansprüche gezählt worden, ohne daß von der höchstrichterlichen Rechtsprechung darin ein Verstoß gegen das GG erblickt worden wäre. Soweit das SG einen Verstoß gegen Art. 3 GG angenommen habe, habe es übersehen, daß nach der DVO "fiktive Unterhaltsleistungen" als Einkommen nicht nur bei Elternversorgung, sondern auch in anderen Fällen zu berücksichtigen seien, in denen von der Anrechnung sonstigen Einkommens abhängige Versorgungsleistungen beansprucht würden. So gelte die Regelung nach § 16 Abs. 2 DVO mit der in § 1 Abs. 2 vorgesehenen Ausnahme entsprechend für Schwerbeschädigte (§ 4 DVO) wie für Waisen (§ 15 DVO), bei denen außerdem noch § 44 Abs. 5 BVG zu berücksichtigen sei.

Die Kläger beantragen,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Sie halten die Auffassung des SG für zutreffend und dessen Entscheidung für richtig.

Die Sprungrevision des Beklagten ist statthaft. Nach § 161 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann gegen die nach § 150 SGG mit der Berufung anfechtbaren Urteile der Sozialgerichte unter Umgehung des Berufungsverfahrens die Revision unmittelbar beim BSG eingelegt werden (Sprungrevision), wenn der Rechtsmittelgegner einwilligt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Berufung ist nach § 150 Nr. 1 SGG zugelassen worden und die schriftliche Einwilligung der Rechtsmittelgegner liegt vor. Die Sprungrevision ist auch in der für die Revision vorgeschriebenen Frist und Form eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG) und daher zulässig. Sie ist auch begründet.

Das SG hat zu Unrecht angenommen, daß bei der Feststellung der Elternbeihilfe der Kläger deren Unterhaltsansprüche gegen die noch lebenden Söhne nicht zu berücksichtigen seien.

Soweit zunächst die Elternbeihilfe für die Zeit vom 1. Mai 1957 bis zum 31. Mai 1960 in Betracht kommt, hat das SG übersehen, daß in diesem Zeitraum das BVG in der Fassung des Sechsten Änderungs- und Ergänzungsgesetzes bis zum Inkrafttreten des 1. NOG gegolten hat (aF) und daß insoweit die Gewährung der Elternbeihilfe nach den Vorschriften des BVG in dieser Fassung des Gesetzes zu beurteilen ist. Nach § 50 Abs. 1 BVG aF ist Elternrente für die Dauer der Bedürftigkeit zu gewähren, wenn der Verstorbene der Ernährer seiner Eltern gewesen ist oder es geworden wäre; ist diese Voraussetzung nicht voll erfüllt, so kann eine Elternbeihilfe gewährt werden (Abs. 2). Der Unterschied in den Voraussetzungen für die Gewährung der Elternrente und der Elternbeihilfe besteht nur in dem Grad der Ernährereigenschaft, aber nicht in der Bedürftigkeit, die in jedem Falle gegeben sein muß. Für diese gilt einheitlich § 50 Abs. 3 BVG aF. Danach setzt die Bedürftigkeit außer körperlicher oder geistiger Gebrechlichkeit oder der Vollendung eines bestimmten Lebensjahres voraus, daß die Eltern weder ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können noch einen "Unterhaltsanspruch" gegen Personen haben, die imstande sind, ausreichend für sie zu sorgen. Die Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen ist somit in der bis zum 31. Mai 1960 gültigen Fassung des Gesetzes selbst ausdrücklich vorgeschrieben. Wenngleich die Anrechnung von Unterhaltsansprüchen im § 50 Abs. 3 BVG nur für die Beurteilung der Bedürftigkeit vorgeschrieben ist, so können doch auch bei der Anrechnung von Einkommen nach § 51 Abs. 2 Unterhaltsansprüche nicht anders behandelt werden (vgl. BSG 1, 272). Diese Auffassung geht zudem aus der Rechtsverordnung zur Durchführung des § 33 BVG in der Fassung vom 2. August 1958 (BGBl I 567) hervor, die über § 51 Abs. 5 BVG auch für die Berechnung des Einkommens bei der Gewährung der Elternrente und Elternbeihilfe anzuwenden ist.

Der § 16 dieser DVO setzt geradezu voraus, daß Unterhaltsansprüche als Einkommen angerechnet werden, denn er beginnt mit den Worten: "Bei der Berücksichtigung gesetzlicher Unterhaltsansprüche" und regelt dann den Umfang, in dem diese Unterhaltsansprüche zu berücksichtigen sind, indem er fortfährt: "ist der Betrag anzusetzen, den der Verpflichtete zu leisten imstande ist, auch wenn die tatsächliche Leistung diesen Betrag nicht erreicht". Diese Regelung stand somit völlig im Einklang mit den Bestimmungen, die damals für die Elternversorgung maßgebend waren.

Vom 1. Juni 1960 an bis zum 31. Dezember 1963 ist die Gewährung der Unterhaltsbeihilfe und die Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen bei der Festsetzung des Einkommens der Eltern nach dem BVG idF des 1. NOG und der DVO zu § 33 BVG in der Fassung vom 11. Januar 1961 (BGBl I 19) zu beurteilen. Zwar enthält der § 50 BVG idF des 1. NOG nicht mehr die Bestimmung über die Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen, weil die Bedürftigkeit als Voraussetzung der Gewährung der Elternrente nunmehr entfallen ist, jedoch ist eine inhaltsgleiche Regelung in dem § 16 Abs. 2 der DVO zu § 33 BVG idF vom 11. Januar 1961 getroffen worden, die zugleich mit dem 1. NOG in Kraft getreten ist und über § 51 Abs. 9 BVG idF des 1. NOG Anwendung findet. Im Satz 1 dieser Vorschrift ist zunächst nur bestimmt, daß als Einkommen der Eltern auch die "Leistungen" auf Grund bürgerlich-rechtlicher Unterhaltsansprüche zu berücksichtigen sind. Im Satz 2 werden dann aber den Leistungen die Ansprüche auf solche Leistungen gleichgestellt, denn es wird bestimmt, daß dabei "der Betrag anzusetzen ist, den der Verpflichtete zu leisten vermag, auch wenn die tatsächliche Leistung diesen Betrag nicht erreicht". Das bedeutet, daß auch Unterhaltsansprüche grundsätzlich zu berücksichtigen sind, soweit sie der Verpflichtete zu leisten imstande ist; auf die tatsächliche Leistung allein kommt es also nicht an. Diese im § 16 Abs. 2 Satz 2 der DVO vom 11. Januar 1961 getroffene Regelung hält sich, wie der 9. Senat des BSG in seinem Urteil vom 27. November 1964 - 9 RV 58/64 - (BSG in SozR BVG § 51 Nr. 8) bereits entschieden hat, im Rahmen der in § 51 Abs. 9 BVG idF des 1. NOG erteilten Ermächtigung und verstößt auch nicht gegen die Art. 3, 20 und 28 GG. Der Senat hat keine Bedenken, sich dieser Ansicht im Ergebnis anzuschließen. Im § 51 Abs. 9 BVG ist die Bundesregierung ermächtigt worden, mit Zustimmung des Bundesrats durch Rechtsverordnung näher zu bestimmen, a) was als Einkommen gilt und welche Einkünfte bei der Feststellung der Elternrente oder Elternbeihilfe unberücksichtigt bleiben, b) wie das Nettoeinkommen zu ermitteln ist. Die gleiche Ermächtigung enthalten auch die §§ 33 Abs. 5 und 47 Abs. 4 BVG idF des 1. NOG hinsichtlich des auf die Ausgleichsrente der Schwerbeschädigten und der Waisen anzurechnenden Einkommens. Diese Ermächtigung reicht weiter als die Ermächtigung in § 33 Abs. 2 Satz 6 BVG aF und die durch Verweisung auf diese Vorschrift in § 51 Abs. 5 BVG aF übernommene Ermächtigung, auf Grund deren die Bundesregierung nur Ausnahmen von den nach § 33 Abs. 2 Satz 1 BVG aF als Einkommen geltenden Einkünften zulassen und nähere Bestimmungen über die Berechnung des sonstigen Einkommens treffen durfte. Nach § 51 Abs. 9 Buchst. a BVG idF des 1. NOG kann sie nunmehr auch bestimmen, was als Einkommen "gilt". Eine so weitgehende Befugnis umfaßt das Recht zu bestimmen, daß als Einkommen auch die Ansprüche auf Unterhaltsleistungen nach bürgerlichem Recht zu berücksichtigen sind, und daß dabei der Betrag zugrunde zu legen ist, den der Verpflichtete zu leisten vermag, unbeschadet der Frage, ob das so umgrenzte Einkommen noch dem Begriff entspricht, wie er im gewöhnlichen Sprachgebrauch oder auf anderen Rechtsgebieten verstanden wird. Die Ermächtigung zu einer solchen Regelung ist nach Inhalt, Zweck und Umfang in § 51 Abs. 9 BVG nF auch in der nach Art. 80 GG erforderlichen Weise bestimmt. Die in § 16 Abs. 2 Satz 2 der DVO vom 11. Januar 1961 angeordnete Berücksichtigung von bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsansprüchen und die Ermittlung des in solchen Fällen anzusetzenden Betrages steht somit im Einklang mit der in § 51 Abs. 9 Buchst. a und b BVG nF erteilten Ermächtigung. Es liegt insoweit auch keine unzulässige Erweiterung des Einkommensbegriffs im Sinne des Versorgungsrechts vor. Wie schon der 9. Senat in dem oben erwähnten Urteil mit Bezug auf die in diesem Urteil angeführten Entscheidungen dargelegt hat, sind zum Einkommen im Sinne des Versorgungsrechts nicht nur die tatsächlichen Zuwendungen, sondern auch rechtlich und wirtschaftlich verwertbare Forderungen zu rechnen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Versorgungsleistungen begehrt werden, die wie die Ausgleichsrente, die Witwenrente und Witwenbeihilfe, die Waisenrente und insbesondere die Elternrente und Elternbeihilfe ganz oder zum Teil von der Anrechnung sonstigen Einkommens abhängen und daher wegen ihres grundsätzlich subsidiären Charakters erst dann in Betracht kommen, wenn die Versorgung nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann, wobei alle Möglichkeiten auszunutzen und infolgedessen nicht nur die tatsächlichen Unterhaltsleistungen, sondern auch die Ansprüche auf solche Leistungen zu berücksichtigen sind.

Die Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 DVO widerspricht auch nicht dem Grundsatz der Sozialstaatlichkeit in Art. 20 GG. Zwar ist dieser Grundsatz nach Ansicht des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 27. Juli 1961 - 10 RV 1099/60 = BSG 15, 1 ff - mit zahlreichen Hinweisen auf Literatur und Rechtsprechung) nicht nur ein Auftrag an den Gesetzgeber zur Gestaltung der Sozialordnung und zu sozialer Aktivität, sondern auch Auslegungsrichtlinie für Verwaltung und Rechtsprechung; jedoch erwächst dem Einzelnen allein aus dem Grundsatz der Sozialstaatlichkeit noch kein verfolgbarer Anspruch gegen den Staat oder Behörden, insbesondere dann nicht, wenn die Ansprüche erst durch neue Vorschriften begründet werden müßten.

Die Regelung in § 16 Abs. 2 Satz 2 der DVO vom 11. Januar 1961 verstößt endlich auch nicht gegen den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz nach Art. 3 GG. Verboten ist danach, daß gleichgelagerte Fälle ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich behandelt werden. Dieses Verbot betrifft vor allem willkürliche Regelungen, die dann vorliegen, wenn die Behandlung gleichartiger Fälle so erhebliche Verschiedenheiten aufweist, daß sie mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise unvereinbar erscheint. Die Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen als Einkommen kann aber schon deshalb nicht gegen Art. 3 GG verstoßen, weil sie nicht allein für die Elternrente und die Elternbeihilfe, sondern auch für andere von der Anrechnung sonstigen Einkommens abhängige Versorgungsleistungen vorgesehen ist. Die entsprechende Bestimmung in § 1 Abs. 2 der DVO vom 11. Januar 1961, wonach den Einkünften Ansprüche auf Leistungen in Geld oder Geldeswert grundsätzlich gleichgestellt sind, gilt für Schwerbeschädigte und für Witwen, Witwer und Waisen (§ 14 Abs. 1 DVO), soweit die Gewährung der Ausgleichsrente in Betracht kommt (§§ 32, 33, 41 und 47 BVG). Insbesondere ist aber zu beachten, daß eine ähnliche Regelung wie in § 16 Abs. 2 DVO auch in § 4 (für die Ausgleichsrente der Schwerbeschädigten) und in § 15 Abs. 3 der DVO (für die Ausgleichsrente der Waisen) enthalten ist. Die Regelung in § 16 Abs. 2 DVO steht auch nicht im Widerspruch mit § 2 Abs. 1 Nr. 19 DVO. Zwar bleiben nach dieser gemäß § 16 Abs. 1 DVO für Eltern entsprechend geltenden Vorschrift Leistungen auf Grund von Unterhaltsansprüchen bei der Feststellung der Ausgleichsrente außer Betracht, jedoch nur soweit in der DVO nichts anderes bestimmt ist, dasselbe ist auch im § 16 Abs. 1 DVO zum Ausdruck gekommen. Diese vorbehaltene Ausnahme ist aber in § 16 Abs. 2 DVO getroffen worden.

Soweit die Kläger auf die Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen bei der Gewährung von Sozialhilfen nach dem SHG hinweisen, kann dahinstehen, ob ihre Behauptung zutrifft, daß dort Unterhaltsansprüche stets unberücksichtigt bleiben. Selbst wenn das zutrifft, so ist damit noch nicht der Gleichheitsgrundsatz verletzt, weil die Ansprüche nach dem SHG nach Voraussetzung, Zweck, Höhe und berechtigtem Personenkreis sich so von den Versorgungsansprüchen, darunter auch den Elternbeihilfeansprüchen, unterscheiden, daß für eine Vergleichbarkeit und die Beurteilung einer Verletzung des Gleichbehandlungssatzes jede Grundlage fehlt.

Die Sprungrevision des Beklagten ist sonach begründet. Das SG hat die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften verkannt und für die Zeit vom 1. Mai 1957 bis zum 31. Dezember 1963 zu Unrecht angenommen, daß Unterhaltsansprüche bei der Gewährung der Elternbeihilfe nicht zu berücksichtigen sind. Auf dieser Auffassung beruht die angefochtene Entscheidung, die infolgedessen aufzuheben war. In der Sache selbst konnte der Senat jedoch nicht entscheiden, da Feststellungen über die Höhe der zu berücksichtigenden Unterhaltsansprüche nicht getroffen worden sind. Aus diesem Grunde war die Sache zur erneuten Entscheidung an das SG zurückzuverweisen. Dieses wird bei seiner erneuten Entscheidung auch zu prüfen haben, ob den Klägern etwa nach den Vorschriften des BVG idF des 2. NOG eine Elternbeihilfe zusteht, was vom SG bisher nicht geprüft werden konnte, weil im Zeitpunkt seines Urteils vom 21. Januar 1964 das 2. NOG noch nicht verkündet war.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324349

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