Leitsatz (amtlich)
Das Recht zum Erlaß eines Berichtigungsbescheides nach KOV-VfG § 42 hat die Versorgungsbehörde in der Regel dann verwirkt, wenn seit Einleitung der erneuten Prüfung nach KOV-VfG § 43 Abs 1 S 2 5 Jahre verstrichen sind.
Leitsatz (redaktionell)
Die Einleitung einer Prüfung iS von KOV-VfG § 43 liegt schon in dem Ergreifen von Maßnahmen, die auf die Klärung der Voraussetzungen gerichtet sind, unter denen eine frühere Entscheidung ergangen ist; eines besonderen Ausspruches oder eines Aktenvermerkes über die Einleitung der Prüfung bedarf es nicht.
Normenkette
BVG § 42 Fassung: 1960-06-27, § 43 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1960-06-27; BGB § 242
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. Januar 1964 und des Sozialgerichts Dortmund vom 15. März 1960 aufgehoben.
2. Der Bescheid des Versorgungsamts S vom 27. September 1957 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 1958 und der Bescheid des Versorgungsamts vom 21. Mai 1963 werden aufgehoben.
3. Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten sämtlicher Rechtszüge zu erstatten.
Gründe
Dem Kläger war mit Bescheid vom 10. Mai 1948 nach der Sozialversicherungs-Direktive Nr. 27 (SVD 27) neben einer anderen Gesundheitsstörung auch ein Zustand nach schwerer Gehirnerschütterung mit Zwischenhirnstörung durch Kopftrauma als Wehrdienstbeschädigung mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v. H. anerkannt worden. Auf Grund einer ärztlichen Nachuntersuchung wurde diese Gesundheitsstörung mit Bescheid vom 21. September 1950 als "Zustand nach Gehirnerschütterung mit Hirnleistungsschwäche leichten Grades" anerkannt und die Rente vom 1. November 1950 an nach einer MdE um 40 v. H. gewährt. Mit Umanerkennungsbescheid vom 19. Juni 1952 wurde die Rente für die gleichen Gesundheitsstörungen in der bisherigen Höhe nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) weitergezahlt. Später ließ das Versorgungsamt (VersorgA) den Kläger durch den Facharzt für Nervenleiden Dr. W nachuntersuchen, der in seinem Gutachten vom 21. April 1956 bekundete, es bestehe keine traumatische Hirnleistungsschwäche, die Röntgenuntersuchung habe kein Schädeltrauma ergeben und die vom Kläger geschilderten Anfälle seien nicht auf eine Schädigung durch den Wehrdienst zurückzuführen. Am 25. April 1956 teilte dieser Sachverständige mit, die nach den Behauptungen des Klägers vorhandenen Gesundheitsstörungen hätten sich auch bei einer Hirnpunktion nicht nachweisen lassen. Am 5. Mai 1956 erhielt das VersorgA die Krankenpapiere aus den Jahren 1942 bis 1944. Daraufhin veranlaßte der Prüfarzt des VersorgA am 18. Mai 1956 eine nochmalige klinische Beurteilung unter Berücksichtigung dieser Unterlagen durch Dr. W. In seinem Gutachten vom 28. Juli 1956 hielt Dr. W an seiner bisherigen Auffassung fest. Auf dieses Gutachten hin führte das VersorgA am 21. August 1956 zum Zwecke der Überprüfung nach § 41 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G herbei. Dieser sah die Anerkennung der Folgen einer Kopfverletzung nicht als zweifellos unrichtig an und schlug eine Änderung der Rente gemäß § 62 BVG vor, weil Schädigungsfolgen in einem zum Bezug einer Rente berechtigenden Umfang nicht mehr nachweisbar seien. Es erging sodann der Neufeststellungsbescheid vom 27. September 1957, der auf § 62 BVG gestützt ist. In diesem Bescheid wurde die Posttraumatische Hirnleistungsschwäche nicht mehr anerkannt und die Rente vom 1. November 1957 an entzogen, weil die erwähnte Gesundheitsstörung nicht mehr nachweisbar sei und die MdE für die als Schädigungsfolge anerkannte Gesundheitsstörung weniger als 25 v. H. betrage. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Bescheid vom 29. Mai 1958 zurückgewiesen.
Das Sozialgericht (SG) holte ein Gutachten von Prof. Dr. P und Landesmedizinalrat Dr. C von der Psychiatrischen Klinik der Medizinischen Akademie D ein. Diese Sachverständigen bekundeten, daß eine Kopfverletzung oder eine traumatische Hirnschädigung nicht vorhanden, die MdE für die vorhandenen Schädigungsfolgen mit weniger als 25 v. H. zu bewerten und eine wesentliche Besserung darin zu erblicken sei, daß jetzt eine posttraumatische Hirnleistungsschwäche leichten Grades nicht mehr angenommen werden könne. Das SG hielt die Voraussetzungen einer Neufeststellung nach § 62 BVG für gegeben und wies mit Urteil vom 15. März 1960 die Klage ab. Im Berufungsverfahren wurden nochmals Prof. Dr. P und Landesmedizinalrat Dr. C gehört. Diese hielten an ihrer Auffassung fest. Die gleichfalls gehörten Dr. W und Frau Dr. I von der R Landesklinik für Hirnverletzte in Bonn gelangten zu dem Ergebnis, daß eine Leistungsminderung nach wie vor bestehe und in dieser Hinsicht auch keine Änderung eingetreten sei, daß die vorhandene Störung zwar nicht die Folge einer organischen Schädigung sei, sich jedoch nicht mit Gewißheit nachweisen lasse, daß die Anerkennung des Leidens zweifelsfrei falsch gewesen ist. Nunmehr führte der Beklagte Stellungnahmen des Versorgungsarztes Dr. H und des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie, Prof. Dr. N herbei. Diese vertraten im Hinblick auf die Krankenblätter die Auffassung, daß eine Hirnstammschädigung nicht vorliege und daß die frühere Beurteilung zweifellos unrichtig gewesen sei, zumal alle Sachverständigen völlig normale Befunde und keinen Anhalt für ein Hirntrauma festgestellt hätten. Daraufhin erteilte das VersorgA am 21. Mai 1963 einen Berichtigungs- und Anfechtungsbescheid, den es auf §§ 41 und 42 VerwVG stützte und in dem es die Bescheide vom 10. Mai 1948, vom 21. September 1950 und vom 19. Juni 1952 unter gleichzeitiger Umdeutung des Bescheides vom 27. September 1957 dahin abänderte, daß die posttraumatische Hirnleistungsschwäche leichten Grades keine Schädigungsfolge ist und die MdE für die verbleibenden Schädigungsfolgen (Radikaloperationsnarbe am linken Ohr mit mäßiger Mittelohrschwerhörigkeit) weniger als 25 v. H. beträgt, so daß kein Anspruch auf eine Rente besteht. Von einer Rückforderung der Versorgungsbezüge wurde gemäß § 47 Abs. 3 VerwVG abgesehen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG mit Urteil vom 15. Januar 1964 als unbegründet zurückgewiesen. Es hat das Vorliegen der Voraussetzungen zum Erlaß eines Neufeststellungsbescheides nach § 62 BVG und eines Berichtigungsbescheides nach § 41 VerwVG verneint, den Bescheid vom 21. Mai 1963 aber, soweit er auf § 42 VerwVG gestützt ist, für rechtmäßig gehalten. Das LSG hat dazu ausgeführt, daß es sich bei den im Mai 1956 beigezogenen Lazarettpapieren um Urkunden gehandelt habe, die zur Zeit der früheren Entscheidung zwar vorhanden, aber nicht bekannt waren und die, wenn sie früher bekannt gewesen wären, wegen der ihnen nach dem Gutachten von Prof. Dr. N für die ärztliche Beurteilung zukommenden Bedeutung zu einer anderen Entscheidung geführt hätten. (Vgl. § 42 Abs. 1 Nr. 9 VerwVG). Die bei Erteilung eines Bescheides nach § 42 VerwVG zu beachtenden Fristen des § 43 VerwVG seien gewahrt. Das VersorgA habe die Krankenblätter am 5. Mai 1956 erhalten, die erste Prüfung auf Grund dieser Unterlagen am 18. Mai 1956 veranlaßt und auf Grund des ihm am 4. August 1956 vorgelegten ärztlichen Gutachtens die Prüfung zum Zwecke einer Berichtigung angeordnet. Wenn diese Prüfung zunächst auch noch nicht zu einer Berichtigung geführt hätte, so sei mit ihrer Einleitung doch auch die Frist für den Bescheid vom 21. Mai 1963 als gewahrt anzusehen. Die seit dem 1. Juni 1960 geltenden Änderungen des § 43 VerwVG durch das Erste Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 27. Juni 1960 (1. Neuordnungsgesetz - NOG -), wodurch die Einleitungsfrist von drei auf sechs Monate verlängert und als frühester Beginn der Frist von fünf Jahren der 1. Januar 1957 bestimmt wurde, seien auch in laufenden Verfahren zu berücksichtigen entsprechend der Regelung in § 52 VerwVG, nach der die Vorschriften des VerwVG auf alle im Zeitpunkt seines Inkrafttretens anhängigen Sachen anzuwenden seien. Das LSG hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage die Revision zugelassen.
Gegen das am 7. April 1964 zugestellte Urteil des LSG hat der Kläger am 8. April 1964 Revision eingelegt. Er beantragt,
das angefochtene Urteil, das Urteil des SG Dortmund vom 15. März 1960 sowie die Bescheide vom 27. September 1957, 29. Mai 1958 und 21. Mai 1963 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, eine posttraumatische Hirnleistungsschwäche leichten Grades weiterhin als Schädigungsfolge anzuerkennen und dem Kläger Rente nach einer MdE um 40 v. H. über den 31. Oktober 1957 hinaus zu gewähren.
In der Revisionsbegründung vom 9. Juni 1964, die innerhalb der bis zum 7. Juli 1964 verlängerten Begründungsfrist am 10. Juni 1964 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen ist, rügt der Kläger die Nichteinhaltung der in § 43 VerwVG aF und nF bestimmten Fristen. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 VerwVG aF (Fassung vor Inkrafttreten des 1. NOG am 2. Juli 1960) sei die erneute Prüfung der zum Erlaß eines Bescheides nach § 42 VerwVG erforderlichen Voraussetzungen innerhalb einer Frist von drei Monaten seit Kenntnis des Anfechtungsgrundes einzuleiten gewesen. Durch das 1. NOG sei diese Frist zwar von drei auf sechs Monate verlängert worden, diese Verlängerung gelte aber nicht für die Fälle, in denen die Frist am 2. Juli 1960 bereits abgelaufen war (vgl. Urteile des 9. Senats vom 26. Mai 1964 - 9/11 RV 556/63 und 9 RV 218/63 -). Nach den Feststellungen des LSG habe das VersorgA die Unterlagen am 5. Mai 1956 erhalten, aber die Prüfung zum Zwecke der Berichtigung erst am 21. August 1956 angeordnet und damit die damals gültige Frist von drei Monaten nicht eingehalten. Auch die Frist von fünf Jahren sei nicht gewahrt. Entgegen der Auffassung des LSG sei nicht von § 43 Abs. 2 Satz 2 VerwVG nF auszugehen, sondern von der alten Fassung dieser Vorschrift, wonach eine Berichtigung fünf Jahre nach dem Tage der früheren Entscheidung nicht mehr zulässig gewesen sei. Diese Frist sei, soweit es sich in dem angefochtenen Bescheid um die Berichtigung des ältesten der früheren Bescheide handele, bereits abgelaufen gewesen, bevor mit dem Inkrafttreten des 1. NOG der früheste Beginn der Frist von fünf Jahren auf den 1. Januar 1957 festgelegt wurde. Ein Bescheid nach § 42 VerwVG sei sonach am 21. Mai 1963 nicht mehr zulässig gewesen. Der angefochtene Bescheid müsse daher ebenso aufgehoben werden wie der Neufeststellungsbescheid gemäß § 62 BVG vom 27. September 1957 und der Berichtigungsbescheid gemäß § 41 VerwVG vom 21. Mai 1963, deren Voraussetzungen nach der Entscheidung des LSG ebenfalls nicht vorgelegen haben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für richtig und meint, entgegen der Auffassung des Klägers habe das VersorgA nicht erst am 21. August 1956, sondern bereits am 18. Mai 1956 die neue Prüfung angeordnet und damit die Frist von drei Monaten eingehalten. Auch die Frist von fünf Jahren nach § 43 Abs. 2 VerwVG aF sei gewahrt; für deren Beginn sei nicht die frühere Entscheidung nach der SVD 27, sondern der Umanerkennungsbescheid vom 19. Juni 1952 maßgebend. Vor dem Ablauf der Frist brauche nicht die Entscheidung nach § 42 VerwVG zu ergehen, es genüge vielmehr, daß die hierzu erforderliche Prüfung innerhalb dieser Frist eingeleitet werde. Der Versorgungsverwaltung könne es auch nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie aus ihrer Prüfung nicht sofort die entsprechenden Folgerungen ziehe und nicht sogleich den Rücknahmebescheid erlasse.
Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Die sonach zulässige Revision ist auch begründet.
Das LSG hat zutreffend nicht nur über die Rechtmäßigkeit des Neufeststellungsbescheides vom 27. September 1957, sondern auch über die Rechtmäßigkeit des auf die §§ 41 und 42 VerwVG gestützten Berichtigungs- und Anfechtungsbescheides vom 21. Mai 1963, der erst im Laufe des Berufungsverfahrens ergangen ist, entschieden. Dieser ist nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, weil er den Bescheid vom 27. September 1957 nach Anspruch wie Begründung abgeändert bezw. ersetzt hat. Wenn in dem Bescheid vom 21. Mai 1963 gesagt ist, daß die früheren Bescheide "unter gleichzeitiger Umdeutung des Bescheides vom 27. September 1957" geändert werden, so kann dahinstehen, ob damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß dem Bescheid vom 27. September 1957 andere Gründe, nämlich Berichtigungs- und Anfechtungsgründe nach §§ 41, 42 VerwVG nachgeschoben werden, und ob solches Nachschieben schon deshalb als unwirksam angesehen werden muß, weil es in einem Verwaltungsverfahren, das durch den Bescheid vom 21. Mai 1963 seinen Abschluß gefunden hat, geschehen ist, der zudem selbst gerade auf die nachgeschobenen Gründe gestützt ist. Auf jeden Fall war eine Umdeutung des nach § 62 BVG erlassenen Neufeststellungsbescheides vom 27. September 1957 in einen Berichtigungs- oder Anfechtungsbescheid nach §§ 41, 42 VerwVG durch Nachschieben von entsprechenden Gründen nicht möglich. Das Nachschieben einer anderen rechtlichen Begründung ist nur statthaft, wenn der Verwaltungsakt durch die nachgeschobene Begründung in seinem Wesen, insbesondere in seinem Ausspruch, nicht verändert und die Rechtsverteidigung des Betroffenen nicht beeinträchtigt wird (BSG 3, 209, 216; 7, 8, 12; 11, 236, 239; Urteil des erkennenden Senats vom 31. Januar 1962 - 10 RV 955/58 -). Der Bescheid vom 27. September 1957 - seinem Wesen und Inhalt nach ein Neufeststellungsbescheid mit Wirkung nur für die Zukunft - würde aber durch das Nachschieben einer auf die §§ 41 und 42 VerwVG gestützten Begründung nach Voraussetzungen, Inhalt und Wirkung etwas wesentlich anderes werden; denn die Anwendung dieser Vorschriften setzt voraus, daß der Bewilligungsbescheid von Anfang an fehlerhaft gewesen ist, und führt zu einem Bescheid, der seinem Wesen nach nicht einer Neufeststellung, sondern der Berichtigung dient und grundsätzlich auf den Zeitpunkt zurückwirkt, in dem der rechtswidrige Bescheid erlassen worden ist (BSG in SozR VerwVG § 41 Nr. 9 und in Breithaupt 1962 S. 723). Der auf § 62 BVG gestützte Neufeststellungsbescheid vom 27. September 1957 läßt sich mithin nicht durch Nachschieben anderer Gründe in einen Berichtigungsbescheid nach den §§ 41 oder 42 VerwVG umdeuten.
Zu dem Bescheid vom 27. September 1957 hat das LSG festgestellt, daß entgegen der Auffassung der Versorgungsbehörde bei Erlaß dieses Bescheides in dem Zustand des Klägers seit dem Jahre 1950 keine Besserung eingetreten war. Diese Feststellung ist mit der Revision nicht angegriffen worden und daher bindend (§ 163 SGG). Damit aber fehlt es an der Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 BVG, so daß der auf diese Vorschrift gestützte Bescheid aufgehoben werden muß.
Zu dem Bescheid vom 21. Mai 1963 hat das LSG festgestellt, daß die Anerkennung der posttraumatischen Hirnleistungsschwäche in den früheren Bescheiden sich nicht als zweifelsfrei unrichtig erweisen läßt. Da auch diese Feststellung nicht angegriffen worden ist, kann dieser Bescheid jedenfalls nicht mehr auf § 41 VerwVG gestützt werden. Er wäre nur dann rechtmäßig, wenn er auf § 42 VerwVG, den die Versorgungsbehörde in dem Bescheid ebenfalls angeführt hat, gestützt werden könnte. Zu den Voraussetzungen dieser Vorschrift hat das LSG festgestellt, daß die Versorgungsbehörde nach Erlaß der früheren Bescheide am 5. Mai 1956 die früheren Wehrmachtskrankenpapiere erhalten hat und daß die Kenntnis dieser Papiere eine andere Entscheidung - als die in den früheren Bescheiden getroffene - herbeigeführt haben würde (§ 42 Abs. 1 Nr. 9 VerwVG). Auch diese Feststellung ist von der Revision nicht angegriffen worden. Die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 21. Mai 1963 hängt demnach nur davon ab, ob bei seinem Erlaß die im § 43 VerwVG bestimmten Fristen gewahrt worden sind.
Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob der § 43 VerwVG in der Fassung des Gesetzes vom 2. Mai 1956 (aF) oder in der durch das 1. NOG geänderten Fassung des Gesetzes vom 27. Juni 1960 (nF) anzuwenden ist, da die einzuhaltenden Fristen auch nach der engeren alten Fassung dieser Vorschrift gewahrt sind. Nach § 43 Abs. 1 VerwVG aF war die Prüfung zu der von Amts wegen zu treffenden Entscheidung binnen einer Frist von drei Monaten seit Kenntnis des Anfechtungsgrundes und nach § 43 Abs. 2 Satz 2 VerwVG aF binnen einer Frist von fünf Jahren seit dem Tag der früheren Entscheidung einzuleiten. Dazu hat das LSG die von der Revision nicht angegriffene Feststellung getroffen, daß das VersorgA am 5. Mai 1956 die im April angeforderten Krankenpapiere erhalten und am 18. Mai 1956 eine ärztliche Nachprüfung des Versorgungsfalles auf Grund dieser Unterlagen veranlaßt hat. Mithin hat es die Prüfung, die schließlich zu dem Bescheid nach § 42 VerwVG geführt hat, nicht erst am 21. August 1956, sondern bereits am 18. Mai 1956 und damit innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes (§ 43 Abs. 1 und 2 VerwVG aF) eingeleitet. Unerheblich ist, daß die Einleitung von einem Beamten des ärztlichen Dienstes verfügt worden ist; dieser ist insoweit in gleicher Weise wie andere Bedienstete für die Versorgungsbehörde tätig geworden. Aus dem Inhalt der Verfügung wie aus den Umständen, die zu dieser Verfügung geführt haben, geht hervor, daß schon diese eingeleitete Ermittlung auf eine Klärung der im Jahre 1942 vom Kläger erlittenen Verletzung und damit gegebenenfalls auf eine Berichtigung der früheren Bescheide gerichtet gewesen ist und diesem Zweck auch gedient hat, mag dies ausdrücklich auch erst in der Verfügung vom 21. August 1956 ausgesprochen worden sein. Eines besonderen Anspruches oder eines Aktenvermerks über die Einleitung der Prüfung bedarf es nicht; schon in dem Ergreifen von Maßnahmen, die auf eine Klärung der Voraussetzungen gerichtet sind, unter denen eine frühere Entscheidung ergangen ist, liegt die Einleitung einer Prüfung.
Mit der Einleitung der erneuten Prüfung am 18. Mai 1956 hat die Versorgungsbehörde nicht nur die im § 43 Abs. 1 Satz 2 VerwVG bestimmte Dreimonatsfrist eingehalten, sondern auch die Frist von fünf Jahren nach § 43 Abs. 2 VerwVG gewahrt. Der letzte Bescheid, mit dem die posttraumatische Hirnleistungsschwäche anerkannt und die Rente nach einer MdE um 40 v. H. gewährt worden war, ist der Bescheid vom 19. Juni 1952, den der Kläger am 7. Juli 1952 erhalten hat. Die Einleitung der Prüfung am 18. Mai 1956 ist demnach auch innerhalb der Fünfjahresfrist nach § 43 Abs. 2 Satz 2 VerwVG rechtzeitig erfolgt. Trotzdem kann der Bescheid vom 21. Mai 1963 nicht als rechtmäßig angesehen werden, weil er erst mehr als fünf Jahre nach der Einleitung der Prüfung (18. Mai 1956) ergangen ist. Zwar schreibt § 43 VerwVG nicht ausdrücklich vor, daß auf die Einleitung der erneuten Prüfung hin nach einer bestimmten Frist auch der Bescheid nach § 42 VerwVG zu ergehen hat. Jedoch geht aus dem Sinn dieser Vorschrift hervor, daß wegen der eingeleiteten Prüfung das auf eine Berichtigung gerichtete Verfahren ohne Verzögerung fortzusetzen ist, die Verwaltung also nicht für unbegrenzte Zeit das Recht haben kann, die Prüfung zu beenden und den Bescheid nach § 42 VerwVG zu erlassen. Die erwähnten Vorschriften stehen in dem Abschnitt des Gesetzes, der die Überschrift trägt "Berichtigung von Bescheiden". Eine Berichtigung von Bescheiden bedeutet stets einen Eingriff in die Verbindlichkeitswirkung von Bescheiden (§ 77 SGG) und damit auch stets einen Eingriff in die Rechtssicherheit und das Vertrauen, das die Betroffenen in den Bestand des hoheitlichen Verwaltungsaktes setzen. Wegen des schwerwiegenden Eingriffs einer Berichtigung in einen durch Verwaltungsakt geregelten Rechtszustand hat das Gesetz eine Berichtigung nur in engen sachlichen (§§ 41, 42 VerwVG) und zeitlichen (§ 43 VerwVG) Grenzen zugelassen. Was die zeitlichen Grenzen anbetrifft, so hat das Gesetz als absolute zeitliche Grenze, innerhalb welcher eine Berichtigung eines Bescheides nach § 42 VerwVG noch zulässig ist, den Zeitraum von fünf Jahren seit Erlaß des zu berichtigenden Bescheides bestimmt. Nur dann, wenn innerhalb dieses Zeitraumes eine Handlung unternommen wurde, nämlich die auf eine Berichtigung gerichtete Einleitung einer erneuten Prüfung, wird gleichsam der Ablauf der Fünfjahresfrist unterbrochen. Es kann dahinstehen, ob bei dieser Regelung ein Vergleich mit der Verjährung naheliegt und ob schon aus dieser vergleichbaren Regelung gefolgert werden kann, daß also auch mit der Einleitung der erneuten Prüfung nunmehr erneut die Fünfjahresfrist zu laufen beginnt, innerhalb derer eine Berichtigung nach § 42 VerwVG möglich ist. Auf jeden Fall muß aus dieser Regelung mindestens geschlossen werden, daß dann, wenn schon die Rechtssicherheit und das Vertrauen eines Betroffenen gegenüber einer Berichtigung nach § 42 VerwVG nach Ablauf von fünf Jahren seit Erlaß des Bescheides geschützt sind, auch gleicherweise die Rechtssicherheit und das Vertrauen geschützt sein müssen, wenn nach Einleitung der Prüfung innerhalb von fünf Jahren nicht der Berichtigungsbescheid ergeht. Der Gesetzgeber hat bei der Verwaltungsbehörde vorausgesetzt, daß sie auf die Kenntnis des Anfechtungsgrundes hin diesem ohne zeitraubendes Zögern nachgeht und ihn prüft; dafür zeugt der § 43 Abs. 1 VerwVG, wonach die Einleitung der erneuten Prüfung innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes einsetzen muß. Auch der Betroffene darf, nachdem eine Prüfung mit dem Ziele einer Berichtigung eingeleitet worden ist, damit rechnen, daß diese Prüfung ohne schuldhaftes Zögern seitens der Verwaltung durchgeführt wird, und er darf annehmen, daß dann, wenn auf die Einleitung der Prüfung hin nicht in angemessener Zeit eine Berichtigung erfolgt, diese Prüfung für ihn zu einem positiven Ergebnis geführt hat und der Bestand des früheren Bescheides nicht mehr gefährdet ist. Ob in jedem Falle eine Frist von fünf Jahren seit Einleitung der erneuten Prüfung erforderlich ist, um erneut das Vertrauen des Betroffenen in den Bestand des früheren Bescheides zu begründen und die Rechtssicherheit zu gewährleisten, kann dahinstehen. Jedenfalls muß im Hinblick auf die Regelung im § 43 Abs. 2 VerwVG das Recht der Versorgungsverwaltung auf Berichtigung eines Bescheides nach § 42 VerwVG in der Regel jedenfalls dann als verwirkt angesehen werden, wenn ein Zeitraum von fünf Jahren seit Einleitung der Prüfung verflossen ist. Innerhalb einer so langen Zeit wird es der Verwaltung stets möglich sein, die eingeleitete Prüfung bis zu einem endgültigen Ergebnis durchzuführen, und auch der Betroffene kann annehmen, daß äußerstenfalls innerhalb von fünf Jahren die Verwaltung die Prüfung durch-führen konnte. Ob es Fälle gibt, in denen es der Verwaltung trotz aller Bemühungen nicht möglich ist, ihre Prüfung innerhalb von fünf Jahren durchzuführen und einen Berichtigungsbescheid zu erlassen, und ob dieser Umstand das Recht der Verwaltungsbehörde zum Erlaß eines Berichtigungsbescheides nach § 42 VerwVG auch nach dem Ablauf von fünf Jahren seit Einleitung der Prüfung unbeeinträchtigt läßt, kann dahinstehen. Im vorliegenden Fall hatte die Verwaltungsbehörde am 21. Mai 1963, als sie den Berichtigungsbescheid nach § 42 VerwVG erließ, auf jeden Fall dieses Recht zur Berichtigung verwirkt. Seit Einleitung der erneuten Prüfung am 18. Mai 1956 waren nämlich mehr als fünf Jahre vergangen. Die Tatsachen, welche die Versorgungsbehörde zur Begründung ihres Bescheides vom 21. Mai 1963 angeführt hat, nämlich daß die herangezogenen Wehrmachtskrankenpapiere Bekundungen enthalten, bei deren Kenntnis die frühere Entscheidung anders ausgefallen wäre (§ 42 Abs. 1 Ziff. 9 VerwVG), hatte die Verwaltungsbehörde bald nach der Einleitung der Prüfung aufgeklärt. Sie hätte daher, wie aus den Feststellungen des LSG geschlossen werden muß, den Bescheid vom 21. Mai 1963 mit der gleichen Begründung schon viel früher, mindestens aber innerhalb von fünf Jahren nach Einleitung ihrer Prüfung am 18. Mai 1956 erlassen können.
Sie ist ihrer Verpflichtung, den Berichtigungsbescheid mindestens vor Ablauf von fünf Jahren nach Einleitung der Prüfung zu erlassen, nicht etwa dadurch nachgekommen, daß sie den Bescheid vom 27. September 1957 erließ. Dieser Bescheid ist seinem Inhalt wie seiner Begründung nach kein Berichtigungsbescheid. Mit diesem Bescheid ist die Verwaltungsbehörde nicht ihrer Verpflichtung zum Erlaß eines Berichtigungsbescheides binnen fünf Jahren nach Einleitung der Prüfung nachgekommen. Die Einleitung der Prüfung wurde im Hinblick auf eine Berichtigung erforderlich und zu diesem Zweck durchgeführt. Der Bescheid vom 27. September 1957, der kein Berichtigungsbescheid ist, kann deshalb nicht als die Folge und die Beendigung dieses Prüfverfahrens angesehen werden, mit welchem der durch die Einleitung des Prüfverfahrens eröffneten Rechtsunsicherheit und Einschränkung des Vertrauensschutzes ein Ende gesetzt würde.
Der Bescheid vom 21. Mai 1963 kann mithin nicht auf § 42 VerwVG gestützt werden; er ist nicht rechtmäßig, weil im Zeitpunkt seines Erlasses bereits das Recht der Versorgungsbehörde zur Berichtigung des Bescheides vom 19. Juni 1952 nach dieser Vorschrift verwirkt war. Das gleiche gilt, soweit mit dem Bescheid vom 21. Mai 1963 die noch weiter zurückliegenden Bescheide vom 10. Mai 1948 und 21. September 1950 berichtigt worden sind.
Die Revision des Klägers ist somit in vollem Umfang begründet. Es waren daher die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und auf seine Klage hin die angefochtenen Bescheide vom 27. September 1957 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 1958 und der Bescheid vom 21. Mai 1963 aufzuheben. Damit hat der Kläger weiterhin Anspruch auf Versorgung in dem durch den Bescheid vom 19. Juni 1952 festgesetzten Umfang.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen