Leitsatz (redaktionell)

1. Zur Frage der Berechnung des Schadensausgleichs einer Witwe nach Auflösung der 2. Ehe.

2. Versorgungs-, Renten- und Unterhaltsansprüche aus der aufgelösten 2. Ehe (BVG § 44 Abs 5) sind nicht nur auf die Witwenrente, sondern - allgemein - auf die "Witwenversorgung", also auch auf den Schadensausgleich der Witwe, anzurechnen (Anschluß an BSG 1969-07-23 10 RV 609/67 = Breith 1970, 244).

 

Normenkette

BVG § 40a Abs. 2 Fassung: 1964-02-21, § 41 Fassung: 1964-02-21, § 44 Abs. 5 Fassung: 1964-02-21; BVG§30Abs3u4DV § 12 Fassung: 1964-07-30

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 1. August 1967 wird aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 8. Dezember 1966 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die im Jahre 1909 geborene Klägerin hat bis Kriegsende Witwenrente nach ihrem ersten Ehemann, dem im Jahre 1940 gefallenen Lehrer (Schulamtsbewerber), Herbert B (Be), bezogen. Seit dem 16. Oktober 1945 war sie in zweiter Ehe mit dem kaufmännischen Angestellten E B (Bo) verheiratet. Dieser ist am 22. November 1952 gestorben. Die Klägerin erhält beamtenrechtliche Versorgungsbezüge und seit dem 1. Dezember 1952 - nach dem Tode ihres zweiten Ehemannes - Witwenrente aus der Sozialversicherung sowie von der Firma E. F. W in B im Zusammenhang mit der früheren Beschäftigung des Bo. bei dieser Firma eine freiwillige Zuwendung von monatlich 55,- DM. Wiederholt in den Jahren 1952 bis 1954 und 1960 gestellte Anträge auf Gewährung einer Abfindung (nach Wiederverheiratung), einer Witwenrente als Beihilfe nach dem Tode des zweiten Ehemannes gemäß § 44 Abs. 3 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) idF vom 1. Juli 1957 und einer Grundrente waren erfolglos, weil die Höhe des Einkommens der Klägerin den Bezug einer Ausgleichsrente ausschloß und die aufgrund der Auflösung der zweiten Ehe entstandenen Ansprüche auch auf die Grundrente anzurechnen waren (§ 44 Abs. 7 BVG aF).

Am 27. Mai/1. Juni 1964 beantragte die Klägerin Schadensausgleich nach § 40 a BVG. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 22. September 1964 abgelehnt. Auf den Widerspruch der Klägerin erteilte der Beklagte den Bescheid vom 24. Juni 1965, mit dem der Anspruch auf Schadensausgleich aufgrund des Ergebnisses einer Einzelberechnung erneut abgelehnt wurde. Bei der Ermittlung des dem Schadensausgleich zugrunde zu legenden Unterschiedsbetrages ging das Versorgungsamt (VersorgA) von der Hälfte des Durchschnittseinkommens des Be. nach der Besoldungsgruppe A 11 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) zuzüglich Ortszuschlag Tarifklasse II Stufe 2 aus, d. h. ab 1. Januar 1964 von der Hälfte von 1.387,- DM (ab 1. Oktober 1964 von 1.499,- DM), d. i. 693,50 DM (bzw. 749,50 DM), und zog hiervon das Witwengeld nach dem ersten Ehemann von 266,40 DM (ab 1. Oktober 1964 von 288,- DM und ab 1. Januar 1965 von 292,05 DM) sowie die Grundrente von 120,- DM ab. 4/10 des so ermittelten Einkommensschadens von 308,- DM (vom 1. Oktober 1964 von 342,- DM und vom 1. Januar 1965 an von 338,- DM) ergaben einen Schadensausgleich von 124,- DM (ab 1. Oktober 1964 von 137,- DM, ab 1. Januar 1965 von 136,- DM). Auf diese Beträge zuzüglich der Grundrente von 120,- DM, insgesamt 244,- DM (257,- DM und 256,- DM), wurde die Witwenrente aus der gesetzlichen Angestelltenversicherung (AnV) von 272,30 DM (richtig 273,30 DM) und die freiwillige Leistung der Firma W von 55,- DM, zusammen 327,30 DM, angerechnet. Da dieses angerechnete Einkommen aus der Auflösung der zweiten Ehe die Vergleichsbeträge von 244,- DM, 257,- DM und 256,- DM überstieg, wurde der Anspruch auf Schadensausgleich abgelehnt. Der Widerspruch, mit dem die Klägerin u. a. geltend gemacht hatte, die Grundrente dürfe nicht berücksichtigt werden, weil der Versorgungsanspruch insoweit ruhe, war demgemäß erfolglos. Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 8. Dezember 1966 die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Grundrente von 120,- DM sei mit Recht eingesetzt worden, obgleich die Klägerin diese Rente wegen der in § 44 Abs. 5 BVG vorgeschriebenen Anrechnung nicht erhalten habe; die Grundrente müsse nach § 40 a Abs. 2 Satz 1 BVG als rechnerischer Faktor berücksichtigt werden. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 1. August 1967 das Urteil des SG und die Bescheide des Beklagten vom 22. September 1964, 24. Juni 1965 und 20. September 1965 (Widerspruchsbescheid) aufgehoben und den Beklagten verurteilt, der Klägerin einen neuen Bescheid zu erteilen. Es hat ausgeführt, die Einsetzung der Grundrente als fiktives Einkommen bei der Berechnung des Schadensausgleichs in dem Bescheid vom 24. Juni 1965 stehe nicht im Einklang mit dem Gesetz. Die in § 40 a Abs. 2 Satz 1 BVG vorgeschriebene Berücksichtigung der Grundrente diene nur der Gegenüberstellung realer Berechnungsfaktoren bei der Feststellung des Schadensausgleichs. Leistungen, die - aus welchen Gründen auch immer - nicht erbracht worden seien, könnten deshalb als Berechnungsfaktoren nicht in den Einkommensausgleich einbezogen werden. Mit der Hälfte des Einkommens, das der erste Ehemann der Klägerin erzielt hätte, sei nur das Witwengeld zu vergleichen, das sie als Witwe eines Beamten beziehe. Auf den so berechneten Schadensausgleich seien die Ansprüche, die der Klägerin aus der zweiten Ehe erwachsen seien, gemäß § 44 Abs. 5 Satz 1 BVG idF des Zweiten Neuordnungsgesetzes (2. NOG) anzurechnen. Diese Ansprüche seien nicht ihrerseits schon als Einkommen im Sinne des § 40 a Abs. 1 BVG zu betrachten, da anderenfalls zu Lasten des Versorgungsberechtigten eine doppelte Anrechnung erfolgen würde. Das habe auch der Beklagte nicht verkannt, aber § 44 Abs. 5 BVG insofern unzutreffend angewendet, als er die Leistungen in Anrechnung gebracht habe, die die Klägerin seitens der Firma W beziehe. Da auf diese Leistungen kein Rechtsanspruch bestehe, sei die Frage der Anrechnung nur bei der Bewilligung von Ausgleichsrente von Bedeutung gewesen. Die allein anzurechnenden Bezüge der Klägerin aus dem Versicherungsverhältnis ihres zweiten Ehemannes verringerten sich bei der Feststellung der nach § 44 Abs. 5 BVG anzurechnenden Beträge außerdem um einen der Grundrente entsprechenden Betrag von 120,- DM. Würde dieser Betrag nicht abgezogen, würde er doppelt zu Lasten der Klägerin berücksichtigt werden. Die konkrete Berechnung des Schadensausgleichs nach § 40 a BVG sei deshalb wie folgt vorzunehmen:

Ausgangsbetrag: Die Hälfte des Einkommens des

1. Ehemannes ab 1.1.1964

693,50 DM

abzügl. Witwengeld nach dem 1. Ehemann

266,40 DM

Differenz

427,10 DM

hiervon 4/10

rd.

171,- DM

Berücksichtigung des § 44 BVG:

Witwenrente aus der AnV nach dem 2. Ehemann

273,- DM

abzügl. ersparter Grundrente

120,- DM

anzurechnen nach § 44 Abs. 5 BVG

153,- DM

verbleibender Schadensausgleich:

Die Differenz von

171,- DM

./.

153,- DM

rd.

18,- DM.

Mit der zugelassenen Revision rügt der Beklagte Verletzung des § 40 a BVG und des § 12 der Verordnung zur Durchführung (DVO) des § 30 Abs. 3 und 4 BVG vom 30. Juli 1964 i. V. m. § 14 Abs. 3 der DVO zu § 33 BVG idF vom 22. Juli 1964. Er hat den Bescheid vom 22. September 1964 zurückgenommen und ausgeführt, § 40 a Abs. 2 BVG treffe zwar keine Regelung für den Fall, daß Versorgungs-, Renten- oder Unterhaltsansprüche aus einer neuen Ehe gemäß § 44 Abs. 5 BVG auf die Witwenrente anzurechnen gewesen seien und deshalb eine Grundrente nicht gezahlt worden sei. Diese Gesetzeslücke lasse sich sinnvoll nur dadurch schließen, daß bei Berechnung des Schadensausgleichs Witwen mit einer Versorgung gemäß § 44 Abs. 2 BVG den Normalfällen einer Witwenversorgung nach den §§ 38 ff BVG gleichgestellt würden. Lasse man hier die Grundrente bei der Berechnung nach § 40 a Abs. 2 Satz 1 BVG außer Betracht, so würden diese Witwen gegenüber den anderen besser gestellt, weil sich dann ein höherer Einkommensschaden ergebe. Der Beklagte habe die Grundrente nicht etwa doppelt angerechnet, vielmehr habe er zunächst die zustehenden Versorgungsleistungen, nämlich Grundrente und Schadensausgleich wie in normalen Fällen berechnet und darauf eine Anrechnung nach § 44 Abs. 5 BVG vorgenommen. Soweit das LSG die Anrechnung der freiwilligen Zuwendung der Firma W von monatlich 55,- DM gemäß § 44 Abs. 5 BVG in dem Bescheid vom 24. Juni 1965 beanstandet habe, erhebe die Revision keine Bedenken. Wenn insoweit auch keine Anrechnung nach § 44 Abs. 5 BVG erfolgen könne, weil es sich um eine freiwillige Leistung (also keinen Anspruch) handele, sei doch eine Anrechnung nach § 40 a Abs. 2 Satz 1 BVG erforderlich, da sich aus § 12 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG ergebe, daß alle nicht nach § 44 Abs. 5 BVG angerechneten Einkünfte zum Brutto-Einkommen im Sinne des § 40 a Abs. 2 Satz 1 BVG gehörten. Deshalb hätte die freiwillige Zuwendung von 55,- DM in Anlage B des Bescheides vom 24. Juni 1965 unter Ziffer III aufgeführt werden müssen. Damit erhöhe sich das Brutto-Einkommen ab 1. Januar 1964 (nach dem ersten Ehemann) von 386,40 DM um 55,- DM auf 441,40 DM. Daraus ergebe sich folgende Berechnung des Schadensausgleichs:

Ab 1.1.1964 Hälfte des Durchschnittseinkommens

693,50 DM

abzüglich

441,40 DM

Einkommensschaden rd.

253,- DM

hiervon 4/10

101,- DM.

Auf die Grundrente von

120,- DM

zuzüglich Schadensausgleich von

101,- DM

zusammen

221,- DM.

Darauf seien gemäß § 44 Abs. 5 BVG anzurechnen

273,30 DM.

Somit bleibe kein Schadensausgleich mehr zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

das Urteil des LSG vom 1. August 1967 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hat ausgeführt, zu den Gründen, die das LSG für seine zutreffende, von der Meinung des Beklagten abweichende Auffassung angeführt habe, komme noch ein weiteres Argument. Aus § 44 Abs. 2 und 5 BVG ergebe sich nämlich, daß die beiden Versorgungen der Witwe (nach dem ersten und dem zweiten Ehemann) parallel nebeneinander liefen. Das Gesetz schreibe nur eine Anrechnung der getrennt berechneten Versorgung nach dem zweiten Ehemann vor. Insoweit gehe also die Versorgung nach dem zweiten Ehemann in der Versorgung nach dem ersten Ehemann auf. Tatsächlich könne die Klägerin eine Versorgung nur nach Be. erhalten. Nur so könne eine doppelte Berücksichtigung der aus der Auflösung der zweiten Ehe entstandenen Ansprüche, nämlich nach § 44 Abs. 5 und § 40 a Abs. 2 BVG, und damit die Entstehung von Ungerechtigkeiten vermieden werden. Zutreffend habe das LSG im Rahmen des Anspruches nach § 40 a Abs. 2 BVG die Grundrente, da sie hier nicht gezahlt werde, auch nicht fiktiv berücksichtigt. § 40 a BVG solle den Unterschied zwischen dem Brutto-Einkommen der Klägerin und der Hälfte des fiktiven Einkommens ihres ersten Ehemannes ausgleichen. Zweck der Vorschrift sei es, die Klägerin versorgungsrechtlich so zu stellen, als wäre ihr erster Ehemann nicht gefallen. Dies könne nur erreicht werden, wenn das auf den gegenwärtigen Zeitpunkt errechnete Einkommen des 1. Ehemannes dem realen Einkommen der Klägerin gegenübergestellt werde. Da die Klägerin die Grundrente, die bei der Versorgung nach Bo. über § 44 Abs. 5 BVG bereits angerechnet worden sei, nicht erhalten habe, würde die Berücksichtigung dieser fiktiven Grundrente im Rahmen des § 40 a Abs. 2 BVG zu einer doppelten Minderung der Versorgung führen. Der Beklagte sei nunmehr auch der herrschenden Meinung gefolgt, daß die freiwillig von der Firma W gewährte Leistung nicht gemäß § 44 Abs. 5 BVG anzurechnen sei. Inwieweit diese Leistung nach § 40 a Abs. 2 Satz 1 BVG berücksichtigt werden könne oder müsse, sei mangels eines zu dieser Frage erlassenen Bescheides nicht Gegenstand des Rechtsstreits.

Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und deshalb zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie ist auch sachlich begründet.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, nachdem der Beklagte den Bescheid vom 22. September 1964 zurückgenommen hat, nur noch der Bescheid vom 24. Juni 1965 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 1965, durch den der Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines Schadensausgleichs nach § 40 a BVG idF des Zweiten Neuordnungsgesetzes (2. NOG) vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85) abgelehnt worden ist.

Diese Vorschrift ist mit Wirkung vom 1. Januar 1967 an durch das Dritte Neuordnungsgesetz (3. NOG) vom 28. Dezember 1966 (BGBl I 750) geändert worden. Über die sich ab 1. Januar 1967 ergebenden Ansprüche der Klägerin ist in diesem Verfahren jedoch nicht zu entscheiden, da insoweit weder ein Antrag der Klägerin noch ein Bescheid der Versorgungsverwaltung vorliegt (Art. V § 1 Abs. 2 Satz 1 des 3. NOG).

§ 40 a Abs. 1 BVG schreibt für die Berechnung des Schadensausgleichs der Witwe die Ermittlung des Unterschiedsbetrages zwischen dem Einkommen der Witwe und der Hälfte des Einkommens, das der Ehemann ohne die Schädigung erzielt hätte, vor. In Höhe von 4/10 der sich daraus ergebenden Differenz ist der Schadensausgleich bis höchstens 200,- DM zu gewähren, wenn das Einkommen der Witwe die Hälfte des wahrscheinlich erzielten Einkommens des Ehemannes um mindestens 50,- DM unterschreitet. § 40 a Abs. 2 Satz 1 BVG bestimmt, daß zur Feststellung des Schadensausgleichs das von der Witwe erzielte Bruttoeinkommen zuzüglich der Grundrente (§ 40), der Ausgleichsrente (§ 41 oder §§ 32, 33) sowie des Zuschlags nach § 41 Abs. 4 mit dem Einkommen des Ehemannes zu vergleichen ist. § 40 a Abs. 2 Satz 2 BVG betrifft die Grundsätze, nach denen das der Berechnung zugrunde zu legende Durchschnittseinkommen des Ehemannes zu ermitteln ist. Dem § 40 a BVG kann somit unmittelbar noch nicht zweifelsfrei entnommen werden, ob auch eine nach Eingehung einer neuen Ehe tatsächlich nicht gezahlte Grundrente (§ 44 Abs. 2, 5 BVG) als Einkommen der Witwe eingesetzt werden soll und ob Versorgungs-, Renten- und Unterhaltsansprüche, die sich aus der Auflösung der neuen Ehe ergeben (§ 44 Abs. 5 BVG), schon bei der Ermittlung des Unterschiedsbetrages als Grundlage für die Errechnung des Schadensausgleichs von 4/10 als Einkommen der Witwe zu berücksichtigen sind oder ob sie erst auf den zahlenmäßig ermittelten Schadensausgleich angerechnet werden können. Aufschluß über diese letzte Frage gibt § 12 der auf Grund der Ermächtigung des § 40 a Abs. 4 BVG erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG (DVO) vom 30. Juli 1964 (BGBl I 574). Denn dort ist bestimmt, daß zum Bruttoeinkommen im Sinne des § 40 a Abs. 2 Satz 1 BVG u. a. nicht die in § 14 Abs. 3 der zu § 33 BVG erlassenen DVO (vom 22. Juli 1964 - BGBl I 538 -) genannten Einkünfte gehören. § 14 Abs. 3 dieser Verordnung bestimmt, daß Leistungen, die nach § 44 Abs. 5 BVG "angerechnet" werden, bei der Feststellung der Witwenausgleichsrente unberücksichtigt bleiben. Die Anwendung des § 12 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG bedeutet also, daß die aus der Auflösung der neuen (zweiten) Ehe entstandenen Ansprüche nicht schon bei der Ermittlung des Unterschiedsbetrages einzusetzen sind, sondern daß diese gemäß § 40 a Abs. 2 Satz 1 BVG als Einkommen der Witwe zu berücksichtigenden Bezüge zunächst außer Betracht zu bleiben haben und erst später auf den unabhängig davon errechneten Schadensausgleich anzurechnen sind.

Die Beantwortung der Frage, ob eine im Hinblick auf § 44 Abs. 5 BVG nach Eingehung einer neuen (zweiten) Ehe nicht gezahlte Grundrente bei der Ermittlung des Schadensausgleichs gleichwohl wie bezogenes Einkommen einzusetzen ist - und zwar schon bei der Errechnung des Unterschiedsbetrages, also vor Anrechnung der aus der Auflösung der neuen Ehe erworbenen Ansprüche -, ergibt sich daraus, daß es sich bei dem Schadensausgleich der Witwe, die eine neue Ehe eingegangen ist, nach Auflösung dieser Ehe ebenso um einen wiederaufgelebten Anspruch handelt wie bei der Witwen-Grund- und Ausgleichsrente (§ 44 Abs. 2 BVG). Hierzu bestimmt § 44 Abs. 5 BVG, daß Versorgungs-, Renten- oder Unterhaltsansprüche, die sich aus der neuen Ehe herleiten, auf die (gesamte) Witwenrente, also auf die Witwen-Grund- und Ausgleichsrente anzurechnen sind. Diese zunächst nur für den Bezug von Grund- und Ausgleichsrente getroffene Regelung steht unter dem Leitgedanken, daß die Witwe eines im Kriege gefallenen Ehemannes nach Eingehung und Auflösung einer weiteren Ehe nicht besser gestellt sein solle, als wenn sie nicht wieder geheiratet hätte, und daß deshalb von einer Berechnung der Ansprüche auszugehen ist, die sie ohne Eingehung der neuen Ehe gehabt hätte. Deshalb muß sie sich auf die Grund- und Ausgleichsrente, die sie als Witwe ihres gefallenen (ersten) Ehemannes erhalten würde, die aus der Auflösung der zweiten Ehe erworbenen Ansprüche anrechnen lassen. Bei voller Anrechnung von Grund- und Ausgleichsrente auf die aus der neuen Ehe erworbenen Ansprüche stellt die Grundrente somit nur einen zur Berechnung der Witwenversorgung bestimmten Rechnungsfaktor dar. Da auch der Schadensausgleich der Witwe, die eine neue Ehe eingegangen ist, nach Auflösung dieser Ehe nur aus dem Rechtsgrund der aufgelebten Witwenversorgung gewährt wird, kann der Schadensausgleich zunächst auch nur dergestalt berechnet werden, daß der Anspruch so festgestellt wird, wie er ohne Wiederverheiratung und ohne Berücksichtigung der aus der Auflösung der zweiten Ehe entstandenen Ansprüche aufgrund des Todes des ersten Ehemannes geltend gemacht werden könnte. Der 10. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat in dem Urteil vom 23. Juli 1969 - 10 RV 609/67 - im Hinblick auf den nach Auflösung der zweiten Ehe "wieder aufgelebten" Anspruch auf Schadensausgleich ausgesprochen, daß das Wort "Witwenrente" in § 44 Abs. 2 BVG im Sinne von "Witwenversorgung" auszulegen und deshalb auch bei der Berechnung des Schadensausgleichs von den Ansprüchen auszugehen sei, die die Witwe nach dem Tode des ersten Ehemannes gehabt hätte. Der 10. Senat des BSG hat diese Auffassung mit der geschichtlichen Entwicklung des Anspruchs auf Schadensausgleich begründet, der an die Stelle der erhöhten Witwenausgleichsrente gemäß § 41 Abs. 3 BVG idF des Ersten Neuordnungsgesetzes (1. NOG) vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) getreten sei. Wenn diese Vorgängerleistung nach § 44 Abs. 2 BVG wieder aufgelebt sei, so müsse dasselbe auch für den an ihre Stelle getretenen Anspruch auf Schadensausgleich gelten. Diese Auslegung werde auch durch § 44 Abs. 2 BVG idF des 3. NOG bestätigt, der vom Wiederaufleben des Anspruchs auf "Witwenversorgung" spreche und damit habe sicherstellen wollen, daß das Wiederaufleben sich auf alle Versorgungsleistungen beziehe. § 44 Abs. 2 BVG idF des 3. NOG stellt somit nur klar, was - auf die wieder aufgelebte Witwenrente bezogen - schon aus dem in § 44 Abs. 2 BVG idF des 2. NOG zum Ausdruck gebrachten allgemeinen Rechtsgedanken auch für die Berechnung des Schadensausgleichs zu entnehmen war. Daß die frühere Witwe des ersten Ehemannes nicht besser gestellt werden soll als sie stünde, wenn sie nicht wieder geheiratet hätte und Witwe nach diesem ersten gefallenen Ehemann geblieben wäre, ergibt sich auch aus § 44 Abs. 6 BVG, der die entsprechende Anwendung des § 44 Abs. 2 und 5 BVG auch für den Fall vorsieht, daß die Witwe zwar keine Witwenrente bezogen hat, aber " ohne " die Wiederverheiratung einen Anspruch auf Versorgung hätte. Deshalb sind, wie der 10. Senat des BSG in der bereits erwähnten Entscheidung vom 23. Juli 1969 ausgesprochen hat, auch die Versorgungs-, Renten- und Unterhaltsansprüche aus der aufgelösten zweiten Ehe (§ 44 Abs. 5 BVG) nicht nur auf die Witwenrente, sondern - allgemein - auf die "Witwenversorgung", also auch den Schadensausgleich der Witwe, anzurechnen. Bei der Ermittlung des Unterschiedsbetrages, aus dem der Schadensausgleichsbetrag zu errechnen ist (4/10), müssen somit zunächst die aus der Auflösung der zweiten Ehe der Klägerin entstandenen Ansprüche außer Betracht bleiben. Es ist von den Bezügen auszugehen, die sie als Witwe des ersten Mannes erhalten hätte. Als Kriegerwitwe hätte sie keine Ausgleichsrente beziehen können, sondern nur einen Anspruch auf Grundrente gehabt, weil ihre der Höhe nach unbestrittenen Einkünfte aus der beamtenrechtlichen Versorgung nach dem Tode des Be. den Betrag (von 200,- DM) überstiegen, der den Bezug von Ausgleichsrente ausschließt (§ 41 Abs. 2 und 3 BVG). Somit ergibt sich für die Ermittlung des Anspruches auf Schadensausgleich folgende Berechnung des ohne die Wiederverheiratung anzurechnenden Einkommens der Klägerin:

ab 1.1.1964

ab 1.10.1964

ab 1.1.1965

Grundrente

120,- DM

120,- DM

120,- DM

beamtenrechtliche Bezüge aus 1. Ehe

266,40 DM

288,- DM

292,05 DM

386,40 DM

408,- DM

412,05 DM

Da nicht mehr streitig ist, daß als Durchschnittseinkommen des Be. die Bezüge nach der Besoldungsgruppe A 11 BBesG zugrunde zu legen sind, entspricht der Unterschiedsbetrag im Sinne des § 40 a Abs. 1 BVG der Differenz der folgenden Beträge

 ab 1.1.1964

 ab 1.10.1964

 ab 1.1.1965

 Die Hälfte des zuständigen Durchschnittseinkommens

 693,50 DM

 749,50 DM

 749,50 DM

 ./.

386,40 DM

 ./. 408,- DM

 ./. 412,05 DM

 rd.

 308,- DM

 342,- DM

 338,- DM

 davon 4/10 rd.

 124,- DM

 137,- DM

 136,- DM.

Als Versorgung, die der Klägerin nach dem Tode des Be. ohne Rücksicht auf die aus der Auflösung der zweiten Ehe erworbenen Ansprüche zu gewähren wäre, hätte somit die Klägerin zu beanspruchen:

ab 1.1.1964

ab 1.10.1964

ab 1.1.1965

Grundrente

120,- DM

120,- DM

120,- DM

Schadensausgleich

124,- DM

137,- DM

136,- DM

244,- DM

257,- DM

256,- DM.

Auf diese Beträge sind nach § 44 Abs. 5 BVG die aus der Auflösung der zweiten Ehe entstandenen Ansprüche anzurechnen. Da die Klägerin eine über diese Beträge hinausgehende Witwenrente aus der AnV in Höhe von 273,30 DM bezogen hat, hat sie keinen Anspruch auf Schadensausgleich.

Bei dieser Berechnung wird die Grundrente nicht, wie die Klägerin meint, doppelt berücksichtigt. Sie wird lediglich als rechnerische Größe bei der Ermittlung der Versorgungsansprüche, die die Klägerin nach dem Tode des Be. gehabt hätte, d. h. zur Feststellung des Unterschiedsbetrages bei der Ermittlung des Schadensausgleichs eingesetzt und deshalb - folgerichtig - zum Zwecke der Feststellung des Einkommens, das die Klägerin in diesem Falle erzielt hätte, hinzugerechnet. Die Klägerin wird also bei der Ermittlung der nach § 44 Abs. 2 und 5 BVG zu zahlenden Bezüge mit Recht so gestellt, als ob sie eine Grundrente von 120,- DM zu beanspruchen hätte. Zu Unrecht macht die Klägerin auch geltend, die Grundrente ruhe. Das wäre der Fall, wenn sie Versorgung nicht nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen, sondern aufgrund der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge erhielte. Nur dann ruht nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG der Anspruch aus der Kriegsopferversorgung in Höhe des Unterschiedsbetrages. Die Klägerin erhält zwar die erhöhten beamtenrechtlichen Bezüge gemäß § 29 des Bundesgesetzes zu Artikel 131 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit § 181 a des Bundesbeamtengesetzes (BBG) idF des Artikels III Abs. 1 Nr. 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zu Art. 131 GG vom 11. September 1957 (BGBl I 1275) wegen eines während des zweiten Weltkrieges in Ausübung militärischen Dienstes erlittenen Unfalls, nicht aber die Bezüge nach den Bestimmungen der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge. (§§ 134 ff BBG). Dies ergibt sich aus dem Bescheid des Präsidenten des Niedersächsischen Verwaltungsbezirks Braunschweig vom 4. August 1958. Auf diese Bezüge ist § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG nicht anwendbar (vgl. Wilke BVG 3. Aufl. § 65 Anm. II 3 und BMA Rdschr. vom 24. Januar 1958 - V a 2 - 6314/57 in Bundesversorgungsblatt 1958 S. 26 Nr. 12). Auf die beamtenrechtlichen Versorgungsleistungen der Klägerin wurden - jedenfalls bis zum 31. Dezember 1966 - auch nicht ihre aus der zweiten Ehe erworbenen Ansprüche aus der AnV angerechnet. Dies ergibt sich aus dem der Klägerin von dem Niedersächsischen Landes-Verwaltungsamt - Beamtenversorgung - erteilten Bescheid vom 25. August 1967 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 1968. Sonach kommt eine Benachteiligung der Klägerin weder aus dem Gesichtspunkt des teilweisen Ruhens von Versorgungsansprüchen noch auf Grund einer Doppelanrechnung von Bezügen in Betracht. - Die freiwillige Leistung der Firma W von 55,- DM monatlich kann erst als eine auf Grund der Auflösung der zweiten Ehe entstandene Leistung angerechnet werden, also erst nach Ermittlung des Schadensausgleichs. Ob sie überhaupt als Einkommen berücksichtigt werden kann, was nach § 40 a Abs. 2 Satz 1 BVG zu bejahen sein dürfte (vgl. auch die §§ 12, 10 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 30 Abs. 3 und 4 vom 30. Juli 1964 und § 1 Abs. 3 Nr. 6 der DVO zu § 33 BVG vom 22. Juli 1964), obgleich sie keinen "Versorgungsanspruch" darstellt und deshalb nicht unter die nach § 44 Abs. 5 BVG anzurechnenden Ansprüche fällt, kann dahingestellt bleiben, da schon die Berücksichtigung der Angestelltenrente der Klägerin zur Verneinung des Anspruchs auf Schadensausgleich führt.

Da nach alledem das SG mit Recht die Klage abgewiesen hat, war das Urteil des LSG aufzuheben und auf die Revision des Beklagten die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670054

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