Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 27. November 1974 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf Weitergewährung der Waisenrente über das 25. Lebensjahr hinaus hat.
Der am 21. April 1948 geborene Kläger bezog von der Beklagten nach seinem am 25. Mai 1952 infolge eines Arbeitsunfalles verstorbenen Vaters Waisenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bis 30. April 1973. Er hatte zunächst vom 1. April 1965 bis 31. März 1967 eine Berufsausbildung als Regierungsassistentenanwärter bei der Freien und Hansestadt Hamburg durchgemacht. Kurz vor Beendigung dieser Ausbildung kündigte die Mutter des Klägers im März 1967 der Beklagte an, daß ein Berufswechsel mit dem Ziel der Ausbildung als Redakteur beabsichtigt sei. Eine zum 1. Juli 1967 angebotene Volontärstelle bei dem Winsener Anzeiger mußte der Kläger wegen Einberufung zum Wehrdienst, den er am 3. April 1967 bis 30. September 1968 ableistete, ausschlagen. Nach Beendigung des Wehrdienstes nahm er seine Tätigkeit im Staatsdienst wieder auf, schied jedoch auf eigenen Wunsch am 31. Oktober 1969 aus. Vom 1. November 1969 bis 31. März 1970 war er dann selbständiger Anzeigenvertreter. Am 1. April 1970 begann er eine Lehre als Verlagskaufmann, beendete diese aber am 31. Januar 1973, nachdem er die Prüfung zweimal nicht bestanden hatte. Am 1. Februar 1973 trat er in ein Ausbildungsverhältnis als Redaktionsvolontär beim Pinneberger Tageblatt ein, das am 27. November 1974 noch bestand.
Mit Bescheid vom 15. Juni 1973 lehnte die Beklagte die Weitergewährung der Waisenrente über das 25. Lebensjahr hinaus mit der Begründung ab, daß eine Verzögerung der Berufsausbildung durch die Ableistung des gesetzlichen Wehrdienstes nicht eingetreten sei. Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Hamburg mit Urteil vom 9. April 1974 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG u. a. ausgeführt:
Von der Zielsetzung des § 583 Abs. 3 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) her sei nicht ersichtlich, daß ein Anspruch auf mehrere verschiedene Berufsausbildungen geschützt sein solle. Die Waisenrenten hätten (nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Mai 1970 – 1 BvL 22/63 und 27/64 – BVerfGE 28, 324 ff, 348 ff –) Unterhaltscharakter. Die Regelungen der Waisenrenten gingen nach Inhalt und Zweck ersichtlich von der Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber den Kindern aus. Nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften würden die Unterhaltsleistungen unterhaltsverpflichteter Eltern mit Abschluß der Berufsausbildung, die den Unterhaltsberechtigten in die Lage versetze, seinen Unterhalt selbst zu erwerben, enden. Eine Verpflichtung zur Finanzierung mehrerer Berufsausbildungen bestehe nur ausnahmsweise. Der Kläger habe bereits zu Beginn des Wehrdienstes und vor der Vollendung seines 25. Lebensjahres eine Berufsausbildung abgeschlossen gehabt, die ihn in die Lage versetzt habe, sich selbst angemessen zu unterhalten und die seinen Leistungen und Familienverhältnissen nicht völlig unadäquat gewesen sei. Diese Berufsausbildung sei durch den Wehrdienst jedenfalls nicht verzögert worden. Das gleiche gelte auch für die Ausbildung zum Verlagskaufmann. Diese hätte der Kläger bereits im Herbst 1972 abschließen können. Das Nichtbestehen der Abschlußprüfung habe er selbst zu vertreten. Ausnahme gründe, die eine dritte Berufsausbildung rechtfertigen würden, seien nicht ersichtlich. Die Tatsache, daß die erste und zweite Berufsausbildung nicht den Wünschen und Neigungen des Klägers entsprochen hätten, könne nicht als Ausnahmegrund angesehen werden.
Auf die Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) Hamburg mit Urteil vom 27. November 1974 – der Beklagten zugestellt am 16. Dezember 1974 – das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 15. Juni 1975 verurteilt, dem Kläger über den 30. April 1973 hinaus bis zum 31. Oktober 1974 die Waisenrente zu gewähren. Das LSG hat die Voraussetzung der Verzögerung der Berufsausbildung des Klägers durch den Wehrdienst für gegeben gehalten. Es sei davon auszugehen, daß der Kläger schon während seiner ersten Ausbildung als Regierungsassistentenanwärter diesen Berufsweg nicht habe weiterverfolgen wollen und das Ziel angestrebt habe, Redakteur zu werden. Der Kläger habe sich auch um eine Volontärstelle bemüht, was durch Auskunft des Winsener Anzeigers vom 4. April 1974 erwiesen sei. Für die Zeit nach der Beendigung des Wehrdienstes und nach dem Ausscheiden aus dem Staatsdienst sei nach der glaubhaften Darstellung des Klägers und nach dessen tatsächlich eingeschlagenem Berufsweg davon auszugehen, daß er kontinuierlich das Ziel verfolgt habe, Redakteur zu werden. Da der Kläger nach dem Wehrdienst und nach dem Ausscheiden aus dem Staatsdienst keine freie Volontärstelle gefunden habe, Anwärter mit Abitur bevorzugt worden seien und er für eine zusätzliche, nach seiner Vorstellung den Zugang als Redaktionsvolontär erleichternde Ausbildung als Verlagskaufmann erst die finanzielle Grundlage habe schaffen müssen, seien mehrere Gründe dafür ursächlich, daß er erst am 1. Februar 1973 als Redaktionsvolontär habe beginnen können und über das 25. Lebensjahr hinaus in dieser Ausbildung gestanden habe. Die nicht durch den Wehrdienst bedingten Gründe seien aber nicht so schwerwiegend, daß die Verzögerung durch den Wehrdienst keinerlei Einfluß gehabt hätte. Das Zusammenwirken aller Verzögerungen habe zusammengenommen bewirkt, daß der Kläger nicht vor dem 25. Lebensjahr seine Ausbildung habe vollenden können, wobei die Verzögerung durch den Wehrdienst einen wesentlichen Teil eingenommen habe.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 3. Januar 1975 – hier eingegangen am 6. Januar 1975 – die zugelassene Revision eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 9. Januar 1975 – eingegangen am 14. Januar 1975 – begründet. Sie macht u. a. geltend:
Das Bundessozialgericht (BSG) habe in der gesetzlichen Rentenversicherung die streitige Rechtsfrage zwar bereits entschieden (Urteil vom 26. Mai 1972 – 4 RJ 239/71 = SozR RVO § 1267 Nr. 47) und das LSG gehe gleichfalls von der Notwendigkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Wehrdienst und Verzögerung aus. Diese Frage müsse aber (gleichgültig, ob das LSG den ursächlichen Zusammenhang zu Recht oder zu Unrecht bejaht habe) auch für die Unfallversicherung höchstrichterlich geklärt werden. Die Berufung sei jedoch nicht zulässig gewesen. Die Begründung in dem LSG-Urteil, es handele sich hier nicht nur um die Entscheidung über einen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt, bis zu dem eine Rente zu gewähren sei, sondern um eine Rentenentziehung, bei der die Weitergewährung der Rente überhaupt streitig sei, erscheine wenig stichhaltig. Bei der Entscheidung des SG sei es lediglich um das Ende der dem Kläger mit Schreiben vom 22. Januar 1973 gewährten Waisenrente gegangen. Wegen dieses Streites um das „Ende der Rente” sei aber die Berufung gem. § 145 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen gewesen. In der Sache selbst habe das LSG zu Unrecht einen Kausalzusammenhang zwischen dem Wehrdienst und der Verzögerung der Berufsausbildung angenommen. Der Kläger sei am 12. Mai 1969 bereits zum Regierungssekretär ernannt gewesen. Die Verhinderung seines Eintritts als Redaktionsvolontär zum 1. Juli 1967 durch den Wehrdienst sei nicht ausschlaggebend für die Fortdauer seiner Ausbildungszeit über sein 25. Lebensjahr hinaus gewesen. Hätte sich das LSG über die Ausbildungsmöglichkeiten zum Journalisten oder Redakteur für einen jungen Menschen, der die Reifeprüfung nicht besitzt, bei den zuständigen Stellen erkundigt, so würde es sicher gefunden haben, daß der Kläger nicht den Umweg über zwei vorhergehende andere Berufsausbildungen hätte zu gehen brauchen, sondern von Anfang an oder zumindest so rechtzeitig auf den Redakteurberuf ausbildungsmäßig hätte zusteuern können, daß er seine Ausbildung zum Redakteur noch vor Vollendung des 25. Lebensjahres selbst unter Einrechnung und Berücksichtigung seiner Wehrdienstzeit beendet haben würde. Generell und ohne besondere Prüfung zu unterstellen, daß jeder Wehrdienst vor Vollendung des 25. Lebensjahres eine Schul- oder Berufsausbildung unterbreche oder verzögere, würde dem Wortlaut der Vorschriften der §§ 595, 583 RVO eindeutig widersprechen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG vom 27. November 1974 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, daß die Revision unzulässig sei. Die Beklagte habe einen Verfahrensmangel nicht formgerecht gerügt. Der bloße Hinweis auf die Zweifelhaftigkeit der Frage, ob die Berufung gegen das Urteil des SG statthaft gewesen sei, sei keine Rüge im Sinne des § 164 Abs. 2 SGG. Auch die Verletzung materiellen Rechts werde von der Beklagten nicht formgerecht gerügt. Zumindest sei aber die Revision unbegründet. Die Berufung gegen das Urteil des SG sei nicht gem. § 145 Nr. 2 SGG unzulässig gewesen. Auch materiell-rechtlich habe das LSG keinen Rechtsverstoß begangen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zu § 1267 RVO stelle die vom 1. Februar 1973 begonnene Ausbildung als Redaktionsvolontär eine Berufsausbildung im Sinne des § 583 Abs. 3 RVO dar, die durch die Ableistung des Wehrdienstes verzögert bzw. in ihrem Beginn hinausgeschoben worden sei. Ohne den Wehrdienst wäre die Ausbildung wahrscheinlich vor dem 21. April 1973 beendet worden. Dies sei allein entscheidend, weshalb es nicht mehr darauf ankomme, ob auch etwa andere Gründe, wie der Mangel an Stellenangeboten, das fehlende Abitur oder die Zeitspanne zwischen Beendigung des Wehrdienstes und Beginn der Ausbildung zur Verzögerung beigetragen haben.
Entscheidungsgründe
II
Die durch Zulassung statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision konnte keinen Erfolg haben.
Ob die Revision die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 164 Abs. 2 Satz 3 SGG auch insofern erfüllt hat, als es um die Verletzung des § 145 Nr. 2 SGG geht, kann dahinstehen. Denn die Frage der Zulässigkeit der Berufung ist bei einer zugelassenen Revision von Amts wegen zu prüfen (BSG 2, 225, 226/27).
Diese Berufung ist indes zulässig gewesen. Denn streitig ist nicht die Frage, von welchem Zeitpunkt ab und bis zu welchem Zeitpunkt der Kläger Anspruch auf Waisenrente hat, sondern der Grund des Anspruchs selbst, nämlich ob die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Weitergewährung der Waisenrente über das 25. Lebensjahr hinaus gegeben sind. Über Beginn und Ende dieser Leistung konnte dagegen nach Sachlage bei Bejahung des Anspruchsgrundes gar kein Streit bestehen. Wie der 12. Senat des BSG zu § 146 SGG entschieden hat (Urteil vom 25. September 1969 – 12 RJ 56/69 – = SozR Nr. 24 zu § 146 SGG), ist die Berufung nach dieser Vorschrift – sofern sie nicht nur Rente für einen bereits abgelaufenen Zeitraum betrifft – lediglich dann ausgeschlossen, wenn sie nur den Beginn oder nur das Ende der Rente betrifft, nicht aber in den Fällen, in denen es darum geht, ob für einen bestimmten Zeitraum Rente überhaupt – dem Grunde nach – zu gewähren ist (vgl. aaO Da 16 Rs unten). Für die die gesetzliche Unfallversicherung betreffende, nach der Zweckbestimmung aber völlig gleiche und auch im Wortlaut nahezu identische Verschrift des § 145 Nr. 2 SGG gilt das gleiche (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 3. Auf., Anm. 3 c zu § 145 SGG). Das LSG hat sonach zu Recht die Berufung als zulässig angesehen und in der Sache entschieden.
Auch in sachlicher Hinsicht konnte die ausreichend begründete Revision keinen Erfolg haben.
Aufgrund der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist das LSG zu dem Ergebnis gekommen, daß die Berufsausbildung des Klägers durch den von ihm abgeleisteten Wehrdienst verzögert wurde. Die von der Beklagten geltend gemachten Verfahrensrügen greifen nicht durch. Das LSG hat das Recht der freien Beweiswürdigung gem. § 128 Abs. 1 SGG nicht verletzt, wenn es, ausgehend von seiner Rechtsauffassung, die obige Schlußfolgerung aus der Tatsache, daß der Kläger eine ihm zum 1. Juli 1967 angebotene Volontärstelle beim Winsener Anzeiger wegen seines in der Zeit vom 3. April 1967 bis zum 30. September 1968 geleisteten Wehrdienstes ausschlagen mußte sowie aus seinem weiteren Verhalten gezogen hat. Diese Schlußfolgerung ist weder unlogisch noch verstößt sie gegen die Denkgesetze. Das LSG mußte sich auch nicht gedrängt fühlen, die von der Beklagten aufgezeigten allgemeinen Erkundigungen über die Ausbildungsmöglichkeiten durchzuführen, da es hierauf von seinem Standpunkt aus nicht ankam.
Nach den somit bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ist davon auszugehen, daß die Berufsausbildung des Klägers durch den von ihm abgeleisteten Wehrdienst verzögert wurde. Das LSG durfte dies auch ohne Rechtsverstoß trotz der Tatsache annehmen, daß der Kläger nicht von vornherein einen konsequenten Berufsweg eingeschlagen hatte, sondern erst eine Ausbildung für den mittleren Staatsdienst durchmachte, nach dem Wehrdienst zunächst wieder in den Staatsdienst eintrat, diesen nach etwas über einem Jahr wieder verließ und dann erst nach einer vorübergehenden Tätigkeit als Anzeigenvertreter und einer mißglückten Ausbildung als Verlagskaufmann mit der – nach den Feststellungen des LSG schon 1967 beabsichtigten – Ausbildung als Redaktionsvolontär am 1. Februar 1973 begann. Es kann einem Jugendlichen grundsätzlich nicht zum Nachteil gereichen, wenn er sich unmittelbar nach Schulentlassung über seinen künftigen Lebensberuf noch nicht im klaren ist und dieses Ziel nicht von vornherein unbeirrbar anstrebt. Dies verbietet sich auch aus der allgemeinen Erkenntnis, daß die Persönlichkeitsentwicklung eines jungen Menschen vielfach noch gar nicht abgeschlossen ist und sich nach Beginn oder Ende einer Ausbildung bestimmte Neigungen oder Fähigkeiten für einen ganz anderen Beruf herausstellen können. Die 1973 im Alter von fast 25 Jahren begonnene weitere Berufsausbildung ist daher ebenfalls eine den Waisenrentenanspruch über das 18. Lebensjahr hinaus begründende „Berufsausbildung”, zumal weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des Gesetzes zu entnehmen ist, daß Waisenrente nach vollendetem 18. Lebensjahr nur für das erste Ausbildungsverhältnis zu gewähren wäre (vgl. BSG SozR Nr. 17 zu der ähnlich lautenden Vorschrift des § 1267 RVO sowie die Ausführungen weiter unten).
Zu Recht hat das LSG der Ableistung des Wehrdienstes gegenüber der Gesamtheit der gegebenen und in Betracht gezogenen anderen Verzögerungsgründe die Bedeutung einer wesentlichen Teilursache beigemessen und damit die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 595 Abs. 2 i.V.m. § 583 Abs. 3 RVO bejaht. Nach diesen Vorschriften wird die Waisenrente in der gesetzlichen Unfallversicherung längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres für ein Kind des durch Arbeitsunfall Verstorbenen gewährt, das sich in Schul- oder Berufsausbildung befindet. Im Falle der Unterbrechung oder Verzögerung der Schul- oder Berufsausbildung durch Erfüllung der gesetzlichen Wehr- oder Ersatzdienstpflicht der Waise wird die Waisenrente auch für einen der Zeit dieses Dienstes entsprechenden Zeitraum über das 25. Lebensjahr hinaus gewährt. Für das Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung enthalten die Vorschriften des § 1267 Satz 3 RVO und § 44 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) eine im wesentlichen wörtlich übereinstimmende Regelung. Zwischen den gleichartigen Bestimmungen in der gesetzlichen Unfallversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehen gesetzessystematisch und auch von der sozialpolitischen Zielsetzung her keinerlei Unterschiede. Die Ausdehnung der Waisenrente über das 25. Lebensjahr hinaus entspricht in beiden Rechtsgebieten auch den gleichlautenden Regelungen im § 2 Abs. 2 Satz 3 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) vom 14. April 1964 (dort werden jedoch Kindergeldleistungen jetzt grundsätzlich bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres gewährt – vgl. BGBl 1975 I S. 412). Von den Vorschriften her besteht somit kein Anlaß, sie unterschiedlich anzuwenden.
In dem zu § 1267 Satz 3 RVO ergangenen Urteil vom 26. Mai 1972 (SozR Nr. 47 zu § 1267 RVO) hat es der 4. Senat des BSG für den Anspruch auf Waisenrente nach Vollendung des 25. Lebensjahres für ausreichend erachtet, daß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Wehrdienst und späterem Ausbildungsende besteht, wobei das zu fordernde Maß als gewahrt angesehen wurde, wenn der Jugendliche, ohne daß er den Wehrdienst hätte ableisten müssen, seine Ausbildung wahrscheinlich noch vor seinem 26. Lebensjahr vollendet hätte, was in dem dort entschiedenen Falle zutraf (vgl. Aa 54 Rs). Dort ist auch betont worden, daß es sich nicht nachteilig auswirkt, wenn der junge Mensch nach ersten tastenden Schritten das Berufsziel und damit den Ausbildungszweig wechselt oder wenn er sich nach dem Eintritt in das Berufsleben nachträglich zum Studium oder zum Erwerb der Qualifikation für eine höhere Berufsstufe oder zur Ausbildung für einen neuen Beruf entschließt. Der erkennende Senat schließt sich, zumal für die gesetzliche Unfallversicherung andere Maßstäbe nicht ersichtlich sind und die Auslegung des 4. Senats den Intentionen des Gesetzgebers entspricht (vgl. SozR aaO mit dem Hinweis auf die in der BT-Drucks. IV/818 S. 13 enthaltene Formulierung: „Kinder, die Wehrdienst … geleistet haben, sollen noch nach Vollendung ihres 25. Lebensjahres als Kinder berücksichtigt werden …”), dieser Rechtsprechung grundsätzlich an. Er ist deshalb der Auffassung, daß eine wehrdienstbedingte Verzögerung der Berufsausbildung den Anspruch auf Weitergewährung der Waisenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung über das 25. Lebensjahr hinaus grundsätzlich auch dann begründet, wenn im Einzelfall eine zu irgendeinem Zeitraum vor Vollendung des 25. Lebensjahres begonnene Ausbildung ohne den Wehrdienst vor dem 26. Lebensjahr beendet gewesen wäre. In einem solchen Falle, der ja nicht nur bei mehreren Ausbildungsversuchen, sondern auch bei einer von vornherein kontinuierlichen Ausbildung (z. B. langwieriges Studium mehrerer aufeinander aufbauender Fachrichtungen) eintreten kann, findet dann der Bezug der Waisenrente spätestens mit dem Ablauf des dem Wehrdienst entsprechenden Zeitraums, der an die Vollendung des 25. Lebensjahres angehängt wurde, sein Ende. Für diesen Zeitraum hat das LSG die Waisenrente auch zugesprochen.
Der vorliegende Fall ist zwar dadurch gekennzeichnet, daß der am 1. Februar 1973 begonnenen Ausbildung des Klägers als Redaktionsvolontär mehrere Ausbildungs- bzw. Berufstätigkeiten vorangegangen waren. Ob deshalb die vom SG dargelegten sozialpolitischen Erwägungen im Grundsatz nicht von der Hand zu weisen sind, mußte offen bleiben. Denn dem Gesetz kann – wie bereits oben betont wurde – nicht entnommen werden, daß eine solche Fallgestaltung ein Hinderungsgrund für die Gewährung der bis zu 25 Jahren verlängerten Waisenrente sein könnte; § 583 Abs. 3 Satz 1 RVO verlangt nur das Vorliegen einer nach Vollendung des 18. Lebensjahres bestehenden „Schul- oder Berufsausbildung” (vgl. dazu auch das Urteil des 10. Senats des BSG vom 26. November 1975 – 10 RV 135/75 –). Folglich kann dies auch für die in § 583 Abs. 3 Satz 2 RVO – ebenfalls ohne eine solche Einschränkung – geregelte Hinausschiebung des Endzeitpunkts der Rentengewährung wegen Erfüllung der Wehrdienstpflicht kein Hinderungsgrund sein. Allerdings muß es sich bei dem erneuten Ausbildungsgang tatsächlich um eine ernstgemeinte Berufsausbildung handeln. Würde eine solche nur vorgetäuscht, um so die Weiterzahlung der Waisenrente zu erreichen (Scheinausbildung), so wäre der Anspruch wegen Fehlens der Voraussetzung des § 583 Abs. 3 Satz 1 RVO zu verneinen (vgl. dazu BSG 23, 166, 168). Für eine solche Annahme bietet der vorliegende Sachverhalt jedoch keinen Anhalt.
Da das angefochtene Urteil nach alledem nicht zu beanstanden war, mußte die Revision als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Unterschriften
Dr. Maisch, Schroeder-Printzen, Oestreicher
Fundstellen