Leitsatz (amtlich)
Kommt bei einer Berufskrankheit (hier: Silikose), die nach Inkrafttreten des UVNG als Leistungsfall anerkannt worden ist, gemäß RVO § 551 Abs 3 S 2 (Fassung: 1963-04-30) als Beginn der Krankheit iS der Krankenversicherung ein vor Inkrafttreten des UVNG liegender Zeitpunkt in Betracht, so ist, sofern der frühere Jahresarbeitsverdienst für den Versicherten günstiger ist, das neue Recht anzuwenden, wenn nur Rente für die Zeit nach dem Inkrafttreten des UVNG begehrt wird.
Normenkette
RVO § 563 Abs. 2 Fassung: 1949-08-10, § 551 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1963-04-30, § 571 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30, § 572 Fassung: 1963-04-30; UVNG Art. 4 § 1 Fassung: 1963-04-30, § 2 Fassung: 1963-04-30
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 22. April 1975 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Berücksichtigung eines höheren Jahresarbeitsverdienstes (JAV).
Er arbeitete seit Juli 1945 als technischer Angestellter bei der Firma "P-Werk", J GmbH in V. Ab 1. April 1953 war er, nachdem die Firma in eine Kommandit-Gesellschaft (KG) umgewandelt worden war, Komplementär und setzte seine praktische Tätigkeit im Betrieb fort. Das Unternehmen stellte u. a. streichbare Makulatur her und verwendete dabei bis Mitte 1958 als Zusatz Kieselgur. Für den Kläger wurden bis 31. März 1953 Pflichtbeiträge und anschließend, bis zum 30. September 1960, freiwillige Beiträge zur Angestelltenversicherung (AnV) entrichtet. Das Arbeitseinkommen des Klägers betrug in der Zeit vom 1. April 1952 bis 31. März 1953 einschließlich Weihnachtsgeld 3.420,- DM (angepaßt ab 1. Januar 1965 5.133,84 DM). Am 30. September 1960 schied der Kläger aus der Firma aus und eröffnete einen Großhandel mit Spirituosen. Nach dem Steuerbescheid für das Jahr 1959 des Finanzamts H vom 6. Juli 1961 erzielte er für 1959 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 11.480,- DM. Für das Jahr 1960 betrug der Gewinn aus Gewerbebetrieb 10.702,- DM (Steuerbescheid für 1960 v. 21. November 1961). Nach der Auskunft des Finanzamts H vom 3. September 1964 hatte der Kläger in dem am 15. Oktober 1960 eröffneten Großhandel im Jahre 1960 einen Gewinn von 282,- DM, 1961 einen Verlust von 663,- DM, (nach Angaben des Klägers von 863,- DM), 1962 einen Verlust von 218,- DM und 1963 einen Gewinn von 464,- DM. Für 1964 betrug der Gewinn aus dem Gewerbebetrieb 5.265,- DM.
Bei einer Röntgenreihenuntersuchung am 16. Dezember 1960 wurde beim Kläger eine Lungenerkrankung festgestellt. Mit Bescheid vom 11. April 1962 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (UV) wegen der bei ihm festgestellten beginnenden Staublungenerkrankung ab, weil diese Erkrankung nicht zu einer Beeinträchtigung von Atmung und Kreislauf geführt habe.
Mit Bescheid vom 10. Mai 1967 erkannte die Beklagte als Folgen der Berufskrankheit "Quarzstaublungenerkrankung mit Beeinträchtigung der Atmung" an und gewährte dem Kläger ab 1. Januar 1965 eine Rente in Höhe von 30 v. H. der Vollrente und vom 1. Dezember 1965 an in Höhe von 50 v. H. der Vollrente. Der Rentenberechnung legte sie einen JAV von 5.265,- DM, das ist der Gewinn aus dem Gewerbebetrieb im Jahre 1964, zugrunde.
Mit der hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger, der seit dem 1. Januar 1965 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht, die Berücksichtigung seines im Kalenderjahr 1960 erzielten Einkommens als JAV begehrt. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 27. November 1968). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung am 25. November 1970 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Einkommensverhältnisse des Klägers im Jahre 1960 könnten bei der Ermittlung des JAV nicht zugrunde gelegt werden. Zwar gelte für die Berechnung des JAV bei Berufskrankheiten, wenn es für den Berechtigten günstiger sei, gemäß § 572 Reichsversicherungsordnung (RVO) als Zeitpunkt des Arbeitsunfalls der letzte Tag, an dem der Versicherte in einem Unternehmen Arbeiten verrichtet hat, die ihrer Art nach geeignet sind, die Berufskrankheit zu verursachen. Nach dieser Vorschrift müsse aber das Jahreseinkommen des Klägers vor dem 1. April 1953 vergleichsweise zur Ermittlung des JAV herangezogen werden, weil der Kläger seit dem 1. April 1953 keine versicherte Tätigkeit i. S. dieser Vorschrift verrichtet habe. Der Kläger habe jedoch keine freiwillige Versicherung abgeschlossen und sei auch - mit Rücksicht auf die Aufnahme der Bezüge des Klägers in die Lohnnachweise - nicht etwa unter dem Gesichtspunkt der "Formalversicherung" über den 31. März 1953 hinaus bei der Beklagten versichert gewesen.
Auf die Revision des Klägers hat der Senat durch Urteil vom 29. November 1973 - 8/7 RU 24/71 - das Urteil des LSG aufgehoben und den Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, § 572 RVO könne nicht angewendet werden, denn einmal ergebe sich zum 31. März 1953 für den Kläger kein höherer JAV, zum anderen käme auch der 30. September 1960 als Zeitpunkt des Arbeitsunfalls nicht in Betracht, denn an diesem Tage sei der Kläger nicht bei der Beklagten gegen Arbeitsunfall versichert gewesen. Das LSG habe jedoch nicht geprüft, ob bei der Röntgenreihenuntersuchung im Dezember 1960 die Staublungenerkrankung schon eine Krankheit im Sinne der Krankenversicherung dargestellt habe. Sei das der Fall, würde dies als Zeitpunkt des Arbeitsunfalles "gelten" und der JAV wäre unter Zugrundelegung der im Jahre vor diesem Zeitpunkt bestehenden Einkommensverhältnisse des Klägers zu berechnen.
Während des weiteren Berufungsverfahrens hat die Beklagte mit Bescheiden vom 25. Februar und 5. Juni 1974 dem Kläger vom 1. Januar 1973 an eine Teilrente in Höhe von 60 v. H. der Vollrente gewährt und dabei den bisher von ihr als zutreffend angesehenen JAV weiterhin zugrunde gelegt.
Das LSG hat die Berufung abermals zurückgewiesen (Urteil vom 22. April 1975). Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, § 551 Abs. 3 (Satz 2, 1. Alternative) RVO neue Fassung (n. F.) könne nicht rückwirkend, das heißt auf Zeiten vor dem 1. Juli 1963, dem Inkrafttreten des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) angewandt werden, denn er sei nicht in Art. 4 § 2 Abs. 1 des UVNG erwähnt. Für diese Zeit sei die 3. Verordnung über die Ausdehnung der UV auf Berufskrankheiten vom 16. Dezember 1936 (3. Berufskrankheiten-Verordnung - BKVO -) sowohl in der Fassung der 5. BKVO vom 26. Juli 1952 als auch in der Fassung der 6. BKVO vom 28. April 1961 anwendbar. Hinsichtlich der Silikose gelte § 3 Abs. 3 als Spezialvorschrift im Verhältnis zu § 3 Abs. 2 Satz 1, 1. Alternative der 3. BKVO. Bei Staublungenerkrankung gelte für die Berechnung des JAV als Zeitpunkt des Unfalls der letzte Tag, an dem der Versicherte in einem der in Spalte III der Anlage aufgeführten Betriebe Arbeiten verrichtet habe, die ihrer Art nach geeignet seien, Berufskrankheiten zu verursachen. Dieser letzte Tag sei der 31. März 1953 gewesen. Aber selbst wenn man davon ausgehe, daß mit Hilfe der Vorschrift des § 3 Abs. 2 Satz 1 der 3. BKVO sich ein vor dem 1. Juli 1963 liegender Zeitpunkt des Arbeitsunfalls ermitteln ließe, würde dies nicht zu einem für den Kläger günstigeren JAV führen, denn konsequenterweise müsse auch für die Berechnung des JAV § 563 Abs. 2 RVO alte Fassung (a. F.) angewandt werden, und zum Arbeitsentgelt im Sinne dieser Vorschrift gehöre nur der aufgrund einer versicherten Tätigkeit bezogene Verdienst. Es könnten daher weder der Verdienst des Klägers als Großhändler in der Zeit von 1960 bis 1963 noch die Einkünfte des Klägers als versicherungsfreier Komplementär in den Jahren 1959 bis 1960 berücksichtigt werden. Auch bei Anwendung des § 571 Abs. 1 Satz 2 RVO n. F. ergebe sich kein für den Kläger günstigerer Zeitpunkt des Arbeitsunfalles für die Entschädigung seiner Berufskrankheit. Denn in der Zeit vom 1. Juli 1962 bis 31. Dezember 1964 habe er nicht mehr als 5.265,- DM jährlich verdient. Eine Anwendung des § 577 RVO komme nicht in Betracht, weil der Kläger kein gelernter Großhändler oder Kaufmann sei und auch nach seinem beruflichen Werdegang bis Herbst 1960 keine besonderen Fähigkeiten als Großhändler erworben habe.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger die zugelassene Revision eingelegt und zur Begründung u. a. ausgeführt, das LSG habe sich zu Unrecht nicht an die Auffassung des Senats gebunden gefühlt. Die Voraussetzungen des § 551 Abs. 3 Satz 2 1. Halbsatz RVO n. F., das heißt die Frage, ab wann die Silikose eine Krankheit im Sinne der Krankenversicherung geworden sei, hätten vom LSG geprüft werden müssen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Celle vom 22. April 1975, des Urteils des Sozialgerichts Hildesheim vom 27. November 1968, der Bescheide der Beklagten vom 10. Mai 1967, 25. Februar 1974 und 5. Juni 1974 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger vom 1. Januar 1965 an Verletztenrente unter Berücksichtigung eines JAV von 9.721,- DM
hilfsweise
von 8.290,- DM statt des von der Beklagten zugrunde gelegten JAV von 5.265,- DM zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, der von ihr festgesetzte JAV sei für den Kläger am günstigsten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet.
Zutreffend hat das LSG die Berufung als zulässig angesehen. Davon ist der Senat schon in seinem Urteil vom 29. November 1973 ausgegangen, ohne dies allerdings ausdrücklich im Urteil hervorzuheben. In sachlicher Hinsicht konnte dem LSG jedoch nicht zugestimmt werden.
Mit Urteil des erkennenden Senats vom 29. November 1973 - 8/7 RU 24/71 - ist dem LSG die Prüfung und Feststellung aufgegeben worden, ob die Staublungenerkrankung schon bei der Röntgenreihenuntersuchung im Dezember 1960 eine Krankheit im Sinne der Krankenversicherung dargestellt hat; stehe das fest, so würde dies als der Zeitpunkt des Arbeitsunfalls im Sinne des § 551 Abs. 3 Satz 2, 1. Halbsatz RVO "gelten" und wäre mithin der JAV unter Zugrundelegung der im Jahre vor diesem Zeitpunkt bestehenden Einkommensverhältnisse des Klägers zu berechnen (Urteil S. 9/10). Hieraus ergab sich - ebenso wie aus den Ausführungen des Senats auf S. 6 des Urteils -, daß der erkennende Senat die Rechtsauffassung vertrat, es seien auf den vorliegenden Fall auch insoweit die Vorschriften der RVO in der Fassung des UVNG vom 30. April 1963 (BGBl I, 241) anzuwenden. An diese Rechtsauffassung war das LSG gebunden, denn es hat - im Falle der Zurückverweisung - seiner erneuten Entscheidung gemäß § 170 Abs. 4 SGG die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.
Das LSG hat die ihm aufgetragene Tatsachenfeststellung gleichwohl unterlassen und im wesentlichen die Rechtsansicht vertreten, es müsse in diesem Fall die früher geltende Vorschrift des § 563 Abs. 2 RVO a. F. angewandt werden, nach der nur ein "Arbeitsentgelt", nicht jedoch der Verdienst eines Großhändlers oder Komplementärs berücksichtigt werden könne.
Der Senat hat es dahingestellt sein lassen, ob das angefochtene Urteil schon wegen Verstoßes gegen § 170 Abs. 4 SGG aufgehoben werden muß (vgl. dazu Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit 4. Aufl. Band III Anm. 6 zu § 170 SGG - S. III/82 - 42/2 -); denn jedenfalls kann seine abweichende Rechtsansicht nicht gebilligt werden. Streitig ist der Bescheid vom 10. Mai 1967, mit dem die Beklagte eine Quarzstaublungenerkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 34 der Anlage zur 6. BKVO vom 28. April 1961 anerkannt und ab 1. Januar 1965 vorläufige Rente sowie später Dauerrente bewilligt hat. Der Bescheid enthält u. a. die Feststellung: "Als Zeitpunkt des Versicherungsfalls gilt der 1.1.1965". Diese Feststellungen sind dem Grunde nach unstreitig. Auch die späteren Bescheide vom 25. Februar und 5. Juni 1974 sind - ebenso wie der Bescheid vom 10. Mai 1967 - nur wegen der Höhe des JAV angefochten. Es kann sonach kein Zweifel daran bestehen, daß für diesen Bescheid die Vorschriften der RVO in der am 1. Juli 1963 in Kraft getretenen Fassung gelten, und zwar in vollem Umfang, d. h. insbesondere auch für die Ermittlung und Errechnung des JAV. Demgemäß hat sich der Bescheid vom 10. Mai 1967 bezüglich des JAV auch auf die Vorschriften der §§ 571 RVO n. F. bezogen. Darüber besteht kein Streit und insoweit will auch das LSG keine gegenteilige Ansicht vertreten. Es will nur für den - bisher noch nicht geklärten - Fall, daß im Dezember 1960 bereits eine Krankheit im Sinne der Krankenversicherung bestanden haben sollte, die damals geltende Vorschrift des § 563 Abs. 2 RVO a. F. zur Anwendung bringen. Dabei verkennt es jedoch, daß ab Dezember 1960 keine Rente begehrt wird, daß also der obengenannte "Versicherungsfall" nicht vom 1. Januar 1965 auf Dezember 1960 vorverlegt werden soll. Es ist nur der JAV für die ab 1. Januar 1965 zu zahlende Rente streitig, und dieser JAV kann nicht nach einer Vorschrift berechnet werden, die zu diesem Zeitpunkt nach den Vorschriften des UVNG nicht mehr anzuwenden war.
Das LSG hat sich für seine Rechtsauffassung u. a. auf Art. 4 §§ 1 und 2 des UVNG bezogen und dabei entscheidend auf den "Zeitpunkt des Arbeitsunfalls" abgehoben (LSG-Urteil S. 10). Es ist daher zunächst auf die Übergangs- und Schlußvorschriften des Art. 4 des UVNG einzugehen. Nach Art. 4 § 1 gilt das UVNG für "Arbeitsunfälle", die sich nach seinem Inkrafttreten ereignen. Art. 4 § 2 nennt eine Reihe von Vorschriften - zu denen §§ 551 Abs. 3 , 571 und 572 RVO nicht gehören -, die auch für "Arbeitsunfälle" gelten, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes eingetreten sind. Hier ist also bezüglich der Anwendung der neuen Vorschriften nur auf den Eintritt der "Arbeitsunfälle" abgestellt. Dies ist auch unbedenklich, da beim Arbeitsunfall in aller Regel feststeht, wann das körperlich schädigende plötzliche, das heißt zeitlich begrenzte Ereignis (längstens innerhalb einer Arbeitsschicht) eingetreten ist (vgl. Lauterbach, Unfallversicherung 3. Aufl. Stand Mai 1975 Anm. 3 zu § 548 RVO S. 201/1 und 202/1). Anders ist dies jedoch bei den Berufskrankheiten. Diese sind begrifflich nicht durch ein plötzliches Ereignis gekennzeichnet; vielmehr genügt dazu eine Häufung kleinerer Schädigungen, die erst allmählich eine Erkrankung verursachen (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung 1. - 8. Aufl. Stand Februar 1975 Bd. II S. 490 h IV). Diese allmähliche Entwicklung kann sehr lange dauern, wie gerade der vorliegende Fall deutlich macht. Denn obwohl die betriebliche Silikose-Gefährdung schon Mitte 1958 beendet war, ist noch am 11. April 1962 der Antrag des Klägers abgelehnt worden, weil die bei ihm festgestellte beginnende Staublungenerkrankung nicht zu einer Beeinträchtigung von Atmung und Kreislauf geführt hatte; erst ab 1. Januar 1965 wurde der "Versicherungsfall" anerkannt, also unter der Geltung des UVNG.
Allerdings ist in § 551 Abs. 3 RVO n. F. bestimmt, daß als "Zeitpunkt des Arbeitsunfalls" der Beginn der Krankheit im Sinne der Krankenversicherung oder , wenn dies für den Versicherten günstiger ist, der Beginn der MdE "gilt". Ferner bestimmt § 572 RVO n. F., daß als Zeitpunkt des Arbeitsunfalls der letzte Tag "gilt", an dem der Versicherte Arbeiten verrichtet hat, die ihrer Art nach geeignet sind, die Berufskrankheit zu verursachen, wenn es für den Berechtigten günstiger ist. Ähnliche Vorschriften bestanden - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - auch vor dem Inkrafttreten des UVNG. Schon die 3. BKVO vom 16. Dezember 1936 (RGBl I, 1117), die insoweit bis zum 30. Juni 1963 maßgebend war, bestimmt in § 3 Abs. 2 allgemein für Berufskrankheiten, daß als Zeitpunkt des Unfalls der Beginn der Krankheit im Sinne der Krankenversicherung oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, der Beginn der Erwerbsunfähigkeit im Sinne der Unfallversicherung "gilt"; in bestimmten Fällen "galt" das Ende der Beschäftigung als Zeitpunkt des Unfalls. Ferner wurde in § 3 Abs. 3 der 3. BKVO für Staublungenerkrankungen bestimmt, daß für die Berechnung des JAV "als Zeitpunkt des Unfalls" der letzte Tag "gilt", an dem der Versicherte schädigende Arbeiten im obigen Sinne verrichtet hat.
Sonach gibt es für die Berufskrankheiten überhaupt nur fiktive Zeitpunkte für den Eintritt des schädigenden Ereignisses, und diese können in ein und demselben Fall 3- oder 4fach variieren. Wollte man also für die Frage, ob altes oder neues Recht anzuwenden ist, auf den "Zeitpunkt des Arbeitsunfalles" abstellen, so könnte in demselben Fall ein Zeitpunkt vor der Gesetzesänderung und ein anderer nach der Gesetzesänderung liegen, mit der Folge, daß man letztlich nicht wüßte, welches Recht nun eigentlich zu gelten hat. Der Senat ist deshalb der Auffassung, daß für die Frage, ob das alte oder das neue Recht maßgebend ist, bei Berufskrankheiten allein auf den Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem im konkreten Fall die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Dies ist hier unstreitig der 1. Januar 1965, der im Bescheid vom 10. Mai 1967 als Zeitpunkt des "Versicherungsfalls" bezeichnet worden ist. Ob man dabei den Ausdruck "Versicherungsfall" (so Lauterbach aaO Anm. 2 a zu § 551 RVO) oder - in einem Fall der vorliegenden Art - "Leistungsfall" verwendet (so Brackmann aaO Bd II S. 490 k IV), kann hier dahinstehen. Jedenfalls würde es in die Irre führen, wenn man bei der Frage, ob altes oder neues Recht anzuwenden ist, auf die verschiedenartigen Möglichkeiten des "Zeitpunktes des Arbeitsunfalls" abstellen wollte.
Ist sonach für die Frage, ob bei einer Berufskrankheit altes oder neues Recht anzuwenden ist, auf den Eintritt des Versicherungs- bzw. Leistungsfalls abzustellen, so kann es daneben keine entscheidende Rolle spielen, welcher "Zeitpunkt des Arbeitsunfalls" sich im Einzelfall bei Rückgriff auf eine der mehreren fiktiven Möglichkeiten ergibt.
Dabei ist zu beachten, daß der "Zeitpunkt des Arbeitsunfalls" insbesondere - wenn nicht ausschließlich - für die Berechnung des JAV von Bedeutung ist (vgl. Lauterbach aaO Anm. 25 zu § 551 RVO). Wenn daher in § 551 Abs. 3 RVO n. F. deutlich unterschieden wird, zwischen dem "Beginn der Krankheit" und dem "Beginn der Minderung der Erwerbsfähigkeit" und von beidem die dem Versicherten günstigere Regelung als maßgebend erklärt wird, so ist damit dem Erkrankten in Kenntnis der oft sehr langen Entwicklungsdauer der Berufskrankheit die Möglichkeit eingeräumt, den JAV nicht nach den im Zeitpunkt des Leistungsfalles (Beginn der MdE), sondern nach den zur Zeit der Behandlungsbedürftigkeit (Beginn der Krankheit) bestehenden Einkommensverhältnissen berechnen zu lassen. Das bedeutet, er kann insoweit auf den früheren Beginn der Krankheit zurückgreifen, ohne den Zeitpunkt des Leistungsfalles, d. h. des Beginns der - rentenberechtigenden - MdE (vgl. dazu BSG in SozR Nr. 2 zu § 551 RVO) = BSG 26, 230, 232) vorverlegen zu müssen. Es wird also lediglich für die Berechnung des JAV in zulässiger Weise auf das in einem früheren Zeitpunkt erzielte Einkommen zurückgegriffen, ähnlich wie es umgekehrt in den Fällen des § 573 Abs. 1 und 2 RVO n. F. (vgl. auch § 565 RVO a. F.) bei einem Verletzten geschieht, der sich zur Zeit des Arbeitsunfalls noch in Schul- oder Berufsausbildung befindet bzw. noch nicht 25 Jahre alt ist, und bei dem ein späteres Einkommen zugrunde gelegt wird, wenn es für ihn günstiger ist. Weder im ersteren noch im letzteren Fall tritt allein hierdurch eine Änderung in bezug auf das anzuwendende Recht ein. Entscheidend ist sonach hier lediglich der Eintritt des Leistungsfalls. Ein zeitlich zurückliegender fiktiver "Zeitpunkt des Arbeitsunfalls" führt nur dann zu einer Anwendung des früheren Rechts, wenn für diese zurückliegende Zeit auch eine entsprechende Leistung (Rente) beansprucht wird. Denn dann richtet sich das Begehren des Versicherten auf eine Vorverlegung des Leistungsfalles mit der Folge, daß dann u. U. altes Recht maßgebend sein kann.
Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben, weshalb die Frage, ob der ab 1. Januar 1965 - nach neuem Recht - zu gewährenden Rente ein JAV zugrunde zu legen ist, der sich nach dem Zeitpunkt des Beginns der Krankheit im Sinne der Krankenversicherung richtet, nach § 551 Abs. 3 RVO n. F. bzw. nach § 571 RVO n. F. zu beurteilen ist. Danach gilt als JAV das "Arbeitseinkommen des Verletzten", also nicht wie früher in § 563 Abs. 2 RVO a. F. das "Arbeitsentgelt". Zum "Arbeitseinkommen" gehört auch das Einkommen der Unternehmer und Selbständigen - Erwerbseinkommen - (Urteile des Senats v. 21. März 1974, SozR 2200 § 560 RVO Nr. 1 S. 3 sowie v. 14. November 1974, SozR 2200 § 671 RVO Nr. 1 S. 5; vgl. ferner Lauterbach aaO Anm. 2 a zu § 571 RVO).
Nach alledem war das LSG-Urteil aufzuheben und die Sache erneut an dieses Gericht zurückzuverweisen, damit geprüft und festgestellt wird, ob die Staublungenerkrankung schon im Dezember 1960 eine Krankheit im Sinne der Krankenversicherung dargestellt hat und demnach der JAV unter Zugrundelegung der im Jahre vor diesem Zeitpunkt bestehenden Einkommensverhältnisse des Klägers nach § 571 RVO n. F. zu berechnen ist.
Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen