Orientierungssatz
Revisionszulässigkeit nach § 162 Abs 1 Nr 3 SGG:
Bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung oder des Todes mit einer Schädigung im Sinne des BVG ist das Gesetz verletzt, wenn die für das Gebiet der Kriegsopferversorgung geltende Kausalitätsnorm verletzt ist (vgl BSG 1955-10-20 10 RV 50/54 = BSGE 1, 268).
Normenkette
SGG § 162 Abs. 1 Nr. 3; BVG § 1 Abs. 3
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 19.10.1960) |
SG Schleswig (Entscheidung vom 22.10.1959) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 19. Oktober 1960 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Bei dem Ehemann und Vater der Kläger wurden durch Bescheid der Landesversicherungsanstalt Schleswig-Holstein - KB-Abteilung - vom 17. Oktober 1949 als durch militärischen Dienst entstandene Gesundheitsstörungen eine Verkürzung des rechten Oberarms infolge Schußbruchs mit unvollständiger Lähmung des Speichennerven sowie eine Störung der Reizbildung des Herzens bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v.H. anerkannt. Eine versorgungsärztliche Nachuntersuchung durch den Facharzt für Chirurgie Dr. S... vom 15. September 1950, bei welcher der Kläger hauptsächlich über Herzbeschwerden klagte, ergab keine Änderung des Befundes. Durch Bescheid des Versorgungsamts (VersorgA) Heide vom 6. Juni 1952 wurden die Versorgungsbezüge nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) unter Beibehaltung der Leidensbezeichnungen und der MdE umanerkannt . Bei einer weiteren Nachuntersuchung durch den Versorgungsarzt Dr. S... am 25. Oktober 1952 gab der Ehemann und Vater der Kläger an, daß sich seine Herzbeschwerden verschlechtert hätten und häufig lautes Herzklopfen mit Schwindelgefühl auftrete. Da Dr. S... wiederum keine Veränderung hinsichtlich der anerkannten Gesundheitsschäden feststellte, erging eine formlose Mitteilung an den Ehemann und Vater der Kläger vom 18. Februar 1953, die durchgeführte Nachuntersuchung habe ergeben, daß eine Neufeststellung der Versorgungsbezüge zur Zeit nicht erforderlich sei. Am 29. Dezember 1957 ist der Ehemann und Vater der Kläger gestorben. In der Sterbeurkunde wurde als Todesursache Herzinfarkt angegeben. Durch die Bescheide des VersorgA Heide vom 17. Februar 1958 wurden den Klägern die Bezüge für das Sterbevierteljahr bewilligt und das Bestattungsgeld auf 150 DM festgesetzt, da der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Tod und den anerkannten Schädigungsfolgen nicht wahrscheinlich sei. Der Widerspruch hiergegen hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts - LVersorgA - Schleswig-Holstein vom 14. April 1959).
Der Antrag der Kläger auf Gewährung von Hinterbliebenenrente wurde ebenfalls durch Bescheid des VersorgA Heide vom 17. Februar 1958 wegen des fehlenden Zusammenhangs zwischen dem Tod und den anerkannten Schädigungsfolgen abgelehnt. Auf den Widerspruch der Kläger veranlaßte das LVersorgA Schleswig-Holstein eine versorgungsärztliche Äußerung durch Dr. R..., der darauf hinwies, daß die Nachuntersuchung im Jahre 1952 durch einen Chirurgen erfolgt sei, obgleich es sich um ein inneres Leiden gehandelt habe. Trotz der damaligen Angaben des Verstorbenen über vermehrte Herzbeschwerden seien keine Labor-, Röntgen- oder EKG-Untersuchungen vorgenommen worden. Der frühzeitige Tod an einem Herzinfarkt im Alter von 41 Jahren sei auffallend und ungewöhnlich. Die Frage, ob eine Endocarditis vorgelegen haben könne wegen des Fehlens von Unterlagen nicht entschieden werden. Durch Bescheid vom 15. April 1959 wies das LVersorgA Schleswig-Holstein den Widerspruch der Kläger zurück, weil ihr Ehemann und Vater nicht an den anerkannten Körperschäden gestorben sei.
Im Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) haben die Kläger eine Bescheinigung des ihren Ehemann und Vater behandelnden Arztes Dr. T... vom 5. Mai 1959 vorgelegt, der darin ausgeführt hat, daß der Infarkttod möglicherweise mit dem Kriegsleiden zusammenhängen könne, da der Verstorbene angeblich schon sofort nach seiner Entlassung aus dem Wehrdienst Angina- pectoris - Anfälle gehabt habe. Das SG hat in der mündlichen Verhandlung den Facharzt für innere Krankheiten Dr. B... gehört. Der Sachverständige hat sich dahin geäußert, daß ein ursächlicher Zusammenhang mit der anerkannten Schädigungsfolge "Störung der Reizbildung des Herzens" nicht wahrscheinlich sei, auch sei der Tod nicht im Hinblick auf die Schädigungsfolge mindestens 1 Jahr früher als schicksalsgemäß eingetreten. Durch Urteil vom 22. Oktober 1959 hat das SG Schleswig die Klage unter Bezugnahme auf die vorliegenden ärztlichen Äußerungen abgewiesen.
Mit der Berufung haben die Kläger geltend gemacht, daß die Ursache für den Tod ihres Ehemannes und Vaters noch nicht geklärt sei. Es gebe zu Bedenken Anlaß, daß die versorgungsärztliche Nachuntersuchung im Jahre 1952 durch einen Chirurgen erfolgt sei, ohne daß die notwendigen Labor-, Röntgen- oder EKG-Untersuchungen vorgenommen worden seien. Die Unklarheit über die Todesursache sei dem VersorgA zur Last zu legen, da die Klägerin zu 1) noch vor der Bestattung beim VersorgA vorgesprochen und eine Sektion zur Klärung der Todesursache vorgeschlagen habe. Das Landessozialgericht (LSG) hat in der mündlichen Verhandlung am 19. Oktober 1960 den behandelnden Arzt Dr. T... als Zeugen und ferner den Reg.-Medizinalrat Dr. Dr. H... als Sachverständigen gehört.
Durch Urteil vom 19. Oktober 1960 hat das Schleswig-Holsteinische LSG die Berufung der Kläger zurückgewiesen; es hat die Revision nicht zugelassen. Das LSG hat zunächst geprüft, ob der Herztod des Ehemannes und Vaters der Kläger mit der anerkannten Schädigung (Reizbildungsstörung des Herzens) zusammenhängt oder die Folge einer nicht mit dem Wehrdienst im Zusammenhang stehenden Coronarsklerose ist. Es hat hierzu ausgeführt, daß der behandelnde Arzt Dr. T... am Abend vor dem Tode einen Anfall von Angina pectoris mit typischen Herzschmerzen, Ausstrahlung der Schmerzen in den linken Arm und Atemnot beobachtet habe. Allerdings habe dieser Arzt, dem die bei dem Verstorbenen anerkannte Schädigungsfolge nicht bekannt gewesen sei, den Patienten nicht darauf untersucht, ob Zeichen einer Extrasystolie oder einer Bigeminie vorhanden waren. Nach Ansicht des Sachverständigen Dr. Dr. H... ergebe sich daraus, daß Dr. Th... den Verstorbenen bis auf den Abend vor seinem Tode niemals wegen Herzbeschwerden behandelt habe, daß entweder die Reizbildungsstörung des Herzend keine besonderen Beschwerden verursacht habe oder der Verstorbene seinen Beschwerden keine besondere Bedeutung beigemessen habe. Die von Dr. Th... gestellte Diagnose eines Herzinfarkts könne unter diesen Umständen nicht als unrichtig bezeichnet werden. Allerdings sei auch die Möglichkeit gegeben, daß der von Dr. Th... beobachtete Anfall von Angina pectoris durch ein sogenanntes Kammerflimmern hervorgerufen worden sei, das auf das anerkannte Herzleiden zurückging. Möglich sei ferner, daß eine den Herzinfarkt verursachende Coronarsklerose das Kammerflimmern herbeigeführt habe, so daß auch beim Vorliegen eines Kammerflimmerns der ursächliche Zusammenhang des Todes mit der Reizbildungsstörung des Herzens nicht vorzuliegen brauche. Alle diese Möglichkeiten stünden nach den Ausführungen des Dr. Dr. H... gleichbedeutend nebeneinander. Es seien keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, der einen oder anderen Möglichkeit den Vorzug zu geben und ihr damit die Bedeutung einer Wahrscheinlichkeit beizumessen. Etwaige Unterlassungen der Versorgungsverwaltung bei der Aufklärung des Verlaufs der anerkannten Schädigungsfolge könnten nicht dazu führen, die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs des Todes mit der Reisbildungsstörung des Herzens zu begründen. Zwar hätte es nahe gelegen, die versorgungsärztlichen Nachuntersuchungen nicht durch den Chirurgen Dr. S..., sondern durch einen Internisten durchführen zu lassen. Es sei aber durchaus zweifelhaft, ob sich dann auch eine Klärung im Sinne der Kläger ergeben hätte. Es könne ferner dahingestellt bleiben, ob die Behauptung der Klägerin zu 1) richtig sei, sie habe eine Sektion der Leiche ihres Ehemannes am Tage nach dessen Tod beim VersorgA Heide angeregt, dort sei ihr aber erklärt worden, die Sektion sei im Hinblick auf die anerkannte Reizbildungsstörung des Herzens nicht erforderlich; denn es sei nach den Ausführungen des Dr. Dr. H... unwahrscheinlich, daß durch eine Sektion die Todesursache hätte geklärt werden können. Da der Verstorbene nach dem Vorbringen der Kläger wiederholt an Schwindelanfällen und. Herzklopfen gelitten habe, hätte es für ihn nahegelegen, bei der Versorgungsverwaltung auf eine Untersuchung dieser Beschwerden zu drängen. Da er dies nicht getan habe, lägen beiderseitige Unterlassungen vor, die Schlußfolgerungen zugunsten der Kläger nicht zuließen. Da die Möglichkeiten das Bestehens und das Nichtbestehens eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Tod und der anerkannten Schädigungsfolge gleichwertig nebeneinander stünden, fehle es an der erforderlichen Anspruchsgrundlage für die begehrten Hinterbliebenenrenten. Führe die Aufklärung - wie im vorliegenden Falle - zu keinem hinreichenden Ergebnis, so gehe dies zu Lasten desjenigen, der aus der unbewiesenen Behauptung ein Recht herleite.
Gegen das am 16. Dezember 1960 zugestellte Urteil des LSG haben die Kläger mit Schriftsatz vom 13. Januar 1961, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 16. Januar 1961, Revision eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Sie beantragen,
die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Schleswig-Holsteinische LSG zurückzuverweisen.
Die Kläger rügen eine Verletzung der §§ 103, 106 und 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sowie eine Gesetzesverletzung bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG. Die Kläger erblicken eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht darin, daß das LSG es verabsäumt habe, auf Grund der Krankenvorgeschichte weitere Ermittlungen durch Zeugenvernehmungen über die laufend stattgefundenen Herzanfälle durchzuführen. Ferner hätte sich das LSG gedrängt fühlen müssen, auch die Frage durch weitere Beweiserhebungen zu klären, ob die für möglich gehaltene Todesursache, nämlich Herzinfarkt infolge Coronarsklerose, in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem anerkannten Herzleiden stehe. Das LSG habe ferner die Grenzen seines Rechts auf freie Beweiswürdigung überschritten, weil es der irrigen Ansicht gewesen sei, daß derjenige, der sich wegen seines Leidens nicht behandeln lasse, auch kein Leiden haben könne. Im übrigen pflegten sich Herzinfarkte nicht durch jahrelange Herzbeschwerden und Anfälle bemerkbar zu machen. Aus diesem Grunde müßte der Herztod schon deswegen mit der anerkannten Schädigungsfolge zusammenhängen, weil schon vor dem Tode beim Ehemann und Vater der Kläger des öfteren Herzanfälle vorgekommen seien. Ferner spreche der frühzeitige Tod des Ehemannes und Vaters der Kläger gegen das Vorliegen einer Coronarsklerose, da nach einer Statistik von Rössler die ersten Anzeichen von Gefäßveränderungen im Sinne einer Coronarsklerose bei 50 % der Fälle erst in einem Alter von 50 Jahren beobachtet würden. Auch der Auffassung des LSG, die Klärung der Todesursache durch eine Sektion sei unwahrscheinlich gewesen, könne nicht beigetreten werden. Zumindest hätte durch eine Sektion die vom Berufungsgericht für möglich gehaltene Coronarsklerose weitgehend ausgeschlossen werden können. Veränderungen im Reizleitungssystem seien pathologisch nachweisbar und von Veränderungen coronarsklerotischer Art sehr wohl zu unterscheiden. Das VersorgA Heide habe daher die einzige Möglichkeit der Klärung der Todesursache durch die Ablehnung einer Sektion verhindert. Endlich habe es das Berufungsgericht unterlassen, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob der Verstorbene ohne die anerkannte Schädigungsfolge nicht mindestens noch ein Jahr länger gelegt hätte. Dies sei anhand der statistischen Erhebungen über die wahrscheinliche Lebenserwartung, die bei über 70 % der Bevölkerung bei einem Alter von über 60 Jahren liege, zu bejahen. Die Gesetzesverletzung bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG sei darin zu erblicken, daß das LSG nach den Ausführungen in dem angefochtenen Urteil von zwei Bedingungen für den Tod des Ehemannes und Vaters der Kläger ausgegangen sei, die gleichwertig nebeneinander stünden. Abgesehen davon, daß nach Ansicht der Revision der Anteil der anerkannten Schädigungsfolgen an der Todesursache überwiege, sei in einem Falle, in dem die durch den Wehrdienst gesetzte Bedingung gleichwertig neben einer anderen stehe, diese als Bedingung im Sinne der Kausalitätsnorm anzusehen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und wendet sich insbesondere gegen die Ausführungen der Kläger in der Revisionsbegründung, daß wesentliche Verfahrensmängel und eine Gesetzesverletzung bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs vorliegen.
Die Revision ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Da das LSG die Revision nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn ein wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt wird (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG; BSG 1, 150), oder wenn bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung oder des Todes mit einer Schädigung im Sinne des BVG das Gesetz verletzt ist (§ 162 Abs.1 Nr. 3 SGG).
Die Kläger haben wesentliche Verfahrensmängel im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG gerügt und die Statthaftigkeit der Revision ferner auf § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG gestützt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (SozR SGG § 162 Bl. Da 36 Nr. 122) genügt es für die Statthaftigkeit der Revision, wenn bei der Rüge mehrerer Verfahrensmängel eine Rüge durchgreift. Dies gilt auch, wenn Verfahrensmängel im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG gerügt werden und außerdem eine Gesetzesverletzung bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG geltend gemacht wird. Die Revision ist in einem solchen Falle statthaft, wenn die Voraussetzungen des § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG vorliegen, ohne daß noch geprüft zu werden braucht, ob die Revision auch wegen des Vorliegens eines wesentlichen Verfahrensmangels statthaft wäre.
Die Kläger rügen eine Gesetzesverletzung bei der Beurteilung der Zusammenhangsfrage durch das Berufungsgericht im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG. Eine solche Gesetzesverletzung liegt dann vor, wenn die für das Gebiet der Kriegsopferversorgung geltende Kausalitätsnorm nicht oder nicht richtig angewandt worden ist (BSG 1, 268; BSG in SozR SGG § 162 Bl. Da 23 Nr. 87). Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung (BSG 1, 72, 150 und 268) die vom Reichsversicherungsamt und Reichsversorgungsgericht zum Begriff der Ursächlichkeit entwickelten Grundsätze übernommen und ausgesprochen, daß unter Ursache nicht alle Bedingungen des Erfolges zu verstehen sind, gleichgültig mit welcher Schwere sie zu ihm beigetragen haben und in welchem Zusammenhang sie dazu stehen. Nicht jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele, ist also nach der für die Kriegsopferversorgung geltenden Kausalitätsnorm ursächlich. Als Ursache und Mitursache sind vielmehr unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes nur diejenigen Bedingungen anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben, während die sonstigen Glieder der Kausalreihe, die nur rein philosophisch, nicht aber als Ursache im Rechtssinne in Betracht kommen, auszuscheiden sind. Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, so sind sie rechtlich nur dann nebeneinanderstehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig sind. Kommt einem der Umstände gegenüber dem anderen eine überragende Bedeutung zu, so ist dieser Umstand allein Ursache im Rechtssinne (vgl. BSG 1, 150, 157).
Bas LSG ist in dem angefochtenen Urteil unter Zugrundelegung der Ausführungen des von ihm in der mündlichen Verhandlung gehörten Sachverständigen Dr. Dr. H... davon ausgegangen, daß als Ursache für den Herztod des Ehemannes und Vaters der Kläger sowohl eine mit dem Wehrdienst nicht zusammenhängende Coronarsklerose als auch die anerkannte Schädigung (Reizbildungsstörung des Herzens) in Betracht kommen könnten. Es sei einerseits die Möglichkeit gegeben, daß der von Dr. T... am Vorabend des Todes beobachtete Anfall von Angina pectoris durch ein sogenanntes Kammerflimmern hervorgerufen worden ist, das auf das anerkannte Herzleiden zurückging; andererseits sei es auch möglich, daß eine den Herzinfarkt verursachende Coronarsklerose das Kammerflimmern herbeigeführt hat, so daß auch im Falle eines Kammerflimmerns der ursächliche Zusammenhang des Todes mit der Reizbildungsstörung des Herzens nicht vorzuliegen brauche. Die erwähnten Möglichkeiten stünden nach den Ausführungen des Dr. Dr. H... "gleichbedeutend" nebeneinander. Es seien keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, der einen oder der anderen Möglichkeit den Vorzug zu geben und ihr damit die Bedeutung einer Wahrscheinlichkeit beizumessen. In einem solchen Falle fehle es an der erforderlichen Grundlage für die von den Klägern begehrten Hinterbliebenenrenten.
Um prüfen zu können, ob die gerügte Gesetzesverletzung bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG vorliegt, ist klarzustellen, in welcher Weise das LSG in einem Falle, in dem mehrere Ursachen für die eingetretene Schädigung (Tod) in Betracht kommen, bei der Prüfung des ursächlichen Zusammenhangs nach der im Versorgungsrecht geltenden Kausalitätsnorm zu verfahren hat. Zunächst muß das Gericht Feststellungen dahin treffen, welche Bedingungen zu dem Eintritt des Erfolges im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne mitgewirkt haben. Dies geschieht in der Weise, daß geprüft wird, welche der in Betracht kommenden Ursachen im Sinne des § 1 Abs. 3 BVG wahrscheinlich in ursächlichem Zusammenhang mit dem eingetretenen Erfolg stehen. Kommt es bei dieser Prüfung zu der Überzeugung, daß eine mögliche Ursache nicht. Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne gewesen ist, so scheidet eine solche Ursache bei Prüfung der Frage, welche Bedingung wesentlich im Sinne der Kausalitätsnorm gewesen ist, von vornherein aus; es kommt dann insoweit überhaupt nicht zur Anwendung der Kausalitätsnorm. Stellt das Tatsachengericht dagegen fest, daß die betreffende Ursache Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne gewesen ist, dann hat es bei Vorliegen weiterer Bedingungen abzuwägen, welche im Sinne der Kausalitätsnorm wesentlich zum Eintritt des Erfolges beigetragen hat. Ergibt diese Prüfung, daß mehrere Bedingungen gleichwertig nebeneinander stehen, so handelt es sich bei jeder Bedingung um eine wesentliche Mitursache im Sinne der Kausalitätsnorm.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts in dem angefochtenen Urteil lassen nicht klar erkennen, ob es die anerkannte Schädigungsfolge (Reizbildungsstörung des Herzens) nicht als Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne ansehen und damit diese mögliche. Ursache überhaupt ausscheiden wollte oder ob es beide Möglichkeiten für die Verursachung des Herztodes (nicht wehrdienstbedingte Coronarsklerose und anerkannte Schädigungsfolge) als gleichwertige Bedingungen nebeneinander stellen wollte. Da das LSG in den Entscheidungsgründen jedoch wiederholt ausgeführt hat, daß beide Möglichkeiten (Verursachung des Kammerflimmerns durch das anerkannte Herzleiden oder Tod infolge der den Herzinfarkt verursachenden Coronarsklerose) nach den Ausführungen des Dr. Dr. H... gleichwertig (gleichbedeutend) nebeneinander stehen, wird davon auszugehen sein, daß es die als Ursachen allein in Betracht kommenden Möglichkeiten als Bedingungen für den Eintritt des Erfolges (Tod des Ehemannes und Vaters der Kläger) im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne ansehen wollte; denn andernfalls hätte es feststellen müssen, daß die anerkannte. Schädigungsfolge als eine solche Bedingung überhaupt auszuscheiden hat und damit als Ursache im Rechtssinne nur noch die nicht wehrdienstbedingte Coronarsklerose in Betracht kommt. Da dies nicht geschehen ist, läßt sich das angefochtene Urteil nur dahin verstehen, daß das LSG die erwähnten Möglichkeiten als Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne angesehen hat, die gleichwertig nebeneinander stehen. Dann ist aber die im Versorgungsrecht geltende Kausalitätsnorm - wie bereits ausgeführt - verletzt, weil es sich in einer, solchen Falle rechtlich um nebeneinander stehende Mitursachen handelt, die in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig sind. Die Revision der Kläger ist daher nach § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG statthaft.
Die Revision ist auch begründet, da die Möglichkeit besteht, daß das LSG anders entschieden hätte, wenn es bei der Prüfung des ursächlichen Zusammenhangs im Sinne der vorstehenden Ausführungen vorgegangen wäre. Da es in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils an eindeutigen Feststellungen dazu fehlt, welche Ursachen das LSG als Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne ansehen wollte, mußte das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Schleswig-Holsteinische LSG zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Das LSG wird in erster Linie zu prüfen haben, ob die anerkannte Schädigung eine Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne für den Eintritt des Todes durch Herzinfarkt gewesen ist und ob zur Beantwortung dieser Frage das in der mündlichen Verhandlung am 19. Oktober 1960 erstattete Gutachten des Sachverständigen Dr. Dr. H... ausreicht, das eine eindeutige Stellungnahme hierzu vermissen läßt. Hierbei wird auch die Auffassung dieses Sachverständigen besonders zu würdigen sein; daß das Zusammenwirken einer Coronarsklerose und der vorausgegangenen Reizbildungsschädigung den Tod infolge Kammerflimmerns herbeigeführt haben kann. Endlich bedarf es auch einer sorgfältigen Prüfung, ob die Schädigung des Reizleitungsbündels im Hinblick auf die dem Versorgungsarzt Dr. S... gegenüber angegebene Verschlimmerung der Herzbeschwerden im Laufe der Zeit fortgeschritten ist (vgl. das Gutachten des Dr. Dr. H...) und ob der Tod im Alter von erst 41 Jahren etwa dafür sprechen könnte, daß die anerkannte Schädigung wenigstens als wesentliche Mitursache im Sinne der Kausalitätsnorm anzusehen ist.
Fundstellen