Entscheidungsstichwort (Thema)
Kriegsopferversorgung. Berufsschadensausgleich. Einkommen. Nachschadensregelung. Amtsermittlung. Beweiswürdigung. Vertretung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Anspuch auf Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 3 BVG setzt voraus, dass das Einkommen des Betroffenen aus früherer oder gegenwärtiger Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist. Dabei gilt die Kausaltheorie der wesentlichen Bedingung.
2. Eine Nachschadensregelung nach § 30 Abs. 11 BVG kommt nur in Betracht, wenn vor dem etwaigen Nachschaden bereits ein Berufsschaden eingetreten ist.
Normenkette
BVG § 30 Abs. 3, 11; SGG § 71 Abs. 5, §§ 103, 128 Abs. 1 S. 1
Beteiligte
Bezirksregierung Münster, Abteilung Soziales und Arbeit, Landesversorgungsamt |
Bayerische Landesamt für Versorgung und Familienförderung -Landesversorgungsamt- |
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. März 2001 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte dem Kläger Berufsschadensausgleich zu leisten hat.
Der am 21. Mai 1926 geborene Kläger erlitt am 11. Juli 1943 in O. ua Splitterverletzungen am ganzen Körper und – seinen Angaben zufolge – Trommelfellrupturen beidseits, als eine mit seiner Hilfe abtransportierte Stabbrandbombe explodierte. Seinen Versorgungsantrag vom Juni 1947 lehnte die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz mit Bescheiden vom Juli 1949 und März 1950 ab, weil die Schädigungsfolgen – darunter „verminderte Hörfähigkeit beiderseits” – eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von weniger als 30 vH herbeigeführt hätten. Der Kläger hatte nach der Schädigung seine 1942 begonnene kaufmännische Lehre bei der in L. fortgesetzt und am 30. September 1944 mit der Kaufmannsgehilfenprüfung abgeschlossen. Seitdem arbeitete er bis 1958 bei der bzw der AG in L. als kaufmännischer Angestellter, zuletzt in der Direktionsabteilung (Direktionsassistent). Von 1958 bis 1969 war er als Kommanditist einer aus ihm und seiner Ehefrau bestehenden Kiesabbaufirma (in K.) selbstständig tätig. Seinen Angaben zufolge hat er sich dabei um die technische Leitung und den Aufbau des Kieswerks gekümmert. Seit 1962 habe die Stadt K. das Gelände der Firma für Entsorgungsanlagen beansprucht und ab 1968/1969 weitere Baggerarbeiten untersagt. Deswegen sei die Firma in Konkurs gegangen. Bis September 1972 sei er noch mit der Abwicklung des Betriebes beschäftigt gewesen. Ab Oktober 1972 nahm der Kläger an einer Maßnahme zur Förderung der beruflichen Bildung des Arbeitsamts S. (Besuch der Akademie für praktische Betriebswirtschaft in K.) teil, die er – seiner Meinung nach schädigungsbedingt – im Juli 1973 abbrach. Mit Bescheid vom 28. Juni 1973 erkannte der Beklagte folgende Schädigungsfolgen an
- „Narben am rechten Unterschenkel und Fuß. Geringe Weichteilschwellung in der rechten Knöchelgegend.
- Narben am Kinn rechts, an der linken Hand und am linken Knie.
- Beiderseitige chronische Mittelohrentzündung mit rechtsseitiger mittelgradiger und linksseitiger hochgradiger kombinierter Schwerhörigkeit.”
und bewilligte seit 1. August 1972 eine Grundrente nach einer MdE um 30 vH. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. September 1974 erhöhte der Beklagte die (medizinische) MdE auf 40 vH, lehnte aber die Anerkennung besonderer beruflicher Betroffenheit weiterhin ab. Nach entsprechender Verurteilung durch das Sozialgericht Düsseldorf (SG) stellte er mit Bescheid vom 22. März 1977 die Schädigungsfolgen zu Ziffer 3 wie folgt fest:
„Beiderseitige chronische Mittelohrentzündung mit rechtsseitiger hochgradiger Schwerhörigkeit und linksseitiger an Taubheit grenzender kombinierter Schwerhörigkeit”
und bewilligte ab 1. Oktober 1975 Grundrente nach einer MdE um 60 vH.
Inzwischen hatte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) dem Kläger ab 31. Dezember 1973 Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit unter Zugrundelegung des 1. Juli 1973 als Zeitpunkt des Versicherungsfalls zugebilligt. Die mehrfach verlängerte Zeitrente wurde schließlich – mit Bescheid vom 2. Mai 1979 – ab 1. Januar 1978 als Dauerrente bewilligt. Während des diesem Bescheid vorausgegangenen Verfahrens – S 20 An 6/75 – vor dem SG Düsseldorf hatten Prof. Dr. R., W., am 9. Oktober 1975 ein HNO-ärztliches und Frau Dr. am 17. Februar 1979 ein nervenfachärztliches Gutachten erstattet.
Den wegen des nunmehr erreichten Schwerbeschädigtenstatus' 1977 gestellten Antrag auf Berufsschadensausgleich für die Zeit ab 1. Oktober 1975 lehnte der Beklagte mit streitbefangenem Bescheid vom 30. März 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 1984 ab. Das Verfahren über die dagegen vor dem SG Düsseldorf erhobene Klage ruhte vom 26. Januar 1990 bis 10. Januar 1995. Der Kläger hatte inzwischen seinen Wohnsitz nach Italien verlegt, wo er noch heute wohnhaft ist.
Am 11. Januar 1995 rief der Kläger das Verfahren vor dem SG Düsseldorf wieder auf. Zur Stützung seines Vorbringens, das bereits durch Frau Dr. B. im Februar 1979 festgestellte hirnorganische Psychosyndrom sei ebenfalls Schädigungsfolge, reichte er eine „Nervenärztliche Stellungnahme” des Dr. A., L., vom 3. November 1989 ein. Das SG veranlasste eine Begutachtung nach Aktenlage durch den Neurologen und Psychiater Dr. K. vom 24. Februar 1996 sowie eine Stellungnahme der Nervenärztin Frau Dr. B. vom 24. Oktober 1996 und wies mit Urteil vom 5. Mai 1997 die Klage ab. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos (Urteil des LSG vom 20. März 2001). In den Entscheidungsgründen führte das LSG im Wesentlichen aus: Die Erwerbsunfähigkeit des Klägers beruhe nicht auf Schädigungsfolgen, insbesondere nicht auf der schädigungsbedingten Schwerhörigkeit. Vielmehr gehe sie überwiegend auf schädigungsunabhängige, im psychischen Bereich liegende Ausfallserscheinungen zurück. Auch der Abbruch der weiteren Ausbildung zum staatlich geprüften Betriebswirt im Juli 1973 könne nicht den Schädigungsfolgen angelastet werden. Für einen schädigungsbedingten Einkommensverlust während des Erwerbslebens und eine hieraus folgende Rentenminderung sei nichts vorgetragen, fänden sich angesichts des damaligen Ausmaßes der Schädigungsfolgen auch keine Anhaltspunkte. Ein schädigungsbedingter Einkommensverlust in der Zeit als Selbstständiger sei ebenfalls nicht ersichtlich. Der Konkurs der Firma W. sei im Zusammenhang damit zu sehen, dass die Stadt K. weitere Ausgrabungen untersagt habe.
Seine Revision hat der Kläger im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Beklagte sei vor dem LSG nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen. Die zum 2. Januar 2002 in Kraft getretene Neufassung des § 71 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wonach das Land auch durch die Stelle vertreten werden könne, der die Aufgaben des Landesversorgungsamts übertragen worden seien, sei zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das LSG noch nicht in Kraft gewesen. Ferner habe das LSG § 30 Abs 3 ff Bundesversorgungsgesetz (BVG) verletzt. Entgegen den Feststellungen des LSG sei durch die schädigungsbedingte Schwerhörigkeit bereits 1943 eine MdE von 60 vH bedingt gewesen. Das ergebe sich daraus, dass ein Fortschreiten des Innenohrschadens nach Knall- oder Explosionstraumen selten sei (Nr 86 Abs 2 Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz 1996 ≪AHP≫). Auch bestimmte Ausführungen in den im Oktober 1975 bzw Februar 1979 erstellten ärztlichen Gutachten des Prof. Dr. R. und der Frau Dr. B. sprächen dafür, dass die Schädigungsfolgen die Benutzung eines Telefons unmöglich gemacht hätten. Er, der Kläger, habe deshalb bereits 1958 seine Beschäftigung als Assistent der Werksleitung bei der B. AG schädigungsbedingt aufgegeben. Außerdem liege ein Fall des § 30 Abs 11 BVG (Nachschaden) vor. Das LSG hätte feststellen müssen, wie er als Selbstständiger seine Arbeitskraft hypothetisch als Unselbstständiger hätte verwerten können, und hätte sich nicht auf die Frage konzentrieren dürfen, weshalb ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zugestanden habe. Der Annahme der Voraussetzungen für den Berufsschadensausgleich stehe nicht entgegen, dass er zum Zeitpunkt der Beantragung dieser Leistung möglicherweise schon als Rentner anzusehen gewesen sei.
Er beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. März 2001 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 5. Mai 1997 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 30. März 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. „Oktober” (richtig: Januar) 1984 zu verurteilen, dem Kläger Berufsschadensausgleich zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er sei vor dem LSG ordnungsgemäß vertreten gewesen. Die gerügte Verletzung des § 30 BVG liege nicht vor.
Der Beigeladene schließt sich dem Antrag des Beklagten an und macht sich dessen Begründung zu Eigen.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet.
Zwar kann im sozialgerichtlichen Verfahren auch derjenige Beteiligte, der Sozialleistungen (insbesondere der Kriegsopferversorgung), für sich geltend macht (anders möglicherweise im Zivilprozess, vgl Reichold bei Thomas-Putzo, RdNr 9 zu § 551 ZPO; BSGE 63, 79 = SozR 2200 § 1267 Nr 35), die nicht ordnungsgemäße Vertretung des beteiligten Leistungsträgers – und damit eines anderen Beteiligten – rügen, da er ein rechtliches Interesse an der fachkundigen Vertretung des Prozessgegners hat. Die Rüge ist aber unbegründet, denn der Beklagte konnte sich auch schon vor Inkrafttreten des § 71 Abs 5 SGG idF des Gesetzes vom 17. August 2001 (BGBl I 2144) am 2. Januar 2001 wirksam durch die Bezirksregierung Münster, Abteilung Soziales und Arbeit (Landesversorgungsamt), vertreten lassen. § 71 Abs 5 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung hatte folgenden Wortlaut: „In Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung wird das Land durch das Landesversorgungsamt vertreten”. Landesversorgungsamt im Sinne der Bestimmung war, wie der Senat mit Urteil vom 12. Juni 2001 (SozR 3-3100 § 5 Nr 9) entschieden hat, im Land Nordrhein-Westfalen seit Inkrafttreten des Landesgesetzes vom 9. Mai 2000 (GVBl NW 2000, 462) am 1. Januar 2001 die Bezirksregierung Münster. § 1 des Gesetzes über die Errichtung der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung idF des Art 25 des Zweiten Zuständigkeitslockerungsgesetzes vom 3. Mai 2000 (BGBl I 632) stand dem nicht entgegen, weil es die Angliederung der bisherigen Landesversorgungsämter an andere Behörden erlaubte, solange – wie hier – die hierarchische Ordnung der Versorgungsbehörden, die fachliche Qualität der Versorgungsverwaltung durch Verwendung entsprechend ausgebildeter, im Verwaltungs- und Versorgungsrecht kompetenter Bediensteter und sowohl die Dienst- als auch die Fachaufsicht der mit der Kriegsopferversorgung betrauten obersten Landesbehörde gewährleistet blieben.
Auch sachlich hält das Urteil des LSG einer revisionsrichterlichen Überprüfung stand.
Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten – nach bestimmten Berechnungsvorschriften – einen Berufsschadensausgleich (§ 30 Abs 3 BVG). Zur Ermittlung dieser Leistung nach Grund und Höhe ist – einerlei ob der Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs 4 oder nach § 30 Abs 6 BVG zu berechnen ist – grundsätzlich das schädigungsbedingt geminderte Einkommen dem schädigungsbedingt wahrscheinlich entgangenen höheren Vergleichseinkommen gegenüberzustellen (vgl § 30 Abs 4 und 5 einerseits und Abs 6 bis 8 andererseits). Voraussetzung bleibt also stets, dass das Einkommen aus früherer oder gegenwärtiger Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist (vgl Förster in Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl RdNr 46 zu § 30 BVG; Rohr-Strässer, Bundesversorgungsrecht mit Verfahrensrecht, Stand September 2001 Anm 30 zu § 30 BVG auf S K 49 und K 50). Dabei gilt die Kausaltheorie der wesentlichen Bedingung (Rohr-Strässer, aaO, mwN; auch Hansen, Der Berufsschadensausgleich, Bd 2, S 38 mwN).
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das LSG nach seinen von der Revision nicht mit wirksamen Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) rechtsfehlerfrei verneint.
Das gilt zunächst, soweit es das vorzeitige Ausscheiden des Klägers aus dem Erwerbsleben zum 1. Juli 1973 überwiegend und damit wesentlich auf schädigungsunabhängige, im psychischen Bereich liegende Ausfallserscheinungen (hirnorganisches Psychosyndrom) zurückführt. Rechtsfehler lässt des Weiteren die Feststellung des LSG nicht erkennen, dass das für die vorzeitige Erwerbsunfähigkeit des Klägers wesentlich ursächliche Psychosyndrom nicht seinerseits schädigungsbedingt entstanden ist. Es begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken, wenn das LSG davon ausgeht, dass auch der Misserfolg der beruflichen Förderungsmaßnahme des Arbeitsamts S. (Ausbildung zum Betriebswirt) im Sommer 1973 nicht wesentlich auf Schädigungsfolgen zurückzuführen ist, zumal die gescheiterte Fördermaßnahme dem Eintritt der Erwerbsunfähigkeit im rentenrechtlichen Sinn unmittelbar vorausgegangen ist. Auch die sonstigen Feststellungen des LSG lassen keinen Rechtsfehler – etwa Verkennung des Begriffs der Wesentlichkeit – erkennen. Das gilt insbesondere, soweit das LSG einen Minderverdienst während des Erwerbslebens – sowohl während der Zeit der abhängigen Beschäftigung von 1944 bis 1958 als auch während der Zeiten als Selbstständiger – verneint. Der Kläger hat auch in den Vorinstanzen keinerlei Anhaltspunkte dafür geliefert, inwiefern sich konkret die damals bestehenden Schädigungsfolgen auf seine als Selbstständiger erzielten Einnahmen ausgewirkt haben sollen. Seine geschäftlichen Misserfolge als selbstständiger Kommanditist der W. KG und den geschäftlichen Zusammenbruch der KG im Jahr 1969 hat er selbst in erster Linie auf äußere Umstände, insbesondere die fehlende Erlaubnis zur weiteren Kiesentnahme aus dem von ihm zur Kiesgewinnung vorgesehenen Gelände, zurückgeführt.
Soweit der Kläger Ansprüche auf Berufsschadensausgleich daraus herleiten will, dass er 1958 seine abhängige Tätigkeit als Direktionsassistent schädigungsbedingt aufgegeben habe, trägt er diese Tatsache erstmals in der Revisionsinstanz vor. Dies ist indessen unzulässig (Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, 6. Aufl, RdNr 4 ff zu § 163 SGG mwN). Insofern ist auch seine Rüge einer Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes durch das LSG (§ 103 SGG) unbegründet. Ein Verstoß des LSG gegen die Pflicht, in der angegebenen Richtung Ermittlungen durchzuführen, müsste gemäß § 164 Abs 2 Satz 3 SGG „bezeichnet” sein. Deshalb hätte in der Revisionsbegründung dargelegt werden müssen, warum sich angesichts des Vorbringens in den Vorinstanzen und der Umstände des Falles das LSG hätte gedrängt fühlen müssen, von Amts wegen Ermittlungen hinsichtlich der Gründe anzustellen, aus denen der Kläger seinerzeit seine Tätigkeit als Direktionsassistent aufgegeben hat (vgl Meyer-Ladewig, aaO, RdNr 12a zu § 164 und 20 zu § 103 mwN). Aber selbst wenn dies geschehen wäre, wäre die Rüge mangelnder Sachaufklärung erfolglos geblieben. Nach den vom LSG festgestellten Umständen ergab sich für die Berufungsrichter kein Anlass zu weiteren Ermittlungen. Gründe für weitere Maßnahmen der Sachaufklärung hätten allenfalls gehäufte Zeiten der Arbeitsunfähigkeit während der Beschäftigung als Direktionsassistent oder ein Abstieg in einen sozial minderbewerteten Beruf oder Schonberuf im Jahre 1958 sein können. Derartige Anhaltspunkte hat aber das LSG nicht festgestellt und wurden auch vom Kläger in der Revisionsbegründung nicht geltend gemacht.
Im Übrigen unterstellt die Revision, dass die Schädigungsfolgen des Klägers bereits seit 1943 eine MdE von 60 vH bedingt hätten. Das widerspricht indessen den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG. Das LSG hat noch für die Zeit nach dem 1. Juli 1973 (bis zum September 1975) eine MdE um lediglich 40 vH für gerechtfertigt angesehen und die Erhöhung der MdE ab 1. Oktober 1975 auf die frühestens 1975 eingetretene Verschlechterung des beiderseitigen Hörvermögens zurückgeführt.
Der Kläger rügt auch nicht mit Erfolg die Beweiswürdigung des LSG (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Er trägt keine Gesichtspunkte dafür vor, dass das LSG die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung überschritten haben könnte. Insbesondere ist kein Anhaltspunkt für einen Verstoß gegen die Denkgesetze oder einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze erkennbar. Soweit der Kläger auf Nr 86 Abs 2 AHP verweist, kann damit insbesondere kein Verstoß gegen einen allgemeinen Erfahrungssatz (vgl dazu Meyer-Ladewig, aaO, RdNr 11 zu § 128) dargetan werden. Dass das LSG von einer Verschlimmerung der schädigungsbedingten Schwerhörigkeit des Klägers bis zum 1. Oktober 1975 ausgegangen ist, lässt sich mit Nr 86 Abs 2 AHP vereinbaren. In Satz 3 wird dort ein Fortschreiten eines In nenohrschadens nach Knall- oder Explosionstrauma nämlich nicht ausgeschlossen, sondern nur ausgeführt, dass dieses selten sei. Im Übrigen lässt die Revision außer Acht, dass die beim Kläger seit August 1972 anerkannten Schädigungsfolgen – im Gegensatz zu den vor 1958 festgestellten Schädigungsfolgen – vor allem auf massive Schädigungen des Mittelohrs (und nicht des Innenohrs) zurückgehen (chronische Mittelohreiterung).
Zu Unrecht beanstandet der Kläger schließlich, das LSG hätte die Nachschadensregelung des § 30 Abs 11 BVG anwenden müssen. Die Nachschadensregelung findet – zu Lasten des Beschädigten – Anwendung, wenn durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung, das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert wird. Die Anwendung der Nachschadensregelung setzt aber voraus, dass vor dem etwaigen Nachschaden (als den der Kläger offenbar sein Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zum 1. Juli 1973 ansieht) bereits ein Berufsschaden eingetreten ist (vgl Rohr-Strässer, Anm 31 zu § 30 auf S. K 53; BSG SozR 3100 § 30 Nr 67; auch BSGE 81, 150, 153 = SozR 3-3100 § 30 Nr 18). Es ist dem Kläger zwar darin Recht zu geben, dass ein solcher Berufsschaden ggf dann vorliegen könnte, wenn er 1958 schädigungsbedingt aus seiner Beschäftigung ausgeschieden wäre oder in der Folgezeit als Selbstständiger schädigungsbedingt Einkommenseinbußen erlitten hätte (vgl dazu Entscheidungen des Senats in BSGE 64, 272 ff = SozR 3642 § 5 Nr 1, 283 ff = SozR 3100 § 30 Nr 76; auch die vom Kläger zitierte – unveröffentlichte – Entscheidung vom 18. Dezember 1996 – 9 RV 1/95). Indessen hat das LSG, wie weiter oben bereits dargelegt, das Vorliegen einer schädigungsbedingten Einkommensminderung vor dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben für den Senat bindend (§ 163 SGG) verneint, ohne dass diese Feststellung mit wirksamen Verfahrensrügen angegriffen wäre. Infolgedessen fehlt allen Überlegungen die Grundlage, wie ein etwa eingetretener Berufsschaden nach Eintritt ins Rentenalter zu berechnen wäre und ob und inwieweit auf ihn die Nachschadensregelung Anwendung finden müsste.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen