Entscheidungsstichwort (Thema)

sozialgerichtliches Verfahren. soziales Entschädigungsrecht. ordnungsgemäße Prozeßvertretung des Landes Nordrhein-Westfalen durch die Bezirksregierung Münster nach Auflösung des Landesversorgungsamtes. Berufsschadensausgleich

 

Orientierungssatz

1. Zur ordnungsgemäßen Prozeßvertretung des Landes Nordrhein-Westfalen iS des § 71 Abs 5 SGG durch die Bezirksregierung Münster als Folge der Auflösung der bisherigen Landesoberbehörde "Landesversorgungsamt" (vgl LSG Essen vom 30.1.2001 - L 6 SB 100/99).

2. Zum Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Gewährung von Berufsschadensausgleich gem § 30 BVG, wenn die schädigungsbedingte Schwerhörigkeit nicht als wesentliche Ursache dafür angesehen werden kann, dass der Antragsteller nach Aufgabe seiner selbständigen Tätigkeit bzw nach deren Abwicklung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden und der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist.

 

Tatbestand

Umstritten ist, ob der Kläger Anspruch auf Berufsschadensausgleich hat.

Der ... 1926 geborene Kläger erlitt im Juni 1943 als Jugendlicher bei der Explosion einer Brandbombe Verletzungen u.a. im Bereich beider Ohren.

Auf seinen Versorgungsantrag von Juni 1947 hin lehnte es die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz ab, dem Kläger Versorgungsrente nach der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 zu gewähren, mit der Begründung, dass die Erwerbsfähigkeit durch die Schädigungsfolgen:

"1. Narbe am rechten Unterschenkel

2. Narben am rechten Kinn, linke Hand und linkes Knie

3. Verminderte Hörfähigkeit beiderseits"

um weniger als 30 v.H. gemindert werde (Bescheide vom 18.07.1949 und 02.03.1950).

Der berufliche Werdegang des Klägers stellt sich im wesentlichen folgendermaßen dar:

Nach Abschluss der Handelsschule absolvierte er vom 01.01.1942 bis 30.09.1944 bei der IG Farben in L eine kaufmännische Lehre, die er mit der Kaufmannsgehilfenprüfung abschloss. Nach der Lehre arbeitete er bis 1958 bei der IG Farben bzw. der B AG in L als kaufmännischer Angestellter, zuletzt in der Direktionsabteilung.

Von 1958 bis 1969 war er zusammen mit seiner Ehefrau selbstständig tätig (Firma W KG, Landabsatz/Kieswerk in K-U). Zu dieser selbstständigen Tätigkeit hat der Kläger im wesentlichen angegeben, dass er sich in der Firma um die technische Leitung und den Aufbau eines Kieswerkes gekümmert habe. Zur Eröffnung des Kiesbetriebes hätten erst 20 Hektar Land erschlossen werden müssen. 1962/1963, als das Werk schon ziemlich gut ausgebaut gewesen sei, habe die Stadt K gerade dieses Gelände für eine Kläranlage haben wollen. Seit dieser Zeit seien mehrere Prozesse geführt worden, die ihn und seine Familie schwer belastet hätten. Ab 1968/1969 sei es untersagt worden, weiter zu baggern. Deshalb habe 1969 der Konkurs der Firma angemeldet werden müssen. Bis September 1972 sei er noch mit der Abwicklung des Betriebes beschäftigt gewesen.

Ab Oktober 1972 nahm der Kläger im Rahmen einer Förderungsmaßnahme des Arbeitsamtes an einem Lehrgang zum "Staatlich geprüften Betriebswirt" teil. Die Ausbildung wurde im Juli 1973 vorzeitig beendet. Auf seinen Rentenantrag von Februar 1974 bewilligte ihm die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) mit Bescheid vom 02.12.1974 zunächst Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit (Versicherungsfall 01.07.1973), die dann nach vorangegangenem Klageverfahren (Az.: S 26 An 6/75 Sozialgericht Düsseldorf) ohne zeitliche Begrenzung auf Dauer gewährt wurde.

Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) beantragte der Kläger im August 1972. Zur Begründung eines besonderen beruflichen Betroffenseins nach § 30 Abs. 2 BVG machte er geltend, dass er wegen seines Ohrenleidens nicht mehr als kaufmännischer Angestellter arbeiten könne. Besondere Schwierigkeiten habe er u.a. bei Besprechungen, Verhandlungen und Telefonaten. Die beabsichtigte Umschulung zum Betriebswirt sei nicht möglich, weil er wegen seiner Schwerhörigkeit dem Unterricht nicht habe folgen können.

Nach Einholung eines chirurgischen Gutachtens des Dr. K vom 12.3.1973, eines HNO-ärztlichen Gutachtens des Dr. T vom 25.05.1973 sowie einer im Widerspruchsverfahren eingeholten HNO-ärztlichen Stellungnahme des Dr. B vom 23.09.1974 gewährte der Beklagte dem Kläger unter Anerkennung der Schädigungsfolgen:

"1. Narben am rechten Unterschenkel und Fuß. Geringe Weichteilschwellung in der rechten Knöchelgegend.

2.  Narben am Kinn rechts, an der linken Hand und am linken Knie.

3.  Beiderseitige chronische Mittelohrentzündung mit rechtsseitiger mittelgradiger und linksseitiger hochgradiger kombinierter Schwerhörigkeit."

ab 01.08.1972 Versorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v.H.. Eine besondere berufliche Betroffenheit nach § 30 Abs. 2 BVG wurde abgelehnt (Bescheid vom 28.06.1973 und Widerspruchsbescheid vom 24.09.1974).

Im anschließenden Klageverfahren -- Az.: S 30 (29) V 89/74 Sozialgericht Düsseldorf -- verurteilte das Sozialgericht, gestützt auf ein beigezogenes für die BfA im Rentenverfahren erstelltes HNO-ärztliches Gutachten des Prof...

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