Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorschriften über die Bewilligung des Armenrechts (SGG § 167) gelten auch für die beim Bundessozialgericht erhobene Wiederaufnahmeklage (SGG § 179 ff).
2. Ist das Revisionsverfahren durch Rücknahme der Revision beendet worden, so ist eine Wiederaufnahmeklage beim Bundessozialgericht nicht zulässig.
Normenkette
SGG § 156 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03, § 167 Fassung: 1953-09-03, § 179 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 584 Fassung: 1950-09-12
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm das Armenrecht zu bewilligen, wird abgelehnt.
Gründe
Der Kläger hat gegen das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 17. Februar 1955 durch seinen Prozeßbevollmächtigten Revision eingelegt. Der Prozeßbevollmächtigte hat mit Schriftsatz vom 7. Juni 1955, eingegangen am 8. Juni 1955, die Revision zurückgenommen.
Mit Schreiben vom 1. September 1959, eingegangen am 7. September 1959, hat der Kläger Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens beim Bundessozialgericht (BSG) gestellt und um Bewilligung des Armenrechts hierfür nachgesucht. Als Wiederaufnahmegrund macht er - neben Ausführungen, die dem Sinne nach die Berechtigung seines Versorgungsanspruchs dartun sollen - geltend, sein Prozeßbevollmächtigter habe die Revision ohne sein Einverständnis zurückgenommen.
Soweit Vertretungszwang besteht, kann die Wiederaufnahmeklage beim BSG nur durch einen nach § 166 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassenen Prozeßbevollmächtigten erhoben werden (BSG SozR SGG § 179 Da 2 Nr. 4). Daraus folgt nach Auffassung des Senats, daß die Vorschrift des § 167 SGG über Bewilligung des Armenrechts in einem Wiederaufnahmeverfahren vor dem BSG entsprechend anzuwenden ist. Diese Bestimmung steht zwar unter den Vorschriften über die Revision, es ist aber kein innerer Grund ersichtlich, weshalb unter "Verfahren vor dem BSG" im Sinne des § 167 SGG nicht auch ein Wiederaufnahmeverfahren vor dem BSG zu verstehen sein sollte. Das Wiederaufnahmeverfahren enthält seinem Wesen nach die vom Gesetzgeber unter bestimmten eng begrenzten Voraussetzungen aus Gründen der Rechtssicherheit eingeräumte Möglichkeit, ein durch rechtskräftige Entscheidung abgeschlossenes Verfahren zu wiederholen, dementsprechend ist die Wiederaufnahmeklage vor dem BSG die Wiederholung eines Revisionsverfahrens. Auch daraus folgt die entsprechende Anwendung der Armenrechtsvorschriften im Wiederaufnahmeverfahren.
Das Armenrecht kann nur bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 167, § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO). Dies trifft nicht zu, weil eine mit einer Wiederaufnahmeklage vor dem BSG anfechtbare Entscheidung nicht ergangen ist.
Die Wiederaufnahmeklage vor dem BSG setzt nach §§ 179 SGG, 578 ff ZPO voraus, daß ein rechtskräftiges Urteil des BSG oder eine diesem gleichzusetzende Entscheidung des BSG vorliegt. Dies ist hier nicht der Fall; das Revisionsverfahren vor dem BSG wurde nicht durch eine Entscheidung, sondern durch Rücknahme der Revision durch den Kläger beendet, §§ 156 Abs. 2, 165 SGG.
Gegen das (rechtskräftige) Urteil des LSG kann eine Wiederaufnahmeklage vor dem BSG nicht erhoben werden, weil über die Wiederaufnahmeklage gegen ein Urteil des Berufungsgerichts nur das Berufungsgericht, in keinem Falle das Revisionsgericht, entscheidet, §§ 179 SGG, 584 ZPO. Für ein Wiederaufnahmeverfahren vor dem LSG kann das BSG dem Kläger das Armenrecht nicht bewilligen.
Da sonach bereits die erste Voraussetzung für die beabsichtigte Wiederaufnahmeklage vor dem BSG, ein rechtskräftiges Urteil des BSG, fehlt, brauchte der Senat nicht mehr zu prüfen, ob der Antrag auf Bewilligung des Armenrechts rechtzeitig gestellt wurde und ob ein gesetzlicher Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegt.
Der Antrag auf Bewilligung des Armenrechts war daher abzulehnen.
Fundstellen