Leitsatz (amtlich)
Einer Beamtenwitwe, die Witwengeld bezieht und deren Kinder aus dem Beamtenverhältnis ihres verstorbenen Vaters Waisengeld erhalten, ist nicht Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet. Sie hat daher keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht (RVO § 173).
Normenkette
RVO § 173 Fassung: 1945-03-17
Tenor
Auf die Revision der beigeladenen Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. Mai 1957 aufgehoben.
Die Berufungen der Klägerin und des beigeladenen G... das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 29. November 1955 werden zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Die Klägerin und ihre vier Kinder beziehen als Hinterbliebene eines Landesbeamten Witwen- und Waisengeld. Seit dem 1. Mai 1955 ist die Klägerin in dem G... in M... als Lehrerin bei einem monatlichen Bruttoverdienst von etwa 550 DM beschäftigt.
Am 7. Mai 1955 beantragte die Klägerin bei der beklagten Krankenkasse die Befreiung von der Versicherungspflicht. Der Antrag wurde mündlich abgelehnt. Den Widerspruch der Klägerin wies die beklagte Krankenkasse mit der Begründung zurück, sie habe keine Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung (Bescheid vom 27. Mai 1955).
Mit der Klage vor dem Sozialgericht (SG) Münster machte die Klägerin geltend, sie und ihre Kinder befänden sich bereits im Genuß der Hinterbliebenenversorgung. Außerdem sei zu berücksichtigen, daß sie nur so lange beruflich tätig sein wolle, wie sich ihre Kinder in der Ausbildung befänden; sie beabsichtige nicht, sich nach Beendigung ihrer Tätigkeit in der Angestelltenversicherung freiwillig weiterzuversichern, da sie durch das Witwengeld für die Zukunft ausreichend gesichert sei.
Das SG hat beigeladen:
1. das G...-M...,
2. die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA),
3. die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (BfArb).
Während das G... den Standpunkt der Klägerin teilte, schlossen sich die beigeladenen Versicherungsträger der Auffassung der beklagten Krankenkasse an.
Das SG wies die Klage ab (Urteil vom 29. November 1955).
Gegen dieses Urteil haben die Klägerin und das beigeladene G... Berufung eingelegt mit dem Antrag,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils und Aufhebung der Bescheide der beklagten Krankenkasse vom 7. Mai und 27. Mai 1955 die Beklagte für verpflichtet zu erklären, die Klägerin vom 1. Mai 1955 an von der Versicherungspflicht zur Angestellten- und Arbeitslosenversicherung zu befreien.
Während die BfA nunmehr sich im Ergebnis dem Standpunkt der Klägerin anschloß, blieben die beklagte Krankenkasse und die beigeladene BfArb bei ihrer Auffassung, daß die Klägerin nicht von der Versicherungspflicht befreit werden könne, weil sie keine Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung habe.
Das Landessozialgericht (LSG) entsprach dem Antrag der Berufungskläger; die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 21. Mai 1957). Nach seiner Auffassung sind die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 173 der Reichsversicherungsordnung (RVO) idF der Ersten Vereinfachungsverordnung (VerfVO) vom 17. März 1945 gegeben. Die Klägerin beziehe einen dem Ruhegehalt ähnlichen Bezug. Auch sei ihr Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet. Nach dem Zweck der Befreiungsvorschrift genüge es für die Freistellung von der Versicherungspflicht, daß die Versorgung der Angehörigen des versicherungspflichtig Beschäftigten sichergestellt sei. Die vier Kinder der Klägerin seien durch Gewährung von Waisengeld aus dem Beamtenverhältnis ihres verstorbenen Vaters versorgt. Die Sicherstellung einer darüber hinausgehenden Hinterbliebenenversorgung sei nur gerechtfertigt, wenn im Einzelfall unversorgte Kinder der Witwe (zB uneheliche Kinder) vorhanden seien. Sei dies - wie bei der Klägerin - nicht der Fall, so sei es nicht angängig, auf solche Möglichkeiten abzustellen, zumal die Befreiung widerrufen werden könne.
Gegen dieses Urteil hat die BfArb Revision eingelegt mit dem Antrag,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufungen der Klägerin und des beigeladenen G... gegen das Urteil des SG Münster vom 29. November 1955 zurückzuweisen.
Sie rügt Verletzung des § 173 RVO und hält an ihrer Auffassung fest, daß der Klägerin nicht Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet ist.
Die beklagte Krankenkasse hat sich dem Antrag und den Ausführungen der BfArb angeschlossen.
Die Klägerin und das beigeladene G... haben beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend. Insbesondere weisen sie darauf hin, daß es unwahrscheinlich sei, daß eine Beamtenwitwe ein uneheliches Kind bekomme. Solche entfernten Möglichkeiten brauchten daher bei der Prüfung der Voraussetzungen der Befreiung von der Versicherungspflicht nicht in Rechnung gestellt zu werden.
Die BfA tritt im wesentlichen der Auffassung der Klägerin bei.
II
Die Revision der beigeladenen BfArb ist begründet.
Nach § 173 RVO werden Personen, denen von den im Gesetz genannten Versorgungsträgern "Ruhegehalt, Wartegeld oder ähnliche Bezüge bewilligt sind und daneben Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung (§ 169) gewährleistet ist", von der Versicherungspflicht auf ihren Antrag befreit. Der erkennende Senat hat diese Vorschrift bereits bei seiner Entscheidung zu § 73 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes - G 131 - fallenden Personen idF des Zweiten Änderungsgesetzes vom 11. September 1957 (BSG 11, 243, 246) herangezogen und ausgelegt, weil das G 131 mit seinen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften den nach diesem Gesetz Anspruchsberechtigten weitgehend die Rechtsstellung verschafft hat, die sie gehabt hätten, wenn ihr beamten- und versorgungsrechtlicher Rechtsstand nicht erst rückwirkend klargestellt worden wäre (aaO S. 244). Der Senat hat damals die Frage offengelassen, ob das der Beamtenwitwe zustehende Witwengeld als ruhegehaltsähnlicher Bezug i.S. des § 173 Abs. 1 RVO anzusehen sei (aaO S. 246); es fehle jedenfalls bei der Beamtenwitwe an der Voraussetzung, daß ihr "daneben Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung (§ 169) gewährleistet" sei. Er sieht - auch unter Würdigung der von der Revision vorgetragenen Gesichtspunkte - keine Veranlassung, von dieser Auffassung abzugehen.
Sinn und Zweck des § 173 RVO in seiner jetzt gültigen Fassung werden nur deutlich, wenn man die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift berücksichtigt. Ursprünglich war eine Befreiung der Empfänger von Ruhegehalt und ähnlichen Bezügen von der Versicherungspflicht nur in den Rentenversicherungen vorgesehen; denn die durch den Versicherungsträger gewährleistete Sicherung des Arbeitnehmers für den Fall der Berufsunfähigkeit oder des Alters bzw. seiner Hinterbliebenen für den Fall seines Todes betrifft das typische Risiko der Rentenversicherung, so daß es nahe lag, auch nur in diesem Bereich die Freistellung von der Versicherungspflicht bei entsprechender anderweitiger Sicherung zuzulassen. So sah § 1237 RVO aF (= § 14 AVG aF) - im wesentlichen seit Inkrafttreten der RVO unverändert bis zu seiner Beseitigung durch die Erste VereinfVO - für Empfänger von Ruhegeld aus bestimmten Quellen Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag vor, wenn das Ruhegeld usw. eine bestimmte Mindesthöhe erreichte "und daneben Anwartschaft auf Hinterbliebenenfürsorge (§ 1234) gewährleistet" war.
Ganz anders verlief die Entwicklung in der Krankenversicherung, solange die Befreiung von der Versicherungspflicht eigenständig auf ihre Zwecke hin zugeschnitten war. Die ursprüngliche Regelung sah vor, daß auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit werden konnte, "wer auf die Dauer nur zu einem geringen Teile arbeitsfähig ist, solange der vorläufig unterstützungpflichtige Armenverband einverstanden ist" (vgl. den Kommissionsbericht über den Entwurf einer RVO zu § 186 [entspricht § 173 RVO in den späteren Fassungen], Reichtstags-Drucks. Nr. 946, 12. Legislatur-Periode II. Session. 1909/1911, S. 70/71). Spätere Regelungen betrafen den Ersatz des Merkmals der geringen Arbeitsfähigkeit durch das der Invalidität bzw. des Bezugs von Invalidenrente (§ 6 der VO über Krankenversicherung vom 3. Februar 1919 - RGBl I 191 -), die Erweiterung der Befreiungsmöglichkeit auf den Ausgesteuerten (Art. VI des Gesetzes über Änderungen in der RVO vom 19.7.1923 - RGBl I 686 -; beseitigt durch den Erlaß des RAM vom 12. Dezember 1941 - RABl 1942 II 17) und schließlich die Neufassung des § 173 Abs. 1 RVO, die erstmalig die Freistellung von der Versicherungspflicht u.a. vom Bezug von Ruhe- oder Wartegeld oder ähnlichen Versorgungsbezügen abhängig machte (§ 3 der VO über Änderungen in der gesetzlichen KrV und in der Arbeitslosenhilfe vom 12. Dezember 1939 - RGBl I 2414 -). Auch bei dieser - erst durch die Erste VereinfVO beseitigten - Regelung blieb als Voraussetzung für die Befreiung das Einverständnis des vorläufig verpflichteten Fürsorgeverbandes bestehen.
Als im Jahre 1945 die Aufgabe der Vereinfachung des Leistungs- und Beitragsrechts in der Sozialversicherung zu lösen war, lagen somit zwei von verschiedenen Zielsetzungen geprägte Modelle für die künftige Regelung einer Befreiung der Ruhegehaltsempfänger von der Versicherungspflicht vor. Die Krankenversicherung - und die hiervon abhängige Arbeitslosenversicherung - stellte darauf ab, daß ihr Risiko verhältnismäßig begrenzt und übersehbar ist, die Versicherungspflicht daher nach Lage des Einzelfalles mehr individuell - hierfür ist Ausdruck das freie Ermessen des Fürsorgeverbandes bei seinem Einverständnis zur Freistellung - geregelt werden kann und die Regelung der Versicherungspflicht jedenfalls nicht die künftige Sicherung der Hinterbliebenen zu berücksichtigen braucht. Hingegen mußten die Rentenversicherungen in Rechnung stellen, daß ihr Ziel die langfristige Zukunftsvorsorge für den Beschäftigten und seine Hinterbliebenen ist.
Der Verordnungsgeber der Ersten VereinfVO hat darauf verzichtet, diese verschiedenartigen Regelungen auf einer mittleren Linie einander anzugleichen. Er hat seine einheitliche, alle Versicherungszweige erfassende Regelung eng an das Vorbild der Rentenversicherungen angelehnt. Das zeigt die inhaltliche und formale Übereinstimmung der neuen Regelung mit § 1273 RVO aF (bzw. § 14 AVG aF). Die für die alte Regelung der Rentenversicherung wesentlichen Befreiungsmerkmale - Bezug von Ruhegeld, Wartegeld oder ähnlichen Bezügen und daneben Gewährleistung der Anwartschaft auf Hinterbliebenenfürsorge - gehen unverändert in § 173 RVO idF der Ersten VereinfVO ein. Die Wortfassung dieser Vorschrift schließt sich eng an das Muster der Rentenversicherungen an. Selbst der gesetzestechnische Kunstgriff der Verweisung auf eine andere Vorschrift, um das Merkmal "Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung" zu verdeutlichen, wird übernommen: Wie § 1237 RVO aF insoweit auf § 1234 RVO aF und § 14 AVG aF auf § 11 AVG aF Bezug nimmt, so verweist § 173 RVO auf - den gleichfalls durch die Erste VereinfVO neu gefaßten - § 169 RVO.
§ 173 RVO idF der Ersten VereinfVO wird daher nur dann richtig verstanden, wenn seine Verwurzelung im Recht der Rentenversicherung berücksichtigt wird. Sein materiell-rechtlicher Gehalt ist von der Zwecksetzung dieses Versicherungszweiges bestimmt. Die Vorschrift steht zwar noch in dem der Krankenversicherung gewidmeten Buch der RVO, aber nur deshalb, weil dort alle - eigentlich in einen "Allgemeinen Teil" des Sozialversicherungsrechts gehörenden - Vorschriften über die Versicherungspflicht zusammengefaßt sind. In Wahrheit hat der Verordnungsgeber bei der Neufassung des § 173 RVO - um der Vereinfachung willen - in Kauf genommen, daß für die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung - und damit auch in der Arbeitslosenversicherung - Merkmale bestimmend werden, die der Krankenversicherung wesensfremd sind. Deshalb muß darauf verzichtet werden, bei der Auslegung des Begriffs der Gewährleistung der "Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung" in § 173 RVO, auf den besonderen Sinn und Zweck der Krankenversicherung zurückzugreifen. Was Gewährleistung der Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung i.S. des § 173 RVO bedeutet, kann nur im Blick auf die Rentenversicherung, für die die Hinterbliebenenversorgung allein von Bedeutung ist, erschlossen werden.
Unter diesem Gesichtspunkt ist entscheidend, daß dem Gesetzgeber eine Befreiung des Ruhegeldempfängers von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nur dann tragbar erscheint, wenn eine umfassende, der sozialversicherungsrechtlichen Sicherung annähernd gleichwertige Versorgungsanwartschaft besteht (BSG 11, 246 f.). Hierzu gehört die Sicherstellung der Hinterbliebenen des abhängig beschäftigten Ruhegeldempfängers. Wie die Verweisung in § 173 RVO auf § 169 RVO deutlich macht, soll der Ruhegeldempfänger wie der Beamte (§ 169 RVO) von der Versicherungspflicht nur unter der Voraussetzung befreit werden können, daß ihm Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet ist. Hatte das Reichsversicherungsamt (RVA) ursprünglich wenigstens beim ledigen Ruhegehaltsempfänger, der keine versorgungsberechtigten Angehörigen hat, angenommen, daß er auch ohne Gewährleistung einer Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung von der Versicherungspflicht befreit werden könne (Grunds.Entsch. Nr. 2382 in AN 1917 S. 559 unter Berufung auf einen Bescheid des RVA vom 11. April 1912 in Arbeiter-Versorgung 1912 S. 327), so hat es später bei Prüfung der Versicherungspflicht einer verheirateten Wartegeldempfängerin ausgesprochen, daß der Anspruch auf Hinterbliebenenfürsorge in der Person des Beschäftigten selbst gewährleistet sein müsse, und zwar aus der Tätigkeit, für welche die Befreiung beansprucht werde (Grunds.Entsch. Nr. 3042 in AN 1927 S. 267, 268; hierbei hat es offengelassen, ob die nach der früheren Rechtsprechung geforderte andere Beurteilung des ledigen Ruhegeldempfängers aufrechterhalten werden könne). Ob man mit dem RVA so weit gehen muß, die Voraussetzungen der Befreiung von der Versicherungspflicht nur dann als erfüllt anzusehen, wenn der Anspruch auf Hinterbliebenenfürsorge aus der Tätigkeit hervorgeht, für die Befreiung beansprucht wird, kann dahinstehen Jedenfalls setzt die Befreiung von der Versicherungspflicht nach dem eindeutigen Wortlaut des § 173 RVO voraus, daß die Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung in der Person des Ruhegeldempfängers selbst gegeben sein muß. Das ist bei der Beamtenwitwe nicht der Falle. Sie hat als solche zwar Anspruch auf ihre Versorgung, nicht aber auf die ihrer Hinterbliebenen.
Diese mehr formale Erwägung könnte an Gewicht verlieren, wenn überhaupt eine Anwartschaft auf Versorgung der Hinterbliebenen einer Beamtenwitwe bestünde. Unter diesem Gesichtspunkt beruft sich die Klägerin darauf, daß ihre Kinder Waisengeld als Nachwirkung des Beamtenverhältnisses ihres verstorbenen Vaters beziehen. Das könnte nach dem Zweck der Befreiungsvorschrift genügen, wenn damit sichergestellt wäre, daß alle Hinterbliebenen der Beamtenwitwe nach ihrem Tode versorgt wären. Das ist aber nicht der Fall. Erst im Zeitpunkt des Todes der Beamtenwitwe steht fest, ob sie unversorgte Hinterbliebene hinterläßt. Dabei ist nicht nur, wie die Revision meint, an die Möglichkeit unehelicher Kinder zu denken. Es kommen als Hinterbliebene auch die anderen waisenrentenberechtigten Gruppen von Kindern (§ 1258 Abs. 2 RVO aF) sowie - nach Wiederverheiratung - der Witwer (§ 1257 RVO aF) in Betracht. Die Wahrscheinlichkeit des Hinzutretens solcher "potentiellen Hinterbliebenen" abzuschätzen, ist schlechterdings nicht möglich (vgl. dazu BSG 11, 247). Auch die weitere Erwägung des Senats, daß derartige differenzierende Erwägungen dem Recht der Sozialversicherung für die Fragen von Versicherungspflicht und -freiheit fremd sind (aaO), behält ihr volles Gewicht.
Wenn das LSG erwogen hat, daß dem Bedürfnis nach Sicherung solcher Hinterbliebenen, die erst nach Stellung des Antrags auf Befreiung von der Versicherungspflicht in Erscheinung treten und nicht schon anderweitig - etwa aus dem Beamtenverhältnis ihres verstorbenen Vaters - versorgt sind, durch Wideruf der Befreiung (vgl. § 173 Abs. 3 RVO) Rechnung getragen werden könnte, so wird dabei die Unzulänglichkeit einer solchen Maßnahme nicht genügend berücksichtigt. Ginge es nur um die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, so böte in der Tat die Möglichkeit des Widerrufs der Befreiung eine ausreichende Sicherung; denn hier bedarf es keiner langen Anlaufzeiten, um vollen Versicherungsschutz auch für mitversicherte Familienangehörige zu begründen. Hingegen gibt der Widerruf des Befreiungsbescheides in der Rentenversicherung nicht die Gewähr, daß der in diesem Fall nur durch langfristige Zukunftsvorsorge zu gewinnende Versicherungsschutz für "potentielle Hinterbliebene" noch erreicht werden kann. Je älter die Beamtenwitwe wäre, deren Befreiung von der Versicherungspflicht wegen des Vorhandenseins solcher Familienangehörigen widerrufen werden müßte, umso geringer wäre die Wahrscheinlichkeit, daß die noch verbleibende Versicherungszeit ausreichte, um die Voraussetzungen für angemessene Hinterbliebenenrenten zu schaffen, falls überhaupt die Wartezeit erfüllt würde.
Auch die Erwägung der BfA, es würde mit zweierlei Maß gemessen, wenn zwar Beamte und Ruhestandsbeamte, nicht aber Beamtenwitwen von der Versicherungspflicht auf Antrag befreit würden, hält einer näheren Nachprüfung nicht stand. Richtig ist, daß die einem Beamten oder Ruhestandsbeamten nach den Versorgungsgesetzen gewährleistete Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung (vgl. zB §§ 123 ff BBG) sich in der Regel nicht vollinhaltlich mit der einem Versicherten gewährleisteten Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung deckt. So gehören Stief- und Pflegekinder, die zwar in der gesetzlichen Rentenversicherung versorgungsberechtigt sind (vgl. § 1258 Abs. 2 Nr. 2 und 7 RVO aF), regelmäßig nicht zu den versorgungsberechtigten Angehörigen eines Beamten (vgl. § 126 BBG); Kinder eines verstorbenen Ruhestandsbundesbeamten, die aus einer Ehe stammen, die erst nach dem Eintritt in den Ruhestand und nach Vollendung des fünfundsechzigsten Lebensjahres des Ruhestandsbeamten geschlossen wurde, haben keinen Anspruch auf Waisengeld, sondern "können" nur einen Unterhaltsbeitrag bis zur Höhe des Waisengeldes erhalten (§ 126 Abs. 2 BBG). Ungeachtet dieser Besonderheiten ist aber die dem Beamten und Ruhestandsbeamten gewährleistete Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung so umfassend, daß sie gegenüber der von der gesetzlichen Rentenversicherung gewährten als im wesentlichen gleichwertig anzusehen ist. Damit ist aber dem Zweck der Befreiungsvorschrift (§ 173 RVO) genügt. Demnach ist die Stellung der Beamten und Ruhestandsbeamten einerseits und der Beamtenwitwen andererseits hinsichtlich der Gewährleistung einer Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung nicht vergleichbar: Während die erstgenannte Gruppe eine umfassende Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung hat, ist den Beamtenwitwen in dieser Hinsicht nichts gewährleistet. Es verstößt daher nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn den Beamtenwitwen im Gegensatz zu den Beamten und Ruhestandsbeamten nicht Befreiung von der Versicherungspflicht gewährt wird.
Zusammenfassend ist somit festzustellen, daß keine der Hinterbliebenenversorgung in der Rentenversicherung gleichwertige Sicherung der Versorgung von Hinterbliebenen einer Beamtenwitwe besteht, falls sie von der Versicherungspflicht befreit würde. Bei dieser Sachlage, ist auch im Hinblick auf den klaren Wortlaut des § 173 RVO von dem Grundgedanken der Sozialversicherung auszugehen, daß entgeltliche Beschäftigungsverhältnisse Versicherungspflicht begründen und daß Versicherungsfreiheit von der Versicherungspflicht nur als Ausnahme unter eng begrenzten, im Gesetz eindeutig bestimmten Voraussetzungen (vgl. § 108 ff RVO) in Anspruch genommen werden kann. Es widerspräche dem das Recht der Sozialversicherung beherrschenden Grundsatz der Solidarität der Versichertengemeinschaften bildenden Arbeitnehmer, wenn solche Ausnahmen erweiternd auf Sachverhalte angewandt würden, bei denen der allein ein Abweichen von der Versicherungspflicht rechtfertigende Gedanke - daß nämlich anderweitig eine umfassende gleichwertige Versorgungsanwartschaft gewährleistet ist - nicht in vollem Umfange verwirklicht ist (BSG 11, 247). Aus der gleichen Erwägung hat auch das neue Recht (§ 1230 RVO nF, § 7 AVG nF) davon abgesehen, bei den Beamtenwitwen für ihre Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung eine Ausnahme von dem Erfordernis vorzusehen, daß ihnen Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet sein muß (vgl. Jantz-Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, § 1230 RVO, Anm. II 3 S. 38).
Demnach kann eine Beamtenwitwe, die Witwengeld bezieht und deren Kinder aus dem Beamtenverhältnis ihres verstorbenen Vaters Waisengeld erhalten, die selbst aber keine Anwartschaft auf Hinterbliebenenversorgung hat, nicht Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 173 RVO beanspruchen (im Ergebnis ebenso BfArb im Erlaß vom 12. Dezember 1954 [BKK 1955 Sp. 43] und - nach diesem Erlaß - der BMA; Peters, Handb. der KrV Teil II, § 173 Anm. 2; Breuer, BKK 1955 Sp. 208; Weber, BKK 1957 Sp. 466; LSG Celle, Urteil vom 8. Januar 1957 [Ersatzkasse 1957, 94]; LSG Hamburg, Urteile vom 7. Oktober 1958 und 4. November 1958; OVA Düsseldorf, Urteil vom 17. Dezember 1953 [BKK 1954, 495]; a.A. OVA Münster, Urteil vom 13. Dezember 1949 [DOK 1950, 209]; Brackmann, Handb. der Sozialversicherung, Stand: August 1960 Bd II S. 324 b; zweifelnd Odendahl, Arbeitsamt 1955, S. 111; Schmahl, PW 2 S. 1955 S. 190 zu II).
Die Klägerin hat somit keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht. Der Revision der beigeladenen BfArb ist stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 2 SGG.
Fundstellen
BSGE, 185 |
NJW 1961, 1789 |
MDR 1961, 967 |