Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsunfall. Kriegseinwirkung. Schanzarbeit
Orientierungssatz
Wurde ein im Notdienstverhältnis zu Schanzarbeiten oder ähnlichen Aufgaben Herangezogener in Frontnähe durch Artilleriebeschuß verletzt, so bestand Versicherungsschutz im allgemeinen auch dann, wenn sich der Unfall außerhalb des Arbeitseinsatzes ereignete (vgl BSG 1972-04-27 2 RU 104/71 = SozR Nr 34 zu § 548 RVO).
Normenkette
SozSichAbkZVbg BEL 3 Art. 7 Abs. 3; SozSichAbk BEL; RVO § 542
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 11.03.1971) |
SG Hannover (Entscheidung vom 12.01.1970) |
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 11. März 1971 wird aufgehoben, soweit die Beigeladene zu 1) zur Gewährung von Sterbegeld und Überbrückungshilfe verurteilt worden ist. In diesem Umfang wird die Klage abgewiesen. Das Urteil des Landessozialgerichts wird ferner im Kostenpunkt aufgehoben.
Im übrigen wird die Revision mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beigeladene zu 1) die Hinterbliebenenrente an den Kläger zu 1) zu leisten hat, soweit der Anspruch auf ihn übergegangen ist.
Die Beigeladene zu 1) hat der Klägerin zu 2) die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin zu 2) ist belgische Staatsangehörige und wohnt in Belgien. Ihr Ehemann Josephus L. B (B.) war während des zweiten Weltkriegs in einem Betrieb der Deutschen Werft AG in H beschäftigt. Er wurde, als im April 1945 die Betriebstätigkeit wegen der Bombeneinwirkungen eingestellt worden war und sich die alliierten Truppen H näherten, mit anderen belgischen Arbeitern unter dem Geleit deutscher Soldaten in den Raum Lauenburg/Elbe gebracht, um dort auf Anordnung staatlicher Stellen Schanzarbeiten oder ähnliche, der Verteidigung dienende Arbeiten zu verrichten. Am Einsatzort war er behelfsmäßig in einer Schule untergebracht. Bevor es zu einem Arbeitseinsatz gekommen war, wurde er am 22. April 1945 bei einem Artilleriebeschuß tödlich verletzt, als er sich - wenige Tage nach seiner Ankunft in L - auf dem Weg zum Hafen befand, um zusammen mit anderen Fremdarbeitern von einem Schiff Nahrungsmittel zu holen. Die Klägerin zu 2) erhält wegen des Todes ihres Ehemannes vom belgischen Staat eine Rente.
Die Beklagte lehnte durch den an die Klägerin zu 2) gerichteten Bescheid vom 26. August 1965 den auf das deutsch-belgische Sozialversicherungsabkommen gestützten Antrag des Klägers zu 1) - Königreich Belgien - auf Gewährung einer Verletztenrente aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung ab. Zur Begründung führte sie aus, sie sei nicht entschädigungspflichtig; der Ehemann der Klägerin zu 2) sei im Zeitpunkt der Schädigung nicht mehr nach § 539 der Reichsversicherungsordnung (RVO) versichert gewesen; ein Arbeitsverhältnis mit der Deutschen Werft AG habe im Unfallzeitpunkt nicht mehr bestanden.
Das Sozialgericht (SG) Hannover hat durch Urteil vom 12. Januar 1970 dem Antrag der Kläger entsprechend die Beklagte verurteilt, der Klägerin zu 2) die gesetzlichen Leistungen aus der Unfallversicherung zu gewähren. Es hat angenommen, der Ehemann der Klägerin zu 2) habe zur Zeit des Unfalls noch in einem Beschäftigungsverhältnis zur Deutschen Werft AG gestanden. Während des etwa dreitägigen Aufenthalts in Lauenburg vor seinem Tode sei er nicht zur Vorbereitung von Verteidigungsmaßnahmen eingesetzt worden. Ein Notdienstverhältnis habe daher nicht vorgelegen. Da sich der Ehemann der Klägerin zu 2) jedoch aus dienstlichem Anlaß zwangsweise in dem Kampfgebiet habe aufhalten müssen und einer erhöhten Gefahrenlage ausgesetzt gewesen sei, habe er im Zeitpunkt des Unfalls unter Versicherungsschutz gestanden; das Beschaffen von Nahrungsmitteln habe seinen eigenen Belangen nur nebenbei gedient; er sei mit einigen anderen belgischen Fremdarbeitern abgeordnet worden, Lebensmittel für die Allgemeinheit zu besorgen; sein Aufenthalt im Gefahrenbereich sei somit nicht rein privater Natur, sondern wesentlich auf die Belange der Gemeinschaft abgestellt gewesen.
Das SG hat hinsichtlich des Anspruches auf Sterbegeld die Berufung zugelassen.
Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat auf die Berufung der Beklagten die Entscheidung des SG durch Urteil vom 11. März 1971 aufgehoben und anstelle der Beklagten die Beigeladene zu 1) - Bundesrepublik Deutschland, Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung (BAfU) - verurteilt, der Klägerin zu 2) Sterbegeld, Hinterbliebenenrente und Überbrückungshilfe zu gewähren. Es hat zur Begründung ausgeführt: Das Arbeitsverhältnis des Ehemannes der Klägerin zu 2) mit der Deutschen Werft AG, deren Betrieb wegen der Kriegseinwirkungen bereits stillgelegt gewesen sei, sei im Unfallzeitpunkt faktisch beendet gewesen. Die Beklagte könne daher nicht auf Leistung in Anspruch genommen werden. Dagegen sei die Beigeladene zu 1) zur Gewährung der Unfallentschädigung verpflichtet. Der Ehemann der Klägerin zu 2) sei für Aufgaben der Verteidigung nach Lauenburg transportiert worden. Obwohl er nicht mehr zum Einsatz gekommen sei, habe er unter Versicherungsschutz gestanden. Nach dem Erlaß des Reichsarbeitsministers (RAM) vom 17. Oktober 1944 (AN 1944, 280) seien die bei Schanzarbeiten und ähnlichen Aufgaben eingesetzten Arbeitskräfte unabhängig von der Dauer ihres Einsatzes und einem vorher bestehenden Sozialversicherungsverhältnis nach den reichsgesetzlichen Vorschriften gegen Arbeitsunfall versichert gewesen. Der Einsatz der im Raum L zur Errichtung von Verteidigungsanlagen herangezogenen ausländischen Arbeiter und deren Unterbringung sowie ihr Aufenthalt während der Arbeitspausen seien als Ganzes zu betrachten. Auch die Arbeitsbereitschaft und die Ruhepausen am oder in der Nähe des Einsatzortes seien Schanzarbeiten im Sinne des angeführten Erlasses. Ein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall liege somit selbst bei einer Verletzung vor, die durch eine außerhalb des Arbeitseinsatzes aufgetretene Gefahr entstanden sei. Da die Reichsausführungsbehörde für Unfallversicherung (RAfU) nach dem Erlaß vom 17. Oktober 1944 für die Entschädigung zuständig gewesen sei und die Abwicklung der Aufgaben dieses Versicherungsträgers nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 der Verordnung zur Überführung der Ausführungsbehörde für Unfallversicherung in der britischen Zone vom 14. März 1951 (ÜberführungsVO - BGBl I 190 -) der BAfU obliege, sei diese zur Gewährung der Unfallentschädigung verpflichtet.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Beigeladene zu 1) hat dieses Rechtsmittel eingelegt und begründet es wie folgt: Nach den nicht zu beanstandenden tatsächlichen Feststellungen des LSG habe im Unfallzeitpunkt das Arbeitsverhältnis des Ehemannes der Klägerin zu 2) mit der Deutschen Werft AG nicht mehr bestanden, so daß die Beklagte nicht leistungspflichtig sei. Für einen Arbeitsunfall beim Einsatz von Schanzarbeiten käme zwar die Zuständigkeit der Beigeladenen zu 1) in Betracht. Der Ehemann der Klägerin zu 2) sei jedoch, bevor es zu einem solchen Einsatz gekommen sei, bei der Verrichtung eigenwirtschaftlicher Angelegenheiten durch Granatsplitter tödlich verletzt worden. Der Schutz der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung erstrecke sich grundsätzlich nur auf die Arbeitstätigkeit, nicht aber auf den davon abzugrenzenden eigenwirtschaftlichen Bereich. Dies habe das LSG nicht ausreichend beachtet; seine Rechtsauffassung laufe darauf hinaus, das gesamte Leben der im zweiten Weltkrieg in Deutschland eingesetzten belgischen Arbeiter dem Versicherungsschutz zu unterstellen.
Die Beigeladene zu 1) beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte und der Beigeladene zu 2) - Land Nordrhein-Westfalen (Landesversorgungsamt) - stellen keinen Antrag. Der Beigeladene zu 2) ist der Auffassung, eine Leistungspflicht der Versorgungsverwaltung nach § 54 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) komme nicht in Betracht, da die Klägerin zu 2) als im Ausland wohnhafte Ausländerin und als Empfängerin belgischer Kriegsopferleistungen gemäß § 7 Abs. 1 und 2 BVG nicht zu dem nach diesem Gesetz zu versorgenden Personenkreis gehöre.
Die Kläger beantragen,
die Revision der Beigeladenen zu 1) zurückzuweisen;
hilfsweise:
das Urteil des LSG Niedersachsen vom 11. März 1971 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen; in beiden Fällen dem zu verurteilenden Versicherungsträger aufzuerlegen, der Klägerin zu 2) die außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten,
weiter hilfsweise:
das Verfahren auszusetzen, um den Rechtsstreit nach Art. 52 Abs. 2 des Allgemeinen Abkommens einem Schiedsgericht zu unterbreiten.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend. Nach ihrer Auffassung entspricht es dem Sinn und Zweck des deutsch-belgischen Sozialversicherungsabkommens, das auf eine Wiedergutmachung der den belgischen Arbeitnehmern während des zweiten Weltkriegs durch die Zwangsverpflichtung entstandenen Schäden an Leib und Leben gerichtet sei, den Versicherungsschutz auf den gesamten Aufenthalt der zum Schanzeinsatz Herangezogenen - auch während der Arbeitspausen - zu erstrecken.
II
Die Revision der Beigeladenen zu 1) ist nur zum Teil begründet.
Das LSG hat zutreffend entschieden, daß der Klägerin zu 2) gegen die Beigeladene zu 1) Hinterbliebenenrente aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung zusteht. Die Rente ist an die Klägerin zu 2) jedoch nur insoweit zu zahlen, als der Anspruch nicht nach Art. 7 Abs. 3 der Dritten Zusatzversicherung - 3. ZV - zum Allgemeinen Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über Soziale Sicherheit vom 7. Dezember 1957 - Allgemeines Abkommen - über die Zahlung von Renten für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Abkommens, ebenfalls vom 7. Dezember 1957 (BGBl 1963 II 404), auf den Kläger zu 1) übergegangen ist, der nach belgischen Rechtsvorschriften an den Verletzten wegen der Unfallfolgen eine Rente zahlt. Anspruch auf eine erst im Berufungsverfahren durch - zulässige Klageerweiterung (§ 99 Abs. 3 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) geltend gemachte Überbrückungshilfe nach § 591 RVO haben die Kläger entgegen der Meinung des LSG schon deshalb nicht, weil der Ehemann der Klägerin zu 2) bereits vor dem Inkrafttreten des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes - UVNG - vom 30. April 1963 (BGBl I 241) verunglückt und gestorben ist (vgl. BSG 23, 139; 24, 88; SozR Nr. 8 zu Art. 4 § 2 UVNG). Darüber hinaus sind nach Art. 1 und 2 Abs. 1 Satz 1 der 3. ZV nur Renten und Rententeile nachzuzahlen (vgl. die bei Plöger/Worthmann, Deutsche Sozialversicherungsabkommen mit ausländischen Staaten, Stand: Juni 1971, Teil X - Belgien - S. 34 -- und 35 wiedergegebene Auffassung der deutschen Verbindungsstelle). Die Überbrückungshilfe ist jedoch keine Rente, sondern eine Leistung besonderer Art (vgl. Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 4 zu § 591 RVO). Daraus folgt zugleich, daß ein Anspruch auf Nachzahlung des Sterbegeldes nicht besteht. In diesem Umfang war deshalb die Klage abzuweisen.
Wie der erkennende Senat bereits in mehreren am 21. Januar 1972 ergangenen Urteilen entschieden hat (vgl. 2 RU 32/71, zur Veröffentlichung vorgesehen), ist die Frage, ob Rentenansprüche aus Unfällen der hier vorliegenden Art begründet sind, nach den im Unfallzeitpunkt geltenden deutschen Rechtsvorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung zu beurteilen. Sowohl nach der EWG-VO Nr. 3 (vgl. Art. 12 Abs. 1) als auch nach dem deutsch-belgischen Allgemeinen Abkommen (vgl. Art. 5 Abs. 1) unterliegen die Arbeitnehmer den Rechtsvorschriften des Mitglieds- bzw. Vertragsstaates, in welchem sie beschäftigt sind oder waren. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die EWG-VO Nr. 3 (vgl. Art. 4) mit der in ihren Anhang D aufgenommenen 3. ZV (vgl. Art. 6 Abs. 2 Buchst. e, Art. 5 Buchst. a der EWG-VO Nr. 3) oder ob das Allgemeine Abkommen iVm der 3. ZV anzuwenden ist.
Nach den von der Revision nicht angegriffenen und deshalb für das Bundessozialgericht (BSG) bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG ist der Ehemann der Klägerin zu 2), nachdem sein mit der Deutschen Werft AG in H bestehendes Arbeitsverhältnis infolge der durch Kriegseinwirkung bedingten Stillegung des Werkes faktisch beendet worden war, im April 1945 mit anderen ausländischen Arbeitern auf Anordnung staatlicher Stellen zu Schanzarbeiten oder ähnlichen, der Verteidigung dienenden Aufgaben - typischen Notdienstleistungen - in den Raum L/Elbe verbracht worden. Er war mit anderen belgischen Arbeitern in einer Schule untergebracht, um auf den Einsatzbefehl zu warten. Nach Abschnitt B Ziffer 1 des Erlasses des RAM vom 17. Oktober 1944 (AN 1944, 280) unterlagen die im Notdienstverhältnis zu Schanzarbeiten und ähnlichen Aufgaben Herangezogenen unabhängig von der Dauer ihres Einsatzes dem Schutz der reichsgesetzlichen Unfallversicherung. Der Erlaß galt nicht nur für die deutschen Notdienstverpflichteten. § 1 Abs. 4 der Notdienstverordnung vom 15. Oktober 1938 (RGBl I 1441), der eine Dienstverpflichtung ausländischer Arbeitnehmer ausschloß, ist außer Kraft gesetzt worden durch die Anordnung Nr. 10 des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz ... vom 22. August 1942 (RABl 1942, 382) iVm der 6. VO des Militärbefehlshabers in Belgien und Nordfrankreich (MBN) vom 6. Oktober 1942 (VOBl des MBN 1942, 1059).
Der Ehemann der Klägerin zu 2) war hinsichtlich des Unfalls, den er am 22. April 1945 durch Kriegseinwirkung - Artilleriebeschuß-erlitt, nicht nach § 541 Nr. 9 RVO idF der Verordnung vom 16. April 1943 (RGBl I 267) "versicherungsfrei". Ausländische Arbeitnehmer erhielten nach dem Erlaß des RMdJ vom 3. Dezember 1943 (MBliV 1943, 1872) bei Personenschäden, die zugleich Arbeitsunfälle waren, nicht Fürsorge und Versorgung nach der Personenschädenverordnung vom 10. November 1940 (RGBl I 1482), sondern nur Leistungen aus der Reichsunfallversicherung (vgl. Erlaß des RAM vom 24. Januar 1944 in AN 1944, 41).
Im Ergebnis mit Recht hat das LSG die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalles im Sinne des § 542 RVO idF des 6. Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom 9. März 1942 - RGBl I 107 - (RVO aF) für gegeben erachtet.
Dem Unfallversicherungsschutz steht nicht entgegen, daß der Ehemann der Klägerin zu 2) bei einem Artilleriebeschuß verletzt worden ist. Auch schädigende Ereignisse durch Kriegseinwirkungen können rechtlich zugleich Arbeitsunfälle im Sinne der RVO sein (vgl. § 54 BVG; BSG 23, 79, 81; BSG, Urteil vom 21. Januar 1972 - 2 RU 32/71). Die Kriegsgefahr, von welcher der Ehemann der Klägerin zu 2) betroffen wurde, war nicht eine sog. allgemein wirkende Gefahr, die - wie z.B. Erdbeben, Überschwemmungen und sonstige Naturkatastrophen - wegen eines nur rein zufälligen Zusammentreffens mit der Arbeitstätigkeit den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfall und Arbeitstätigkeit ausschließen würde. Allerdings ist die Prüfung, ob die tödliche Verletzung, die der Ehemann der Klägerin zu 2) erlitten hat, mit seiner Arbeitstätigkeit ursächlich zusammenhing, nicht deshalb entbehrlich, weil die im Notdienstverhältnis zu Schanzarbeiten und ähnlichen Aufgaben Herangezogenen "unabhängig von der Dauer ihres Einsatzes" dem Unfallversicherungsschutz unterlagen. Durch den Erlaß vom 17.10.1944 (aaO) hat der RAM in bezug auf die Unfallversicherung die für die Beurteilung des Sozialversicherungsverhältnisses damals bedeutsame Unterscheidung zwischen langfristigem und kurzfristigem Notdienst für die bei Schanzarbeiten oder ähnlichen Aufgaben Herangezogenen aufgehoben. Nur darauf bezieht sich die in dem Erlaß verwendete Formulierung, daß der Unfallversicherungsschutz "unabhängig von der Dauer" des Einsatzes bestehe. Auch die im Notdienstverhältnis zu Schanzarbeiten Herangezogenen waren folglich nicht allgemein während der gesamten Dauer des Einsatzes und der Einsatzbereitschaft schlechthin bei jeder Betätigung - also auch bei rein eigenwirtschaftlichen Verrichtungen - gegen Arbeitsunfall versichert.
Wegen der besonderen Umstände, unter denen der Ehemann der Klägerin zu 2) zu Schanzarbeiten und ähnlichen Aufgaben in Frontnähe verbracht worden war, ist es jedoch gerechtfertigt, seinen Aufenthalt am Einsatzort hinsichtlich der Versicherungsrechtlichen Beurteilung den Betätigungen gleichzuerachten, die unmittelbar der - vorgesehenen - Errichtung von Verteidigungsanlagen dienten. Der Ehemann der Klägerin zu 2) war infolge seiner Arbeitsverpflichtung der besonderen Gefahr ausgesetzt, auch außerhalb des Arbeitseinsatzes und bevor überhaupt der Befehl zur Ausführung bestimmter Arbeiten ergangen war, durch Kampfhandlungen - Artilleriebeschuß - verletzt zu werden; er ist der für seinen Arbeitsort in der Kampflinie typischen, gegenüber den Verhältnissen an seinem früheren Arbeitsort erhöhten Gefahr erlegen. Unter diesen tatsächlichen Umständen stand die tödliche Verletzung des Ehemannes der Klägerin zu 2) durch Artilleriebeschuß während des durch den Notdiensteinsatz bedingten Aufenthalts im damaligen Kampfgebiet um Lauenburg auch außerhalb der eigentlichen Arbeitstätigkeit in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Bau von Verteidigungsanlagen, dem seine Arbeitsverpflichtung dienen sollte. Der Ehemann der Klägerin zu 2) hat somit einen Arbeitsunfall im Sinne des § 542 RVO aF erlitten (vgl. das ebenfalls am 27. April 1972 ergangene, zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil des erkennenden Senats 2 RU 104/71).
Der dem Grunde nach gegebene Anspruch auf eine Verletztenrente aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung ist nicht durch § 54 BVG ausgeschlossen, da die Klägerin zu 2) wegen des Todes ihres Ehemannes einen Anspruch auf Versorgung gegen den belgischen Staat besitzt (vgl. § 7 Abs. 2 BVG).
Zur Entschädigungsleistung ist die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung (Beigeladene zu 1) verpflichtet (Abschn. B Ziffer 2 des RAM-Erlasses vom 17.10.1944 - AN 1944, 280; § 2 Abs. 2 Nr. 2 der Verordnung zur Überführung der Ausführungsbehörde für Unfallversicherung in der britischen Zone vom 14.3.1951 - BGBl I 190 -; 3. ZV zum deutschbelgischen Allgemeinen Abkommen). Dies hat der Senat in dem zur Veröffentlichung vorgesehenen, einen gleichartigen Fall betreffenden Urteil vom 27. April 1972 - 2 RU 104/71 - mit näherer Begründung ausgeführt, auf die Bezug genommen wird. Die Ausführungen in diesem Urteil treffen auch für den vorliegenden Fall zu.
Die Revision der Beigeladenen zu 1) war danach zurückzuweisen, allerdings mit der Maßgabe, daß die Entschädigung an den Kläger zu 1) - Königreich Belgien - zu leisten ist, soweit dieser nach belgischen Rechtsvorschriften an die Klägerin zu 2) wegen des Todes ihres Ehemannes Rente gezahlt hat und der Anspruch demzufolge nach Art. 7 Abs. 3 auf den belgischen Staat übergegangen ist. Dagegen mußte das Urteil des LSG aufgehoben und die Klage insoweit abgewiesen werden, als die Beigeladene zu 1) zur Gewährung von Überbrückungshilfe und Sterbegeld verurteilt worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, daß nach Abs. 4 dieser Vorschrift die Aufwendungen ua der Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht erstattungsfähig sind. Das Urteil des LSG war deshalb ferner aufzuheben, soweit der Beigeladenen zu 1) auferlegt worden ist, auch dem Kläger zu 1) die Kosten zu erstatten.
Fundstellen