Leitsatz (amtlich)
Wurde ein im Notdienstverhältnis zu Schanzarbeiten oder ähnlichen Aufgaben Herangezogener in Frontnähe durch Artilleriebeschuß verletzt, so bestand Versicherungsschutz im allgemeinen auch dann, wenn sich der Unfall außerhalb des Arbeitseinsatzes ereignete.
Normenkette
RVO § 542 Abs. 1 Fassung: 1942-03-09
Tenor
Die Revision der Beigeladenen zu 1) gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 11. März 1971 wird unter Aufhebung dieser Entscheidung im Kostenpunkt mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Entschädigung an den Kläger zu 1) zu leisten ist, soweit der Anspruch auf ihn übergegangen ist.
Die Beigeladene zu 1) hat dem Kläger zu 2) die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger zu 2) - ein in Belgien lebender belgischer Staatsangehöriger - war während des zweiten Weltkriegs in einem Betrieb der Deutschen Werft AG in H beschäftigt. Er wurde, als im April 1945 die Betriebstätigkeit wegen der Bombeneinwirkungen eingestellt worden war und sich die alliierten Truppen H näherten, mit anderen belgischen Arbeitern unter dem Geleit deutscher Soldaten in den Raum L/Elbe gebracht, um dort auf Anordnung staatlicher Stellen Schanzarbeiten oder ähnliche, der Verteidigung dienende Arbeiten zu verrichten. Am Einsatzort war er behelfsmäßig in einer Scheune untergebracht. Außerhalb des Arbeitseinsatzes erlitt er am 28. April 1945 abends oder nachts bei einem Artilleriebeschuß eine Granatsplitterverletzung am rechten Arm. Wegen der Verletzungsfolgen erhält er vom belgischen Staat eine Rente.
Die Beklagte lehnte durch den an den Kläger zu 2) gerichteten Bescheid vom 27. Juli 1965 den auf das deutsch-belgische Sozialversicherungsabkommen gestützten Antrag des Klägers zu 1) - Königreich Belgien - auf Gewährung einer Verletztenrente aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung ab. Zur Begründung führte sie aus, sie sei nicht entschädigungspflichtig; der Kläger zu 2) sei im Zeitpunkt der Schädigung nicht mehr nach § 539 der Reichsversicherungsordnung (RVO) versichert gewesen, da bereits Anfang April 1945 alle ausländischen Arbeiter der Deutschen Werft AG dienstentpflichtet worden seien.
Das Sozialgericht (SG) Hannover hat durch Urteil vom 12. Januar 1970 dem Antrag der Kläger entsprechend die Beklagte zur Gewährung einer Verletztenrente an den Kläger zu 2) verurteilt. Es hat angenommen, der Kläger zu 2) sei zur Errichtung von Verteidigungsanlagen im Rahmen eines Notdienstverhältnisses bei Fortbestehen seines Arbeitsverhältnisses zur Deutschen Werft AG eingesetzt worden; wegen der mit dem Notdiensteinsatz verbundenen erhöhten Gefahrenlage habe er nicht nur während der eigentlichen Schanzarbeiten, sondern auch während seines auf die Fortsetzung dieser Tätigkeit gerichteten Aufenthalts in oder in der Nähe seiner Unterkunft im Unfallzeitpunkt unter Versicherungsschutz gestanden; zur Entschädigungsleistung sei die Beklagte als der vor dem Beginn des Notdienstverhältnisses zuständig gewesene Versicherungsträger verpflichtet (Nr. 1 der Bestimmungen des RAM vom 6. November 1939, AN 1939, 507).
Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat auf die Berufung der Beklagten die Entscheidung des SG durch Urteil vom 11. März 1971 aufgehoben und anstelle der Beklagten die Beigeladene zu 1) - Bundesrepublik Deutschland, Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung (BAfU) - verurteilt, dem Kläger zu 2) Unfallentschädigung zu gewähren. Es hat zur Begründung ausgeführt: Der Kläger zu 2) sei mit anderen bei der Deutschen Werft AG beschäftigt gewesenen ausländischen Arbeitern im Raum L zu Schanzarbeiten oder ähnlichen, der Verteidigung dienenden Aufgaben herangezogen worden. Dabei habe es sich um militärische Maßnahmen der Verteidigung gegenüber den anrückenden alliierten Kampftruppen gehandelt. Sie seien von Kommandostellen der deutschen Wehrmacht und/oder Stellen der NSDAP angeordnet worden. Die ausländischen Arbeiter seien deutschen Soldaten, nicht aber der Deutschen Werft AG unterstellt gewesen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers zu 2) mit der Deutschen Werft AG, deren Betrieb wegen der Kriegseinwirkungen bereits stillgelegt gewesen sei, sei somit zur Zeit seines Einsatzes zu Schanzarbeiten in der Gegend von Lauenburg faktisch beendet gewesen. Die Beklagte könne daher nicht auf Leistung in Anspruch genommen werden. Dagegen sei die Beigeladene zu 1) zur Gewährung der Unfallentschädigung verpflichtet. Der Kläger zu 2) habe die Armverletzung nach der Heranziehung zu Schanzarbeiten oder ähnlichen Aufgaben der Verteidigung erlitten. Obwohl das schädigende Ereignis nicht unmittelbar bei dieser Notdiensttätigkeit eingetreten sei, sondern gegen Abend bzw. während der Nacht - also zur Zeit der Arbeitspause -, habe der Kläger zu 2) unter Versicherungsschutz gestanden. Nach dem Erlaß des RAM vom 17. Oktober 1944 (AN 1944, 280) seien die bei Schanzarbeiten und ähnlichen Aufgaben eingesetzten Arbeitskräfte unabhängig von der Dauer ihres Einsatzes und einem vorher bestehenden Sozialversicherungsverhältnis nach den reichsgesetzlichen Vorschriften gegen Arbeitsunfall versichert gewesen. Der Einsatz der im Raum Lauenburg zur Errichtung von Verteidigungsanlagen herangezogenen ausländischen Arbeiter und deren Unterbringung sowie ihr Aufenthalt zur Nachtzeit während der Arbeitspausen seien als Ganzes zu betrachten. Auch die Arbeitsbereitschaft und die Ruhepausen am oder in der Nähe des Einsatzortes seien Schanzarbeiten im Sinne des angeführten Erlasses. Ein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall liege somit selbst bei einer Verletzung vor, die durch eine zur Nachtzeit aufgetretene Gefahr entstanden sei. Da die Reichsausführungsbehörde für Unfallversicherung (RAfU) nachdem Erlaß vom 17. Oktober 1944 für die Entschädigung zuständig gewesen sei und die Abwicklung der Aufgaben dieses Versicherungsträgers nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 der Verordnung zur Überführung der Ausführungsbehörde für Unfallversicherung in der britischen Zone vom 14. März 1951 (Überführungs-VO - BGBl I 190 -) der BAfU obliege, sei diese zur Gewährung der Unfallentschädigung verpflichtet.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Beigeladene zu 1) hat dieses Rechtsmittel eingelegt und begründet es wie folgt: Nach den nicht zu beanstandenden tatsächlichen Feststellungen des LSG habe im Unfallzeitpunkt das Arbeitsverhältnis des Klägers zu 2) mit der Deutschen Werft AG nicht mehr bestanden, so daß die Beklagte nicht leistungspflichtig sei. Für einen Arbeitsunfall beim Einsatz von Schanzarbeiten käme zwar die Zuständigkeit der Beigeladenen zu 1) in Betracht. Der Kläger zu 2) sei jedoch nicht während des Arbeitseinsatzes, sondern während der Nachtzeit, als er sich eigenwirtschaftlichen Dingen zugewandt habe, durch Granatsplitter verletzt worden. Der Schutz der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung erstrecke sich grundsätzlich nur auf die Arbeitstätigkeit, nicht aber auf den davon abzugrenzenden eigenwirtschaftlichen Bereich. Dies habe das LSG nicht ausreichend beachtet; seine Rechtsauffassung laufe darauf hinaus, das gesamte Leben der im zweiten Weltkrieg in Deutschland eingesetzten belgischen Arbeiter dem Versicherungsschutz zu unterstellen.
Die Beigeladene zu 1) beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte und der Beigeladene zu 2) - Land Nordrhein-Westfalen (Landesversorgungsamt) - stellen keinen Antrag. Der Beigeladene zu 2) ist der Auffassung, eine Leistungspflicht der Versorgungsverwaltung nach § 54 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) komme nicht in Betracht, da der Kläger zu 2) als im Ausland wohnhafter Ausländer und als Empfänger belgischer Kriegsopferleistungen gemäß § 7 Abs. 1 und 2 BVG nicht zu dem nach diesem Gesetz zu versorgenden Personenkreis gehöre.
Die Kläger beantragen,
die Revision der Beigeladenen zu 1) zurückzuweisen;
hilfsweise:
das Urteil des LSG Niedersachsen vom 11. März 1971 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen;
in beiden Fällen dem zu verurteilenden Versicherungsträger aufzuerlegen, dem Kläger zu 2) die außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten,
weiter hilfsweise:
das Verfahren auszusetzen, um den Rechtsstreit nach Art. 52 II des Allgemeinen Abkommens einem Schiedsgericht zu unterbreiten.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend. Nach ihrer Auffassung entspricht es dem Sinn und Zweck des deutsch-belgischen Sozialversicherungsabkommens, das auf eine Wiedergutmachung der den belgischen Arbeitnehmern während des zweiten Weltkriegs durch die Zwangsverpflichtung entstandenen Schäden an Leib und Leben gerichtet sei, den Versicherungsschutz auf den gesamten Aufenthalt der zum Schanzeinsatz Herangezogenen - auch während der Arbeitspausen - zu erstrecken.
II
Die Revision der Beigeladenen zu 1) ist nicht begründet.
Das LSG hat zutreffend entschieden, daß dem Kläger zu 2) gegen die Beigeladene zu 1) eine Verletztenrente aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung zusteht. Die Rente ist an den Kläger zu 2) jedoch nur insoweit zu zahlen, als der Anspruch nicht nach Art. 7 Abs. 3 der Dritten Zusatzvereinbarung - 3. ZV - zum Allgemeinen Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über Soziale Sicherheit vom 7. Dezember 1957 - Allgemeines Abkommen - über die Zahlung von Renten für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Abkommens, ebenfalls vom 7. Dezember 1957 (BGBl 1963 II 404), auf den Kläger zu 1) übergegangen ist, der nach belgischen Rechtsvorschriften an den Verletzten wegen der Unfallfolgen eine Rente zahlt.
Wie der erkennende Senat bereits in mehreren am 21. Januar 1972 ergangenen Urteilen entschieden hat (vgl. 2 RU 32/71, zur Veröffentlichung vorgesehen), ist die Frage, ob die Rentenansprüche aus Unfällen der hier vorliegenden Art begründet sind, nach den im Unfallzeitpunkt geltenden deutschen Rechtsvorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung zu beurteilen. Sowohl nach der Verordnung Nr. 3 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer vom 25. September 1958 (BGBl II 473 - EWG-VO Nr. 3 -, vgl. Art. 12 Abs. 1) als auch nach dem deutsch-belgischen Allgemeinen Abkommen (vgl. Art. 5 Abs. 1) unterliegen die Arbeitnehmer den Rechtsvorschriften des Mitglieds- bzw. Vertragsstaates, in welchem sie beschäftigt sind oder waren. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die EWG-VO Nr. 3 (vgl. Art. 4) mit der in ihren Anhang D aufgenommenen 3. ZV (vgl. Art. 6 Abs. 2 Buchst. e, Art. 5 Buchst. a der EWG-VO Nr. 3) oder ob das Allgemeine Abkommen iVm der 3. ZV anzuwenden ist.
Nach den von der Revision nicht angegriffenen und deshalb für das Bundessozialgericht (BSG) bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG ist der Kläger zu 2), nachdem sein mit der Deutschen Werft AG in H bestehendes Arbeitsverhältnis infolge der durch Kriegseinwirkung bedingten Stillegung des Werkes beendet worden war, im April 1945 mit anderen ausländischen Arbeitern auf Anordnung staatlicher Stellen zu Schanzarbeiten oder ähnlichen, der Verteidigung dienenden Aufgaben - typischen Notdienstleistungen - im Raum Lauenburg/Elbe herangezogen worden. Bei dieser Tätigkeit unterlag der Kläger zu 2) nach Abschnitt B Ziffer 1 des Erlasses des RAM vom 17. Oktober 1944 über die Sozialversicherung der im Notdienstverhältnis zu Schanzarbeiten und ähnlichen Aufgaben Herangezogenen (AN 1944, 280) unabhängig von der Dauer seines Einsatzes dem Schutz der reichsgesetzlichen Unfallversicherung. Der Erlaß galt nicht nur für die deutschen Notdienstverpflichteten. § 1 Abs. 4 der Notdienstverordnung vom 15. Oktober 1938 (RGBl I 1441), der eine Dienstverpflichtung ausländischer Arbeitnehmer ausschloß, ist außer Kraft gesetzt worden durch die Anordnung Nr. 10 des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz ... vom 22. August 1942 (RABl 1942, 382) iVm der 6. VO des Militärbefehlshabers in Belgien und Nordfrankreich (MBN) vom 6. Oktober 1942 (VOBl des MBN 1942, 1059).
Der Kläger zu 2) war hinsichtlich des Unfalls, den er am 28. April 1945 durch Kriegseinwirkung - Artilleriebeschuß - erlitt, nicht nach § 541 Nr. 9 RVO idF der Verordnung vom 16. April 1943 (RGBl I 267) "versicherungsfrei". Ausländische Arbeitnehmer erhielten nach dem Erlaß des RMdJ vom 3. Dezember 1943 (MBliV 1943, 1872) bei Personenschäden, die zugleich Arbeitsunfälle waren, nicht Fürsorge und Versorgung nach der Personenschädenverordnung vom 10. November 1940 (RGBl I 1482), sondern nur Leistungen aus der Reichsunfallversicherung (vgl. Erlaß des RAM vom 24. Januar 1944 in AN 1944, 41).
Im Ergebnis mit Recht hat das LSG die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls im Sinne des § 542 RVO idF des 6. Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom 9. März 1942 - RGBl I 107 - (RVO aF) für gegeben erachtet.
Dem Unfallversicherungsschutz steht nicht entgegen, daß der Kläger zu 2) bei einem Artilleriebeschuß verletzt worden ist. Auch schädigende Ereignisse durch Kriegseinwirkungen können rechtlich zugleich Arbeitsunfälle im Sinne der RVO sein (vgl. § 54 BVG; BSG 23, 79, 81; BSG, Urteil vom 21.1.1972 - 2 RU 32/71). Die Kriegsgefahr, von welcher der Kläger zu 2) betroffen wurde, war nicht eine sog. allgemein wirkende Gefahr, die - wie z.B. Erdbeben, Überschwemmungen und sonstige Naturkatastrophen - wegen eines nur rein zufälligen Zusammentreffens mit der Arbeitstätigkeit den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfall und Arbeitstätigkeit ausschließen würde (vgl. BSG, 2 RU 32/71). Allerdings ist die Prüfung, ob die Verletzung, die sich der Kläger zu 2) abends oder nachts - außerhalb des eigentlichen Arbeitseinsatzes - zugezogen hat, mit seiner Arbeitstätigkeit ursächlich zusammenhing, nicht deshalb entbehrlich, weil die im Notdienstverhältnis zu Schanzarbeiten und ähnlichen Aufgaben Herangezogenen "unabhängig von der Dauer ihres Einsatzes" dem Unfallversicherungsschutz unterlagen. Durch den Erlaß vom 17.10.1944 (aaO) hat der RAM in bezug auf die Unfallversicherung die für die Beurteilung des Sozialversicherungsverhältnisses damals bedeutsame Unterscheidung zwischen langfristigem und kurzfristigem Notdienst für die bei Schanzarbeiten oder ähnlichen Aufgaben Herangezogenen aufgehoben. Nur darauf bezieht sich die in dem Erlaß verwendete Formulierung, daß der Unfallversicherungsschutz "unabhängig von der Dauer" des Einsatzes bestehe. Auch die im Notdienstverhältnis zu Schanzarbeiten Herangezogenen waren folglich nicht allgemein während der gesamten Dauer ihres Einsatzes schlechthin bei jeder Betätigung - also auch bei rein eigenwirtschaftlichen Verrichtungen während der Arbeitspausen - gegen Arbeitsunfall versichert.
Wegen der besonderen Umstände, unter denen der Kläger zu 2) zu Schanzarbeiten und ähnlichen Aufgaben in Frontnähe eingesetzt war, ist es jedoch gerechtfertigt, seinen Aufenthalt am Einsatzort auch außerhalb der Arbeitstätigkeit hinsichtlich der versicherungsrechtlichen Beurteilung den Betätigungen gleichzuerachten, die unmittelbar der Errichtung von Verteidigungsanlagen dienten. Der Kläger zu 2) war infolge seiner Arbeitsverpflichtung der besonderen Gefahr ausgesetzt, auch außerhalb des Arbeitseinsatzes durch Kampfhandlungen - Artilleriebeschuß - verletzt zu werden; er ist der für seinen Arbeitsort in der Kampflinie typischen, gegenüber den Verhältnissen an seinem früheren Arbeitsort erhöhten Gefahr erlegen. Unter diesen tatsächlichen Umständen stand die Verletzung des Klägers zu 2) durch Artilleriebeschuß während des durch den Notdiensteinsatz bedingten Aufenthalts in der Nähe seiner behelfsmäßigen Unterkunft auch außerhalb der eigentlichen Arbeitstätigkeit in einem ursächlichen Zusammenhang mit den Schanzarbeiten. Der Kläger zu 2) hat somit einen Arbeitsunfall im Sinne des § 542 RVO aF erlitten.
Der dem Grunde nach gegebene Anspruch auf eine Verletztenrente aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung ist nicht durch § 54 BVG ausgeschlossen. Auf den Kläger zu 2) findet, da er wegen der Folgen der Granatsplitterverletzung einen Anspruch auf Versorgung gegen den belgischen Staat besitzt, das BVG keine Anwendung; zwischenstaatliche Vereinbarungen, die etwas anderes bestimmen, bestehen nicht (vgl. § 7 Abs. 2 BVG).
Zur Entschädigungsleistung ist die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung - Beigeladene zu 1) - verpflichtet.
Nach Abschn. B Ziffer 2 des Erlasses vom 17.10.1944 (aaO) war die Reichsausführungsbehörde für Unfallversicherung für die im Notdienstverhältnis zu Schanzarbeiten und ähnlichen Aufgaben Herangezogenen der zuständige Versicherungsträger. Die "nach bisherigen Vorschriften" bereits begründete "Zuständigkeit eines anderen Versicherungsträgers", die nach den Bestimmungen des Erlasses bestehen bleiben sollte, kommt im vorliegenden Fall, wie den bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG zu entnehmen ist, für die Heranziehung zu den - nicht nur "kurzfristigen" - Notdienstleistungen ohne Fortzahlung des Entgelts aus dem faktisch beendeten Arbeitsverhältnis mit der Deutschen Werft AG nicht in Betracht; mit Recht hat das LSG nicht die Beklagte als leistungspflichtig erachtet. Die Abwicklung der Aufgaben der RAfU obliegt nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 der Verordnung zur Überführung der Ausführungsbehörde für Unfallversicherung in der britischen Zone vom 14.3.1951 (BGBl I 190) der BAfU. Diese Vorschrift enthält zwar nur eine organisatorische Regelung in dem Sinne, daß die BAfU die für die Feststellung von neuen Leistungen und die Zahlung laufender Renten zuständige Stelle sein soll (vgl. BSG 15, 295, 297). Die Leistungspflicht der jetzt zuständigen Beigeladenen zu 1) ergibt sich jedoch auch für Nachzahlungsansprüche aus der gegenüber dem deutschen Recht vorrangigen zwischenstaatlichen Regelung der 3. ZV zum Allgemeinen deutsch-belgischen Abkommen, nach der Unfallrenten - frühestens vom 1.10.1944 an - selbst dann nachzuzahlen sind, wenn der ursprünglich zuständig gewesene Versicherungsträger nicht mehr besteht (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 16.12.1971 (2 RU 14/68 in SozR Nr. 1 zur 3. ZV zum Abk. Belgien SozSich Allg.).
Die Revision der Beigeladenen zu 1) war danach zurückzuweisen, allerdings mit der Maßgabe, daß die Entschädigung an den Kläger zu 1) - Königreich Belgien - zu leisten ist, soweit dieser an den Kläger zu 2) nach belgischen Rechtsvorschriften wegen der Verletzungsfolgen Leistungen erbracht hat und der Anspruch demzufolge nach Art. 7 Abs. 3 auf den belgischen Staat übergegangen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, daß nach Abs. 4 dieser Vorschrift die Aufwendungen ua der Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht erstattungsfähig sind. Das Urteil des LSG war daher insoweit aufzuheben, als der Beigeladenen zu 1) auferlegt worden ist, auch dem Kläger zu 1) die Kosten zu erstatten.
Fundstellen