Leitsatz (amtlich)
Der RAM-Erl vom 1942-09-26 über die Unfallversicherung angeworbener ausländischer Arbeitskräfte während des Transports (AN 1942, 512) ist auf zwangsverpflichtete Ausländer entsprechend anwendbar, und zwar auch auf Rückwege in den Heimatort.
Normenkette
RVO § 537 Nr. 1 Fassung: 1942-03-09, § 543 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1942-03-09; EWGV 3 Art. 12 Fassung: 1958-09-25; SozSichAbkZVbg BEL 3 Anh D Fassung: 1957-12-07
Tenor
Die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. April 1971 und des Sozialgerichts Detmold vom 20. Februar 1969 sowie der Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 1966 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin zu 2) Unfallentschädigung zu gewähren, und zwar an den Kläger zu 1), soweit der Anspruch auf ihn übergegangen ist.
Die Beklagte hat der Klägerin zu 2) die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin ist belgische Staatsangehörige. Sie war seit April 1943 mit ihrem Ehemann als dienstverpflichtete Arbeiterin bei einer Firma in K/Weser beschäftigt. Dort wohnten sie in einer Notunterkunft, die von der Arbeitgeberin auf ihrem Fabrikgelände für die ausländischen Arbeiter errichtet worden war. Ihre Wohnung in Belgien gaben sie nicht auf. Als es Ende März 1945 in der Nähe von Karlshafen zu Kampfhandlungen kam, wurden die Klägerin und ihr Ehemann mit anderen ausländischen Arbeitnehmern aus diesem Ort evakuiert. Nach Beendigung der Kampfhandlungen im Weserraum befanden sie sich am 20. April 1945 auf einem Fußmarsch in Richtung P. Sie wurden unterwegs von amerikanischen Soldaten auf einem Lkw mitgenommen, der nach P fuhr. Durch eine Minenexplosion erlitt die Klägerin u.a. eine Fraktur des linken Schenkelbeines, eine Versteifung des linken Knies, eine Lähmung der linken Gesichtshälfte und einen Nierenschnitt.
Wegen der Folgen des Unfalls erhält die Klägerin vom Kläger eine Rente.
Mit Schreiben vom 3. und 5. November 1965 beantragte der Kläger unter Bezugnahme auf das deutsch-belgische Sozialversicherungsabkommen, Unfallrente aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Er machte geltend, die Klägerin sei auf dem Rückweg von ihrer Arbeitsstelle nach Belgien verletzt worden.
Die Beklagte lehnte Entschädigungsansprüche aus Anlaß des Unfalls vom 20. April 1945 ab. Zur Begründung führte sie aus: Im Zeitpunkt des Unfalls habe ein Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Firma in K nicht mehr bestanden. Die Klägerin sei anläßlich ihrer Repatriierung, nicht aber auf einem mit der Betriebstätigkeit bei dieser Firma zusammenhängenden Weg von der Arbeitsstätte verunglückt.
Die Kläger haben Klage erhoben und vorgetragen, der Unfall habe sich auf dem versicherten Heimweg von der Arbeitsstätte nach Belgien ereignet.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 20. Februar 1969 abgewiesen: Der Weg, auf dem die Klägerin und ihr Ehemann am 20. April 1945 verunglückten, sei nicht als Weg im Sinne des § 543 Abs. 1 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) aF anzusehen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin im Zeitpunkt des Unfalls in Belgien noch eine Familienwohnung im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen gehabt hätte, da sie und ihr Ehemann im April 1945 bereits 2 Jahre zusammen in K gelebt hätten. Dieser Ort sei der Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse gewesen. Das gelte auch unter Berücksichtigung der Zwangsverpflichtung. Daraus ergäbe sich allenfalls, daß die Klägerin und ihr Ehemann nicht für immer hätten in Deutschland bleiben wollen. Die Frage des tatsächlichen Mittelpunktes ihrer Lebensverhältnisse werde dadurch aber nicht berührt. Die Rückkehr nach Belgien, bei der die Klägerin und ihr Ehemann am 20. April 1945 verunglückt seien, stelle sich daher als ein Teil der Repatriierung dar und nicht als ein Weg vom Arbeitsplatz zur Familienwohnung.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Kläger durch Urteil vom 19. April 1971 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei durch ihre Evakuierung Ende März 1945 aus K gelöst worden. Die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche könnten aber auch nicht auf § 543 Abs. 1 RVO aF gestützt werden. Es könne dahingestellt bleiben, ob mit Rücksicht auf die Arbeitsverpflichtung der Klägerin deren Wohnung in Belgien im Frühjahr 1945 noch als Familienwohnung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sei. Die geltend gemachten Ansprüche seien schon deshalb unbegründet, weil nicht als bewiesen angesehen werden könne, daß die Klägerin am 20. April 1945 auf einem Weg verunglückt sei, dessen Ziel ihre Wohnung in Belgien gewesen sei. Bei Berücksichtigung der am 20. April 1945 im Gebiet der Weser und in Westfalen herrschenden chaotischen Zustände sei vielmehr davon auszugehen, daß sich die Klägerin auf dem Weg zu einer Sammelstelle befunden habe und an diesem Tag noch nicht damit habe rechnen können und auch nicht damit gerechnet habe, daß sie in absehbarer Zeit nach Belgien zurückkehren könne. Sie habe sich nicht auf einem unmittelbaren Weg von ihrer Arbeitsstätte zu ihrer Wohnung in J befunden. Vom Versicherungsschutz erfaßt seien aber nur unmittelbare Wege zwischen dem Arbeitsplatz und der Familienwohnung.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Kläger haben dieses Rechtsmittel eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Die Klägerin habe aufgrund des Erlasses des Reichsarbeitsministers (RAM) vom 26. September 1942 auf dem Rückweg in ihre Heimat unter Versicherungsschutz gestanden. Außerdem lägen hier auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1 RVO aF vor. Entscheidend sei, daß der Weg nach der Familienwohnung mit der versicherten Tätigkeit in einem inneren ursächlichen Zusammenhang stehe. Das sei immer der Fall, wenn ein Arbeitnehmer gezwungen werde, seinen Arbeitsplatz zu verlassen, und auf dem Weg zu seiner Familienwohnung verunglücke. Der Ursachenzusammenhang mit der versicherten Tätigkeit scheitere auch nicht daran, daß die Klägerin nicht auf direktem Weg nach Belgien zurückgekehrt sei. Sie sei wegen der Kampfhandlungen und fehlender Transportmöglichkeiten gar nicht in der Lage gewesen, den Heimweg früher anzutreten.
Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts in Detmold vom 20. Februar 1969 zu ändern, die Bescheide der Beklagten vom 23. Februar 1966 aufzuheben, soweit sie die Klägerin zu 2) betreffen, und die Beklagte zu verurteilen, den Unfall der Klägerin zu 2) vom 20. April 1945 als versicherten Wegeunfall anzuerkennen und nach den gesetzlichen Bestimmungen zu entschädigen und die Ersatzansprüche des Klägers zu 1) insoweit zu befriedigen,
hilfsweise,
unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. April 1971 zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt u.a. aus: Der Erlaß des RAM vom 26. September 1942 könne einen Versicherungsschutz der Klägerin schon deshalb nicht begründen, weil die Klägerin nicht auf der "Rückbeförderung" verunglückt sei. Außerdem stehe ihre - der Beklagten - Zuständigkeit nicht fest, da nicht auszuschließen sei, daß die Klägerin nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses in K noch in einem anderen Unternehmen beschäftigt gewesen und damit die für dieses Unternehmen zuständige Berufungsgenossenschaft zur Entschädigung verpflichtet sei.
II
Die zulässige Revision ist begründet.
Die Frage, ob die Voraussetzungen für den mit der Klage geltend gemachten Anspruch auf Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung erfüllt sind, ist nach den deutschen Rechtsvorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung zu beurteilen. Sowohl nach der Verordnung Nr. 3 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer vom 25. September 1958 (BGBl 1959 II 473 - EWG-VO Nr. 3 - vgl. Art. 12) als auch nach dem Allgemeinen Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über Soziale Sicherheit vom 7. Dezember 1957 - Allgemeines Abkommen - (BGBl 1963 II 404) unterliegen die Arbeitnehmer den Rechtsvorschriften des Mitglieds- bzw. Vertragsstaates, in welchem sie beschäftigt sind oder waren. Es kann deshalb dahinstehen, ob die EWG-VO Nr. 3 (vgl. Art. 4) mit der in ihrem Anhang D aufgenommenen 3. Zusatzvereinbarung - 3. ZV - zum Allgemeinen Abkommen vom 7. Dezember 1957 (BGBl 1963 II 404; vgl. Art. 6 Abs. 2 Buchst. e, Art. 5 Buchst. a der EWG-VO Nr. 3) oder ob das Allgemeine Abkommen i.V.m. der 3. ZV anzuwenden sind.
Die Klägerin gehörte bei ihrer Beschäftigung in Karlshafen während des 2. Weltkrieges zu dem Kreis der gegen Arbeitsunfall versicherten Personen. Sie war aufgrund eines Arbeitsverhältnisses i.S. des - im Unfallzeitpunkt geltenden und deshalb hier maßgebenden - § 537 Nr. 1 RVO i.d.F. des Sechsten Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom 9. März 1942 (RGBl I 107 - RVO aF) tätig. Das den Versicherungsschutz begründende Beschäftigungsverhältnis in K war jedoch, wie das LSG zutreffend entschieden hat, mit der Evakuierung aus dieser Stadt beendet.
Nach Nr. 1 Satz 1 des Erlasses des RAM über die Unfallversicherung ausländischer Arbeitskräfte während des Transports vom 26. September 1942 (Az. II b 2214/42 A - AN S. 512) genossen die mit Zustimmung der Arbeitseinsatzverwaltung für eine Beschäftigung im Deutschen Reich im Generalgouvernement oder in den besetzten Gebieten angeworbenen ausländischen Arbeiter jedoch schon während der Beförderung zur ersten Arbeitsstelle und noch während der Rückbeförderung den Schutz der Reichsunfallversicherung nach den Vorschriften über die Entschädigung von Unfällen auf dem Wege von und zur Arbeitsstätte. Dieser Erlaß beruhte auf der Ermächtigung des § 9 der Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung vom 13. Februar 1939 (RGBl I 206) und ist unter Berücksichtigung der damaligen staatsrechtlichen Gegebenheiten (s. BVerfG 9, 63, 69; BSG 12, 157, 158 ff.; 18, 93, 95 ff,) als eine ausreichende Rechtsgrundlage für den Unfallversicherungsschutz der von ihm erfaßten Personen anzusehen.
Nr. 1 Satz 1 des Erlasses des RAM vom 26. September 1942 (aaO) erfaßte nach seinem Wortlaut allerdings nur die "angeworbenen" ausländischen Arbeiter, während die Klägerin aufgrund einer Dienstverpflichtung in Deutschland beschäftigt war. Die zwangsweise Beschäftigung belgischer Staatsangehöriger stützte sich jedoch auf die erst später erlassene Anordnung Nr. 10 des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz über den Einsatz von Arbeitskräften der besetzten Gebiete vom 22. August 1942 (RABl I 1942, 382) i.V.m. der 6. VO des Militärbefehlshabers in Belgien und Nordfrankreich über die Sicherstellung des Kräftebedarfs für Arbeiten von besonderer Bedeutung vom 6. Oktober 1942 (VO-Bl. des Militärbefehlshabers in Belgien und Nordfrankreich vom 7. Oktober 1942, S. 1059). Es ist deshalb davon auszugehen, daß der RAM in seinem Erlaß vom 26. September 1942 die - später - zwangsweise in Deutschland beschäftigten belgischen Staatsangehörigen nicht von dem Versicherungsschutz auf der Beförderung zur ersten Arbeitsstelle und der Rückbeförderung ausnehmen wollte. Dagegen spricht vor allem, daß alle mit Genehmigung der Arbeitseinsatzbehörden in Deutschland Beschäftigten und damit auch die zwangsweise zur Arbeit herangezogenen Ausländer dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterstellt waren. In den Erlassen nach Oktober 1942 fehlte deshalb eine Unterscheidung zwischen angeworbenen und zwangsweise zur Arbeit herangezogenen Ausländern (vgl. z.B. den Erlaß des RAM vom 18.5.1943 - AN S. 231 - und den Runderlaß des Reichsministers des Innern vom 3.12.1943 - AN 1944, 41). In dem Erlaß des RAM vom 18. Mai 1943 ist bestimmt, daß der Erlaß vom 26. September 1942 über die Unfallversicherung ausländischer Arbeitskräfte während des Transports auch für die Entschädigung von Unfällen gilt, die bei Urlaubsreisen ausländischer Arbeitskräfte während der Beförderung zwischen dem Beschäftigungsort und ihrem Heimatort eintreten, wenn der Urlaub vom Arbeitsamt genehmigt ist. Hier wird nicht mehr zwischen angeworbenen und zwangsverpflichteten Ausländern unterschieden. Der Erlaß des RAM vom 26. September 1942 ist deshalb entsprechend auf die dienstverpflichteten Ausländer anzuwenden.
Die Klägerin hat den Rückweg in ihre Heimat gemeinsam mit ihrem Ehemann angetreten. Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Erlaß vom 26. September 1942 noch davon ausging, daß die "Rückbeförderung" regelmäßig in einem organisierten Transport durchgeführt werde (vgl. den weiteren Erlaß des RAM vom 26.9.1942 - Az. II b 2216/42 A - über die Unfallversicherung der Begleiter von Arbeitertransporten außerhalb der Reichsgrenze - AN S. 512). Schon in der Nr. 2 des Erlasses vom 26. September 1942 war allerdings nicht der Ausdruck "Rückbeförderung", sondern "Rückreise" gewählt. Außerdem erstreckte der Erlaß vom 18. Mai 1943 (aaO) den Versicherungsschutz auch auf Urlaubsreisen ausländischer Arbeiter zwischen dem Beschäftigungs- und dem Heimatort. Für diese Reisen waren wohl nicht ausschließlich organisierte Transporte vorgesehen. Der Erlaß vom 26. September 1942 (Az. II b 2214/42 A - aaO) ist deshalb nach seinem Sinn und Zweck, auf dem Weg zur ersten Arbeitsstelle und später zurück in die Heimat Versicherungsschutz zu gewähren, zumindest entsprechend anwendbar, wenn ausländische Arbeiter wegen der Kriegsereignisse nicht mehr in einem organisierten Transport in ihre Heimat zurückbefördert werden konnten, sondern den Heimweg selbst antreten mußten.
Ob die Klägerin in Belgien noch eine Familienwohnung im Sinne des § 543 Abs. 1 Satz 2 RVO aF hatte, kann hier dahinstehen. Zwar begründete Nr. 1 des Erlasses des RAM vom 26. September 1942 (aaO) Versicherungsschutz "nach den Vorschriften über die Entschädigung von Unfällen auf dem Wege von und zur Arbeitsstätte". Damit waren jedoch nur die gesetzlichen Voraussetzungen für den Versicherungsschutz gemeint, die außerdem erfüllt sein mußten, um den Versicherungsschutz auf dem Weg zwischen dem Ort der Beschäftigung und dem Heimatort zu begründen, insbesondere der Kausalzusammenhang zwischen dem Weg und der zum Unfall führenden Verrichtung und der versicherten Tätigkeit. Dazu zählte nicht das Vorhandensein einer Familienwohnung. Sonst wäre der Erlaß vom 26. September 1942 (aaO) hinsichtlich des Versicherungsschutzes während des Rückweges überflüssig gewesen; denn § 543 Abs. 1 Satz 2 RVO aF galt auch für ausländische Arbeitskräfte, die während des Zweiten Weltkrieges in Deutschland beschäftigt waren. Ebenso setzte der Erlaß vom 18. Mai 1943 (aaO) für den Versicherungsschutz auf Urlaubsreisen zwischen dem Beschäftigungsort und dem Heimatort nicht voraus, daß am Heimatort eine Familienwohnung weiter bestanden hat.
Nach "den Vorschriften über die Entschädigung von Unfällen auf dem Weg von und zur Arbeitsstätte", die nach Nr. 1 des Erlasses des RAM vom 26. September 1942 zu beachten waren, mußten jedoch - wie auch nach den nunmehr geltenden Vorschriften - ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Weg von der Arbeitsstätte - hier dem Weg nach Belgien - bestehen.
Der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit der Klägerin und dem Rückweg entfiel nicht, weil die Klägerin den Heimweg nicht unmittelbar nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses in K und nicht von dieser Stadt, sondern von dem Ort der Evakuierung aus antrat. Der Unterbrechung des Zurücklegens des Weges, während der kein Versicherungsschutz besteht, wird allerdings gleichgestellt, wenn der Versicherte vor dem Weg von dem Ort der Tätigkeit eine private Verrichtung einschiebt und den Heimweg später antritt (vgl. BSG SozR Nr. 7 zu § 543 RVO aF; Brackmann; Handbuch der Sozialversicherung, 1.-7. Aufl., S. 486 s I). Nach Beendigung der Unterbrechung - hier auf dem Weg nach Belgien - ist der Versicherungsschutz grundsätzlich wieder gegeben. Der Versicherungsschutz lebt jedoch nach der Unterbrechung nicht auf, wenn aus Dauer und Art der Unterbrechung - auch vor Antritt des Heimweges - auf eine endgültige Lösung des Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Weg von dem Ort dieser Tätigkeit geschlossen werden kann (vgl. u.a. BSG 10, 226, 228; BSG SozR Nr. 7, 29, 41, 51 zu § 543 RVO aF; BSG SozR Nr. 7 zu § 550 RVO; Brackmann aaO S. 486 w; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Auf., § 550 Anm. 17 Buchst. a und Anm. 18 jeweils mit weiteren Nachweisen). Die den endgültigen Verlust des Versicherungsschutzes bewirkende Lösung des Zusammenhanges des Weges von dem Ort der Tätigkeit mit der versicherten Tätigkeit darf jedoch nicht allein danach beurteilt werden, welche Zeitdauer die Unterbrechung beansprucht hat; maßgebend sind vielmehr die näheren Umstände, welche die Unterbrechung nach Art und Dauer im Einzelfall kennzeichnen, wobei das Zeitmoment nur eines von mehreren Wesensmerkmalen ist (vgl. Brackmann aaO S. 486 x mit weiteren Nachweisen). Nach den gesamten Umständen des vorliegenden Falles ist der Kausalzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Heimweg nach Belgien nicht durch die Evakuierung verloren gegangen. Auch die von der Revision angeführten Entscheidungen gehen von dieser Rechtsauffassung aus. Insbesondere das Reichsversicherungsamt (RVA) hat in seiner Entscheidung vom 14. November 1941 (EuM 48, 362, 363) ausgeführt: "So tritt - ohne Rücksicht auf die zeitliche Dauer - die Lösung nicht ein, wenn die Verzögerung auf Umständen beruht, die vom Willen des Versicherten unabhängig sind (zB Erkrankung, Abwarten günstiger Fahrgelegenheit) ...". Die Klägerin war nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG durch nicht in ihrem privaten Lebensbereich liegende Umstände daran gehindert, unmittelbar nach Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses den Heimweg anzutreten. Die besonderen Verhältnisse der letzten Kriegswochen haben sowohl das Beschäftigungsverhältnis beendet als auch die Klägerin gezwungen, zunächst in die Evakuierung und nicht nach Hause zu fahren. Deshalb steht dem Versicherungsschutz auf dem Rückweg ebenfalls nicht entgegen, daß die Klägerin ihn nicht von K, sondern von dem Ort aus angetreten hat, in den sie evakuiert worden war. Es bedarf somit keiner Feststellung, ob die Klägerin außerdem nicht auf einem Weg verunglückt ist, den sie auch von K zurückgelegt hätte.
Die Klägerin stand entgegen der Auffassung des LSG auch im Zeitpunkt des Unfalls unter Versicherungsschutz. Sie befand sich auf dem Rückweg in ihre Heimat. Es kann dahinstehen, ob sie nicht auf dem kürzesten Weg in ihren Heimatort, sondern - wie das LSG annimmt - auf einem Umweg (s. Brackmann aaO, S. 486 q ff.) z.B. zu einer Sammelstelle, verunglückt ist. Auch auf einem Umweg besteht Versicherungsschutz, wenn er wesentlich der Zurücklegung des Weges von der Arbeitsstätte - hier den versicherten Rückweg in die Heimat - dient, und für die Wahl des weiteren Weges keine Gründe maßgebend waren, die allein oder überwiegend dem privaten Lebensbereich der Versicherten zuzurechnen waren (vgl. BSG 4, 219, 222; BSG Nr. 21, 34, 42 zu § 543 RVO aF; BSG SozR Nr. 8 zu § 550 RVO; Brackmann, aaO S. 486 q I). Die Klägerin hat den - zugunsten der Beklagten unterstellten - Umweg zur Sammelstelle in der Erwartung unternommen, dadurch sicherer und schneller ihre Heimat zu erreichen. Dieser Fall ist unter Berücksichtigung des Rückweges der Klägerin bis nach Belgien in den noch unmittelbaren Kriegswirren versicherungsrechtlich nicht anders zu beurteilen als der - ebenfalls versicherte - Umweg eines Versicherten über eine weniger verkehrsreiche und damit sicherere und gegebenenfalls auch schneller nach Hause führende Straße (vgl. u.a. BSG Bd. 4 aaO; BSG SozR Nr. 21, 33 zu § 543 RVO aF; Brackmann aaO S. 486 q II). Deshalb ist der Versicherungsschutz entgegen der Auffassung des LSG auch nicht ausgeschlossen, weil die Klägerin damals nicht voraussehen konnte, wann sie ihren Heimatort erreichen werde. Entscheidend ist, daß die Klägerin diesen Weg unternommen hat, um - so schnell wie nur nach den damaligen allgemeinen Verhältnissen möglich - in ihre Heimat zu gelangen.
Die Klägerin hat somit auch im Zeitpunkt des Unfalles auf ihrem Rückweg nach Belgien unter Versicherungsschutz gestanden.
Die Beklagte ist auch der für die Entschädigung der Klägerin zuständige Versicherungsträger.
Die Zuständigkeit der Träger der Unfallversicherung richtet sich bei Fällen während der Beförderung zur ersten Arbeitsstelle nach dem Unternehmen, für das der Verletzte angeworben worden ist, bei Unfällen während der Rückbeförderung nach dem Unternehmen, in dem der Verletzte vor Antritt der Rückreise zuletzt beschäftigt war (Nr. 2 Satz 1 des Erlasses des RAM vom 26. September 1942 - aaO). Die Klägerin war vor Antritt der Rückreise bei einem Unternehmen in Karlshafen tätig, das bei der Beklagten versichert war. Es bestehen entgegen der Auffassung der Beklagten nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG und den Angaben der Klägerin keine Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin nach ihrer Evakuierung aus K noch ein neues Beschäftigungsverhältnis eingegangen ist.
Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG ist ein Entschädigungsanspruch der Klägerin wenigstens in einer Mindesthöhe gegeben. Der Senat hat die Beklagte deshalb dem Grunde nach zur Entschädigungsleistung verurteilen können. Solange die Klägerin sich im Ausland aufhält, sind jedoch die Ruhensvorschriften zu beachten, soweit die zwischenstaatlichen Vereinbarungen nicht etwas anderes bestimmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen