Leitsatz (amtlich)
Bemessungsgrundlage des Arbeitslosengeldes ist bei Strafgefangenen, die bis zum Ende der Haft eine Berufsausbildung durchlaufen und abgeschlossen haben - wie bei anderen Auszubildenden - die Hälfte des fiktiven Arbeitsentgelts nach § 112 Abs 7 AFG. § 112 Abs 5a AFG idF vom 22.12.1981 gilt entsprechend.
Normenkette
AFG § 112 Abs 5 Nr 2; AFG § 112 Abs 5 Nr 10; AFG § 112 Abs 5a Fassung: 1981-12-22; AFG § 112 Abs 7
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 10.04.1987; Aktenzeichen L 6 Ar 24/86) |
SG Mainz (Entscheidung vom 20.01.1986; Aktenzeichen S 2 Ar 260/85) |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die beklagte Bundesanstalt (BA) bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes (Alg) eines ehemaligen Strafgefangenen, der während der Haft eine Berufsausbildung durchlaufen und diese erfolgreich abgeschlossen hat, ein auf die Hälfte gekürztes fiktives Arbeitsentgelt oder ein ungekürztes fiktives Entgelt nach § 112 Abs 7 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) zugrunde zu legen hat.
Der 1948 geborene Kläger, der zuvor als Kellner versicherungspflichtig beschäftigt gewesen war, befand sich ab 1976 in Strafhaft. Vom 15. November 1983 bis 8. Juni 1985 nahm er erfolgreich an einer beruflichen Umschulungsmaßnahme zum Koch teil. Am 11. Juni 1985 wurde er aus der Haft entlassen. Auf seinen Antrag bewilligte ihm die Beklagte ab 12. Juni 1985 Alg in Höhe von wöchentlich 57,60 DM (Bescheid vom 26. Juni 1985, Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 1985). Sie ging dabei gemäß § 112 Abs 5a AFG von der Hälfte des Arbeitsentgelts nach § 112 Abs 7 AFG aus, weil der Kläger im maßgeblichen Bemessungszeitraum in einem Berufsausbildungsverhältnis gestanden und die Abschlußprüfung bestanden habe. Die Beitragspflicht als Gefangener ändere hieran nichts.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Abänderung der ergangenen Bescheide verurteilt, Alg nach einem ungekürzten fiktiven Entgelt nach § 112 Abs 7 AFG zu zahlen (Urteil vom 20. Januar 1986). Die zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 10. April 1987) und ausgeführt, die Bemessung des Alg richte sich bei einem ehemaligen Gefangenen nach § 112 Abs 5 Nr 10 AFG, nicht nach § 112 Abs 5a AFG. Im Hinblick auf die besondere Lebenssituation des entlassenen Gefangenen stelle § 112 Abs 5 Nr 10 AFG eine spezielle Regelung dar, für die § 112 Abs 5 Nr 2 und Abs 5a AFG nicht gelten könnten. Denn die Lebensumstände der durch diese Vorschriften erfaßten Absolventen einer Berufsausbildung seien mit der Lage der Gefangenen grundsätzlich nicht vergleichbar.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 112 Abs 5a AFG und macht geltend, der Kläger sei im Bemessungszeitraum zur Berufsausbildung beschäftigt gewesen. Daher sei gemäß § 112 Abs 5a AFG das Alg nach einem Arbeitsentgelt in Höhe der Hälfte des Arbeitsentgelts nach § 112 Abs 7 AFG zu bemessen. Dies gebiete auch Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes. Denn zwingende Gründe, im Bemessungszeitraum zur Berufsausbildung beschäftigte Arbeitslose bei der Berechnung des Alg schlechter zu stellen als im Bemessungszeitraum zur Berufsausbildung beschäftigte Strafgefangene lägen nicht vor.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG und das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höheres Alg. Die Beklagte hat zu Recht bei der Bemessung des Alg die Bestimmung des § 112 Abs 5a AFG auch auf den Fall des Arbeitsentgelts nach § 112 Abs 5 Nr 10 AFG angewandt.
Das Alg beträgt nach § 111 Abs 1 AFG, der hier idF des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I S 1556) anzuwenden ist, für Arbeitslose, die - wie der Kläger - mindestens ein Kind iS des § 32 Abs 4, 6 und 7 des Einkommensteuergesetzes haben, 68 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts. Dies ist das im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt. Bemessungszeitraum sind die letzten vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten, insgesamt 20 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs (§ 112 Abs 2 und Abs 3 Satz 1 AFG in der hier maßgeblichen Fassung).
Die letzte die Beitragspflicht begründende Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs am 12. Juni 1985 war die während der Inhaftierung vom Kläger erfolgreich abgeschlossene Berufsausbildung zum Koch. In dieser Zeit war er als Gefangener nach § 168 Abs 3a AFG beitragspflichtig. Diese Regelung begründet in Satz 1 die Beitragspflicht von Gefangenen iS von § 163a Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO), die Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe oder Ausfallentschädigung erhalten. Die Zeit, in der der Arbeitslose als Gefangener beitragspflichtig war (§ 163 Abs 3a RVO), steht einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleich (§ 107 Nr 6 AFG). Abweichend von § 112 Abs 2 AFG ist gemäß § 112 Abs 5 Nr 10 AFG bei der Feststellung des Arbeitsentgelts für die Zeit, in der der Arbeitslose als Gefangener beitragspflichtig war (§ 168 Abs 3a AFG), das Arbeitsentgelt nach Abs 7 zugrunde zu legen.
Ebenfalls abweichend von § 112 Abs 2 AFG ist gemäß § 112 Abs 5a AFG bei Arbeitslosen, die im Bemessungszeitraum nach Abs 3 Satz 1 zur Berufsausbildung beschäftigt waren und die Abschlußprüfung bestanden haben, ein Arbeitsentgelt in Höhe der Hälfte des Arbeitsentgelts nach Abs 7, mindestens das Arbeitsentgelt der Beschäftigung zur Berufsausbildung, zugrunde zu legen. Diese durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S 1497) eingeführte Regelung dient der Gleichbehandlung der Auszubildenden und überträgt die inhaltsgleiche Regelung des § 112 Abs 5 Nr 2 AFG auch auf den Auszubildenden, der nach Abschluß der Prüfung lediglich bis zum Ablauf des Lohnabrechnungszeitraumes mit Facharbeiterlohn weiterbeschäftigt worden ist (vgl BT-Drucks 9/966 S 80). Zwar ist § 112 Abs 5a AFG durch das Siebte Gesetz zur Änderung des AFG vom 20. Dezember 1985 (BGBl I S 2484) mit Wirkung ab 1. Januar 1986 aufgehoben worden (Art 1 Nr 24c, Art 13). Gleichzeitig wurde jedoch in der Überleitungsvorschrift des § 242f Abs 5 AFG bestimmt, daß § 112 Abs 5a AFG in der bis zum 31. Dezember 1985 geltenden Fassung (aF) für Ansprüche, die vor dem 1. Januar 1986 entstanden sind, weiterhin anzuwenden ist (Art 1 Nr 52).
Sowohl § 112 Abs 5a AFG aF als auch § 112 Abs 5 Nr 10 AFG lassen somit eine fiktive Bemessung des Alg nach einem zukünftig erzielbaren tariflichen oder ortsüblichen Entgelt zu, allerdings mit dem Unterschied, daß § 112 Abs 5 Nr 10 AFG für Gefangene, die eine Berufsausbildung erhalten und die Abschlußprüfung bestanden haben, eine hälftige Kürzung des fiktiven Arbeitsentgelts nach § 112 Abs 7 AFG nicht ausdrücklich vorsieht.
Das LSG hat dem Wortlaut des § 112 Abs 5 Nr 10 AFG und der Entwicklung dieser Vorschrift entnommen, der Gesetzgeber habe im Hinblick auf die besondere Lebenssituation der entlassenen Gefangenen von einer Kürzung ihres fiktiven Arbeitsentgelts abgesehen und insoweit bewußt eine Sonderregelung getroffen. Dieser auch in der Literatur vertretenen Rechtsauffassung (vgl Heuer in Hennig/Kühl/Heuer, Kommentar zum AFG, § 112 Anm 10 zu Nr 2; Gemeinschaftskommentar-AFG, Band 2, § 112 Anm 48; Schieckel, AFG, § 112 Anm V zu Nr 2), kann jedoch nicht gefolgt werden. Aus der Gesetzesentwicklung ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine abschließende Regelung.
Grundlage für die Einbeziehung der Strafgefangenen in das System der Arbeitsförderung war das am 1. Januar 1977 in Kraft getretene Strafvollzugsgesetz (StVollzG) vom 16. März 1976 (BGBl I S 581), dessen Konzept wesentlich darauf zugeschnitten war, den Gefangenen durch Anleitung zur Arbeit zu eigener Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu befähigen (vgl § 37 Abs 1 StVollzG). Durch § 194 Nr 5 StVollzG ist in § 168 Abs 3a AFG eine Beitragspflicht auch für Gefangene eingeführt und durch § 193 Nr 3 StVollzG der Vorschrift des § 112 Abs 5 AFG eine Nr 6 angefügt worden. § 112 Abs 5 Nr 6 AFG, aus dem durch das AFKG mit Wirkung ab 1. Januar 1982 inhaltlich unverändert die Nr 10 des § 112 Abs 5 AFG wurde (Art 1 § 1 Nr 40 Buchst c cc; Art 18 AFKG), sah für die Feststellung des Arbeitsentgelts des Gefangenen den der Beitragsberechnung zugrunde gelegten Betrag vor und vereinheitlichte damit die Berechnungsgrundlagen für Beiträge und Leistungen. Die Beiträge und demgemäß auch die Leistungen für Gefangene errechneten sich nicht aus deren - in der Regel niedrigem - Arbeitsverdienst (vgl § 200 Abs 1 StVollzG), sondern es erfolgte eine Pauschalberechnung nach dem Bruttojahresarbeitsentgelt (vgl § 175 Abs 3 AFG iVm § 1 der Gefangenen-Beitragsverordnung vom 14. März 1977 - BGBl I S 448 -). Abweichend davon richtete sich die Alhi eines ehemaligen Gefangenen, der keinen Alg-Anspruch erworben hatte, gemäß § 136 Abs 2 Nr 2 AFG nach dem fiktiven Arbeitsentgelt des § 112 Abs 7 AFG. In Angleichung an diese schon bei der Alhi geltende Regelung ist deshalb durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 die bisherige Regelung des § 112 Abs 5 Nr 10 AFG dahingehend geändert worden, daß nunmehr auch für die Bemessung des Alg ehemaliger Gefangener das fiktive Arbeitsentgelt nach § 112 Abs 7 AFG zugrunde zu legen ist.
Wie in der Begründung des Regierungsentwurfs zum Haushaltsbegleitgesetz 1984 (BT-Drucks 10/335 S 85) ausgeführt ist, soll sich das Alg "wie die Arbeitslosenhilfe eines ehemaligen Gefangenen ... künftig nach dem Arbeitsentgelt richten, das er im Falle der Arbeitsaufnahme verdienen kann". Damit werde "den beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten des ehemaligen Gefangenen auch bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes Rechnung getragen". Der Bundesrat (vgl BT-Drucks 10/335 S 100) hatte damals Bedenken gegen die einseitige Regelung auf der Leistungsseite erhoben, "die aller Voraussicht nach bei gleichem Beitragsaufkommen zu Minderleistungen für entlassene Gefangene führen (werde)". Er hatte deshalb für die beitragspflichtigen Länder "eine entsprechende Entlastung auf der Beitragsseite" gefordert. Diese Bedenken des Bundesrates, denen nicht Rechnung getragen worden ist, und die allgemeine Zielsetzung des Haushaltsbegleitgesetzes 1984, das speziell im Bereich der Arbeitslosenversicherung Einsparungen beabsichtigte (BT-Drucks 10/335 S 61f), machen deutlich, daß der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 112 Abs 5 Nr 10 AFG keine besondere Begünstigung für ehemalige Gefangene beabsichtigte, sondern in Angleichung an die Alhi-Regelung auch das Alg eines ehemaligen Gefangenen nach dem zukünftig erzielbaren tariflichen oder ortsüblichen Entgelt bemessen wissen wollte.
Aus der Entwicklung des § 112 Abs 5 Nr 10 AFG ergibt sich also nicht, daß der Gesetzgeber damit eine abschließende Regelung für Gefangene schaffen und sie leistungsrechtlich besser stellen wollte als andere ausgebildete Berufsanfänger mit Abschlußprüfung, die von § 112 Abs 5a AFG aF oder § 112 Abs 5 Nr 2 AFG erfaßt werden. Vielmehr spricht gerade die Angleichung an die Regelung bei der Alhi dafür, daß § 112 Abs 5a AFG auch auf den ehemaligen Gefangenen Anwendung finden soll, der während der Haft eine Berufsausbildung abgeschlossen hat. Denn für die Alhi bestimmt § 136 Abs 2 Nr 2 zweiter Halbsatz AFG idF des Haushaltsbegleitgesetzes 1984, daß bei Arbeitslosen, die während der letzten Beschäftigungszeit (§ 117 Abs 3 Satz 4 AFG) zur Berufsausbildung beschäftigt waren und die Abschlußprüfung bestanden haben, nicht weniger als die Hälfte des Arbeitsentgelts nach § 112 Abs 7 AFG zugrunde zu legen ist. Es gilt also auch hier die Bemessungsvorschrift für Berufsanfänger wie in § 112 Abs 5a AFG aF, § 112 Abs 5 Nr 2 AFG.
Der Anwendung des § 112 Abs 5a AFG aF auf den Fall des § 112 Abs 5 Nr 10 AFG steht auch nicht eine vom LSG angenommene andersartige gesetzgeberische Zielsetzung der Bemessungsvorschrift für Berufsanfänger entgegen. Hinter der einschränkenden Regelung des § 112 Abs 5a AFG aF wie des mehrfach geänderten § 112 Abs 5 Nr 2 AFG, die bereits bei Einführung der Bemessungsvorschrift für ehemalige Gefangene bestand, steht die Überlegung, daß es sozialpolitisch nicht vertretbar ist, das Alg eines Arbeitnehmers, der mit Abschluß seiner Ausbildung arbeitslos wird, nach dem vollen fiktiven Arbeitsentgelt des § 112 Abs 7 AFG zu bemessen, weil sich dann die meist erheblich über der zuletzt bezogenen Ausbildungsvergütung liegende Leistung als Hemmnis für eine alsbaldige Vermittlung in Arbeit auswirken könne. Hinzu kommt, daß der Lebensstandard im Bemessungszeitraum vor Eintritt der Arbeitslosigkeit durch die Ausbildungsvergütung bestimmt gewesen ist und die Leistungen bei Arbeitslosigkeit es dem Arbeitslosen lediglich ermöglichen sollen, seinen bisherigen Lebensstandard annähernd beizubehalten (vgl BT-Drucks 8/857 S 8; BT-Drucks 9/966 S 80). Dies gilt auch für den ehemaligen Gefangenen, der während der Haft in der Bemessungszeit eine Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen hat. Denn auch bei ihm liegt - wie der Fall des Klägers zeigt - das fiktive Arbeitsentgelt nach § 112 Abs 7 AFG erheblich höher.
Eine Begünstigung des Gefangenen gegenüber anderen Berufsanfängern läßt sich auch nicht damit rechtfertigen, daß das Berufsausbildungsverhältnis in einer Justizvollzugsanstalt (JVA) anders geartet sei als eine Berufsausbildung iS des § 112 Abs 5a AFG und des § 112 Abs 5 Nr 2 AFG. Der Begriff der Berufsausbildung ist in § 1 Abs 1 des Berufsausbildungsgesetzes (BBiG) vom 14. August 1969 (BGBl I S 1112) erläutert (vgl Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, Band I, § 112 Anm 10, S 102/18; § 168 Anm 13). Aus den Bestimmungen des BBiG ergibt sich nicht, daß regelförmige Berufsausbildungsverhältnisse zu einer JVA nicht bestehen können. Daß sich die Beitragspflicht dieses Berufsausbildungsverhältnisses nicht aus § 168 Abs 1 Satz 1 AFG, sondern aus einer der anschließenden Sonderregelungen (hier aus § 168 Abs 3a AFG) ergibt, steht angesichts des Gleichstellungszwecks dieser Sonderregelungen einer entsprechenden Anwendung des § 112 Abs 5a AFG aF nicht entgegen. Insoweit gelten hier die der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22. März 1979 (BSGE 48, 129 = SozR 4100 § 134 Nr 13) zugrundeliegenden Überlegungen. Danach ist nach Absicht und Inhalt des StVollzG und des § 168a Abs 3a AFG die Tätigkeit des Gefangenen einer Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gleichgestellt, und es kommt für den Begriff der Beschäftigung nicht darauf an, daß der Gefangene seine Tätigkeit in der Strafhaft nicht im Rahmen eines freibegründeten Arbeitsverhältnisses geleistet hat (BSG aaO S 133 f). Aus Gründen der Gleichstellung mit den anderen Berufsanfängern hat der Gesetzgeber selbst für die nach § 168 Abs 1 Satz 3 AFG beitragspflichtigen Behinderten in § 112 Abs 5 Nr 4 AFG idF des 21. Rentenanpassungsgesetzes vom 25. Juli 1978 (BGBl I S 1098) - jetzt § 112 Abs 5 Nr 7 AFG - für den Fall der Ausbildung mit erfolgreicher Abschlußprüfung eine entsprechende Anwendung der Kürzungsvorschrift des § 112 Abs 5 Nr 2 AFG vorgesehen (BT-Drucks 8/1601 S 34; vgl BSG-Urteil vom 23. September 1980 - 7 RAr 95/79 - Beiträge 1981, S 245).
Einer Gleichstellung ehemaliger Gefangener mit anderen Berufsanfängern steht endlich auch nicht eine - vom LSG nicht näher geklärte - Unterschiedlichkeit der Lebensverhältnisse beider Personengruppen entgegen. Denn selbst wenn bei Gefangenen, die in der Haft eine Berufsausbildung abschließen, andere Lebensumstände - wie beispielsweise höheres Alter, häufigere eheliche oder familiäre Unterhaltsverpflichtungen - anzutreffen wären, könnten diese besonderen Lebensumstände nur im Rahmen des Strafvollzugs berücksichtigt werden (vgl BT-Drucks 7/918 S 63f). Nach der Haftentlassung können diese besonderen Lebensumstände auf die Bemessung des Alg keinen Einfluß haben. Denn wie bereits ausgeführt, soll das Alg dem Arbeitslosen nur ermöglichen, seinen bisherigen Lebensstandard annähernd beizubehalten. Es orientiert sich nicht am etwaigen besonderen Bedarf des Arbeitslosen und erlaubt daher auch keine Bevorzugung von Gefangenen aus Gründen der Resozialisierung, zumal sich dies bei Berufsanfängern - wie bereits dargestellt - als Hemmnis für die alsbaldige Vermittlung in Arbeit auswirken könnte.
Dieses Ergebnis widerspricht nicht etwa deshalb dem Gleichbehandlungsgrundsatz, weil sich das Alg eines ehemaligen Gefangenen, der in der Haft im Bemessungszeitraum gegen Entgelt gearbeitet und dann mangels geeigneter Arbeit Ausfallentschädigung bezogen hat (§§ 43, 44 StVollzG), nach dem ungekürzten fiktiven Arbeitsentgelt des § 112 Abs 7 AFG bemißt, während der ehemalige Gefangene, der, wie der Kläger, zur Berufsausbildung beschäftigt war und diese mit Erfolg abgeschlossen hat, nur die Hälfte des fiktiven Arbeitsentgelts erhält. Es handelt sich nämlich um eine Einbuße, die auch die sonstigen arbeitslosen Berufsanfänger, insbesondere auch Gefangene, die im sogenannten "Freigang" in einem Ausbildungsverhältnis stehen (vgl Weber, Beiträge 1976 S 353), trifft. Sie wird im übrigen teilweise dadurch ausgeglichen, daß die fiktive Bemessung des Alg nach dem im Ausbildungsberuf zukünftig erzielbaren tariflichen oder ortsüblichen Entgelt erfolgt, das regelmäßig und auch im Falle des Klägers erheblich über der tatsächlich gezahlten Ausbildungsvergütung liegt.
Sachliche Gründe für eine leistungsrechtliche Besserstellung ehemaliger Gefangener sind somit nicht gegeben. Damit deckt sich der Wortlaut und der Gesamtzusammenhang des § 112 AFG. Der Gesetzgeber hat hier in einem eigenen Absatz 5a ganz allgemein "Arbeitslose" erfaßt, die im maßgeblichen Bemessungszeitraum zur Berufsausbildung beschäftigt waren und die Abschlußprüfung bestanden haben. Die Beklagte hat daher auch beim Kläger zu Recht der Bemessung des Alg die Hälfte des fiktiven Arbeitsentgelts nach Abs 7 zugrunde gelegt.
Die angefochtenen Urteile sind daher aufzuheben; die Klage ist abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen