Beteiligte
…, Kläger und Revisionskläger |
Bundesbahn-Versicherungsanstalt,Bezirksleitung Münster,Münster, Bahnhofstraße 1-5, Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 1246 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zusteht.
Der 1928 geborene Kläger war nach der Volksschule zunächst als landwirtschaftlicher Gehilfe tätig. Eine sich anschließende Lehre als Former schloß er 1950 mit der Gehilfenprüfung ab. Bis September 1963 war er in seinem erlernten Beruf oder als Lagerarbeiter, Wäschereiarbeiter, Schleifer und Metallarbeiter beschäftigt. Am 10. September 1963 trat er in den Dienst der Deutschen Bundesbahn. Er war zunächst bis Ende Oktober 1964 als Bahnunterhaltungsarbeiter, vom 1. November 1964 bis 7. März 1971 als Rangierarbeiter, vom 8. März 1971 bis 5. August 1973 als Betriebsaufseher und vom 6. August bis 31. August 1973 als Betriebshauptaufseher rentenversicherungspflichtig beschäftigt. Als Bahnunterhaltungsarbeiter wurde er nach Lohngruppe VII, als Rangierarbeiter nach Lohngruppe V, als Betriebsaufseher nach Lohngruppe IV und nach Bewährung ab 1. Oktober 1971 nach Lohngruppe III und als Betriebshauptaufseher nach Lohngruppe II des geltenden einschlägigen Tarifvertrages entlohnt. Mit Wirkung vom 6. August 1973 war dem Kläger ein Baufs (Rg)4-Dienstposten auftragsweise zugeteilt worden. Entsprechend der im November 1972 erfolgten Aufnahme in die Vormerkliste der Bundesbahn für die (Beamten-)Laufbahn der Fachrichtung Rangierdienst durchlief der Kläger in der Zeit vom 2. Juli 1973 bis 17. September 1973 (Ablegung der Anstellungsprüfung) diese laufbahnmäßige Ausbildung. Am 1. Oktober 1973 wurde er in das Beamtenverhältnis übernommen und trat wegen Dienstunfähigkeit mit Ablauf des Monats Oktober 1983 in den Ruhestand. Den im Juni 1983 gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung einer Versichertenrente wegen Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeit lehnte die Beklagte nach Einholung eines fachinternistischen Sachverständigengutachtens durch Bescheid vom 14. September 1983 ab.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht (SG) durch Urteil vom 9. November 1984 ab. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung wies das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 26. Juni 1986 als unbegründet zurück. Da der Kläger sich aus seinem erlernten und eine Zeitlang verrichteten Beruf des Formers spätestens im September 1968 aus anderen als gesundheitlichen Gründen gelöst habe, sei für die Beurteilung seiner Erwerbsfähigkeit die Tätigkeit eines Betriebsaufsehers im Rangierdienst ausschlaggebend, die er in der Zeit vom 8. März 1971 bis August 1973 versicherungspflichtig ausgeübt habe. Die Einstufung des Klägers in die Lohngruppe III des Lohntarifvertrages sei für die Bestimmung seines bisherigen Berufes ebenfalls unbeachtlich, weil diese im Oktober 1971 erfolgte Höherstufung nicht dem objektivqualitativen Wert der ausgeübten Tätigkeit entsprochen habe, sondern im Wege des Bewährungsaufstiegs und damit aus qualitätsfremden Motiven erfolgt sei. Auszugehen für die Beurteilung sei damit von der Lohngruppe IV. Die Gesamtschau des die Beschäftigung der Arbeiter im Beamtendienst betreffenden fünf Lohngruppen umfassenden Lohnsystems sowie ein Vergleich mit den acht Lohngruppen, in die im Arbeiterdienst beschäftigte Arbeiter einzustufen sind, ließen die Feststellung zu, daß es sich bei den der Lohngruppe IV zugeordneten Tätigkeiten allenfalls um angelernte Beschäftigungen handele. Sei damit aber der Kläger als angelernter Arbeiter einzuordnen, so müsse er sich auf Tätigkeiten der nächst unteren Gruppe, dh auf ungelernte Tätigkeiten, verweisen lassen. Als Verweisungstätigkeit komme die Tätigkeit eines Amtsgehilfen in Betracht. Im übrigen bedürfe es keiner konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit. Nach seinem gesundheitlichen Restleistungsvermögen sei für den Kläger auch der Arbeitsmarkt nicht verschlossen.
Mit der vom erkennenden Senat wegen Abweichung gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 1246 Abs 2 RVO.
Der Kläger beantragt,das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 26. Juni 1986, das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 9. November 1984 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. September 1983 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 1. Juli 1983 Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit zu bewilligen,hilfsweise,die Streitsache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Rechtsstreites ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II.
Die kraft Zulassung durch den erkennenden Senat statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und damit zulässige Revision des Klägers ist iS der Zurückverweisung des Rechtsstreites an das LSG begründet. Der Kläger rügt zu Recht eine Abweichung der angefochtenen Entscheidung von Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG). Die Einordnung der bisherigen beruflichen Tätigkeit des Klägers in das vom BSG für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit iS des § 1246 Abs 2 RVO entwickelte Vierstufenschema (vgl hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 9. September 1986 in SozR 2200 § 1246 Nr 140 mwN) hat anders zu erfolgen, als sie das LSG vorgenommen hat. Um den Rechtsstreit auf der Grundlage dieser anderen Bewertung abschließend entscheiden zu können, wird das LSG ergänzend zu den bisher getroffenen Feststellungen noch weitere tatsächliche Ermittlungen anstellen müssen.
Im Ergebnis zutreffend hat das LSG die Zeit, in der der Kläger in die Lohngruppe II eingestuft war, nicht zur Grundlage für die Bestimmung des - gemäß § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO maßgeblichen - bisherigen Berufs des Klägers genommen. Allerdings ist dafür nicht, wie das LSG meint, schon die bloße Tatsache ausreichend, daß diese Einstufung lediglich für drei Wochen erfolgte. Das BSG hat in zahlreichen Entscheidungen ausgesprochen, daß als bisheriger Beruf in der Regel die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit anzusehen und von dieser auch bei nur kurzfristiger Ausübung als dem bisherigen Beruf auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist, dh den Höhepunkt seines beruflichen Aufstiegs gebildet hat (vgl BSG in SozR 2200 § 1246 Nrn 53, 66, 111, 116). Dies wurde auch für den Fall bejaht, daß die bisher verrichtete versicherungspflichtige Beschäftigung durch den Übertritt in eine versicherungsfreie Beschäftigung endete (BSG in SozR 2200 § 1246 Nrn 66, 116) und die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten nicht während des an sich vorgesehenen ("herkömmlichen") Berufsweges erworben worden waren (BSG in SozR 2200 § 1246 Nr 53). Gedankliche Grundlage war dabei aber stets die vom BSG ebenfalls mehrfach wiederholte Äußerung, daß die letzte Tätigkeit die bisherige Berufstätigkeit dann ist, wenn sie nicht nur vorübergehend "vollwertig" ausgeübt wurde. An einer solchen "vollwertigen Ausübung" der Beschäftigung, die dem mit Wirkung vom 6. August 1973 übertragenen Dienstposten entsprach, fehlt es beim Kläger. Er befand sich während der gesamten Zeit der Übertragung des Dienstpostens in der Ausbildung zu der nachfolgenden, ab 1. Oktober 1973 übernommenen Beamtentätigkeit und übte damit faktisch keinen Dienst auf dem auftragsweise ihm zugeteilten Dienstposten aus. Die Entlohnung nach Lohngruppe II muß aus diesem Grund für die Beurteilung seines bisherigen Berufes ausscheiden.
Nicht aufrechterhalten werden kann aber die Beurteilung des LSG, soweit es den Kläger aufgrund seiner Eingruppierung in die Lohngruppe IV bloß als angelernten Arbeiter iS des Vierstufenschemas ansieht. Der erkennende Senat hat abweichend von dem angefochtenen Urteil mehrmals entschieden, daß die bei der Deutschen Bundesbahn in der Lohngruppe IV Beschäftigten grundsätzlich als Facharbeiter zu beurteilen sind (s die Urteile vom 1. Februar 1984 in SozR 2200 § 1246 Nrn 115 und 116 sowie die Urteile vom 1. Dezember 1983 - 5b RJ 80/82 - und 28. März 1984 - 5b RJ 88/83 -). In zwei von den genannten Urteilen war über die Eingruppierung von Rangierleitern zu entscheiden, also Tätigkeiten, die der vom Kläger verrichteten Arbeit besonders nahe lagen. Die zitierten Entscheidungen sind im wesentlichen damit begründet worden, daß es sich bei der Lohngruppe IV um eine Gruppe handelt, die in erster Linie für Facharbeiter gilt und von diesen geprägt ist (vgl insoweit auch Urteil des Senats vom 1. Dezember 1983 in SozR 2200 § 1246 Nr 111), so daß die in dieser Lohngruppe noch eingestuften anderen Tätigkeiten nach der zu akzeptierenden Bewertung durch die Tarifpartner - insbesondere wegen ihrer Bedeutung für den Betrieb - qualitativ den Facharbeitertätigkeiten gleichstehen. Der Senat sieht keinen Grund, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Im besonderen sieht er sich hierzu nicht durch die - den genannten Urteilen zeitlich nachfolgenden - Entscheidungen des 4a Senats des BSG vom 28. November 1985 und 7. Oktober 1987 (SozR 2200 § 1246 Nrn 132 und 149) veranlaßt. Der 4. Senat des BSG ist nicht mehr für Streitigkeiten aus dem Bereich der Arbeiterrentenversicherung zuständig. Allein zuständig hierfür ist vielmehr der erkennende Senat. Eine Vorlage an den Großen Senat des BSG wegen Abweichung gemäß § 42 SGG ist daher nicht erforderlich.
Aufgrund der anderen Bewertung des bisherigen Berufes des Klägers wird es notwendig, auch den Kreis der Tätigkeiten, auf den er für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit iS des § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO zumutbar verwiesen werden kann, neu zu bestimmen. Die vom LSG hierzu getroffenen Feststellungen reichen noch nicht zu einer abschließenden Entscheidung des Rechtsstreites aus, weil der Kläger nur auf Tätigkeiten verwiesen werden darf, die zur Gruppe mit dem Leitberuf des sonstigen Ausbildungsberufs zählen (vgl SozR 2200 § 1246 Nr 116). Gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG ist daher das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen