Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsunfähigkeit eines ehemaligen Rangierleiters der Deutschen Bundesbahn. Beamtendienstposten
Orientierungssatz
Ein ehemaliger, in die Lohngruppe IV des Tarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn eingestufter Rangierleiter - der zuletzt einen Beamtendienstposten innehatte - hat den Berufsschutz eines Facharbeiters und kann deswegen bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit nur auf Tätigkeiten iS des § 1246 Abs 2 S 2 RVO zumutbar verwiesen werden, die zur Gruppe mit dem Leitberuf des sonstigen Ausbildungsberufs zählen (vgl BSG 1983-12-01 5b RJ 114/82 und vom 1984-02-01 5b RJ 80/83).
Normenkette
RVO § 1246 Abs 2 S 2 Fassung: 1957-02-23
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 15.11.1982; Aktenzeichen L 9 J 1026/81) |
SG Stuttgart (Entscheidung vom 23.03.1981; Aktenzeichen S 6 J 2438/79) |
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob dem im Jahre 1927 geborenen Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 1246 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zusteht.
Von April 1942 bis Juni 1944 war der Kläger bei der Deutschen Reichsbahn beschäftigt und besuchte vier Halbjahre lang eine Eisenbahnfachschule. Nach Kriegsdienst und Gefangenschaft war er erneut von September 1946 bis zu seiner Flucht nach Westberlin im Februar 1950 als Junghelfer und als Arbeiter bei der Deutschen Reichsbahn tätig. In Westberlin arbeitete er zunächst in Baubetrieben und dann von September 1951 bis März 1955 bei der U-Bahn als Bahnhofsschaffner und Zugabfertiger. Anschließend war er bei der Deutschen Bundesbahn bis Juni 1956 als Rangierarbeiter, sodann bis zum 31. Juli 1958 als Betriebsaufseher im Rangierdienst (Rangieraufseher, Rangierleiter) sowie als Betriebsaufseher im Stellwerksdienst tätig. Seit 1956 war er in die Lohngruppe IV des Lohntarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn eingestuft. Seine am 1. Januar 1957 begonnene Ausbildung zum Bundesbahnbetriebswart schloß er am 31. Mai 1958 mit der entsprechenden Prüfung ab. Am 1. August 1958 wurde er in das Beamtenverhältnis übernommen und zum 1. März 1979 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Die im Oktober 1978 beantragte Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. März 1979 ab. Der dagegen gerichtete Widerspruch des Klägers wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 24. August 1979).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen und das Landessozialgericht (LSG) die Berufung des Klägers 1982). Während der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung bis zum 31. Juli 1958 habe der Kläger, so hat das LSG ausgeführt, allenfalls eine angelernte Tätigkeit ausgeübt. Die tarifliche Einstufung in die Lohngruppe IV habe darauf beruht, daß er als Betriebsaufseher im Rangier- und dann im Stellwerksdienst auf einem Beamtenposten eingesetzt worden sei. Er könne nicht deswegen als Facharbeiter eingestuft werden und auch nicht deshalb, weil er am 31. Mai 1958 die Prüfung zum Bundesbahnbetriebswart abgelegt habe. Da er noch in der Lage sei, mindestens körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen in vollen Schichten zu verrichten, sei er nicht berufsunfähig im Sinne des § 1246 RVO.
Der Kläger hat dieses Urteil mit der vom Senat zugelassenen Revision angefochten. Er rügt eine Verletzung des § 1246 RVO. Entgegen der Auffassung des LSG stelle auch bei Beamtentätigkeiten, die von Arbeitern verrichtet würden, die tarifliche Einstufung ein geeignetes Hilfsmittel dar, den qualitativen Wert des bisherigen Berufs zu bestimmen. Deshalb sei ihm als ehemaligem Betriebsaufseher bei der Deutschen Bundesbahn der Berufsschutz eines Facharbeiters zuzugestehen.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil, das Urteil des SG sowie den Bescheid vom 19. März 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 1979 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Oktober 1978, Rente wegen Berufsunfähigkeit zu leisten.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben war und der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen werden mußte. Die festgestellten Tatsachen lassen eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits nicht zu.
In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit eines Versicherten, wenn sie nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübt wurde und zugleich die höchstentlohnte war, die "bisherige Berufstätigkeit" im Sinne des § 1246 Abs 2 RVO darstellt. Das gilt selbst dann, wenn sie nur kurzfristig ausgeübt wurde und wegen des Übertritts in eine versicherungsfreie Beschäftigung endete (vgl die zur Veröffentlichung bestimmten Urteile des Senats vom 1. Dezember 1983 - 5b RJ 114/82 - und vom 1. Februar 1984 - 5b RJ 80/83 - mwN). "Bisheriger Beruf" des Klägers ist daher nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG seine Beschäftigung vom 30. Juni 1956 bis zum 31. Juli 1958 bei der Deutschen Bundesbahn als Betriebsaufseher im Rangierdienst - auch als Rangierleiter oder Rangieraufseher bezeichnet - bzw im Stellwerksdienst. Damals erhielt der Kläger den Lohn der Gruppe IV des Lohntarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn. Entgegen der Auffassung des LSG handelt es sich dabei um eine einem Facharbeiter tariflich nach qualitätsorientierten Merkmalen gleichgestellte Tätigkeit.
Wie der Senat im bereits erwähnten Urteil vom 1. Februar 1984 entschieden hat, kann ein ehemaliger Rangierleiter mit dem Berufsschutz eines Facharbeiters im Rahmen des Anspruchs auf Rente wegen Berufsunfähigkeit und dem dazu entwickelten sogenannten Mehrstufenschema allenfalls auf Tätigkeiten verwiesen werden, die zur Gruppe mit dem Leitberuf des sonstigen Ausbildungsberufs zählen (zur Verweisung bei derartigen Tätigkeiten der Lohngruppe IV vgl auch Urteile des Senats vom 1. Dezember 1983 - 5b RJ 80/82, 5b RJ 46/83 und 5b RJ 68/83 -). Das gilt selbst dann, wenn der Kläger deshalb in die Lohngruppe IV eingestuft war, weil die gleiche Tätigkeit von Beamten ausgeübt wird. Auf die Ausführung in den genannten Urteilen wird Bezug genommen. Neue Argumente ergeben sich insoweit weder aus der angefochtenen Entscheidung des LSG noch sind sie von der Beklagten in der Revisionsinstanz vorgebracht worden.
Ob der Kläger gesundheitlich sowie aufgrund seines Wissens und Könnens noch in der Lage ist, sonstige Ausbildungsberufe oder diesen wegen der damit verbundenen qualitativen Anforderungen tariflich gleichgestellte Tätigkeiten zu verrichten, läßt sich anhand des angefochtenen Urteils noch nicht entscheiden. Das LSG wird die dazu erforderlichen Feststellungen, die von seinem Rechtsstandpunkt aus nicht getroffen zu werden brauchten, nun nachzuholen haben.
Die Kostenentscheidung bleibt der dem Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen