Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen des RVO § 596 sind bei der Prüfung eines Unterhaltsanspruchs der Eltern gegenüber ihrem verstorbenen Sohn nur deren Bedürfnisse zu berücksichtigen nicht jedoch ihre etwaigen Unterhaltspflichten gegenüber weiteren Kindern.
2. Das Gericht ist nicht genötigt, bei der Prüfung der Unterhaltsbedürftigkeit der Eltern amtliche spanische Mindestlebensbedarfssätze zugrundezulegen, wenn diese in einem auffallenden Mißverhältnis zu den landesüblichen Verdienstmöglichkeiten stehen. Im Zweifelsfall spricht die Vermutung dafür, daß ein gesunder, im Erwerbsleben stehender Ehemann imstande ist, den Lebensunterhalt für sich und seine Ehefrau sicherzustellen.
Normenkette
RVO § 596 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30; BGB §§ 1360, 1602-1603
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 27. September 1972 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger und seine Ehefrau begehren Elternrente nach ihrem am 5. Dezember 1944 geborenen und am 8. November 1969 an den Folgen eines Arbeitsunfalles in der Bundesrepublik Deutschland verstorbenen Sohn Francisco Rodriguez F (R.).
Der Kläger ist Spanier, hat keinen Beruf erlernt, war bis Ende 1969 als Landarbeiter - zuletzt in T - und anschließend als Pförtner in der Stadt M beschäftigt. Er erzielt dort einen Arbeitsverdienst von monatlich 3000 Peseten und wohnt mietfrei. 1969 gehörten zu seinem Haushalt seine Ehefrau, 2 ledige nicht berufstätige Töchter und 3 Söhne, von denen 2 ebenso wie der Vater gelegentlich in der Landwirtschaft arbeiteten. Nach der Übersiedlung nach Malaga nahmen die beiden älteren Söhne eine Lehre auf, die beiden Töchter verheirateten sich, der jüngste Sohn geht noch zur Schule. Die beiden Lehrlinge erhielten einen Tageslohn von 48 bzw. 82,13 Peseten. Der verstorbene R. war bis zum 16. Juli 1969 als Landarbeiter gegen einen Tageslohn von 150 Peseten beschäftigt. Vom 26. Juli bis 7. November 1969 erhielt er als Bauhelfer bei der Baugesellschaft S in B ein Brutto-Arbeitsentgelt von 6.170,34 DM für 75 Arbeitstage.
Den Antrag des Klägers und seiner Ehefrau, ihnen Elternrente zu gewähren, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. März 1970 ab. Das Sozialgericht Hannover(SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29. Juni 1971.). Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 27. September 1972). Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, der ablehnende Bescheid der Beklagten sei nur von dem Kläger angefochten worden.
Eine Vollmacht seiner Ehefrau habe niemals vorgelegen und die Anträge seien von den Bevollmächtigten nur im Namen des Klägers gestellt worden. Dadurch, daß das SG auch die Ehefrau als Klägerin angesehen habe und ein Urteil auch gegen sie ergangen sei, sei der Kläger aber nicht beschwert, er könne daher nicht beantragen festzustellen, daß das Urteil des SG nicht gegen seine Ehefrau wirke; es sei dieser im übrigen bisher nicht zugestellt worden.
Der Anspruch des Klägers auf Elternrente sei nicht begründet, weil der Kläger einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegen seinen verstorbenen Sohn nicht gehabt habe. Dieser Unterhaltsanspruch richte sich nach spanischem Recht (Art. 19 EGBGB). Die Voraussetzungen der Art. 142, 143 des Spanischen Zivilgesetzbuches seien nicht erfüllt. Der Kläger sei in der Lage gewesen, den seiner sozialen Stellung entsprechenden notwendigen Lebensbedarf selbst zu decken. Als Landarbeiter und Pförtner gehöre er zur unteren sozialen Schicht, die ihren Lebensunterhalt ausschließlich durch ihren geringen Arbeitsverdienst bestreiten müsse. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß das Existenzminimum, wenn auch nach niedrigsten Ansprüchen bemessen, bei dieser sozialen Schicht unterschritten werde. Seit der Verheiratung der Töchter brauche der Kläger nur noch für seine Ehefrau und einen jüngsten Sohn zu sorgen. Sein Lebensbedarf sei daher nicht größer als der anderer Familien der unteren sozialen Schicht. Der Kläger erziele einen seinem sozialen Stand entsprechenden Arbeitsverdienst. Er könne nicht beanspruchen, besser gestellt zu werden als es seiner eigenen sozialen Stellung entspreche. Auf Berichte der Accion Social Empresarial Comision Nacional könne sich der Kläger nicht berufen. Die dort genannten Mindestsätze für den notwendigen Lebensbedarf (7948 Peseten für 1970 und 8606 Peseten für 1971) lägen etwa doppelt so hoch wie das Durchschnittseinkommen eines Landarbeiters oder eines Pförtners. Sie könnten nicht das Existenzminimum selbst einfachster Verhältnisse wiedergeben, denn sonst müßten die Lebensverhältnisse großer Teile des spanischen Volkes denjenigen der unterentwickelten Länder Asiens oder Afrikas entsprechen, was offensichtlich aber nicht der Fall sei. Auch für die Lebensverhältnisse in der Stadt M, in die der Kläger zugezogen sei, könnten die Angaben nicht zutreffen. Da der Kläger somit keinen Unterhaltsanspruch gegen seinen verstorbenen Sohn gehabt habe, könne dahingestellt bleiben, ob dieser zu Lebzeiten seinen Eltern tatsächlich Geldbeträge habe zukommen lassen, was nach den vorgelegten Beweismitteln sehr zweifelhaft sei, zumal der größere Betrag von 1.845,00 DM erst nach dem Tode des R. nach Spanien überwiesen worden sei. Das LSG unterstelle jedoch, daß der verstorbene Sohn seinen Eltern ohne den Arbeitsunfall regelmäßig wesentliche Geldbeträge überwiesen hätte.
Das LSG hat die Revision zugelassen. Die Kläger haben dieses Rechtsmittel in rechter Form und Frist eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Verletzt sei § 596 der Reichsversicherungsordnung. Das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß der verstorbene Sohn seinem Vater weder wesentlichen Unterhalt geleistet habe noch der Kläger gegen den Verstorbenen einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gehabt habe. Es hätte u.a. darüber Beweis erhoben werden müssen, ob und welche Geldbeträge der Verstorbene - z.B. über den Schwager - seinen Eltern übermittelt habe. Der Unterhaltsanspruch des Klägers gegen seinen Sohn folge aus den §§ 142 ff des Codigo civil unter Berücksichtigung der Feststellungen der Accion Social. Es handele sich dabei um Feststellungen einer staatlichen Stelle, die das LSG nicht hätte unberücksichtigt lassen dürfen. Die angestellten allgemeinen Erwägungen seien nicht geeignet, die Feststellungen einer staatlichen Stelle zu erschüttern.
Das LSG hätte den Mindestbedarf einer dreiköpfigen Familie in Spanien selbst ermitteln müssen, wenn es diese Angaben für ungeeignet gehalten habe. Mit seinem tatsächlich erzielten Arbeitsverdienst habe der Kläger nicht annähernd das für das Existenzminimum notwendige Einkommen erzielt, so daß er einen Unterhaltsanspruch gegen seinen verstorbenen Sohn gehabt habe.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des LSG Niedersachsen vom 27. September 1972, das Urteil des SG Hannover vom 29. Juni 1971 und den Bescheid der Beklagten vom 13. März 1970 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den Klägern Elternrente zu gewähren,
hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision ist im Sinne einer Zurückverweisung des Rechtsstreits begründet.
Das LSG ist davon ausgegangen, daß bisher nur der Anspruch des Klägers streitig sei, nicht dagegen auch derjenige seiner Ehefrau. Der Kläger hat dazu vor dem LSG mit Schriftsatz vom 2. Dezember 1971 erklärt, daß nur über seinen Anspruch entschieden werden solle und geltend gemacht, daß der Bescheid der Beklagten der Ehefrau zunächst zugestellt werden müsse, damit diese ebenfalls Klage erheben könne. Der Kläger hat jedoch in dem genannten Schreiben zu den Umständen der Antragstellung im Verwaltungsverfahren nichts vorgetragen, sondern sich im wesentlichen nur auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) in SGb 1958 S. 346 = BSG 8, 149 ff bezogen, wonach jedem Elternteil ein Bescheid gesondert übersandt werden müsse. Dabei wurde aber nicht beachtet, daß in dieser Entscheidung die gesonderte Zustellung des Urteils nur dann als notwendig bezeichnet worden ist, "wenn eine Bevollmächtigung nicht vorliegt". Da nach § 73 Abs. 2 SGG bei Eheleuten eine schriftliche Vollmacht nicht erforderlich ist, eine Bevollmächtigung vielmehr "unterstellt werden" kann und der Kläger zudem im Schriftsatz vom 26. Oktober 1971 seinen Berufungsantrag "in Sachen ... und seiner Ehefrau ... F B" gestellt und beantragt hat, die Beklagte zu verurteilen, "den Klägern Aszendentenrente" zu gewähren, hätte das LSG dieser Frage nachgehen müssen. Wie sich aus den Unfallakten ergibt, ist der "Antrag auf Rente für die Eltern" am 27. Dezember 1969 von der Bevollmächtigten Frau Isabel A (vom Caritas-Verband für das Erzbistum P - Betreuungsstelle für Spanier -) gestellt worden. Die Vollmacht vom 16. November 1969 ist nur vom Kläger unterschrieben. Da die Mutter wegen Schreibunfähigkeit nicht unterschreiben konnte, hat sie auf der Vollmacht ihren rechten Daumen abgedrückt (vgl. UA Bl. 28). Mit dem gestellten Antrag war von dem Elternpaar ein einheitlicher, zusammengehöriger Elternrentenantrag gestellt worden. Demgemäß ist auch der Ablehnungsbescheid vom 18. März 1970 an beide Eheleute gerichtet worden. Unter diesen Umständen und insbesondere angesichts der Schreibunfähigkeit der Ehefrau hätte das LSG zu dem Ergebnis kommen müssen, daß der Kläger im Klageverfahren zugleich für seine Ehefrau tätig geworden ist, und zwar auf Grund einer nach § 73 Abs. 2 Satz 2 SGG zu unterstellenden stillschweigenden Vollmacht. Dies um so mehr, als auch das SG in seinem Urteil festgestellt hatte, daß der Kläger "zugleich für seine Ehefrau ... Klage erhoben" habe (Urt. S. 3). Diese Annahme des SG mußte im Berufungsverfahren um so weniger auf Bedenken stoßen, als die Ehefrau selbst bis heute nicht geltend gemacht hat, daß ihr Ehemann sie nicht habe vertreten dürfen. Lag aber eine stillschweigende und unter den hier gegebenen Umständen auch objektiv gebotene Bevollmächtigung des Ehemannes vor, so konnte dieser - zugleich auch im Namen seiner Ehefrau - den im Verfahren 1. und 2. Instanz aufgetretenen Berater H mit der Prozeßführung beauftragen. Demnach ist auch das SG-Urteil mit der Zustellung an diesen - entgegen der Annahme des LSG - zugleich auch für die Ehefrau wirksam zugestellt. Da schließlich auch in der Revisionsinstanz klargestellt worden ist, daß die Ehefrau des Klägers ebenfalls Beteiligte des vorliegenden Rechtsstreits ist, war das Rubrum nach alledem entsprechend zu ergänzen. Die Sache mußte jedoch aus sachlich-rechtlichen Gründen an das LSG zurückverwiesen werden.
Nach der hier maßgebenden Fassung des § 596 RVO, die dieser durch das Unfallversicherungs-Neureglungsgesetz - UVNG - vom 30. April 1963 - BGBl I 241 - mit Wirkung ab 1. Juli 1963 erhalten hat, ist Voraussetzung für einen Elternrentenanspruch, daß der infolge eines Arbeitsunfalles Verstorbene die berechtigten Personen aus seinem Arbeitsverdienst wesentlich unterhalten hat oder ohne den Arbeitsunfall wesentlich unterhalten würde. Der Anspruch besteht jedoch nur so lange, wie der Berechtigte ohne den Arbeitsunfall gegen den Verstorbenen einen Anspruch auf Unterhalt hätte geltend machen können. Liegt nur eine dieser Voraussetzungen nicht vor, besteht kein Anspruch auf Elternrente. Das LSG hat den Anspruch auf Elternrente verneint, weil der Kläger mit seinem Arbeitseinkommen seinen und seiner Familie Unterhalt habe bestreiten können. Feststellungen über die Einkommensverhältnisse des Klägers hat es jedoch erst für die Zeit getroffen, als dieser nach Malaga verzogen und dort eine Beschäftigung als Pförtner mit einem Monatsverdienst von 3.000 Peseten angenommen hatte. Die Kläger haben jedoch ihren Anspruch nicht zeitlich begrenzt. Dieser würde aber, wenn seine Voraussetzungen vorlägen, vom Todestag des R. (8. November 1969) an beginnen (§ 589 Abs. 1 Nr. 3 RVO). Da die Beschäftigungs- und Einkommensverhältnisse des Klägers aber bis Ende des Jahres 1969, als er Landarbeiter in Teba war, nicht die gleichen wie in der folgenden Zeit waren, müssen diese geklärt werden. Falls sich dabei herausstellt, daß die Kläger einen Unterhaltsanspruch gegen R. gehabt hätten, wird, was das LSG bisher nicht getan hat, zu prüfen sein, ob R. die Kläger aus seinem Arbeitsverdienst wesentlich unterhalten hat oder ohne den Arbeitsunfall wesentlich unterhalten würde. Ob dabei davon ausgegangen werden kann, daß nach allgemeiner Erfahrung ein gutverdienender Sohn seine bedürftigen Eltern in der Regel unterhalten wird und R. sich ebenso verhalten hätte, müssen die näheren Umstände ergeben. Insbesondere wird es darauf ankommen, wie sich R. während der kurzen Zeit seiner Beschäftigung in der Bundesrepublik gegenüber seinen Eltern verhalten hat, ob er ihnen, wie vorgetragen wird, tatsächlich nennenswerte Beträge aus seinem Arbeitsverdienst zur Verfügung gestellt hat oder etwa Ersparnisse in anderer Weise verwenden wollte.
Auch für die Zeit ab 1. Januar 1970 bedarf es weiterer Feststellungen. Als in Spanien lebende spanische Staatsangehörige richten sich die Ansprüche der Eltern wegen des tödlichen Unfalles ihres Sohnes in der Bundesrepublik nach den einschlägigen Bestimmungen der RVO, denn sie stehen in ihren Rechten deutschen Staatsangehörigen gleich. Leistungspflichtig ist die Beklagte als der zuständige deutsche Versicherungsträger (Art. 3,4, 39 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über Soziale Sicherheit vom 29. Oktober 1959 - BGBI II 1961 S. 598/99 -). Die Frage, ob die Kläger einen Unterhaltsanspruch gegen R. hätten geltend machen können, hat das LSG nach spanischem Recht beurteilt. Art. 19 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) bestimmt zwar nur, daß das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und einem ehelichen Kinde nach den deutschen Gesetzen beurteilt wird, wenn der Vater die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, jedoch ist diese unvollständige Kollisionsnorm von Lehre und Rechtsprechung zu einer vollständigen ausgebaut worden, wonach sich die Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und ehelichen Kindern nach den Gesetzen des Staates beurteilen, dem der Vater angehört (Palandt, BGB, EGBGB, 23. Aufl. Art.19 Anm. 2).
Das spanische Unterhaltsrecht ist in Titel VI (Art. 142 bis 153) des Codigo civil (Cc) normiert. Diese Regelungen entsprechen in wesentlichen Punkten dem Unterhaltsrecht des BGB. So sind gegenseitig zum Unterhalt verpflichtet 1) Ehegatten, 2) legitime Verwandte der aufsteigenden und absteigenden Linie, 3) Eltern und Kinder sowie deren Abkömmlinge, 4) Eltern und uneheliche anerkannte Kinder sowie deren Abkömmlinge (Art. 143 Cc). Im Unterschied zum deutschen Recht sind jedoch auch Brüder gegenseitig unterhaltspflichtig. Die Reihenfolge der Unterhaltsverpflichtung ist in Art. 144 Cc geregelt. Danach besteht ein Unterhaltsanspruch zunächst gegenüber dem Ehegatten, sodann gegenüber den Abkömmlingen des nächsten Grades, schließlich gegenüber den Verwandten des nächsten Grades der aufsteigenden Linie und endlich gegenüber den Brüdern. Sind mehrere Unterhaltspflichtige vorhanden, so sind diese entsprechend ihrem Vermögen leistungspflichtig (Art. 145 Cc). Bei mehreren Unterhaltsberechtigten gegenüber einem Verpflichteten entspricht die Reihenfolge bei mangelnder Leistungsfähigkeit der des Art. 144 Cc. Art. 146 Cc bestimmt, daß das Maß des zu gewährenden Unterhaltes sich nach den Vermögensverhältnissen oder Mitteln des Unterhaltspflichtigen und nach den Bedürfnissen des Unterhaltsberechtigten richtet. Als Unterhalt gelten alle für die Deckung des Lebensbedarfs für Wohnung, Kleidung und ärztliche Hilfe notwendigen Mittel im Rahmen der sozialen Stellung der Familie (Art. 142 Cc). Art. 148 bestimmt schließlich, daß der Unterhalt von der Zeit an zu fordern ist, zu welcher die berechtigte Person den Unterhalt zur Deckung des Lebensbedarfs benötigt, frühestens aber von der Erhebung der Klage an. Nach Art. 152 Cc erlischt die Verpflichtung zur Unterhaltsgewährung u.a., wenn das Vermögen des Unterhaltspflichtigen sich dermaßen vermindert hat, daß er seiner Verpflichtung nicht ohne Gefährdung seines eigenen Unterhaltes und das seiner Familie nachkommen kann, ferner, wenn der Berechtigte ein Handwerk, einen Beruf oder ein Gewerbe ausüben kann oder seine finanzielle Lage sich gebessert hat, so daß die Unterhaltsrente zur Deckung seines Lebensbedarfs nicht mehr notwendig ist. Hieraus folgt, daß auch nach spanischem Recht Voraussetzung für einen Unterhaltsanspruch die Unfähigkeit des Berechtigten ist, seinen eigenen Lebensbedarf zu decken, sowie die Fähigkeit des Verpflichteten, Unterhalt zu leisten, ohne seinen eigenen Unterhalt zu gefährden. Da dies der Regelung der §§ 1602, 1603 BGB entspricht und auch die Reihenfolge der Unterhaltspflichtigen, insbesondere die vorrangige Verpflichtung des Ehegatten gleichartig geregelt sind, konnte der Senat hier unentschieden lassen, ob statt des spanischen etwa das deutsche Recht anzuwenden ist, wie Podzun (Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl., Kennziffer 610, S. 4) annimmt. Entsprechend § 1608 Satz 2 BGB tritt jedoch die vorrangige Verpflichtung des Ehegatten hinter derjenigen der Verwandten dann zurück, wenn dieser durch die Gewährung des Unterhalts seinen eigenen Unterhalt gefährden würde; dieser Fall spielt hier aber nach den Feststellungen des LSG keine Rolle.
Als wesentlich ist festzuhalten, daß die Eltern gegenüber ihren Kindern gleichrangig unterhaltsberechtigt und daß sowohl nach Art. 143 Cc als auch nach § 1360 BGB die Ehegatten einander zu vollem Unterhalt verpflichtet sind (vgl. auch § 1609 Abs. 2 BGB). Dagegen ist nicht entscheidend, daß nach spanischem bürgerlichen Recht auch Brüder untereinander unterhaltsberechtigt und verpflichtet sind, denn sie gehören nicht zu dem nach § 596 RVO anspruchsberechtigten Personenkreis. Da § 596 nur den Verwandten der aufsteigenden Linie (Eltern, Großeltern) sowie Stief- oder Pflegeeltern einen Anspruch einräumt, kann ein Unterhaltsanspruch gegen den Verstorbenen auch nicht durch den Umstand begründet werden, daß die Eltern noch ein minderjähriges Kind zu versorgen haben. Denn Bedürftigkeit liegt nicht schon vor, wenn der Berechtigte seiner Unterhaltspflicht gegenüber Dritten nicht nachkommen kann (vgl. Soergel-Siebert, BGB, 10. Aufl. Bd. 5, Randziff. 6 zu § 1602 BGB und Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, 2. Aufl. 1971 S. 448 - § 41 III Nr. 2 -). Da sonach im Rahmen des § 596 RVO nur den "Eltern" geholfen werden soll, ist nicht zu prüfen, ob der Verdienst des Klägers unter Berücksichtigung der Bedürfnisse seiner Kinder, insbesondere des damals 10-jährigen Schülers Josè, so gering gewesen ist, daß ein Unterhaltsanspruch gegenüber dem Verstorbenen hätte geltend gemacht werden können, sondern nur, ob dem Elternpaar ein solcher Anspruch zustand (vgl. dazu EuM 5, 187, 188 und Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl. Anm. 6b zu § 596 RVO - Stand September 1973).
Das LSG hat dazu festgestellt, daß der Kläger und Ehemann bei einem Einkommen von monatlich 3.000 Peseten = ca. 150,- DM und freier Wohnung den Lebensunterhalt seiner Familie habe bestreiten können, weil er der unteren sozialen Schicht angehöre und es ihm möglich gewesen sei, aus seinem Arbeitsverdienst sechs Kinder großzuziehen. Diese Erwägungen erscheinen nicht rechtsfehlerhaft, wenn man davon ausgeht, daß der Kläger voll erwerbsfähig war - was das LSG nicht ausdrücklich festgestellt hat - und er seine Arbeitskraft in der fraglichen Zeit ohne Einschränkung unter den für seinen sozialen Stand in Spanien üblichen Bedingungen hat einsetzen können, was anscheinend für die Zeit ab Januar 1970 im wesentlichen unstreitig ist. Da jedoch nach einer amtlichen Auskunft der Mindestlebensbedarf für eine dreiköpfige Familie im Jahre 1970 7.948 Peseten (= 387,- DM) und im Jahre 1971 8.606 Peseten (= 430,- DM) betragen haben soll, genügen diese allgemeinen Ausführungen des LSG - wie die Revision mit Recht rügt - allein noch nicht, um die Unanwendbarkeit dieser amtlichen Zahlen darzutun. Wenn diese Mindestsätze - wie das LSG betonte - etwa doppelt so hoch sind wie das Durchschnittseinkommen eines Landarbeiters oder Pförtners, so sind sie entweder im Vergleich zu den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen des Landes zu hoch angesetzt oder der Kläger hat seine Familie nur unter den Zeichen größter Armut und gegebenenfalls im Zustand der Unterernährung und äußerster Bedürfnislosigkeit großziehen können. Im ersteren Fall könnten die amtlichen Mindestsätze für den Nachweis eines tatsächlichen Unterhaltsanspruchs gegen den Verstorbenen nicht herangezogen werden; im letzteren Fall müßte eine tatsächlich vorliegende Bedürftigkeit angenommen werden. Zur Klärung dieser Frage wird das LSG weitere Erhebungen anzustellen haben. Ergibt sich dabei, daß ein Monatsverdienst von 3.000 Peseten nebst mietfreier Wohnung eine in Spanien bzw. den Wohnorten des Klägers übliche Entlohnung gesunder ungelernter Arbeitskräfte darstellt, und zwar für ein Ehepaar ohne unterhaltsberechtigte Kinder (vgl. dazu die obigen Ausführungen), so werden die Voraussetzungen des § 596 RVO schon aus diesem Grunde zu verneinen sein. Ergibt sich im Falle des Klägers ein erheblich vermindertes Einkommen, so müßten die Gründe dafür aufgeklärt werden. Bei bestehenden Zweifeln spräche die Vermutung dafür, daß ein gesunder, auch altersmäßig noch im Erwerbsleben stehender Ehemann imstande ist, den Lebensbedarf für sich und seine Ehefrau sicherzustellen.
Nach alledem war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.
Fundstellen
NJW 1974, 2104 |
IPRspr. 1975, 79 |