Orientierungssatz
Ein Versicherter hat keinen Anspruch auf Familienkrankenhilfe für einen Angehörigen, wenn dieser einen Anspruch aus eigener Versicherung hat, aber mit Krankenhauspflege ausgesteuert ist (Festhaltung BSG 1965-02-10 3 RK 61/60 = SozR Nr 18 zu § 205 RVO).
Normenkette
RVO § 205 Abs. 1; RAMErl 1943-11-02 Abschn. 2 Nr. 1; SVVereinfV 1 Art. 10
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 27.06.1962) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. Juni 1962 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger begehrt Familienhilfe durch Übernahme der Krankenhauspflegekosten seiner Ehefrau, einer Rentenempfängerin, für eine Zeit nach deren Aussteuerung aus ihrer eigenen Krankenversicherung.
Die Ehefrau des Klägers, Eva N, war als Rentenempfängerin bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse Coburg pflichtversichert. Sie erhielt wegen Unterleibsleidens insgesamt 26 Wochen bis 11. Dezember 1958 Krankenhauspflege. Mit diesem Tag wurde sie ausgesteuert. Sie verblieb wegen dieses Leidens weiterhin bis zu ihrem Tode am 21. Januar 1959 im Krankenhaus.
Der Kläger ist bei der Beklagten Barmer Ersatzkasse (BEK) pflichtversichert. Er beantragte die Gewährung von Krankenhauspflege für seine Ehefrau von deren Aussteuerung an. Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 14. Januar 1959 ab, da die Ehefrau auf Grund eigener Versicherung einen gesetzlichen Anspruch auf Krankenpflege habe. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 1959). Die Klage wurde mit Urteil des Sozialgerichts (SG) Bayreuth vom 15. September 1959 abgewiesen, die Berufung mit Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 27. Juni 1962 zurückgewiesen. Das LSG führte aus, die Ehefrau habe einen Anspruch auf Krankenpflege auf Grund ihrer Versicherung nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gehabt. Der Anspruch auf Familienkrankenpflege sei davon abhängig, daß kein eigener gesetzlicher Anspruch des Familienangehörigen auf Krankenpflege bestehe (§ 205 RVO und Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 2. November 1943 - AN 1943, 485). Diese Subsidiarität sei durch Art. 10 der Ersten Vereinfachungsverordnung (VereinfVO) vom 17. März 1945 (RGBl I 41), der nur den Umfang der Familienkrankenpflege dem der Krankenpflege des Versicherten selbst angeglichen habe, nicht beseitigt worden. Ein Anspruch auf Familienkrankenpflege sei auch nicht erst mit der Aussteuerung entstanden; denn die Ehefrau sei damit nicht aus ihrer Versicherung ausgeschieden und habe nicht den eigenen Anspruch auf Krankenpflege verloren. An die Stelle der Krankenhauspflege sei nach 26 Wochen die Abgeltung nach Abschnitt III des Erlasses vom 2. November 1943 getreten. Es lägen zwar zwei Versicherungsverhältnisse vor, doch entstehe der Anspruch auf Familienkrankenhilfe kraft ausdrücklicher Gesetzesvorschrift nicht bei eigenem gesetzlichen Anspruch des Familienangehörigen. Die Revision wurde zugelassen.
Der Kläger hat mit der Revision beantragt,
die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Familienkrankenhauspflege für die Ehefrau zu gewähren.
Zur Begründung verweist der Kläger auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 4. Juli 1962 - 3 RK 26/59 - (BSG 17, 186), wonach der Versicherte einen Anspruch auf Familienhilfe auch dann habe, wenn der Angehörige wegen der gleichen Krankheit Leistungen aus eigener Versicherung bis zur Aussteuerung erhalten habe. Der Senat hat den Kläger darauf hingewiesen, daß diese Rechtsauffassung mit Urteil vom 10. Februar 1965 - 3 RK 61/60 - (SozR RVO § 205 Nr. 18) aufgegeben wurde.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Beide Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Die Revision hat keinen Erfolg.
Der geltend gemachte Anspruch ist nach § 205 RVO in Verbindung mit Abschnitt II Nr. 1 des schon genannten Erlasses vom 2. November 1943 und Art. 10 der Ersten VereinfVO zu beurteilen. Zu der hier umstrittenen Rechtsfrage, ob ein Versicherter Anspruch auf Familienkrankenhilfe hat, wenn der Familienangehörige einen Anspruch aus eigener Versicherung hat, aber für Krankenhauspflege ausgesteuert ist, hat der Senat mit dem genannten Urteil vom 10. Februar 1965 entschieden: Ein Versicherter hat keinen Anspruch auf Familienkrankenpflege für einen Angehörigen, wenn dieser im Zeitpunkt der Erkrankung einen Anspruch auf Krankenpflege aus eigener Versicherung hat. Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest.
Aus der Entstehungsgeschichte des § 205 RVO (Gesetze bzw. Verordnung vom 19. Juli 1911, 26. September 1919, 30. April 1920, 26. Juli 1930) ergibt sich, daß ein Anspruch auf Familienhilfe dann nicht bestehen sollte, wenn der Angehörige auf Grund desselben Versicherungsfalls bereits aus eigener Versicherung Kassenleistungen bis zur Höchstdauer erhalten hat. Mit der Einführung der Familienhilfe sollte nur ein Personenkreis, der bisher nicht versichert war, Versicherungsschutz erhalten; es sollte nicht eine Doppelversicherung geschaffen werden. Versicherungsfall für die Gewährung von Krankenhauspflege ist bei der eigenen Versicherung wie bei der Familienkrankenpflege der Eintritt der Erkrankung. Nach diesem Zeitpunkt beurteilt sich, ob ein Anspruch auf Familienkrankenpflege besteht oder ob er durch einen eigenen gesetzlichen Anspruch des Erkrankten ausgeschlossen ist. Der Anspruch aus eigener Versicherung schließt einen Anspruch des Versicherten auf Familienhilfe jedenfalls dann aus, wenn sich die Leistungsarten, die in beiden Fällen auf die Ansprüche auf Krankenpflege hin in Frage kommen, decken, wie dies bei der Krankenhauspflege für den Versicherten und für den Familienangehörigen (Art. 10 der Ersten VereinfVO) der Fall ist. Nach Aussteuerung mit Krankenhauspflege besteht noch der Anspruch auf Abgeltung nach Abschnitt III des Erlasses vom 2. November 1943. Wenn der Anspruch des Versicherten auf Familienkrankenpflege diesem eigenen Abgeltungsanspruch des Angehörigen vorginge, würde die in § 205 RVO festgelegte Rangfolge der verschiedenen Ansprüche in ihr Gegenteil verkehrt. Daß zwei getrennte Versicherungsverhältnisse vorliegen, steht nicht entgegen; die Beiträge sind für Pflichtversicherte mit Familienangehörigen nicht höher als für Pflichtversicherte ohne Angehörige. Die Regelung in § 205 RVO setzt gerade einen eigenen gesetzlichen Anspruch des Angehörigen voraus und macht dabei keinen Unterschied, auf welchem Gesetz, ob auf der RVO oder anderen Gesetzen, ob mit oder ohne Beitragszahlung, der eigene Anspruch des Angehörigen beruht.
Im vorliegenden Fall ist der Sachverhalt in seinen wesentlichen Teilen der gleiche wie der, der dem Urteil vom 10. Februar 1965 zugrunde lag. Die Ehefrau war als Rentenempfängerin nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO selbst pflichtversichert. Der Anspruch des Klägers auf Krankenhauspflege für Angehörige betraf keine andere Leistungsart und hatte keinen größeren Umfang als der eigene Anspruch der Ehefrau auf Krankenhauspflege. In beiden Fällen bestand Anspruch auf Krankenhauspflege nur für die Dauer von 26 Wochen. Für die darüber hinausgehende Zeit hat die Ehefrau den Abgeltungsbetrag nach Abschnitt III des Erlasses vom 2. November 1943 als Leistung aus ihrer eigenen gesetzlichen Krankenversicherung erhalten. Die Krankenhauspflege, die ihr aus ihrer eigenen Versicherung gewährt wurde, und die Krankenhauspflege, die der Kläger als Familienhilfe begehrt, gehen auf den gleichen Versicherungsfall, nämlich die Erkrankung der Ehefrau an Unterleibskrebs, zurück. Somit ist nach der dargelegten Auslegung des § 205 RVO kein Raum für die Gewährung von Krankenhauspflege als Familienhilfe über den 11. Dezember 1958 hinaus bzw. für Kostenersatz. Die Revision ist nicht begründet und war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen