Orientierungssatz
Wird ein Fußballspiel, in dessen Verlauf ein Versicherter verletzt worden ist, als Verbandsspiel zwischen der Betriebssportgemeinschaft des Versicherten und der Fußballelf eines auswärtigen Sportvereins ausgetragen, so handelt es sich um einen besonderes festgesetzten Wettkampf und nicht um einen - nach der Rechtsprechung des BSG unter bestimmten Voraussetzungen unfallgeschützten (vergleiche BSG 1961-11-28 2 RU 130/59 = BSGE 16, 1,5) - regelmäßig wiederkehrenden Ausgleichssport innerhalb eines im wesentlichen gleichbleibenden Kreises von beteiligten Unternehmen.
Allein der Umstand, daß dem Versicherten wegen der Folgen seines Sportunfalls in der SBZ eine Rente gewährt worden ist, vermag einen Rentenanspruch nach dem FRG nicht zu begründen.
Zur Frage, ob in der SBZ Unfälle beim Betriebssport als Arbeitsunfälle entschädigt werden.
Normenkette
RVO § 542 Fassung: 1943-03-09; FRG § 5 Fassung: 1960-02-25
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. Oktober 1962 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der 1924 geborene Kläger war vor seiner Flucht in das Bundesgebiet im Jahre 1959 bei dem Volkseigenen Betrieb(VEB) L. Schuhfabrik in Weißenfels als Modelleur beschäftigt. Er begehrt von der Beklagten Entschädigung für die Folgen eines Sportunfalls, den er nach seinen Angaben am 2. Juni 1951 als Teilnehmer eines Fußballwettkampfes zwischen der Betriebs-Fußballmannschaft des VEB L. Schuhfabrik gegen die Fußballelf des Sportvereins Blau-Weiß 90 West-Berlin auf dem Fußballplatz in Weißenfels erlitten hat. Sie Sozialversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt gewährte ihm mit Bescheid vom 22. April 1952 wegen Hüftgelenksversteifung und Teilversteifung des linken Kniegelenks Invalidenrente (als Folge eines Arbeitsunfalls) unter Zugrundelegung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v. H.
Die Beklagte lehnte den vom Kläger mit Schreiben vom 29. November 1959 gestellten, vom Versicherungsamt Pirmasens am 3. Dezember 1959 weitergegebenen Antrag auf Unfallrente durch Bescheid vom 20. Juli 1960 ab, weil ein Arbeitsunfall nicht vorliege; es habe sich um ein Verbandsspiel im Wettkampfcharakter gehandelt.
Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 26. Mai 1961, Urteil des Landessozialgerichts - LSG - Rheinland-Pfalz vom 19. Oktober 1962).
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Der Anspruch des Klägers sei nach dem Fremdrentengesetz (FRG) vom 25. Februar 1960 zu beurteilen. Auch wenn dem Kläger nach dem für den Unfallort maßgeblichen (sowjetzonalen) Recht Unfallentschädigung zugestanden habe, sei nach der gemäß § 5 FRG allein maßgeblichen Vorschrift des § 542 der Reichsversicherungsordnung (in der bis zum Inkrafttreten des Unfallversicherungsneuregelungsgesetzes - UVNG - geltenden Fassung - RVO aF) ein Entschädigungsanspruch nicht gegeben; denn ein Arbeitsunfall habe nicht vorgelegen. Der Kläger habe an einem Fußballspiel mit ausgesprochenem Wettkampfcharakter teilgenommen, das nicht etwa mit der Mannschaft eines anderen Betriebes, sondern eines Sportvereins ausgetragen worden sei. Der Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit sei zu verneinen, weil das Spiel weder dem Ausgleich der Belastungen der betrieblichen Beschäftigung gedient habe noch als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung angesehen werden könne. Ein Arbeitsunfall könne auch nicht angesichts des Vorbringens des Klägers, er sei auf Grund der in Mitteldeutschland gegebenen Verhältnisse zur Teilnahme am Betriebssport gezwungen gewesen, bejaht werden, weil nach dem FRG die Sache so angesehen werden müsse, als ob der Sportunfall sich im Geltungsbereich dieses Gesetzes, d. h. im Bundesgebiet, ereignet habe; nach dem hier geltenden Recht sei aber auch unter solchen Umständen ein Sportunfall kein Arbeitsunfall. Anderenfalls würde der Kläger besser gestellt als ein Versicherter, der einen solchen Unfall in der Bundesrepublik Deutschland erlitten hätte.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Der Kläger hat zur Begründung seines Rechtsmittels vortragen lassen: Aus dem Bescheid der Sozialversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt vom 22. April 1952 sei zu folgern, daß der Kläger bei einem deutschen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für diesen Sportunfall versichert gewesen sei. Nach dem im Zeitpunkt dieses Unfalls in seinen Grundzügen bereits in Kraft gewesenen sowjetzonalen Gesetzbuch der Arbeit seien die Betriebe verpflichtet, ein vielgestaltiges und interessantes Kultur- und Sportleben zu entfalten. Daraus ergebe sich die zwangsläufige Folge, daß in Mitteldeutschland ausschließlich Betriebssportvereine Sport treiben dürften. Sport im Rahmen dieses Betriebssports, gleichgültig, in welcher Form er ausgeübt werde, sei - entsprechend jener Gesetzesvorschrift - mit Arbeit gleichzusetzen und unterliege daher nach sowjetzonalem Recht dem Sozialversicherungsschutz. Der Sportunfall des Klägers sei nach den Vorschriften des FRG von der Beklagten selbst dann zu entschädigen, wenn der gleiche - in der Bundesrepublik Deutschland zugezogene - Sportunfall nicht als Arbeitsunfall entschädigt werden könne. Der Kläger habe sich in der Sowjetzone gegen Schäden aus Sportunfällen nicht freiwillig versichern können. In der Bundesrepublik dürften Betriebe nur dann Sport treiben, wenn sie dies den zuständigen Sportverbänden gemeldet hätten; diese seien im Rahmen von Gesamtversicherungsverträgen auch gegen Betriebssportunfälle versichert. Im Bundesgebiet seien sonach Betriebssportunfälle in gewissem Maße pflichtversichert und damit unfallgeschützt. Der Kläger erfahre daher - entgegen der Annahme des Berufungsgerichts - keine Besserstellung dadurch, daß sein Sportunfall nach den Vorschriften des FRG zu entschädigen sei.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Nach ihrer Ansicht kommt es allein darauf an, ob dem geltend gemachten Anspruch ein Arbeitsunfall zugrunde liege; diese Frage sei nach den im Bundesgebiet geltenden Vorschriften zu beurteilen und müsse verneint werden.
Der Kläger beantragt,
die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aus Anlaß des Sportunfalls vom 2. Juni 1951 vom 3. Dezember 1959 an Unfallentschädigung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die - durch Zulassung statthafte (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) - Revision ist nicht begründet.
Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß Anspruchsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs § 5 FRG ist. Nach dieser Vorschrift ist - ebenso wie schon nach § 2 des Fremd- und Auslandsrentengesetzes vom 7. August 1953 (BSG 10, 56, 59), an dessen Stelle mit Wirkung vom 1. Januar 1959 das FRG getreten ist - u. a. Voraussetzung für die Gewährung einer Entschädigung, daß der Verletzte bei einem Arbeitsunfall im Sinne des 3. Buches der RVO verunglückt ist (Jantz/Zweng/Eicher, Das neue Fremd- und Auslandsrentenrecht, 2. Auflage S. 21; Hoernigk/Jahn/Wickenhagen, FRG, S. 94).
Wie das Berufungsgericht indessen mit Recht entschieden hat, ist der Sportunfall des Klägers weder nach § 542 RVO aF noch nach § 548 RVO (i. d. F. des Art. 1 UVNG) ein Arbeitsunfall. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSG 16, 1) steht eine betriebssportliche Betätigung dann nicht unter Versicherungsschutz, wenn sie nicht mehr dem Ausgleich der Belastung durch die Betriebstätigkeit dient, sondern als Teilnahme am allgemeinen sportlichen Wettkampfverkehr anzusehen ist. Dies ist, wie sich aus dem Vorbringen des Klägers ergibt, bei dem am 2. Juni 1951 durchgeführten Verbandsspiel der Fall gewesen. Es braucht vorliegendenfalls nicht entschieden zu werden, ob Unfälle bei betriebssportlichen Veranstaltungen mit Wettkampfcharakter, die von der Autorität des Arbeitgebers getragen werden und an denen nur Betriebsangehörige teilnehmen, Arbeitsunfälle sind (bejahend SG München, Breithaupt Bd. 46, 406). Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob Sportwettkämpfe zwischen Betriebssportgemeinschaften, die im Rahmen einer Gemeinschaftsveranstaltung mehrerer Betriebe durchgeführt werden, Versicherungsschutz genießen (bejahend Hess. LSG, BG 1956, 218). Wie der Kläger vorgetragen hat, ist das Fußballspiel, in dessen Verlauf er verletzt worden ist, als Verbandsspiel zwischen seiner Betriebssportgemeinschaft und der Fußballelf eines auswärtigen Sportvereins ausgetragen worden. Das LSG hat zutreffend angenommen, daß es sich hier um einen besonders festgesetzten Wettkampf und nicht um einen - nach der Rechtsprechung des Senats unter bestimmten Voraussetzungen unfallgeschützten (BSG 16, 1, 5) - regelmäßig wiederkehrenden Ausgleichssport innerhalb eines im wesentlichen gleichbleibenden Kreises von beteiligten Unternehmen gehandelt hat. Der Sportunfall des Klägers ist daher kein Arbeitsunfall im Sinne des 3. Buches der RVO.
Allein der Umstand, daß dem Kläger wegen der Folgen seines Sportunfalls in der sowjetischen Besatzungszone eine Rente gewährt worden ist, vermag einen Rentenanspruch nach dem FRG nicht zu begründen. Nach sowjetzonaler Verwaltungspraxis sind wohl ursprünglich Sportunfälle als Betriebsunfälle angesehen worden, wenn sie sich im Zusammenhang mit dem Betrieb ereignet hatten. Ob dies auf den Unfall des Klägers vom 2. Juni 1951 überhaupt zutrifft, kann dahinstehen. Seit 1953 werden überdies in der sowjetischen Besatzungszone Unfälle beim Betriebssport jedenfalls nicht mehr als Arbeitsunfälle entschädigt, sondern genießen nur Versicherungsschutz auf Grund eines privatrechtlichen Versicherungsvertrages bei der "Deutschen Versicherungsanstalt", der aber von einer Beitragsleistung des Versicherten abhängig ist (vgl. Leutwein, Die sozialen Leistungen in der sowjetischen Besatzungszone, 1954, S. 64). In § 5 FRG ist aber der durch dieses Gesetz begünstigte Personenkreis hinsichtlich des - nach den Vorschriften des Bundesrechts zu beurteilenden - Leistungsrechts, wozu auch die Frage gehört, ob der Versicherungsfall eingetreten ist, den einheimischen Versicherten gleichgestellt worden (BSG 21, 144, 147). Es ist daher ohne Belang, ob der Verletzte für einen Unfall, der nach Bundesrecht nicht als Arbeitsunfall anzusehen ist, im Herkunftsland bereits eine Rente bezogen hat (Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl. S. 462; Hoernigk/Jahn/Wickenhagen aaO S. 94/1). Eine Ausdehnung der Leistungsberechtigung in den Fällen, in denen das Bundesrecht - abweichend vom Recht des Herkunftslandes - keine Entschädigung vorsieht, würde dem Eingliederungsgedanken, der das FRG beherrscht, widersprechen (Hoernigk/Jahn/Wickenhagen aaO S. 94/1).
Der Hinweis des Klägers endlich, er werde durch die Ablehnung seines Anspruchs gegenüber Angehörigen von Betriebssportgemeinschaften des Bundesgebietes, die gegen Sportunfälle privat versichert sein müßten, benachteiligt, geht fehl. Das FRG stellt den von ihm erfaßten Personenkreis - mit gewissen Einschränkungen (vgl. BSG 21, 144, 147) - nur hinsichtlich des Sozialversicherungsschutzes der einheimischen Bevölkerung gleich.
Daher war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen