Leitsatz (redaktionell)
1. Das ArbA setzt, wenn es auch nur fernmündlich die Anerkennung eines witterungsbedingten Arbeitsausfalles verneint, einen klagefähigen Verwaltungsakt.
2. Schlechtwettergeldbezug entfällt für Arbeitsplatzinhaber eines sogenannten "Fortführungsbetriebes", wenn er seine Arbeiten überhaupt noch nicht hatte aufnehmen können.
3. Arbeitsausfall liegt nur vor, wenn es einem Betrieb des Baugewerbes ausschließlich aus zwingenden witterungsbedingten Gründen unmöglich wird, die von ihm auf einer bestimmten Baustelle bereits begonnenen Arbeiten fortzuführen.
Normenkette
AVAVG § 143e Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1959-12-07, Abs. 2 Fassung: 1959-12-07, § 143f Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1959-12-07
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 29. Januar 1965 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin, Inhaberin eines Baugeschäfts, war beauftragt, anfangs Januar 1964 auf einer Baustelle Einschalungsarbeiten zum Schütten einer Betondecke vorzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt hatten jedoch die zuvor von einem anderen Baubetrieb auszuführenden Maurerarbeiten noch nicht die hierfür erforderliche Höhe erreicht. Dieses Unternehmen hatte in der Zeit vom 9. bis zum 29. Dezember 1963 witterungsbedingten Arbeitsausfall, für den seine auf der fraglichen Baustelle beschäftigten Arbeitnehmer Schlechtwettergeld bezogen. Infolgedessen wurde das Mauerwerk erst in der Zeit vom 3. bis 10. Januar 1964 bis zur notwendigen Deckenhöhe fertiggestellt. Am 10. Januar 1964 konnten dann die Arbeiter der Klägerin mit den Einschalungsarbeiten beginnen, für die das Material schon im Dezember 1963 vorgerichtet und auch zum Teil bereits auf die Baustelle gebracht worden war.
Nachdem die Klägerin am 2. Januar 1964 dem zuständigen Arbeitsamt witterungsbedingten Arbeitsausfall angezeigt hatte, teilte diese ihr am 3. Januar vorläufig und am 7. Januar 1964 endgültig - jeweils mündlich - mit, daß es einen witterungsbedingten Arbeitsausfall nicht anerkenne. Zur Begründung führte es aus, es bestehe kein ursächlicher Zusammenhang zwischen Wetterlage und Arbeitsausfall.
Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Bescheid vom 21. Januar 1964 in der Fassung des Bescheids vom 6. März 1964, der auch für die Zeit bis einschließlich 9. Januar 1964 die Anerkennung witterungsbedingten Arbeitsausfalls ablehnte, zurückgewiesen.
Das Sozialgericht (SG) verurteilte die Beklagte, einen neuen Bescheid über die Zahlung von Schlechtwettergeld zu erlassen, weil auch der mittelbare Zusammenhang mit einem infolge des Frostes eingetretenen Arbeitsausfall den Tatbestand des § 143 e des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) erfülle. Auf die vom SG zugelassene Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen: Nach § 143 e Abs. 1 Nr. 1 AVAVG sei die Gewährung von Schlechtwettergeld nur zulässig, wenn die Unmöglichkeit der Fortführung der Arbeit ausschließlich durch zwingende witterungsbedingte Gründe verursacht sei. Dies könne nur bedeuten, daß schon die Mitursächlichkeit anderer Umstände den Ursachenzusammenhang ausschließe; dies sei bei mittelbaren Folgen der Fall, weil hier stets auch sonstige Gründe für den Arbeitsausfall mitwirkten. § 143 e Abs. 2 AVAVG stehe dem nicht entgegen, da sich diese Vorschrift nur auf Folgewirkungen meteorologisch-physikalischer Art beziehe. Ein Arbeitsausfall beruhe nicht auf dem Wetter oder dessen Folgen, wenn er nicht unmittelbar durch das Wetter, sondern durch die witterungsbedingte Verzögerung vorgeschalteter Arbeiten bewirkt werde. Alsdann sei - wie bei der Klägerin - der Arbeitsausfall nicht ausschließlich witterungsbedingt, da er hinreichend vorhersehbar und damit disponierbar sei, weshalb er auch auf mangelnder betrieblicher Disposition beruhe.
Revision wurde zugelassen.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision eingelegt mit dem Antrag,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Sie rügt eine Verletzung des § 143 e AVAVG: In dieser Vorschrift seien die Folgewirkungen den atmosphärischen Einwirkungen gleichgestellt. Hierbei sei der Begriff der Folgewirkung nicht besonders eingeschränkt worden, er umfasse daher auch den durch witterungsbedingte Verhältnisse verzögerten Baufortschritt. Die tatsächliche Unmöglichkeit der Einschalungsarbeiten sei bei konkreter Betrachtungsweise auch eine technische, da diese Arbeiten erst möglich seien, wenn das Mauerwerk die Geschoßhöhe erreicht habe. Das aber sei wegen zwingender witterungsbedingter Gründe nicht möglich gewesen. Mangelnde betriebliche Disposition sei ihr nicht vorzuwerfen, weil sich ein Unternehmer nicht auf alle völlig unvorhersehbaren Witterungsverhältnisse einzustellen vermöge. § 143 e AVAVG sei nur dann sinnvoll, wenn auch die Folgewirkungen in die zwingenden witterungsbedingten Gründe einbezogen würden, soweit die nachgeschalteten Betriebe in Frage kämen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie ist mit dem Berufungsgericht der Ansicht, die Einschalungsarbeiten seien für die Klägerin nicht technisch, sondern nur tatsächlich unmöglich gewesen. Jedenfalls sei aber der Arbeitsausfall nicht ausschließlich durch witterungsbedingte Gründe, vielmehr auch durch den mangelnden Baufortschritt und fehlerhafte betriebliche Disposition verursacht worden, da sich ein nachgeschalteter Betrieb stets auf Verzögerungen der Vorarbeiten einstellen müsse. Außerdem bestehe ein Anspruch der Klägerin auch deshalb nicht, weil sie ihre Einschalungsarbeiten noch nicht begonnen gehabt habe, so daß nicht die "Fortführung" im Sinne des § 143 e Abs. 2 AVAVG, sondern nur der Beginn ihrer Arbeiten unmöglich geworden sei.
II
Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.
Vor einer Entscheidung in der Sache selbst mußte von Amts wegen die Zulässigkeit der erhobenen Klage geprüft werden (vgl. BSG 10, 218, 219; 2, 225, 227). Voraussetzung für die Zulässigkeit der von der Klägerin erhobenen Anfechtungs-und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) ist das Vorliegen eines Verwaltungsakts. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil - 7 RAr 14/65 - vom gleichen Tage bereits entschieden hat, ist in der schriftlichen Antwort des Arbeitsamts auf die Anzeige witterungsbedingten Arbeitsausfalls, dieser könne nicht anerkannt und daher auch einen späteren Antrag auf Schlechtwettergeld nicht entsprochen werden, ein Verwaltungsakt zu sehen. Vorliegend hat die Verwaltung, allerdings nur mündlich, zunächst vorläufig und einige Tage danach endgültig, die Anerkennung witterungsbedingten Arbeitsausfall abgelehnt. Hiermit traf sie jedoch ebenfalls eine unmittelbare rechtserhebliche Regelung, einen Verwaltungsakt. Als solchen mußte die Klägerin insbesondere die nach weiterer Prüfung ausgesprochene endgültige Ablehnung der Anerkennung witterungsbedingten Arbeitsausfalls ansehen, da die Behörde dadurch zugleich die Anerkennung einer für den Erhalt von Schlechtwettergeld erforderlichen Anspruchsvoraussetzung versagte. Diese Ablehnung ist zugleich eine vorweggenommene Entscheidung über den Schlechtwettergeldanspruch selbst, weil dieser nur bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung des § 143 e Abs. 1 Nr. 1 AVAVG besteht. Ferner spricht die Tatsache, daß das Arbeitsamt seine Entscheidung über die Ablehnung witterungsbedingten Arbeitsausfalls nur mündlich mitteilte, nicht gegen die Annahme eines Verwaltungsakts. Dieser konnte vielmehr mangels besonderer Formvorschrift auch formlos ergehen.
Die unverzügliche mündliche Mitteilung erscheint zudem als eine zweckmäßige Form der Entscheidung über die an Schlechtwettertagen beim Arbeitsamt sehr zahlreich eingehenden Anzeigen, da sie dem Arbeitgeber sofort Klarheit verschafft und ihm so seine in eigener Verantwortung zu treffende Entscheidung über Einstellung oder Fortsetzung der Arbeit erleichtert (vgl. Krebs, Komm. z. AVAVG, 2. Aufl. § 143 e Anm. 40; Brodhun/Strippel/Hennig, Arbeitslosenversicherung § 143 e Anm. 7).
Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen jedoch vorliegend selbst dann keine Bedenken, wenn man in der telefonischen Mitteilung des Arbeitsamts keine unmittelbare rechtserhebliche Regelung, sondern nur die informatorische Mitteilung einer verwaltungsinternen vorbereitenden Ermittlung erblicken wollte (vgl. Stern in Bayer. Verwaltungsblätter 57, 86 ff; Obermeier, Verwaltungsakt und innerdienstlicher Rechtsakt, S. 72; BVerwG, DVBl 61, 735; LVerwG Minden, DVBl 51, 448; OVG Koblenz NJW 65, 1622). Denn die Beklagte hat über die Anzeige der Klägerin durch förmlichen Widerspruchsbescheid entschieden und darin ausgeführt, die Schlechtwettergeldregelung erfasse nur bereits begonnene Arbeiten, nicht aber die noch nicht in Angriff genommenen Nachfolgearbeiten der Klägerin. Dies stellt eine unmittelbare rechtserhebliche Vorabentscheidung über den Schlechtwettergeldanspruch selbst, also einen Verwaltungsakt dar.
Die Revision der Klägerin ist jedoch unbegründet. Wie der erkennende Senat in seiner oben genannten Entscheidung vom gleichen Tage bereits mit eingehender Begründung dargelegt hat, liegt ein "Arbeitsausfall" im Sinne des § 143 e Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AVAVG nur vor, wenn es einem Betrieb des Baugewerbes ausschließlich aus zwingenden witterungsbedingten Gründen unmöglich wird, die von ihm auf einer bestimmten Baustelle bereits begonnenen Arbeiten fortzuführen. Dies ergibt sich einmal aus der Verwendung des Begriffs "Fortführung der Arbeit" in § 143 e Abs. 2 AVAVG, zum anderen aus § 143 f Abs. 1 Nr. 1 AVAVG. Auch die letztgenannte Vorschrift gewährt dem jeweiligen Arbeitnehmer nur dann einen Anspruch auf Schlechtwettergeld, wenn er bei Eintritt des Arbeitsausfalls bereits einen witterungsabhängigen Arbeitsplatz auf der Baustelle innehatte. Dies setzt gleichfalls den Beginn der Arbeiten des einen witterungsbedingten Arbeitsausfall anzeigenden Betriebs dort voraus. Allein diese Auslegung des Begriffs "Arbeitsausfall" in § 143 e Abs. 1 und 2, § 143 f Abs. 1 Nr. 1 AVAVG entspricht dem Willen des Gesetzgebers, eine genaue Prüfung der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen sicherzustellen und Mißbräuchen bei der Schlechtwettergeldregelung zu wehren.
Aus diesen Gründen entsteht für Arbeitnehmer eines mit Fortsetzungsarbeiten befaßten, bisher an einer Baustelle noch nicht eingesetzten Betriebes nicht schon deshalb ein Anspruch auf Schlechtwettergeld, weil sich notwendige Bauarbeiten eines Vorbetriebs (z. B. Maurerarbeiten) wegen ausschließlich witterungsbedingter Gründe so verzögert haben, daß die anschließenden Arbeitsverrichtungen (z. B. Zimmerarbeiten) noch nicht durchführbar sind. Auch bei einem nachgeschalteten Betrieb setzt der Anspruch auf Schlechtwettergeld nach der geltenden gesetzlichen Regelung vielmehr voraus, daß der Arbeitsausfall nach Beginn seiner Arbeiten eintritt und dann ebenfalls auf ausschließlich zwingenden witterungsbedingten Gründen im Sinne des § 143 e Abs. 2 AVAVG beruht.
Da aber die Klägerin am Tage des von ihr gemeldeten Arbeitsausfalls ihr Arbeit an der Baustelle selbst noch nicht aufgenommen hatte, hat die Beklagte zu Recht die Anerkennung eines witterungsbedingten Arbeitsausfalls im Sinne des § 143 e Abs. 1 und 2 AVAVG abgelehnt. Die Revision der Klägerin muß daher als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen