Leitsatz (amtlich)
Die Tätigkeiten der Lohngruppe 1 über Tage sind auch nach der Lohnordnung für den rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau vom 1964-07-01 der Hauertätigkeit nicht im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig.
Normenkette
RKG § 45 Abs. 2 Fassung: 1957-05-21
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. Januar 1965 aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, dem Kläger die Bergmannsrente über den 31. Mai 1966 hinaus zu gewähren; insoweit wird der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.
Gründe
I
Der im Juli 1928 geborene Kläger war als Bergmann von 1948 bis Ende 1957 im Gedinge, zuletzt 44 Monate als Hauer, beschäftigt. Anfang Januar 1958 wurde er auf Veranlassung der Bergbau-Berufsgenossenschaft wegen sogenannter Frühsilikose in den Übertagebetrieb verlegt und arbeitete zunächst als Wachmann, später als Transportarbeiter und vom April 1963 an als Platzvorarbeiter. Nach einer in der Revisionsinstanz überreichten Bescheinigung war er vom 1. November 1964 an als I. Maschinist und ist er seit dem 1. Juli 1966 als Maschinist (Lohngruppe II) im Tagesbetrieb beschäftigt.
Im Februar 1958 stellte der Kläger den Antrag auf Gewährung der Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, er könne noch Arbeiten der Lohngruppe I unter Tage verrichten. Der Widerspruch blieb erfolglos. Das Sozialgericht (SG) wies mit Urteil vom 21. April 1960 die gegen diese Bescheide erhobene Klage ab. Es hielt die im rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau nach der Lohngruppe I über Tage (LGr. I übT) entlohnten Tätigkeiten im Vergleich zur Hauerarbeit für noch im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig; zur Verrichtung solcher Tätigkeiten über Tage sei der Kläger auch in der Lage.
Mit Rücksicht auf die zwischenzeitliche Rechtsprechung des erkennenden Senats hat die Beklagte in der Berufungsinstanz den Rentenanspruch für die Zeit bis zum 30. Juni 1964 anerkannt. Darüber hinaus lehnt sie den Anspruch jedoch weiterhin ab. Nach der seit dem 1. Juli 1964 geltenden Lohnordnung (LO) sei die Tätigkeit des Platzvorarbeiters (LGr. I übT), die der Kläger seit April 1963 verrichte, der Hauertätigkeit im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig, verminderte bergmännische Berufsfähigkeit liege also seither nicht mehr vor. Nachdem der Kläger das Teilanerkenntnis der Beklagten angenommen hatte, hat das Landessozialgericht (LSG) antragsgemäß die Beklagte verurteilt, ihm über das Teilanerkenntnis hinaus die Bergmannsrente auch für die Zeit nach dem 30. Juni 1964 zu gewähren. Untertagearbeiten könne der Kläger wegen der in dieser Hinsicht als Krankheit zu wertenden Silikose nicht mehr verrichten. Auf Tätigkeiten über Tage, die nach der Lohngruppe Ia oder nach der Lohngruppe I mit Zuschlag entlohnt werden, könne er nicht verwiesen werden, weil ihm entweder die dafür erforderlichen Kenntnisse, Fertigkeiten oder sonstigen Voraussetzungen fehlten oder es sich nicht um Tätigkeiten "von Personen mit ähnlicher Ausbildung sowie gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten" handle. Die Arbeiten der Lohngruppe I ohne Zuschlag seien der Hauerarbeit gegenüber nicht im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig. Zwar sei die Differenz zwischen den beiden Löhnen nach den letzten Lohnordnungen geringer geworden, jedoch könne diese Verschiebung für die Prüfung der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit noch nicht berücksichtigt werden, weil sich noch nicht absehen lasse, ob sie Bestand habe. Aber auch wenn man von einer dauernden Verringerung der Lohndifferenz ausgehe, könne wirtschaftliche Gleichwertigkeit nicht angenommen werden. Bei dem Lohnvergleich sei nämlich - entgegen der bisherigen Rechtsprechung - auch die dem Hauer neben seinem Tariflohn zustehende Bergmannsprämie in Höhe von 2,50 DM je Schicht zu berücksichtigen. Die Rechtsnatur der Bergmannsprämien sei durch das Gesetz vom 19. Dezember 1963 (BGBl I, 984) für den Bereich des Steinkohlenbergbaus verändert worden. Bisher habe es sich dabei um staatlicherseits gewährte Anerkennungsbeträge für die unter Tage vollbrachte bergmännische Arbeitsleistung mit Subventionscharakter gehandelt, während sie nunmehr Zuwendungen seien, die den Arbeitnehmern in vollem Umfang aus dem Vermögen der Arbeitgeber zufließen; durch diese Regelung seien sie also in das Austauschverhältnis von Leistungen und Gegenleistungen einbezogen worden. Dem stehe nicht entgegen, daß die Prämien weder als Einnahmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes noch als Einkommen, Verdienst oder Entgelt im Sinne der Sozialversicherung, der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenhilfe noch als Bestandteil des Lohnes oder Gehalts im arbeitsrechtlichen Sinne gelten. Hierdurch solle nur sichergestellt werden, daß sie ohne Abzüge dem Arbeitnehmer zufließen. Rechne man aber bei der Gleichwertigkeitsprüfung die Bergmannsprämie dem Tariflohn des Hauers zu, so könne man die Arbeiten der LGr. I übT der Hauerarbeit gegenüber nach wie vor nicht als im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig ansehen. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Mit der Revision macht die Beklagte geltend, der Anspruch des Klägers auf Bergmannsrente sei nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG seit dem 1. Juli 1964 nicht mehr begründet; die von ihm tatsächlich verrichtete Tätigkeit als Platzvorarbeiter in der LGr. I übT sei nach der von diesem Zeitpunkt an geltenden Lohnordnung der Hauertätigkeit im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig. Bei dem Lohnvergleich sei von den tariflich vereinbarten Löhnen auszugehen; schon aus diesem Grunde könne die nicht tariflich vereinbarte Bergmannsprämie hierbei nicht berücksichtigt werden. Die Prämie stehe auch in keiner Beziehung zum Wert der einzelnen Tätigkeiten, sie betrage 2,50 DM für Gedingeschlepper wie für Reviersteiger. Es bestehe daher kein Anlaß, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen. Auch nach dem Gesetz vom 19. Dezember 1963 sei es dabei verblieben, daß die Bergmannsprämie für die Sozialversicherung nicht als Einkommen gilt.
Der Kläger könne daher auf die von ihm seit längerer Zeit tatsächliche verrichtete Arbeit als Platzvorarbeiter verwiesen werden. Es handle sich im Vergleich zur Hauertätigkeit auch um eine Tätigkeit von Personen mit ähnlicher Ausbildung sowie gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten im Sinne von § 45 Abs. 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG). Der Vorarbeiter nehme eine Stellung zwischen dem Meister und dem Arbeiter ein; die besondere Bewertung dieser Aufstiegsstellung ergebe sich daraus, daß der Vorarbeiter nach Lohngruppe I, die unterstellten Platzarbeiter dagegen nach Lohngruppe IV entlohnt würden.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 21. April 1960 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für richtig, hebt aber besonders noch hervor, daß der durchschnittliche Effektivlohn des Hauers erheblich über dem Gedingerichtsatz liege und daß der tatsächliche Einkommensverlust eines Hauers, der auf die Lohngruppe I über Tage verwiesen wird, fast 40 v.H. seines früheren Einkommens ausmache. Bei einer solchen Lohneinbuße könne wirtschaftliche Gleichwertigkeit nicht mehr angenommen werden.
II
Die Revision der Beklagten ist nur zum Teil begründet. Dem Kläger steht, wie das LSG zu Recht entschieden hat, die Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit über den 30. Juni 1964 hinaus jedenfalls bis zum 31. Mai 1966 zu.
Der weitgehend unbestimmte Begriff "im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig" hat seine Konkretisierung im Laufe der Zeit durch Verwaltungspraxis und Rechtsprechung erfahren. Da der Gesetzgeber es bisher unterlassen hat, den Gleichwertigkeitsbegriff genauer zu bestimmen, was ihm jederzeit möglich gewesen wäre, kann man auch davon ausgehen, daß die Grundzüge der bisher durch die Rechtsprechung entwickelten Auslegung dieses Begriffes im wesentlichen seinen sozialpolitischen Tendenzen entsprechen.
Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 12. Juli 1956 (BSG 3, 171) den Grundsatz herausgestellt, daß bei Prüfung der Gleichwertigkeit weder der Individuallohn des Versicherten noch der effektive Durchschnittslohn seiner Berufsgruppe, sondern allein der Tariflohn, d.h. für den Hauer der Gedingerichtsatz, als Vergleichsmaßstab heranzuziehen ist. Hieran hält der Senat auch weiterhin fest. Der tarifliche Gedingerichtsatz entspricht dem Lohn, den der Vollhauer "bei normaler Arbeitsleistung" verdienen kann. Das ist der praktisch allein mögliche und auch sachlich gerechtfertigte Maßstab für die objektive Bewertung einer Tätigkeit; auf die Bewertung der Tätigkeiten kommt es bei dem nach § 45 Abs. 2 RKG anzustellenden Vergleich aber gerade an. Was der Gedingearbeiter darüber hinaus durch besondere Leistungsfähigkeit und höhere Anstrengung mehr "aus dem Gedingen herausholt", muß hierbei folgerichtig außer Betracht bleiben. Die ihm gebotene Möglichkeit, erheblich über den Richtsatz hinaus zu verdienen, wird durch die knappschaftliche Rentenversicherung im Rahmen der Bergmannsrente - jedenfalls hinsichtlich des Versicherungsfalls - nicht gedeckt.
Dementsprechend hatte der Senat in dem vorerwähnten Urteil entschieden, daß die Tätigkeiten der LGr. I übT nach den von 1951 bis 1955 im Ruhrkohlenbergbau geltenden Tariflöhnen der Tätigkeit des Gedingehauers noch im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig sind; der relative Lohnabfall betrug damals etwa 18 v.H. nach einer vorübergehend noch stärkeren Erhöhung dieser Differenz in der LO von 1956 blieb sie in der Folgezeit von 1959 bis 1963 mit etwa 21,8 v.H. konstant. Für einen solchen Lohnunterschied konnte wirtschaftliche Gleichwertigkeit nicht mehr angenommen werden (BSG 17, 196; 21, 282). Inzwischen hat sich allerdings das Verhältnis zwischen Gedingerichtsatz und Schichtlohn der LGr. I übT erneut verschoben. Nach der LO vom 1. Oktober 1963 sank die relative Differenz auf etwa 21,2 v.H. und in der LO vom 1. Juli 1964 auf 20,7 v.H.. Da es auch in der folgenden Lohnordnungen vom 1. Januar 1965 und 1. Juni 1966 bei diesem Verhältnis geblieben ist, sind zwar die Bedenken des LSG, es könne sich nur um eine vorübergehende Änderung handeln, ausgeräumt. Der Senat kann sich aber der Ansicht der Beklagten, die Tätigkeiten der LGr. I übT seien hiernach seit dem 1. Juli 1964 der Hauertätigkeit wieder im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig, nicht anschließen. Die Änderung der relativen Lohndifferenz ist zu gering, als daß daraus auf eine wesentliche Änderung in der Bewertung der in Betracht kommenden Tätigkeiten durch die Tarifparteien geschlossen werden könnte. Sie beruht vielmehr darauf, daß nach dem Tarifvertrag vom 27. September 1963 sowohl der Gedingerichtsatz wie die tariflichen Schichtlöhne zum 1. Oktober 1963 und zum 1. Juli 1964 jeweils einheitlich um 0,75 DM erhöht wurden; diese schematische Erhöhung aller Löhne um einen festen Betrag führte - relativ gesehen - zu einem Zusammenrücken der höheren mit den niedrigeren Löhnen. Würde eine so geringfügige, noch dazu im wesentlichen tariftechnisch bedingte Verschiebung im Lohngefüge bereits ausreichen, das Gleichwertigkeitsverhältnis einer Tätigkeitsgruppe im Verhältnis zur Hauertätigkeit entscheidend zu verändern, so würde das zu erheblicher Unsicherheit bei Versicherten und Versicherungsträgern und auch zu Ungerechtigkeiten führen. Das schließt allerdings nicht aus, daß in besonderen Fällen auch geringfügige Änderungen der LO entscheidende Bedeutung haben können, so etwa in Grenzfällen oder bei aufeinanderfolgenden, sich summierenden Änderungen.
Es ist nun richtig, daß der Senat in seinem Urteil vom 25. August 1960 (BSG 13, 29) einen Lohnunterschied von etwa 20,7 v.H., wie er auch hier vorliegt, noch nicht hat genügen lassen, um die Arbeiten der Lohngruppe I unter Tage (uT) als der Hauertätigkeit nicht mehr im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig anzusehen. Hierbei ist jedoch zunächst zu berücksichtigen, daß die Lohnskala im Bergbau damals überhaupt weiter auseinandergezogen war. Wesentlich war aber für die vorgenannte Entscheidung das Prinzip, im Interesse der Rechtssicherheit ein bisher stets anerkanntes Gleichwertigkeitsverhältnis nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten. Das mußte insbesondere für das Verhältnis der Hauertätigkeit zu den Arbeiten der LGr. I uT gelten. Das Gesetz geht nämlich offensichtlich davon aus, daß auch der Gedingehauer, für den ja die Bergmannsrente in erster Linie gedacht ist, grundsätzlich noch auf irgendwelche andere Tätigkeiten verwiesen werden kann. Für einen Hauer, der nicht mehr im Gedinge arbeiten kann, kommen aber regelmäßig auch die Tätigkeiten der Sondergruppe praktisch nicht mehr in Betracht. Durch den Wegfall der Verweisungsmöglichkeit auf die Tätigkeiten der LGr. I uT wäre daher eine wesentliche Voraussetzung für die Gewährung der knappschaftlichen Teilrente ganz entscheidend verändert worden. Die Tätigkeiten der Lohngruppe I uT wären damit zu sogenannten Invalidenarbeiten im Sinne der alten "Berginvalidität" geworden. Es ist aber nicht anzunehmen, daß die an der Lohngestaltung beteiligten Kreise des Bergbaus eine so weitgehende Abwertung der Arbeiten dieser Lohngruppe - hierzu gehören z.B. Rauber und selbständig arbeitende Zimmerhauer - gewollt haben. Wenn daher der Senat damals trotz der Lohndifferenz von 20,7 v.H. noch an der Gleichwertigkeit dieser Arbeiten mit der Hauertätigkeit festgehalten hat, so kann daraus nicht hergeleitet werden, daß dieser Vomhundertsatz auch für einen späteren Vergleich der Hauertätigkeit mit anderen Tätigkeiten bei verändertem Lohngefüge notwendig zur Annahme der Gleichwertigkeit führen müsse. Nachdem inzwischen der Lohnabfall von der Hauertätigkeit zu den Arbeiten der LGr. I uT wieder unter 20 v.H. - dieser Satz bietet sich als geeigneter Grenzwert jedenfalls bei der Hauertätigkeit an - abgesunken ist, hält der Senat es mit seiner früheren Beurteilung für vereinbar, bei einer Lohndifferenz von 20,7 v.H. die Tätigkeiten der LGr. I übT weiterhin als der Hauertätigkeit nicht mehr im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig anzusehen.
Der Senat kann sich allerdings - um diese Frage vorwegzunehmen - nicht der Ansicht des LSG anschließen, daß nunmehr bei der wirtschaftlichen Bewertung der Hauertätigkeit zusätzlich zum Gedingerichtsatz auch die Bergmannsprämie in Höhe von 2,50 DM zu berücksichtigen sei. Der Senat hat es von Anfang an (s. BSG 13, 31) abgelehnt, die Bergmannsprämie bei dem nach § 45 RKG (entsprechend § 35 RKG aF) erforderlichen Lohnvergleich mitzuberücksichtigen, da sie nach § 4 des Gesetzes über Bergmannsprämien vom 20. Dezember 1956 (BGBl I, 927) nicht als Einkommen, Verdienst oder Entgelt im Sinne der Sozialversicherung und arbeitsrechtlich nicht als Bestandteil des Lohnes gilt. An dieser Auffassung hat der Senat auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Bergmannsprämien vom 19. Dezember 1963 ausdrücklich festgehalten (s. SozR RKG § 45 Nr. 21). Die Ausführungen des LSG in dem angefochtenen Urteil geben ihm auch keinen Anlaß, seine Ansicht aufzugeben. Die Änderung des Gesetzes enthält im wesentlichen nur "Sondervorschriften für Arbeitgeber des Steinkohlenbergbaus und des Eisenerzbergbaus" und wirkt sich auf die Arbeitnehmer, also die knappschaftlich Versicherten, unmittelbar überhaupt nicht aus. Insbesondere hat sich an dem Charakter der Bergmannsrente als einer Zuwendung besonderer Art, wie er sich aus den §§ 3 und 4 des Bergmannsprämiengesetzes ergibt, nichts geändert. Dem Umstand, daß - um eine nach Europarecht unzulässige Subvention zu vermeiden - der Arbeitgeber nunmehr die wirtschaftliche Last aus der Gewährung der Prämien letztlich selbst zu tragen hat, kann demgegenüber keine entscheidende Bedeutung zugemessen werden. Diese finanzielle Mehrbelastung des Steinkohlenbergbaus kann sich auf die Lohngestaltung nicht anders auswirken als jede andere Belastung auch. So ist auch die Veränderung des Verhältnisses der Löhne untereinander nach den Lohnordnungen von 1963 und 1964 nicht auf eine Berücksichtigung der Bergmannsprämie zurückzuführen, sondern darauf, daß - wie oben bereits dargelegt - den Löhnen aller Lohngruppen unter und über Tage jeweils der gleiche Betrag zugeschlagen wurde. Es mag zutreffen, daß, wie das LSG ausführt, die Regelung nach § 4 des Gesetzes nur dem Zweck dienen soll, die Bergmannsprämie dem Arbeitnehmer ohne steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Abzüge unverkürzt zukommen zu lassen. Eben diese Beitragsfreiheit für die knappschaftliche Rentenversicherung rechtfertigt es aber, die Prämie bei der Bewertung des Hauptberufs und der in Frage kommenden Verweisungsberufe nach § 45 RKG nicht zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung einer Entschädigung, für die keine Beiträge zu entrichten sind, widerspräche versicherungsrechtlichen Grundsätzen, weil hierdurch das Versicherungsrisiko ungerechtfertigt verschoben würde.
Da auch ohne Berücksichtigung der Bergmannsprämie die Arbeiten der Lohngruppe I über Tage der Hauertätigkeit nicht gleichwertig sind, hat das LSG im Ergebnis zu Recht den Kläger, für den höher entlohnte Tätigkeiten nicht mehr in Betracht kommen, auch über den 30. Juni 1964 hinaus für vermindert bergmännisch berufsfähig angesehen.
Nach Erlaß des angefochtenen Urteils ist jedoch zum 1. Juni 1966 eine neue Lohnordnung in Kraft getreten, nach der u.a. der Platzvorarbeiter in die höher bewertete neue Lohngruppe I b aufgerückt ist. Da es sich hierbei um eine Änderung von Rechtsnormen handelt (s. SozR Nr. 9 zu RKG § 35 aF), ist sie auch im Revisionsverfahren zu berücksichtigen. Diese Neueinstufung enthält eine echte wirtschaftliche Neubewertung der betroffenen Tätigkeiten, die dazu führt, daß sie nunmehr bei einer Lohndifferenz von etwa 17,5 v.H. der Hauertätigkeit im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertig geworden sind. Der Senat kann jedoch eine Entscheidung darüber, ob dem Kläger vom 1. Juni 1966 an die Bergmannsrente nicht mehr zusteht, deshalb nicht selbst treffen, weil die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen dafür fehlen, ob der Kläger zu diesem Zeitpunkt auf die Tätigkeit eines Platzvorarbeiters oder eine andere Tätigkeit der neuen Lohngruppe I b verwiesen werden kann. Im allgemeinen kann zwar das Revisionsgericht davon ausgehen, daß die in der Tatsacheninstanz getroffenen tatsächlichen Feststellungen über den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung hinaus weitergelten. Im vorliegenden Fall liegt jedoch nach der vom Kläger in der Revisionsinstanz überreichten Bescheinigung vom 15. September 1966 ein mehrfacher Tätigkeitswechsel vor, der Zweifel daran begründen kann, ob der Kläger die gesundheitlichen und beruflichen Voraussetzungen für die nunmehr aufgewerteten Tätigkeiten der Lohngruppe I b zu dem maßgeblichen Zeitpunkt erfüllt. Für die Zeit nach dem 31. Mai 1966 wird das Berufungsgericht daher die erforderlichen Feststellungen treffen und über den Anspruch neu entscheiden müssen. Insoweit ist der Rechtsstreit an das Landessozialgericht zurückzuverweisen, die Revision der Beklagten im übrigen aber zurückzuweisen.
Fundstellen