Leitsatz (amtlich)
Für eine von der BA gemäß AFG § 57 in der bis 1974-09-30 gültigen Fassung erbrachte Leistung ist der Übergang des Anspruchs gegen die "andere Stelle" auf die BA gemäß AFG § 38 Abs 2 S 2 ausgeschlossen.
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Rahmen der Leistungsgewährung an eingegliederte Behinderte nach AFG § 57 aF konnte die Bundesanstalt für Arbeit Ansprüche der Behinderten gegen andere Stellen nicht wirksam auf sich überleiten.
2. Die Überleitungsanzeige ist ein selbständig anfechtbarer Verwaltungsakt. Dieser kann jedoch, solange er noch nicht bindend geworden ist, rechtlich auch im Rahmen einer Klage überprüft werden, die gegen einen ablehnenden und mit dem Anspruchsübergang begründeten Bescheid der anderen Stelle erhoben worden ist.
Normenkette
AFG § 38 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1969-06-25, § 57 Fassung: 1969-06-25; AVG § 13 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1236 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Mai 1976 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin neben einem von der Beigeladenen (Bundesanstalt für Arbeit - BA -) gewährten Zuschuß zur Beschaffung eines Personenkraftwagens (Pkw) einen weiteren, von der Beklagten (Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) bewilligten Zuschuß von dieser ausgezahlt verlangen kann, obwohl die Beigeladene insoweit eine Überleitung auf sich geltend gemacht hat.
Die Klägerin ist Behinderte und benötigt zum Erreichen ihres Arbeitsplatzes einen Pkw. Auf ihren Antrag bewilligte ihr die Beigeladene für die Anschaffung einen Zuschuß von 5.320,- DM und ein Darlehn von 2.073,- DM. Im Bewilligungsbescheid vom 7. Juni 1972 teilte die Beigeladene der Klägerin mit, daß sich der Zuschuß um die Leistung des vorrangig verpflichteten Trägers vermindere. Ein Ersatzanspruch sei gemäß § 38 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) gegen die Beklagte geltend gemacht. Die bewilligten Beträge wurden der Klägerin ausgezahlt. Im Anschluß daran gewährte auch die Beklagte der Klägerin für den gleichen Zweck einen Zuschuß von 2.000,- DM, stellte aber die Auszahlung dieses Betrages wegen des von der Beigeladenen geltend gemachten Ersatzanspruchs zurück (Bescheid vom 13. Juli 1972, Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 1973).
Mit der Klage begehrte die Klägerin die Auszahlung von 2.000,- DM und außerdem die Feststellung, daß der Beigeladenen Ersatzansprüche auf die ihr von der Beklagten bewilligte "Kraftfahrzeugbeihilfe" nicht zustehen. Das Sozialgericht (SG) gab der Klage statt (Urteil vom 12. März 1974). Die zugelassene Berufung der Beigeladenen blieb erfolglos. Das Landessozialgericht (LSG) verneinte einen Ersatzanspruch der Beigeladenen, weil die Voraussetzungen der §§ 53 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 3, 58 Abs. 1 AFG i. V. m. §§ 37, 38 AFG nicht gegeben seien. Die Beklagte sei nicht - wie § 37 AFG es erfordere - zur Gewährung des Zuschusses gesetzlich verpflichtet gewesen. Sie habe vielmehr nur aufgrund des § 13 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens ebenfalls einen Pkw-Zuschuß bewilligt. Die Überleitungsanzeige nach § 38 AFG könne nur bewirken, daß der im Bewilligungsbescheid der Beklagten konkretisierte Anspruch der Versicherten auf die Beigeladene übergehe. Bei der Festsetzung der Leistung habe die Beklagte bereits die Zuschüsse der Beigeladenen berücksichtigt und in ihren Rahmengrundsätzen die Nichtanrechenbarkeit ihrer Leistung als zusätzliche Leistung ausdrücklich bestimmt. Insoweit seien daher die Leistungen der Beklagten und der Beigeladenen nicht inhaltsgleich. Die Beklagte habe sich, soweit die Beigeladene zahle, für nicht zuständig erklärt. Ihre Leistungen könnten auch nicht unter § 57 AFG in der bis zum 30. September 1974 geltenden Fassung (aF) "soweit nicht ein anderer Träger zuständig ist" erfaßt werden (Urteil vom 5. Mai 1976).
Die Beigeladene hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 57 AFG aF.
Die Beigeladene beantragt, das angefochtene Urteil und das Urteil des SG Köln vom 12. März 1974 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision ist nicht begründet.
Das LSG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß die Klägerin die Auszahlung des ihr von der Beklagten mit Bescheid vom 13. Juli 1972 bewilligten Pkw-Zuschusses verlangen kann. Dies schon deswegen, weil der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte nicht infolge der im Bescheid der Beigeladenen vom 7. Juni 1972 enthaltenen Überleitungsanzeigen gemäß § 38 Abs. 2 Satz 2 AFG auf die Beigeladene übergehen konnte.
Das LSG ist ohne Begründung, aber zutreffend davon ausgegangen, daß die einen selbständigen Verwaltungsakt darstellende Überleitungsanzeige der Beigeladenen (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 31.8.1977 - 1 RA 137/75 - mit weiteren Nachweisen) im vorliegenden Klageverfahren rechtlich überprüft werden kann. Obwohl die Klägerin ausdrücklich nur gegen den von der Beklagten erlassenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides Klage erhoben hatte, richtet sich ihr "Klagewille" nach dem Gesamtvorbringen auch gegen die Rechtswirksamkeit der Überleitungsanzeige, was insbesondere daraus erhellt, daß sie in erster Instanz neben der Auszahlung des ihr durch den Bescheid der Beklagten gewährten Pkw-Zuschusses auch beantragte festzustellen, daß der Beigeladenen durch die Überleitungsanzeige übergegangene "Ersatzansprüche auf die ihr mit Bescheid der Beklagten vom 13. Juli 1972 bewilligte Kfz-Beihilfe nicht zustehen". Für diese Feststellungsklage, der das SG stattgegeben und die das LSG für überflüssig angesehen hat, fehlt allerdings das Feststellungsinteresse, eben weil die Klägerin insoweit gegen die Überleitungsanzeige als Verwaltungsakt direkt mit der Anfechtungsklage vorgehen konnte und dies nach ihrem Gesamtvorbringen auch wollte. Da der Bescheid der Beigeladenen vom 7. Juni 1972 weder förmlich zugestellt worden ist noch eine Rechtsbehelfsbelehrung enthält, ist die Klage zwar rechtzeitig erhoben worden, sie hätte aber mangels Durchführung des notwendigen Vorverfahrens (§ 80 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - in der bis zum 31.12.1974 gültigen Fassung) als Einlegung des Widerspruchs behandelt werden müssen, über den derzeit von der BA noch nicht entschieden ist. Für die vorliegende, den Widerspruchsbescheid der Beklagten betreffende Streitsache ist dies indes unschädlich. Für sie folgt daraus jedenfalls, daß die Überleitungsanzeige im Bescheid der Beigeladenen für die Klägerin noch nicht bindend geworden ist und schon deswegen auch die Beklagte dessen Tatbestandswirkung nicht im Sinne der Ausführungen im Urteil des Senats vom 31. August 1977 aaO hinzunehmen braucht. Unabhängig davon muß auch der in diesem Urteil eingeräumte Ausnahmefall bei schutzwürdigen Interessen des anderen Leistungsträgers hier bejaht werden, weil sich aus dem Schriftwechsel zwischen der Beklagten und der Beigeladenen in deren vom LSG zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsakten eindeutig ergibt, daß zwischen ihnen gerade die "Berechtigung, gemäß § 38 AFG Rückgriff zu nehmen" höchstrichterlich durch die Klage der Versicherten gegen den Bescheid der Beklagten geklärt werden sollte.
Kann somit im vorliegenden Verfahren der auf § 38 Abs. 2 Satz 2 AFG gestützte Anspruchsübergang überprüft werden, so ist dessen Zulässigkeit entgegen der Auffassung der Revision schon grundsätzlich nicht gegeben.
Nach den Entscheidungen des 7. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11. März und 11. Mai 1976 (BSGE 41, 241/242; 42, 5 ff) kann die Leistungspflicht der Beigeladenen gegenüber der - beschäftigten - Klägerin allein auf § 57 AFG aF gegründet werden. Anders als in § 53 Abs. 3 AFG und in § 58 AFG aF gilt indes für die nach § 57 AFG aF erbrachten Leistungen die entsprechende Anwendung des § 38 AFG gerade nicht. Auch die Beigeladene räumt in ihrer Revisionsbegründung ein, daß im vorliegenden Fall die von ihr erbrachte Leistung auf § 57 AFG aF beruht. Sie hält aber auch § 38 AFG im Rahmen des § 57 AFG aF "ebenso wie es für § 53 AFG in dessen Absatz 3 ausdrücklich bestimmt ist" für entsprechend anwendbar. Dem kann weder nach der Systematik des AFG noch der Entstehungsgeschichte und der Weiterentwicklung des § 57 AFG gefolgt werden.
Gerade weil nur für bestimmte Förderungsleistungen des 5. und 6. Unterabschnitts des 2. Abschnitts des AFG die Vorschriften des 4. Unterabschnitts jeweils insgesamt (so in § 58 AFG aF) oder einzelne von ihnen (so in § 53 Abs. 3 AFG) ausdrücklich für entsprechend anwendbar erklärt werden, kann dies für die anderen Leistungsvorschriften, bei denen eine derartige Verweisung fehlt, nicht gelten. Für § 57 AFG aF ergibt sich dies auch aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift. Sie geht auf § 6 Abs. 2 des Regierungsentwurfs zum AFG (BT-Drucks. V/2291 S. 4) zurück, in dem die Verweisung auf die Vorschriften des 4. Unterabschnitts enthalten war. Wenn diese Verweisung in der vom Ausschuß für Arbeit (BT-Drucks. V/4110) vorgeschlagenen und Gesetz gewordenen Fassung des § 57 AFG aF - anders als bei den nach dem Urteil des BSG vom 11. März 1976 aaO davon zu unterscheidenden Leistungsvorschriften des § 53 AFG und des § 58 AFG aF - weggelassen worden ist, so verbietet sich die von der Beigeladenen vertretene entsprechende Anwendung des § 38 AFG bei einer nach § 57 AFG aF erfolgten Leistung. Eine derartige Analogie würde auch nicht mit der Tatsache in Einklang zu bringen sein, daß erst durch die Neufassung des § 58 AFG mit Wirkung vom 1. Oktober 1974 für sämtliche Leistungen des 6. Unterabschnitts die entsprechende Anwendung u. a. des § 38 AFG eingeführt worden ist.
Da somit für die von der Beigeladenen gemäß § 57 AFG aF erbrachte Leistung ein Anspruchsübergang nach § 38 Abs. 2 Satz 2 AFG von vornherein ausgeschlossen war, ist die Beklagte bereits aus diesem Grund nicht gehindert, den der Klägerin im angefochtenen Bescheid bewilligten Pkw-Zuschuß auszuzahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen