Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenanpassung. Höchstgrenze

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Anpassung der Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, nachdem die Höchstgrenze des der Rentenberechnung zugrunde liegenden Jahresarbeitsverdienstes zuvor überschritten war.

2. Eine steuerfreie und abgabenfreie Stellenzulage ist bei der Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes mit dem im Jahr vor dem Arbeitsunfall gezahlten Betrag zu berücksichtigen; eine Erhöhung ua um einen fiktiven Steueranteil findet nicht statt.

 

Orientierungssatz

Wurde bei der Anpassung nach dem RAG 19 und RAG 20 die damalige Höchstgrenze des Jahresarbeitsverdienstes bei der Berufsgenossenschaft von 48.000 DM überschritten, dann ist nach Festsetzung der Höchstgrenze des JAV auf 60.000 DM bei der Rentenanpassung nach dem RAG 21 von dem Jahresarbeitsverdienst auszugehen, der sich aus den bisherigen Anpassungen und der bisherigen Höchstgrenze - hier 48.000 DM ergab (vgl BSG 30.11.1981 2 BU 132/81).

 

Normenkette

RVO § 571 Abs 1 S 1, § 575 Abs 2, § 579; SGB 4 § 14 Abs 2; RAG 19; RAG 20; RAG 21 § 10 Abs 1 S 1

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 22.01.1985; Aktenzeichen L 5 U 151/82)

SG Köln (Entscheidung vom 28.10.1982; Aktenzeichen S 18 U 300/79)

 

Tatbestand

Der Kläger war Angestellter (Hilfsreferent) im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft. Die Beklagte gewährte ihm wegen der Folgen eines am 24. November 1970 erlittenen Arbeitsunfalles aufgrund des vor dem Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen am 10. Januar 1979 geschlossenen Vergleichs (L 17 (5) U 59/74) durch Ausführungsbescheid vom 9. Mai 1979 ab 19. August 1971 Verletztenrente, und zwar bis zum 8. November 1971 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 vH und ab 9. November 1971 bis auf weiteres nach einer MdE von 20 vH. Der Rentenberechnung legte die Beklagte einen Jahresarbeitsverdienst (JAV) von 29.893,64 DM zugrunde, der nach den 15. bis 21. Rentenanpassungsgesetzen (RAG) erhöht wurde. Bei der Anpassung nach dem 19. RAG ab 1. Januar 1977 wurde die damalige Höchstgrenze des JAV von 48.000,-- DM überschritten. Bei der Anpassung nach dem 21. RAG ab 1. Januar 1979 betrug die Höchstgrenze des JAV 60.000,-- DM; die Beklagte ging bei der Anpassung von 48.000,-- DM aus und vervielfältigte diesen Betrag mit dem Anpassungsfaktor 1.069. Der Kläger machte mit seinem Widerspruch gegen diesen Bescheid geltend, daß die Beklagte in den JAV nicht die ihm gewährte Ministerialzulage einbezogen habe und bei der Rentenanpassung nach dem 21. RAG ab 1. Januar 1979 nicht von seinem tatsächlichen, die Höchstgrenze des JAV von 48.000,-- DM übersteigenden Verdienst ausgegangen sei. Den Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 14. November 1979 zurück. Die Ministerialzulage sei kein beim JAV zu berücksichtigendes Entgelt. Bei der Anpassung der Rente nach dem 21. RAG sei zutreffend von der vorherigen Höchstgrenze des JAV von 48.000,-- DM ausgegangen worden.

Das Sozialgericht (SG) Köln hat die Beklagte verurteilt, dem festgestellten JAV die dem Kläger in dem Jahr vor dem Arbeitsunfall gezahlte Ministerialzulage in Höhe von insgesamt 1.500,-- DM hinzuzurechnen. Hinsichtlich der Rentenanpassung hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 28. Oktober 1982). Die Berufungen der beiden Beteiligten hat das LSG für das Land Nordrhein-Westfalen zurückgewiesen (Urteil vom 22. Januar 1985). Die Ministerialzulage sei bei der Errechnung des JAV zu berücksichtigen, und zwar mit dem steuerfreien Zahlbetrag. Die Rentenanpassung sei rechtmäßig durchgeführt worden.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Kläger hat dieses Rechtsmittel eingelegt. Er vertritt weiterhin die Auffassung, daß die Ministerialzulage von 1.500,-- DM wie Nettolohn behandelt werden müsse und daher um einen Steueranteil auf 1.794,15 DM zu erhöhen sei. Bei der Rentenanpassung nach dem 21. RAG sei nicht von einem JAV von 48.000,-- DM auszugehen, sondern von dem damals höheren Verdienst, der nur wegen der Höchstgrenze des JAV ab 1. Januar 1977 nicht berücksichtigt worden war.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 1985, des Urteils des SG Köln vom 28. Oktober 1982 und des Bescheides vom 9. Mai 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. November 1979 die Beklagte zu verurteilen, a) die Verletztenrente ab 19. August 1971 unter Berücksichtigung eines um die Ministerialzulage in Höhe von 1.794,15 DM erhöhten JAV zu gewähren und b) die Rentenberechnung ab 1. Januar 1979 in der Form vorzunehmen, daß von dem im Jahr vor dem Unfall erzielten und mit den jeweiligen Anpassungsfaktoren und Anpassungsgesetzen vervielfältigten JAV auszugehen ist.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Die Verletztenrente gehört zu den Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung in Geld, die nach dem JAV berechnet werden (§§ 537 Nr 2 Buchst a, 547, 570 und 581 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung -RVO-). Als JAV gilt nach § 571 Abs 1 Satz 1 RVO in der hier noch anzuwendenden bis zum 30. Juni 1977 geltenden Fassung das Arbeitseinkommen des Verletzten im Jahre vor dem Arbeitsunfall. Das LSG hat, ohne daß insoweit zulässige und begründete Revisionsgründe geltend gemacht worden sind, entschieden, daß die Ministerialzulage, die dem Kläger im Jahr vor dem Arbeitsunfall gezahlt worden war, Entgelt iS des hier noch anzuwendenden bis zum 30. Juni 1977 in Kraft gewesenen § 160 Abs 1 RVO ist und daher bei der Berechnung des JAV berücksichtigt werden muß. Wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden hat, bemißt sich der JAV nach dem Bruttoarbeitseinkommen des Versicherten, es sei denn, daß die Tätigkeit steuerfrei und sozialversicherungsfrei war (BSG Urteile vom 22. November 1979 - 8a RU 28/79 - und vom 20. Oktober 1983 - 2 RU 7/83 -; vgl Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 10. Aufl, S 574d; Merten in GK-SGB IV § 14 Rz. 18; Gitter in SGB - Sozialversicherung - Gesamtkommentar § 571 Anm 3 Buchst d). Bei der Ministerialzulage handelt es sich um einen Teil des Arbeitslohnes (Stellenzulage) der sachlich von der Einkommensteuer freigestellt war (BFHE 81, 401). Sie ist daher nicht wie ein vereinbartes Nettoarbeitsentgelt zu behandeln, dem zur Ermittlung des Brutto-Arbeitseinkommens die darauf entfallenden Steuern und die auf den Beschäftigten entfallenden Anteile an den Beiträgen zur Sozialversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit hinzuzurechnen sind (vgl jetzt § 14 Abs 2 SGB IV; zur Berechnung des Konkursausfallgeldes nach § 141d Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes -AFG- aus steuerfreiem Arbeitseinkommen siehe BSG Urteil vom 27. Juni 1985 - 10 RAr 16/84 -). Wegen der Steuerfreiheit der Ministerialzulage waren von ihr auch keine Beiträge zur Krankenversicherung und zur Rentenversicherung der Angestellten zu entrichten (vgl BSGE 53, 133, 134). Die Ministerialzulage ist daher mit dem im Jahr vor dem Arbeitsunfall gezahlten Betrag von 1.500,-- DM bei der Berechnung des JAV zu berücksichtigen.

Die Rentenanpassung ist durch die Beklagte zutreffend vorgenommen worden. Bei der Anpassung nach dem 19. RAG wurde die damalige Höchstgrenze des JAV bei der Beklagten von 48.000,-- DM (Verordnung über die Höchstgrenze des JAV vom 10. November 1971 - BGBl I 1789) überschritten. Dies traf auch noch bei der Anpassung nach dem 20. RAG zu. Mit Wirkung vom 1. Januar 1979 wurde die Höchstgrenze des JAV bei der Beklagten auf 60.000,-- DM festgesetzt (Erste Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Höchstgrenze des JAV vom 21. Dezember 1978 - BGBl I 2077). Bei der Anpassung nach dem 21. RAG für die Zeit ab 1. Januar 1979 hatte die Beklagte von dem JAV auszugehen, der sich aus den bisherigen Anpassungen und der bisherigen Höchstgrenze - hier 48.000,-- DM - ergab (vgl BSG Beschluß vom 30. November 1981 - 2 BU 132/81 - unter Hinweis auf BSG Urteil vom 27. September 1963 - 2 RU 81/62 - BG 1964, 209, teilweise abgedruckt in SozR Nr 1 zu 2. NeuregelungsG UV § 2; Benz BG 1973, 71, 72 mit Kritik am Urteil des SG Hamburg vom 10. August 1972 - 24 U 559/71; vgl auch BSG SozR Nr 6 zu UVNG Art 4 § 2). Für die Zeit ab 1. Januar 1979 war daher der JAV von 48.000,-- DM mit 1,069 zu vervielfältigen (§ 10 Abs 1 Satz 1 des 21. RAG), was einen Betrag von 51.312,-- DM ergibt, wie ihn auch die Beklagte errechnet hat. Bei der durch die Einbeziehung der Ministerialzulage von 1.500,-- DM in den ursprünglichen JAV eintretenden Erhöhung auf (29.893,64 DM + 1.500,-- DM) 31.393,64 DM würde die Höchstgrenze des JAV von 48.000,-- DM voraussichtlich schon bei der Anpassung nach dem 18. RAG ab 1. Januar 1976 überschritten werden.

Da die Revision des Klägers nicht begründet ist, war sie zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1665206

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge