Leitsatz (redaktionell)
Der 4. Senat des BSG bestätigt die Rechtsprechung des 12. Senates (vergleiche BSG 1968-12-12 12 RJ 516/65 = SozR Nr 12 zu § 1241 RVO und BSG 1968-12-12 12 RJ 248/64 = SozR Nr 13 zu § 1241 RVO); wonach Empfänger einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit nicht Versicherte iS des RVO § 1241 Abs 2 S 2 sind. Die Organe der Rentenversicherungsträger handeln demnach nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie beschließen, die Vorschrift des RVO § 1241 Abs 2 S 2 auf Rentner nicht anzuwenden.
Orientierungssatz
Rentenempfänger sind nicht "Versicherte" iS des RVO § 1241 Abs 2 S 2. Das gilt regelmäßig auch dann, wenn der Betreute nur eine Rente auf Zeit (RVO § 1276) erhält (vergleiche BSG 1968-12-12 12 RJ 516/65 = SozR Nr 12 zu § 1241 RVO und BSG 1968-12-12 12 RJ 248/64 = SozR Nr 13 zu § 1241 RVO).
Normenkette
RVO § 1241 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1957-02-23, § 1276 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 5. September 1966 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beklagte gewährte dem Kläger, der im April 1964 einen Herzinfarkt erlitten hatte, auf seinen Rentenantrag hin eine Zeitrente wegen Erwerbsunfähigkeit (§ 1276 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) zunächst für die Zeit vom 13. November 1964 bis zum 30. Juni 1965, anschließend sodann bis zum 30. September 1965. Da die Erwerbsunfähigkeit nicht behoben werden konnte, bewilligte sie später vom 14. Mai 1964 an die Rente zeitlich unbegrenzt. Auch während der Durchführung einer Heilbehandlung in der Zeit vom 13. April bis zum 10. Mai 1965 erhielt der Kläger die Rente; seinen Antrag auf Gewährung eines den Rentenbetrag übersteigenden Übergangsgeldes lehnte die Beklagte ab.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Abänderung ihres Bescheides vom 1. April 1965 Übergangsgeld auf der Berechnungsgrundlage des § 1241 Abs.2 Satz 2 RVO abzüglich der gezahlten Erwerbsunfähigkeitsrente zu bewilligen (Urteil vom 5. September 1966). Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Auffassung der Beklagten, in dem vorliegenden Fall sei Übergangsgeld in Höhe der Rente zu gewähren, könne nicht gebilligt werden. Zwar hätten die Organe der Beklagten durch übereinstimmende Beschlüsse für das Übergangsgeld der Rentner eine Regelung in diesem Sinne getroffen. Diese Regelung verstoße jedoch gegen § 1241 Abs. 2 Satz 2 RVO. Hiernach betrage das Übergangsgeld für Versicherte mindestens 50% und höchstens 80% des Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens, das im Durchschnitt der letzten 12 mit Beiträgen belegten Monate oder, wenn dies für den Betreuten günstiger sei, im Durchschnitt der letzten 36 mit Beiträgen belegten Monate der Beitragsberechnung zugrunde gelegen habe. Der Kläger sei auch als Rentner Versicherter im Sinne dieser Vorschrift. Ihm stehe daher das höhere Übergangsgeld zu, das die Beklagte den übrigen Versicherten, soweit sie nicht Rentner seien, gewähre.
Das SG hat die Berufung nach § 150 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassen. Die Beklagte hat - im Einverständnis mit dem Kläger - Sprungrevision eingelegt. Sie ist der Auffassung, daß der Kläger als Empfänger einer Erwerbsunfähigkeitsrente nicht als Versicherter im Sinne des § 1241 Abs. 2 Satz 2 RVO gelte und daß demgemäß zu Recht - entsprechend den Beschlüssen ihrer Organe - das Übergangsgeld in Höhe der Rente festgesetzt worden sei.
Sie beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Dem Kläger steht das von ihm beanspruchte Übergangsgeld für die Dauer der Heilbehandlung nicht zu. Er ist als Empfänger einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht Versicherter im Sinne des § 1241 Abs. 2 Satz 2 RVO.
Der 12. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat bereits dahin entschieden, daß § 1241 Abs. 2 Satz 2 RVO nicht für Empfänger von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit gelte (Urteil vom 12. Dezember 1968 - Az.: 12 RJ 516/65 - = SozR Nr. 12 zu § 1241 RVO). Der erkennende Senat schließt sich dieser Entscheidung und auch der dort gegebenen eingehenden Begründung an. Die wiederholte und ausdrückliche Gegenüberstellung von Versicherten und Rentnern im Rahmen der Rehabilitationsvorschriften und die hierzu getroffenen unterschiedlichen Regelungen deuten darauf hin, daß auch § 1241 Abs. 2 Satz 2 RVO sich nicht auf Rentenempfänger bezieht. Die Organe des Rentenversicherungsträgers halten sich hiernach in den Grenzen der durch § 1241 Abs. 2 RVO erteilten Ermächtigung, wenn sie - wie in dem vorliegenden Fall - beschließen, die Vorschrift des § 1241 Abs. 2 Satz 2 RVO auf Rentner nicht anzuwenden. Die Festsetzung der Geldleistung für Rentner während der Dauer von Wiederherstellungsmaßnahmen in Höhe der Rente läßt eine fehlerhafte Ermessensanwendung nicht erkennen, diese Übung entspricht vielmehr dem Zweck des Gesetzes. Der Sinn der Zahlung des Übergangsgeldes liegt darin, die wirtschaftliche Sicherheit des Betreuten und seiner Familie zu gewährleisten. Seine wirtschaftliche Lage soll während der Durchführung der Rehabilitationsmaßnahmen möglichst unverändert bleiben. Dem wird durch die Weitergewährung der Rente Rechnung getragen.
Diese Auffassung hat der 12. Senat in einer weiteren Entscheidung vom 12. Dezember 1968 - Az.: 12 RJ 248/64 - (SozR Nr. 13 zu § 1241 RVO) für den Regelfall auch auf Empfänger von Rente auf Zeit (§ 1276 RVO) ausgedehnt. Der erkennende Senat hat keinen Anlaß, von diesem Grundsatz abzuweichen. Ob Ausnahmefälle dann denkbar sind, wenn ein ermessensfehlerhaftes Handeln des Trägers der Rentenversicherung vorliegt, kann hier offen bleiben. Der zu entscheidende Fall bietet keinen Anhalt dafür, daß die Beklagte durch die Gewährung der Rente auf Zeit die ihr vom Gesetz gezogenen Grenzen überschritten haben könnte.
Das angefochtene Urteil muß daher aufgehoben und die Klage abgewiesen werden (§ 170 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen