Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage, ob eine Witwenrentenabfindung, der ausschließlich im Gebiet der heutigen BRD entrichtete Beiträge zugrunde liegen, an die Witwe eines Versicherten, die wieder heiratet, zu zahlen ist, wenn sie sich ständig in den USA aufhält und die Staatsbürgerschaft der USA besitzt.

2. Zur Frage der Bindungswirkung einer Zusage.

 

Normenkette

RKG § 83 Abs. 2 Fassung: 1957-05-21; RVO § 1302 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23; RKG § 107 Fassung: 1960-02-25; RVO § 1317 Fassung: 1960-02-25; RKG § 108 Abs. 1 Fassung: 1960-02-25; RVO § 1318 Abs. 1 Fassung: 1960-02-25, § 1631

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. August 1969 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Unter den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin, die im Jahre 1940 die amerikanische Staatsbürgerschaft erworben hat und sich ständig in den USA aufhält, eine Witwenrentenabfindung nach § 83 Abs. 2 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) zu zahlen hat.

Die Klägerin war in erster Ehe mit W M verheiratet, für den in der Zeit zwischen November 1921 bis Mai 1929 Beiträge zur Ruhrknappschaft und zur A Knappschaft erbracht worden sind. Im Jahre 1929 wanderte das Ehepaar nach den USA aus, wo der Ehemann ... 1957 verstorben ist.

Mit Bescheid vom 14. Januar 1966 gewährte die Beklagte der Klägerin ab 1. Oktober 1961 die Witwenrente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung, deren Beginn später von Amts wegen auf den 1. August 1957 vorverlegt wurde. Das Bescheidformular enthält u. a. folgende Absätze:

"Die Witwenrente wird bis zum Ablauf des Monats gezahlt, in dem Sie wieder heiraten oder sterben.

Im Falle der Wiederheirat erhalten Sie eine Abfindung. Diese beträgt das Fünffache des Jahresbetrages der bisher bezogenen Rente. Unabhängig davon, ob die Abfindung gezahlt ist oder nicht, lebt der Anspruch auf Witwenrente mit Ablauf des Monats, in dem die neue Ehe ohne Ihr alleiniges oder überwiegendes Verschulden aufgelöst oder für nichtig erklärt wird, wieder auf."

Am 28. August 1967 heiratete die Klägerin den Rentner L H und beantragte, die Witwenrente abzufinden. Diesen Antrag lehnte die Beklagte unter Berufung auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 3. Februar 1966 - 4 RJ 387/64 - (BSG 24, 227 ff) mit der Begründung ab, an Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet eines Staates haben, mit dem kein allgemeines zwischenstaatliches Sozialversicherungsabkommen bestehe oder der nicht zu den Mitgliedsstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gehöre, könne eine Zahlung der Witwenrentenabfindung nicht erfolgen. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde zurückgewiesen. Die Klägerin wurde darauf hingewiesen, daß auch an eine deutsche Staatsangehörige die Witwenrentenabfindung bei einem Aufenthalt in den USA nicht gezahlt werden könne.

Die dagegen erhobene Klage war vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund (Urteil vom 13. September 1968) und vor dem Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 19. August 1969) erfolgreich. Das SG glaubt, dem genannten Urteil des BSG vom 3. Februar 1966 nicht folgen zu können; das LSG ist der Ansicht, daß in dem Hinweis im Bescheid vom 14. Januar 1966, die Klägerin erhalte im Falle der Wiederheirat eine Abfindung, ein Leistungsversprechen unter einer Bedingung zu erblicken sei. Dieses Versprechen habe die Beklagte einzulösen, nachdem die Bedingung, nämlich die Wiederheirat, eingetreten sei. Das LSG sieht sich in seiner Auffassung, daß die Beklagte an ihr Leistungsversprechen bzw. an ihre Zusage gebunden ist, durch ein Urteil des erkennenden Senats vom 29. Mai 1969 - 5 RKn 34/65 - (SozR Nr. 3 zu § 1583 Reichsversicherungsordnung - RVO -) bestärkt. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes verlange, daß solche Zusagen eingehalten werden, zumal der Entschluß zur Wiederheirat häufig von der Aussicht, in den Genuß der Witwenrentenabfindung zu gelangen, mitbestimmt werde. Gegen das Urteil hat das LSG die Revision zugelassen.

Die Beklagte macht mit der von ihr eingelegten Revision geltend, der Bescheid vom 14. Januar 1966 habe ausschließlich eine Regelung bezüglich der Feststellung der Witwenrente getroffen, wie sich auch aus der Überschrift dieses Bescheides ergebe. Der in diesem Bescheid enthaltene Hinweis "Im Falle der Wiederheirat erhalten Sie eine Abfindung" könne zu keiner anderen Beurteilung führen, denn über eine damals gar nicht beantragte Witwenabfindung habe sie (die Beklagte) damals nicht zu befinden gehabt. Nur eine mit dem Willen der Bindung gemachte Zusage, die eine rechtmäßige Maßnahme in Aussicht stelle, könne unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes bindend sein. Die Bindungswirkung des Bescheids vom 14. Januar 1966 beziehe sich nur auf den Bescheidausspruch, also auf das, worüber entschieden worden sei, und das sei die Witwenrente gewesen. Die Frage der Zahlung einer Witwenrentenabfindung in das Ausland sei auch erst durch die Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 3. Februar 1966 höchstrichterlich geklärt worden. Selbst wenn hinsichtlich einer Witwenrentenabfindung ein bindendes Versprechen angenommen werden könnte, stelle das Urteil vom 3. Februar 1966 eine ein solches Versprechen aufhebende Änderung dar. Erst nach diesem Urteil habe nämlich festgestanden, daß ein einer gesetzlichen Vorschrift widersprechendes Versprechen abgegeben worden sei, und an ein solches Versprechen könne keine Bindung bestehen.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil sowie das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13. September 1968 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen,

hilfsweise die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Mitteilung über die Abfindung stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit der Rentengewährung und werde daher von der Bindungswirkung des Bescheids miterfaßt. Sie habe den Zweck, daß sich die Rentenberechtigte auf die mit der Wiederverheiratung gegebene Rechtsfolge einstelle, und sei in den Rechtsfolgen einer auf Anfrage ergangenen behördlichen Auskunft gleichzuachten. Es komme nicht darauf an, ob die Beklagte den Willen gehabt habe, eine bindende Auskunft oder Zusage zu geben, denn maßgeblich sei der erklärte Wille, wie ihn die Klägerin nach Treu und glauben verstehen durfte. Diese habe die Erklärung nur so auffassen können, daß sich aus ihr unmißverständlich der Wille der Beklagten ergab, ihr im Falle der Wiederheirat eine Abfindung in Höhe des fünffachen Jahresbetrages der zuletzt bezogenen Rente zu zahlen. Selbst wenn man der Ansicht wäre, das öffentliche Interesse am Vollzug eines Gesetzes habe größeres Gewicht als der Vertrauensschutz, könne dem Antrag der Beklagten nicht entsprochen werden, weil insoweit noch in tatsächlicher Hinsicht nachgeprüft werden müsse, ob und inwieweit die Klägerin auf Grund der Zusage Dispositionen getroffen habe, die nicht mehr oder nur unter erheblichen Nachteilen rückgängig gemacht werden können, und ob sie in ihren wirtschaftlichen Verhältnissen durch die Nichteinhaltung der Zusage getroffen werde und dieses zu nahezu untragbaren Verhältnissen für sie führe.

II

Die Revision der Beklagten ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung der Witwenrentenabfindung, wie das LSG zutreffend entschieden hat. Die Witwenrente der Klägerin ist zwar mit Ablauf des Monats, in dem diese wieder geheiratet hat, weggefallen (§ 83 Abs. 1 RKG = § 1291 Abs. 1 RVO). Nach § 83 Abs. 2 RKG (= § 1302 RVO) steht ihr jedoch das Fünffache des Jahresbetrages der bisher bezogenen Rente als Abfindung zu.

Die Voraussetzungen des § 83 Abs. 2 RKG (= § 1302 RVO) sind - ihrem Wortlaut nach - erfüllt. Die Klägerin ist "Berechtigte" im Sinne dieser Vorschrift; denn ihr stand auf Grund des bindend gewordenen Bescheids der Beklagten vom 14. Januar 1966 Anspruch auf Witwenrente zu. Da die Klägerin wieder geheiratet hat, ist auch die weitere Voraussetzung dieser Vorschrift erfüllt.

Zweifel an dem Bestehen dieses Anspruchs könnten allenfalls deshalb bestehen, weil es sich hier um einen Fall mit Auslandsberührung im Sinne des Internationalen Sozialversicherungsrechts handelt, da die Klägerin im Zeitpunkt der Wiederheirat nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besaß und auch heute nicht besitzt, die Wiederheirat außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlins erfolgt ist und die Klägerin in diesem Zeitpunkt ihren Wohnsitz in den Vereinigten Staaten hatte und auch heute noch hat. Der Senat neigt zu folgender Auffassung:

Da sich der erhobene Anspruch ausschließlich auf Beiträge stützt, die auf Grund einer Beschäftigung des Versicherten im Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland und West-Berlins entrichtet worden sind, ist er trotz des Auslandsaufenthalts und der ausländischen Staatsbürgerschaft der Klägerin entstanden. Das im Sozialversicherungsrecht herrschende Territorialprinzip als eines Grundsatzes des Internationalen Sozialversicherungsrechts beschränkt sich, soweit sein Wirkungsbereich nicht gesetzlich erweitert ist, - im Rentenversicherungsrecht - auf die Beantwortung der Frage, ob für eine Beschäftigung Versicherungspflicht besteht und beantwortet diese Frage dahin, daß für die Versicherungspflicht weder die Staatsangehörigkeit des Beschäftigten und des Unternehmers noch deren Wohnsitze von Bedeutung sind, sondern allein, ob der Beschäftigungsort sich im Inland befindet. Das Territorialprinzip beruht auf dem Gedanken, daß der die Versicherungspflicht begründende Gesetzeszwang notwendigerweise an den Grenzen des Landes endet. Darin erschöpft sich aber von jeher sein Anwendungsbereich, soweit nicht wegen des Auslandsaufenthalts des Berechtigten ein Ruhen des an sich bestehenden Anspruchs angeordnet ist (§§ 105 ff RKG (= §§ 1315 ff RVO). Der Beschäftigungsort ist also bei Auslandsberührung der "Anknüpfungspunkt" im Sinne des Internationalen Sozialversicherungsrechts. Sind Pflichtbeiträge auf Grund einer auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland oder West-Berlins erfolgten Beschäftigung entrichtet worden, so hängt daher das Entstehen eines Leistungsanspruchs weder davon ab, ob der Versicherte oder seine Hinterbliebenen deutsche Staatsangehörige oder ausländische Staatsangehörige sind, noch davon, ob der Versicherungsfall oder das sonstige, eine Leistung auslösende Ereignis innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland oder West-Berlins oder aber außerhalb dieser Grenzen eintritt, noch davon, ob der Versicherte oder seine Hinterbliebenen in diesem Zeitpunkt ihren Wohnsitz innerhalb der Bundesrepublik Deutschland oder West-Berlins oder außerhalb dieses Gebietes haben.

Das gilt allerdings nur für den Normalfall. Abweichendes gilt zum Teil wegen der erforderlichen Berücksichtigung der Teilung Deutschlands, wenn der Versicherte oder seine Hinterbliebenen in das Sozialversicherungssystem eines anderen Teils Deutschlands eingegliedert sind. Auch gilt zum Teil etwas anderes nach Fremdrentenrecht und EWG-Recht. Auch soweit dies nicht der Fall ist, sind die entsprechenden Sozialversicherungsabkommen zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall kommen derartige Sonderregelungen jedoch nicht in Betracht, insbesondere enthält der deutschamerikanische Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 29. Oktober 1954 nichts, was diesen Grundsätzen widerspricht, sondern bestätigt sie zum Teil sogar.

Allerdings gelten auch für den Normalfall die Ruhensvorschriften der §§ 105 ff RKG (= §§ 1315 ff RVO), die die Frage des Ruhens bei Auslandsaufenthalt regeln. Diese Vorschriften setzen als Ruhensvorschriften voraus, daß der Anspruch als solcher entstanden ist. Sie sind zwar auch Ausdruck des Territorialprinzips in einem weiteren Sinne, doch haben sie lediglich die in diesen Vorschriften angeordnete beschränkte Wirkung. Nach diesen Vorschriften ruht die Rente grundsätzlich, solange sich der Berechtigte außerhalb des Bundesgebietes und West-Berlins aufhält. Diese Vorschriften gelten allerdings nur für Renten, d. h. für diesen Standardtyp rentenversicherungsrechtlicher wiederkehrender Leistungen; sie betreffen nicht das Renten-Stammrecht, sondern lediglich die sich aus dem Stammrecht ergebenden wiederkehrenden Einzelleistungen. Dieses Ruhen hat zur Folge, daß die während des Auslandsaufenthalts fällig werdenden Einzelleistungen nicht auszuzahlen sind, auch dann nicht, wenn der Berechtigte später ins Inland zurückkehrt, und die von da ab fälligen Einzelleistungen zu zahlen sind. Andere Leistungen ruhen nach dem Wortlaut dieser Vorschriften nicht, sind also auch bei Auslandsaufenthalt zu zahlen. Doch wird man diese Vorschriften  wohl auf sonstige wiederkehrende Einzelleistungen entsprechend anzuwenden haben. Der Senat neigt darüber hinaus zu der Auffassung, daß diese Vorschriften auch auf die Witwenrentenabfindung entsprechend anzuwenden sind. Denn bei der Witwenrentenabfindung handelt es sich, wenn auch nicht rechtlich, so doch wirtschaftlich um im voraus zu zahlende wiederkehrende Rentenleistungen. Ob und inwieweit diese Vorschriften auf sonstige Leistungen entsprechend anzuwenden sind, brauchte hier nicht geprüft zu werden. Da die Klägerin Ausländerin ist, würde die Witwenrentenabfindung bei einer entsprechenden Anwendung des § 105 RKG (= § 1315 RVO) zwar nicht zu zahlen sein, weil sich die Klägerin freiwillig gewöhnlich außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlins aufhält, doch ist die Klägerin nach Art. IV Nr. 2 des deutschamerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages vom 29. Oktober 1954 einer deutschen Staatsangehörigen gleich zu behandeln. Dies aber bedeutet, daß nicht § 105 RKG (= § 1315 RVO), sondern die für deutsche Staatsangehörige geltenden §§ 107 ff RKG (= §§ 1317 ff RVO) entsprechend anzuwenden sind. Nach § 107 ff RKG (= § 1317 RVO) ruht allerdings auch die Rente eines Deutschen, solange er sich außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlins aufhält, allerdings nur, "soweit sich aus den folgenden Vorschriften nichts anderes ergibt". Nach der dem § 107 RKG (= § 1317 RVO) folgenden Ausnahmevorschrift - § 108 Abs. 1 RKG (= § 1318 Abs. 1 RVO) - wird die Rente auch für Zeiten des Aufenthalts im Ausland gezahlt, soweit sie auf im Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland und West-Berlins zurückgelegten Versicherungszeiten beruht. Da die §§ 108 ff RKG (= § 1318 ff RVO) Ausnahmevorschriften zu § 107 RKG (= § 1317 RVO) sind, können sie nicht anders angewandt werden als die Grundsatzvorschrift des § 107 RKG (= § 1317 RVO) selbst. Dies bedeutet, daß auch diese Vorschriften auf die Witwenrentenabfindung entsprechend anzuwenden sind. Dies hat zur Folge, daß die Klägerin Anspruch auf Auszahlung der Witwenrentenabfindung hat, da dieser Anspruch ausschließlich auf Versicherungszeiten beruht, die im Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt sind.

Der 4. Senat des BSG ist in zwei Urteilen vom 3. Februar 1966 (BSG 24, 227 ff) und vom 14. Oktober 1970 - 4 RJ 201/70 - zu einer abweichenden Auffassung gelangt. Der 3. Senat des BSG hat dagegen in seinem Urteil vom 28. August 1970 (SozR Nr. 24 zu § 381 RVO) entschieden, daß Rentner, die sich gewöhnlich im Ausland aufhalten und dort privat gegen Krankheit versichert sind, auch dann von ihrem Rentenversicherungsträger einen Zuschuß zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag nach § 381 Abs. 4 RVO erhalten können, wenn sich dies nicht aus einer zwischen- oder überstaatlichen Regelung ergibt; die Vorschriften über die Zahlung von Leistungen der Rentenversicherung bei Auslandsaufenthalt ständen dem nicht entgegen. Der 12. Senat des BSG hat Zweifel an der Auffassung des 4. Senats erkennen lassen. Er hat am 27. Januar 1971 in der Sache 12 RJ 90/70 beschlossen, beim 4. Senat des BSG anzufragen, ob er an seiner Auffassung festhalten will.

Auch der erkennende Senat war wegen des Urteils des 4. Senats gehindert, eine seiner Auffassung entsprechende Entscheidung zu treffen. Von der Einleitung eines Verfahrens nach § 42 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) konnte er jedoch absehen, weil sich die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Witwenrentenabfindung auch aus der der Klägerin in dem Witwenrentenbescheid vom 14. Januar 1966 gemachten Zusage ergibt.

In diesem Bescheid hatte die Beklagte gegenüber der Klägerin darauf hingewiesen, daß die festgestellte Witwenrente bis zum Ablauf des Monats gezahlt wird in welchem die Klägerin wieder heiratet oder stirbt. Weiter heißt es dort: ""Im Fall der Wiederheirat erhalten Sie eine Abfindung. Diese beträgt das Fünffache des Jahresbetrags der bisher bezogenen Rente". Diese letztere Erklärung kann nicht als eine bloße Erläuterung der Rechtslage, sondern muß nach ihrem eindeutigen Wortlaut als eine der Klägerin gegebene Zusage aufgefaßt werden, ihr bei Wiederheirat die Witwenrentenabfindung gewähren zu wollen. Das LSG hat verfahrensfehlerfrei festgestellt, daß die Beklagte mit dieser Erklärung ein bindendes Leistungsversprechen abgeben wollte. Man darf zudem nicht übersehen, daß diese Erklärung nicht nur der damaligen maßgebenden Verwaltungsübung entsprach, sondern auch, daß die Beklagte ein Interesse daran hatte, der Klägerin die Sicherheit zu geben, bei Wiederheirat anstelle der fortfallenden Witwenrente eine Witwenrentenabfindung zu erhalten.

Das Rechtsinstitut der Zusage, eine gesetzlich vorgeschriebene Leistung gewähren zu wollen, kann auf dem Gebiet der Rentenversicherung nur mit der erforderlichen Zurückhaltung anerkannt werden, da bei einer weiten Anerkennung dieses Rechtsinstituts das gesetzlich vorgeschriebene Feststellungsverfahren entwertet werden würde. Doch bestehen solche Bedenken im vorliegenden Fall nicht, weil die Zusage von einem vom Willen der Zusageempfängerin abhängigen zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig war und die Beklagte im Zeitpunkt der Abgabe der Zusage noch keinen Feststellungsbescheid über die Gewährung einer Witwenrentenabfindung erteilen konnte. Andererseits aber bestand ein Bedürfnis, der Klägerin schon zu diesem Zeitpunkt die Sicherheit zu geben, daß sie im Falle ihrer Wiederheirat anstelle der wegfallenden Witwenrente eine Witwenrentenabfindung erhalten würde. Es wird zwar vielfach die Auffassung vertreten, daß eine Zusage auf Gewährung einer gesetzlich vorgeschriebenen Leistung nicht bindend sein könne, wenn diese Leistung rechtswidrig sei. Es bedarf hier keiner abschließender Entscheidung dieser Frage. Denn der Senat ist der Auffassung, daß jedenfalls dann, wenn die Frage, ob die durch Zusage gewährte Leistung rechtswidrig ist oder nicht rechtswidrig ist, ernsthaft zweifelhaft ist, eine solche Zusage anerkannt werden kann. Das aber ist vorliegend der Fall; denn die Frage, ob eine Witwenrentenabfindung ins Ausland zu zahlen ist, ist bis heute noch nicht endgültig geklärt, wie die schwankende Verwaltungspraxis und Rechtsprechung zu dieser Frage zeigt. Hinzu kommt, daß hier die Bindung der Beklagten an ihre Zusage vor allem deshalb bejaht werden muß, weil es dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprechen würde, wenn die Klägerin in ihrem Vertrauen in der Wirksamkeit dieser Zusage enttäuscht würde, d. h. keine Witwenrentenabfindung erhalten würde, obwohl sie mit der Wiederheirat ihren Witwenrentenanspruch verloren hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

MDR 1971, 522

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