Leitsatz (amtlich)
Der Begriff der Versehrtenleibesübungen iS des BVG setzt nicht den Wegfall des Leistungsvergleichs und Wettbewerbs in der eigenen Versehrtensportgruppe oder mit anderen Versehrtensportgruppen voraus. Ein beim Leistungsvergleich erlittener Unfall löst den Versorgungsschutz aus, sofern das Turnier dem Zweck des BVG § 10 Abs 3 dient und in der Organisation und Betreuung den Anforderungen des BVG § 11a genügt.
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Sitzballspiel gehört zu den versorgungsrechtlich geschützten Versehrtenleibesübungen, wenn es zur Wiederherstellung oder Erhaltung der allgemeinen körperlichen Leistungsfähigkeit des Versorgungsberechtigten in einer anerkannten Versehrtensportgemeinschaft ausgeübt wird.
2. Versehrtenleibesübungen der in BVG § 11a Abs 1 bezeichneten Art setzen weder den Verzicht auf einen Leistungsausgleich noch den Ausschluß des Wettbewerbsgedankens voraus, sofern dabei nicht der Zweck der Versehrtenleibesübungen - die allgemeine körperliche Leistungsfähigkeit wiederzugewinnen oder zu erhalten - von reinem Leistungsstreben verdrängt wird.
Normenkette
BVG § 1 Abs. 2 Buchst. e Fassung: 1970-01-26, Buchst. f Fassung: 1966-12-28, § 10 Abs. 3 Fassung: 1966-12-28, § 11a Fassung: 1964-02-21
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. Dezember 1973 aufgehoben. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 21. April 1972 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger, der wegen Verlusts des rechten Oberschenkels Versorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 v. H. bezieht, begehrt die Anerkennung einer Beugebehinderung der Finger 3, 4 und 5 der rechten Hand als weitere Schädigungsfolge. Zu dieser Schädigung kam es aufgrund eines Unfalls, den der Kläger während eines vom Bayerischen Versehrtensportverband e. V. organisierten Bezirkssitzballturniers erlitt, an dem am 27. November 1966 in K 11 Versehrtensportgruppen aus Unterfranken, darunter auch der Kläger mit der Versehrtensportgruppe M e. V., teilnahmen. Er zog sich beim Abfangen eines Balles eine stärkere Distorsion des rechten Mittelfingergelenks mit nachfolgender Sudeck'scher Dystrophie zu.
Als der Kläger am 11. Juli 1969 in einer Übungsstunde seiner Versehrtensportgemeinschaft einen Sehnenabriß im Endgelenk des rechten Mittelfingers erlitt, beantragte er, die durch beide Unfälle erlittenen Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen anzuerkennen. Das Versorgungsamt (VersorgA) W erkannte mit Bescheid vom 20. April 1970 ohne Änderung der MdE nur die Verletzung vom 11. Juli 1969 als Schädigungsfolge an und sah die Verletzung vom 27. November 1966 nicht als schädigungsbedingt an. Den Widerspruch wies das Landesversorgungsamt (LVersorgA) Bayern - Außenstelle Würzburg - durch Bescheid vom 8. März 1971 zurück.
Mit Urteil vom 21. April 1972 hat das Sozialgericht (SG) Würzburg die angefochtenen Bescheide aufgehoben und den Beklagten verurteilt, "Bewegungseinschränkung der Finger 3 bis 5 der rechten Hand" als Schädigungsfolge im Sinne der Entstehung anzuerkennen.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) nach Beiladung der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA), durch Urteil vom 12. Dezember 1973 das Urteil des SG aufgehoben, die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Das LSG hat ausgeführt, der Kläger habe den Unfall vom 27. November 1966 nicht bei Versehrtenleibesübungen im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erlitten. Wie dem Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen zu § 10 BVG i. d. F. des Ersten Neuordnungsgesetzes (BT-Drucks. Nr. 1825/III) zu entnehmen sei, habe der Gesetzgeber an die Stelle des bislang gebrauchten Begriffs "Versehrtensport" den Begriff "Versehrtenleibesübungen" gesetzt, um dadurch klar herauszustellen, daß der gesetzlich festgelegte Anspruch auf Versehrtenleibesübungen die Teilnahme am sogenannten Leistungssport nicht umfasse. Der Begriff "Versehrtenleibesübungen" müsse daher in dem Sinne eng ausgelegt werden, daß er den Leistungs- und Wettkampfgedanken ausschließe. Folglich sei das Sitzballturnier am 27. November 1966, das der Ermittlung eines Siegers gedient habe, nicht den Versehrtenleibesübungen zuzurechnen und der Kläger habe dabei nicht unter Versorgungsschutz gestanden.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 1 Abs. 2 Buchst. e und f, 10 Abs. 3 und 11 a BVG. Zu Unrecht habe das LSG dem am 27. November 1966 veranstalteten Sitzballturnier den Charakter der Versehrtenleibesübungen abgesprochen. Das Ziel der Versehrtenleibesübungen, die Wiedergewinnung und Erhaltung der körperlichen Leistungsfähigkeit, könne auch von der Psyche her regelmäßig nur durch die Möglichkeit eines Vergleichs des eigenen Könnens mit den Leistungen anderer gewonnen werden. Deshalb seien die Versehrtenleibesübungen gesetzlich als Gruppenbehandlung vorgesehen. Sport- und Spielformen, die das Leistungsbewußtsein des Versehrten fördern und stärken, insbesondere Mannschaftsspiele innerhalb einer Versehrtensportgemeinschaft, ebenso aber auch zwischen mehreren Versehrtensportgemeinschaften, stünden daher unter Versorgungsschutz. Der Turniercharakter ändere an der Art der Versehrtenleibesübungen nichts, zumal derartige Turniere nur unter ärztlicher Überwachung durchgeführt würden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. Dezember 1973 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 21. April 1972 zurückzuweisen.
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. Dezember 1973 als unbegründet zurückzuweisen.
Sie halten das Urteil des LSG für zutreffend, weil durch Turniere und Wettbewerbe - also durch Leistungssport schlechthin - nicht nur der Wiedergewinnung und Erhaltung der körperlichen Leistungsfähigkeit gedient, sondern bei Überbeanspruchung der Leistungsfähigkeit auch die Gesundheit gefährdet oder geschädigt werde. Solche schädlichen Nebenwirkungen müßten daher bei den eine besondere Form der Heilbehandlung darstellenden Versehrtenleibesübungen ausgeschlossen werden.
Entscheidungsgründe
Mit dem Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die zulässige Revision ist begründet; der Unfall des Klägers vom 27. November 1966 stand unter Versorgungsschutz.
Nach § 1 Abs. 2 Buchst. e Satz 2 BVG in der hier maßgeblichen Fassung des 3. Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 28. Dezember 1966 (BGBl I 750) besteht Versorgungsschutz für einen Unfall, den der Beschädigte bei der Durchführung von Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung wegen Schädigungsfolgen erleidet. Das LSG hat das Sitzballturnier nicht zu den Versehrtenleibesübungen gezählt, weil hierbei begrifflich der Leistungs- und Wettbewerbsgedanke vom Gesetzgeber ausgeschlossen worden sei. Dem vermag der Senat nicht zuzustimmen.
Dem BVG ist der Leistungsgedanke bei den Versehrtenleibesübungen grundsätzlich nicht fremd. Nach § 10 Abs. 3 BVG werden die Versehrtenleibesübungen dem Beschädigten nämlich ausdrücklich zur Wiedergewinnung und Erhaltung der körperlichen Leistungsfähigkeit gewährt. Ob die körperliche Leistungsfähigkeit eines Beschädigten erhalten ist bzw. inwieweit sie wiedergewonnen wurde, läßt sich nur durch Messung und Bewertung seiner körperlichen Leistung ermitteln. Das kann einerseits durch Vergleich mit allgemeinen Leistungsnormen für jeden Grad der Beschädigung geschehen (vgl. hierzu die Allgemeinen Versehrten-Bedingungen des Deutschen Sportbundes für das Deutsche Sportabzeichen für Versehrte, abgedruckt bei Lorenzen, Leibesübungen mit Körperbeschädigten, Stuttgart 1951 und 1953 Band II im Anhang). Der BMA hat mit der fortgesetzten Berichterstattung über die Zahl der erworbenen Versehrtensportabzeichen in den Übersichten über die Entwicklung der Versehrtenleibesübungen (vgl. zuerst BVBl 1958, 148; zuletzt BVBl 1974, 74) den Leistungsgedanken in diesem Sinne auch besonders betont. Leichter und für den Beschädigten sinnvoller ist aber der unmittelbare Vergleich der eigenen Leistung während der Leibesübungen mit der Leistung der übrigen, insbesondere der gleichartig und gleichstark beschädigten Teilnehmer, also der Leistungsvergleich im Wettbewerb. Da sich der Gesetzgeber in § 11 a Abs. 1 Satz 1 BVG dafür entschieden hat, die Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung durchzuführen, hat er jedenfalls den Leistungswettbewerb bei den Versehrtenleibesübungen nicht ausgeschlossen. Denn sobald mehrere Beschädigte Leibesübungen in einer Gruppe betreiben, ist es nicht zu vermeiden, daß sie dabei in einen Leistungsvergleich und somit in einen gruppeninternen Wettbewerb ihrer Kräfte und Fähigkeiten treten. Schließlich muß in diesem Zusammenhang auch beachtet werden, daß nach § 11 a Abs. 1 Satz 2 BVG die Versehrtenleibesübungen regelmäßig in geeigneten Versehrtensportgemeinschaften durchgeführt werden und daß einer Sportgemeinschaft der Leistungsvergleich und der Kräftewettbewerb wesenseigentümlich sind.
Die Versehrtenleibesübungen dienen aber nicht allein dazu, durch zweckmäßige, auf die Versehrten abgestimmte Übungen einen Ausgleich für Gliederverlust oder Körperbehinderung zu geben; sie sind vielmehr auch von besonderem Wert für die Psyche des Beschädigten und damit für seine Einstellung zum Leben (vgl. BMA in BVBl 1952 S. 56 Nr. 58; Mayr in KOV 1957, 59). Dies ist in doppeltem Sinne, nämlich sowohl als Vorbedingung wie auch als Ergebnis einer Steigerung oder Erhaltung der körperlichen Leistungsfähigkeit zu verstehen.
Der von schweren Körperschäden - etwa dem Verlust von Gliedmaßen - betroffene Mensch erleidet neben dem körperlichen Trauma einen seelischen Schock: Er glaubt, wegen seines Körperschadens für das Leben nicht mehr oder doch nur noch unzulänglich tauglich zu sein (vgl. Lorenzen aaO Band I S. 16). Unter dieser seelischen Belastung ist die eigene Bereitschaft, Leibesübungen zum Ausgleich der Schädigung und ihrer Folgen durchzuführen, im allgemeinen nicht besonders hoch zu veranschlagen; sie bedarf daher der Förderung. Die Erwartung, in der Versehrtensportgruppe auf Menschen mit ähnlichem Schicksal und ähnlichen Behinderungen zu treffen und zu ihnen einen nicht vom Mitleid geprägten Kontakt zu gewinnen, erleichtert dem Beschädigten den Entschluß, trotz aller Behinderung Leibesübungen durchzuführen, und läßt ihn die Hemmungen gegen eine unvollkommene körperliche Betätigung überwinden (vgl. Pieper in BVBl 1954, 99, 100). Erst in der Versehrtensportgruppe vermag der Beschädigte diese Erwartung und die damit verbundene Hoffnung bestätigt zu finden, daß er trotz seiner Körperschäden noch Leistungen vollbringen kann, die als Erfolge oder doch als Schritt auf dem Weg zu Erfolgen gewürdigt werden (vgl. Lorenzen in BVBl 1954, 98). Allein damit ist aber auch eine Motivierung der Beschädigten zu Leibesübungen auszulösen und für lange Zeit zu erhalten. Es genügt nicht, dem Beschädigten zu sagen, gemessen an einer für seinen Körperschaden entwickelten Norm habe er diese oder jene Leistungsfähigkeit. Er muß selbst spüren, daß er in seiner Versehrtensportgruppe ein geschätztes Mitglied ist, wenn er sich zu dieser Gruppe und damit zu den dort betriebenen Leibesübungen hingezogen fühlen soll. Dazu dienen ganz besonders die für Beschädigte entwickelten Mannschaftsspiele, bei Beinamputierten namentlich das Sitzballspiel (vgl. Lorenzen aaO Band II S. 19; König, KOV 1957, 57, 58 sowie Richtlinien des BMA zur Durchführung des Versehrtensports vom 31. Juli 1956 in BVBl 1956, 141 zu Nr. 5). Denn hier wird die bloße Übung des Ballwerfens und -fangens dadurch mit besonderem Anreiz versehen, daß es auch auf das mannschaftliche Zusammenspiel ankommt. So wird dem Beschädigten immer wieder und unabhängig vom Spielausgang das unmittelbare Erlebnis des Wertes der eigenen Leistung für die Mannschaft als Grundlage für seine positive Einstellung zur Leistung in der Gemeinschaft und damit zum Leben vermittelt.
Ein Verzicht auf diese Motivation und Zielrichtung der Versehrtenleibesübungen kann dem Gesetzgeber nicht ohne zwingende Gründe unterstellt werden. Solche liegen entgegen der Auffassung des LSG, des Beklagten und der Beigeladenen auch nicht vor. Durch das 1. Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts (1. NOG) vom 27. Juni 1960 (BGBl I S. 453) ist zwar der bis dahin im Gesetz genannte "Versehrtensport" in "Versehrtenleibesübungen" umbenannt worden. Eine Einschränkung sachlichen Inhalts kann aber aus dem Übergang vom speziellen zum generellen Begriff (vgl. Lorenzen aaO Band I S. 18, 19) nicht hergeleitet werden. Denn bis zum 1. NOG bestimmte § 11 Abs. 1 Satz 2 BVG i. d. F. des 5. Änderungsgesetzes (ÄndG) vom 6. Juni 1956 (BGBl I 463): "Heilgymnastische und bewegungstherapeutische Übungen unter ärztlicher Überwachung können auch als Gruppenbehandlung (Versehrtensport) gewährt werden". Die "heilgymnastischen und bewegungstherapeutischen Übungen" wurden also in der Gestalt der Gruppenbehandlung als "Versehrtensport" definiert. Daran hat sich sachlich durch das 1. NOG nichts geändert (vgl. BMA in BVBl 1960 S. 98 zu § 11 a). Auch nach dem 1. NOG werden nämlich Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung durchgeführt. Nach dem Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen zum 1. NOG sollte durch die Änderung des Gesetzeswortlauts klar herausgestellt werden, daß der nunmehr gesetzlich festgelegte Anspruch auf Versehrtenleibesübungen die Teilnahme am sogenannten Leistungssport nicht umfaßt (vgl. BT-Drucks. III/1825 zu § 10 S. 4). Die Änderung hatte mithin nur klarstellende Bedeutung (so auch Brinkmann in VersorgB 1960 S. 74), zumal schon im Rundschreiben des BMA vom 14. Mai 1952 (BVBl 1952 S. 56 Nr. 58) der Versehrtensport als Leistungssport abgelehnt worden war und die Versehrtensportorganisationen von jeher die gleiche Haltung eingenommen hatten (vgl. Brinkmann in BVBl 1952 S. 90 ff).
Versorgungsrechtlich geschützte Versehrtenleibesübungen setzen mithin aus den dargelegten Gründen bei Erfüllung der Anforderungen des § 11 a BVG weder den Verzicht auf einen Leistungsvergleich noch den Ausschluß des Wettbewerbsgedankens voraus, sofern dabei nicht ihr Zweck, die allgemeine körperliche Leistungsfähigkeit wiederzugewinnen oder zu erhalten, von bloßem Leistungsstreben verdrängt wird (vgl. Lorenzen in BVBl 1954, 98; Mayr in KOV 1957, 59, 60).
Steht somit fest, daß dem Kläger für seinen Unfall vom 27. November 1966 Versorgungsschutz zu gewähren wäre, wenn er ihn bei einem Sitzballspiel innerhalb seiner Versehrtensportgruppe erlitten hätte, so bleibt nur noch zu klären, ob die Beurteilung des vorliegenden Falles deshalb anders ausfallen muß, weil sich der Unfall des Klägers bei einem Sitzballturnier, also im Spiel gegen eine andere Versehrtensportgruppe, ereignet hat. Das ist jedoch nicht der Fall. Die beachtliche Werbewirkung überörtlicher Leistungsvergleiche auf Turnieren und Sportfesten der Versehrten (vgl. Lorenzen aaO Band I S. 62 und BVBl 1954, 98; Pieper BVBl 1954, 100; Pirkl ZfS 1969, 233) für die Versehrtenleibesübungen ist nicht zu verkennen. Gleichwohl kann sie keinen Einfluß auf den Versorgungsschutz haben. Es kommt vielmehr immer auf den Charakter der einzelnen Veranstaltung an, also darauf, ob sie der Förderung eines gesunden Bestrebens der Teilnehmer zur Wiederherstellung und Erhaltung der körperlichen Leistungsfähigkeit oder aber gesundheitsfremder Rekordsucht dient. Wo der Wettbewerb nur noch um des Wettbewerbs oder um der Sensation seines Ergebnisses willen betrieben wird, verläßt er die Grenzen der versorgungsrechtlich geschützten Versehrtenleibesübungen, indem er sich einem anderen als dem von § 10 Abs. 3 BVG herausgestellten Zweck verschreibt. Wird aber ein Turnier oder Sportfest durchgeführt, um der in den Übungsstunden geleisteten Arbeit Ausdruck zu verleihen, die wiedererworbene körperliche Leistungsfähigkeit gemeinsam mit gleichermaßen Behinderten zu messen und aus der sportlichen und menschlichen Begegnung sowie dem Erfahrungsaustausch Freude am Erreichten und Anregung zu weiteren Übungen zu schöpfen, liegt die Veranstaltung innerhalb des von § 10 Abs. 3 BVG bezeichneten Zweckes. Sie bietet somit den Teilnehmern an den Leibesübungen bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 11 a BVG - Organisation des Turniers oder Sportfestes durch Versehrtensportgemeinschaften, ärztliche Überwachung der Versehrtenleibesübungen - Versorgungsschutz für etwaige Übungsunfälle. Ein im Vergleich zu Übungsstunden höheres Unfallrisiko ist unter diesen Bedingungen weder zu erwarten noch festzustellen (vgl. Pieper in BVBl 1954, 99).
Im vorliegenden Fall war das Sitzballturnier, bei dem der Kläger am 27. November 1966 seinen Unfall erlitten hat, nach den Feststellungen des LSG von einem Bezirksverband des Bayerischen Versehrtensportverbandes organisiert worden und stand unter ärztlicher Überwachung. Deshalb und weil weder vom Beklagten vorgetragen noch vom LSG festgestellt worden ist, daß mit dem Turnier eine den Kläger körperlich überfordernde besondere Anstrengung verbunden gewesen ist, die er etwa im bloßen Streben nach dem Turniersieg seiner Mannschaft entgegen ärztlicher Anordnung auf sich genommen hat, muß davon ausgegangen werden, daß die bei diesem Turnier vom Kläger erbrachten Leibesübungen der Wiedergewinnung und Erhaltung seiner körperlichen Leistungsfähigkeit dienten. Er stand daher unter Versorgungsschutz.
Somit erweist sich das Urteil des SG als zutreffend und die Berufung des Beklagten als unbegründet. Auf die Revision des Klägers muß daher das Urteil des LSG aufgehoben und die Berufung des Beklagten zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1649783 |
BSGE, 78 |