Beteiligte
Bundesanstalt für Arbeit - Kindergeldkasse - |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 25. September 1997 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 30. Mai 1996 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten aller Rechtszüge zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Kindergeld(Kg)-Bewilligung für seinen Sohn B (B) für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1994.
Der Kläger erhielt im Jahre 1993 ua für seinen Sohn B, der Rechtswissenschaften studierte, Kg. Auf einem formularmäßigen Schreiben der Beklagten, mit dem der Kläger ua von den zum 1. Januar 1994 in Kraft getretenen Änderungen des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) in Kenntnis gesetzt wurde, teilte der Kläger der Beklagten unter dem 17. Mai 1994 mit, daß B zur Zeit und noch bis Ende 1994 in Australien studiere und monatlich von der Konrad-Adenauer-Stiftung eine Studienbeihilfe erhalte. Nach einer Bescheinigung der Stiftung vom 6. September 1994 setzte sich das B für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1994 gezahlte Stipendium wie folgt zusammen: Büchergeld 1.200 DM -, Auslandszuschlag 3.980 DM - sowie Reisekostenzuschuß 3.171 DM -. Mit Bescheid vom 18. Oktober 1994 hob die Beklagte die Bewilligung des für B gezahlten Kg in Höhe von 70 DM monatlich ab Januar 1994 auf, weil die an B gezahlte Ausbildungsbeihilfe den Betrag von 610 DM monatlich im Durchschnitt überschreite. Zugleich forderte sie den Kläger zur Rückzahlung des von Januar bis August 1994 bereits gezahlten Kg in Höhe von 560 DM auf.
Das Sozialgericht Schleswig (SG) hat der hiergegen gerichteten Klage durch Urteil vom 30. Mai 1996 stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht Schleswig-Holstein (LSG) das erstinstanzliche Urteil durch Urteil vom 25. September 1997 aufgehoben und die Klage abgewiesen: Auch der Reisekostenzuschuß müsse als Einkommen des Kindes berücksichtigt werden, weil es sich um die Erstattung ausbildungsbedingter Aufwendungen handele.
Mit der hiergegen gerichteten Revision macht der Kläger eine Verletzung von § 2 Abs 2 Satz 3 BKGG geltend. Der Reisekostenzuschuß in Höhe von 3.171 DM müsse als zweckgebundene Zuwendung bei der Einkommensanrechnung außer Betracht bleiben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 25. September 1997 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 30. Mai 1996 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
II
Die Revision des Klägers ist begründet; das LSG hat den Kg-Anspruch des Klägers hinsichtlich seines Sohnes B zu Unrecht wegen Überschreitens der maßgebenden Einkommensgrenze verneint und die Bewilligung aufgehoben. Eine maßgebliche Änderung der Verhältnisse war nicht eingetreten (§ 48 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren ≪SGB X≫). Es kann deshalb offenbleiben, ob die Beklagte den Bewilligungsbescheid auch rückwirkend aufheben durfte.
Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit gegenüber den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen bei seinem Erlaß eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Durch die Gewährung des Stipendiums der Konrad-Adenauer-Stiftung ist gegenüber den Verhältnissen bei Erlaß des Kg-Bewilligungsbescheides jedoch keine wesentliche Änderung eingetreten. Nach § 2 Abs 2 Satz 3 BKGG idF des ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I, 2353) waren bei der Zahlung von Kg ua solche Kinder nicht (mehr) zu berücksichtigen, denen Lohnersatzleistungen oder als Ausbildungshilfe gewährte Zuschüsse von Unternehmen, aus öffentlichen Mitteln oder von Förderungseinrichtungen, die hierfür öffentliche Mittel erhalten, von wenigstens 610 DM monatlich zugestanden haben. Das dem Sohn B des Klägers gewährte Stipendium zählt in diesem Sinne zwar grundsätzlich zu den als Ausbildungshilfe gewährten Zuschüssen von Förderungseinrichtungen. Dies gilt jedoch (zumindest) nicht für den hierin enthaltenen Reisekostenzuschuß in Höhe von 3.171 DM. Hierbei handelte es sich nämlich um eine einmalige Zuwendung, die nach § 2 Abs 2 Satz 2 2. Halbsatz BKGG außer Ansatz bleibt. Das Stipendium erreichte ohne Berücksichtigung dieses Zuschusses die maßgebende Einkommensgrenze nicht.
§ 2 Abs 2 Satz 2 BKGG bestimmt, daß neben Ehegatten- und Kinderzuschlägen einmalige Zuwendungen nicht als eigenes Einkommen des Kindes zu berücksichtigen sind. § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG wurde zusammen mit § 39 Abs 3 Satz 4 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) und § 1262 Abs 3 Satz 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO) mit Wirkung ab 1. Juli 1976 durch das Haushaltsstrukturgesetz (HStruktG) vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3091) in das Gesetz eingefügt (vgl Art 17 § 1 Nr 7 und § 2, Art 44 Nr 1 HStruktG). Der Begründung der Vorschrift im Bericht des Haushaltsausschusses (vgl BT-Drucks 7/4243, S 7 zu Art 17, S 15 zu Art 42b), auf dessen Veranlassung die Regelung in das Gesetz eingefügt wurde, läßt sich nicht entnehmen, was unter dem Begriff „einmalige Zuwendungen” zu verstehen ist. Sinn und Zweck der Regelung über die Einkommensgrenzen bei Kindern als Voraussetzung für die Berücksichtigungsfähigkeit eines Kindes beim Kg sprechen jedoch dafür, daß als „einmalige” solche Zuwendungen zu verstehen sind, die ihrem Wesen nach nicht zum laufenden Entgelt bzw hier zur laufenden Ausbildungshilfe gehören und die vornehmlich aus besonderem Anlaß gewährt werden (vgl Seewald, in Wickenhagen/Krebs, § 2 BKGG RdNr 198). Für die Einkommensgrenze sollten nur solche Einkünfte berücksichtigt werden, auf die das Kind zur Deckung seines Lebensunterhalts periodisch zugreifen kann. Die Einkommensgrenze sollte dem Zweck des Familienlastenausgleichs Rechnung tragen, das Kg für solche Kinder zu gewähren, die noch auf fortlaufende Unterhaltszahlungen der Eltern angewiesen sind. Bei eigenen Einkünften des Kindes oberhalb der Einkommensgrenze wurde davon ausgegangen, daß es an dieser Voraussetzung fehle (vgl BT-Drucks 7/4243, S 15 f). Das Bundessozialgericht (BSG) hat aus diesem Zweck der Regelung schon in anderem Zusammenhang abgeleitet, daß es nur auf die Höhe der Ausbildungsvergütung in einem Monat ankommt (BSG SozR 5870 § 2 Nr 63).
Unter diesem Aspekt erscheint schon die Einbeziehung des Büchergeldes als Kindeseinkommen zweifelhaft. Den Feststellungen der Vorinstanzen kann allerdings nicht entnommen werden, ob die entsprechenden Beträge für einen periodisch anfallenden Bedarf gezahlt wurden oder als einmaliger Zuschuß. Der Reisekostenzuschuß wurde jedenfalls als einmalige Zahlung gewährt und diente allein der Bezahlung der Flugkosten nach Australien und nicht der Bestreitung der fortlaufenden Unterhaltskosten.
Entgegen der Auffassung des LSG kann der Gesamtbetrag des Reisekostenzuschusses auch nicht auf 12 Monate, den Zeitraum des Aufenthalts in Australien, aufgeteilt werden; denn es handelte sich nicht um eine Zahlung, die zur Deckung eines wiederkehrenden Bedarfs bestimmt war oder um eine einmalige Nachzahlung zur Abgeltung eines laufenden Bedarfs für einen zurückliegenden Zeitraum. Nur in solchen Fällen könnte der Zahlungsmodus als unerheblich angesehen werden (vgl Seewald, aaO, § 2 BKGG RdNr 198).
Zwar hat der Senat bereits mit den Urteilen vom 28. Mai 1997 (14/10 RKg 27/95 = SozR 3-5870 § 2 Nr 38) und 22. Januar 1998 (B 14 KG 7/97 R) entschieden, daß auch Fahrtkosten für Familienheimfahrten bzw pauschal erstattete Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte zu den als Ausbildungshilfen gewährten Zuschüssen aus öffentlichen Mitteln iS des § 2 Abs 2 Satz 3 BKGG zählen. Es handelte sich jedoch jeweils um periodisch wiederkehrende Zahlungen für fortlaufend anfallende Fahrtkosten, während der hier streitige Reisekostenzuschuß für den einmaligen Kauf eines Flugscheines für Hin- und Rückflug gezahlt wurde. Die Differenzierung findet ihre Rechtfertigung darin, daß es sich bei fortlaufend anfallenden Fahrtkosten um „ausbildungsbedingte Aufwendungen” handelt, die aus dem laufenden Familieneinkommen zu bestreiten sind. Bei einer Erstattung dieser Kosten tritt eine entsprechende Entlastung der Eltern von Ausbildungskosten ein. Diese Überlegung kann jedoch auf den hier streitigen Fall nicht übertragen werden. Der Kläger hat zu Recht geltend gemacht, daß der Entschluß seines Sohnes, einen einjährigen Studienaufenthalt in Australien durchzuführen, wegen der damit verbundenen außergewöhnlich hohen Flugkosten wesentlich von der Übernahme dieser Kosten im Rahmen des Stipendiums bestimmt wurde. Die Reisekosten haben in diesem Fall für die Absolvierung der Ausbildung ein derartiges Übergewicht, daß nicht davon ausgegangen werden kann, daß sie ohne Stipendium wie übliche Fahrtkosten zur Ausbildungsstätte aus dem Familieneinkommen gedeckt worden wären; die Eltern wären im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht zur Aufbringung dieser Kosten nicht verpflichtet gewesen. Sie sind deshalb auch nicht davon entlastet worden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen