Leitsatz (amtlich)
1. Als Behinderte iS von AFG § 56 ff sind Personen anzusehen, die infolge einer vom Normalen abweichenden körperlichen, geistigen oder seelischen Verfassung in ihrer beruflichen Sicherheit bedroht sind.
2. AFG § 37 schließt die Förderungspflicht der BA nur in dem Umfang aus, in dem eine andere Stelle vorrangig verpflichtet ist. Der Anspruch auf den übersteigenden Teil der nachrangigen Leistung nach dem AFG bleibt dem Berechtigten erhalten.
3. AFG § 47 Abs 3 S 2 räumt der BA kein Handlungsermessen ein, sondern gibt ihr im Rahmen ihres Anordnungsrechts nach AFG § 39 eine Regelungsbefugnis in bezug auf die zeitliche Dauer von Umschulungsmaßnahmen. Die Regelung in A Reha § 27 Abs 1 vom 1970-07-02 bildet deshalb den Rechtsanspruch auf Förderung nicht in eine Ermessensleistung um.
4. Der Begriff "Förderungsdauer" in A Reha § 27 Abs 1 S 3 vom 1970-07-02 ist gleichbedeutend mit "Dauer der zu fördernden Maßnahme" (Anschluß an BSG 1973-03-29 7 RAr 12/72 = BSGE 36, 1).
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Förderungsdauer iS der RehaAnO § 27 Abs 1 ist mit der Dauer der Umschulungsmaßnahmen identisch, so daß eine Umschulungsmaßnahme nur gefördert werden kann, wenn sie höchstens 3 Jahre dauert.
2. Eine Umschulungsmaßnahme kann aus mehreren Teilen bestehen. Ob diese eine Einheit bilden oder nicht, muß nach den Verhältnissen des Einzelfalles entschieden werden. Hierfür ist bedeutsam, ob vorgeschaltete, vorbereitende Bildungsmaßnahmen ihren Sinn objektiv ausschließlich durch die Zielsetzung eines ihnen folgenden Hauptlehrgangs empfangen.
3. Dem Anspruch auf Förderung der beruflichen Bildung nach AFG § 58 und der RehaAnO steht nicht entgegen, daß der Behinderte für den gleichen Zweck ein niedrigeres Übergangsgeld von der LVA erhält; AFG § 37 enthält kein Aufstockungsverbot.
Normenkette
AFG § 37 Fassung: 1969-06-25, § 47 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, Abs. 3 S. 2 Fassung: 1969-06-25, § 56 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 57 Fassung: 1969-06-25, § 58 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 39 Fassung: 1969-06-25; RehaAnO § 99 Abs. 2b Fassung: 1970-07-02, § 27 Abs. 1 S. 3 Fassung: 1970-07-02
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Februar 1972 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten ergänzende (aufstockende) Leistungen zur Förderung seiner Umschulung zum Opernsänger.
Der 1940 geborene Kläger ist gelernter Maurer. Er arbeitet in diesem Beruf seit 1958. Im Juni 1967 wurde ihm gekündigt, weil er infolge eines Handgelenkleidens das Maurerhandwerk nicht mehr ausüben konnte. Bereits 1965 hatte der Kläger wegen der nachlassenden Belastungsfähigkeit seiner Handgelenke den Entschluß gefaßt, zum Opernsänger umzuschulen.
Seit Oktober 1965 besuchte der Kläger deshalb neben seiner Berufstätigkeit als Maurer das Konservatorium der F-Hochschule in E, um Grundkenntnisse im Bereich der Musik zu erwerben. Diese Ausbildung schloß er Ende Februar 1968 erfolgreich ab. Von April 1968 an studierte der Kläger zwei Semester Gesang. Am 15. September 1969 begann er die spezielle Ausbildung zum Opernsänger im Institut Oper der F-Hochschule, deren Abschlußprüfung für den Sommer 1972 vorgesehen war. Den letztgenannten Besuch im Institut Oper förderte die Landesversicherungsanstalt (LVA) R als Umschulung durch Gewährung eines Übergangsgeldes in Höhe von 40,60 DM wöchentlich bzw. 160,- DM monatlich seit dem 15. September 1969.
Den Antrag des Klägers vom 4. Januar 1971, seine Umschulung zum Opernsänger ab 15. September 1969 durch Aufstockung der Leistungen der LVA zu fördern, lehnte die Beklagte im Bescheid vom 26. April 1971, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 1971, ab. In den Bescheiden wird ausgeführt, die Berufsförderung durch den Rentenversicherungsträger schließe die Leistungspflicht nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) aus. Im übrigen dürfe die Bundesanstalt für Arbeit (BA) länger als drei Jahre dauernde Umschulungsmaßnahmen überhaupt nicht fördern, diesen Zeitraum überschreite die Umschulung des Klägers zum Opernsänger von Oktober 1965 bis September 1972 aber beträchtlich.
Das Sozialgericht (SG) Duisburg hat am 20. September 1971 die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, bei dem Kläger den Besuch der Folkwang-Hochschule ab 1. Juli 1969 im Rahmen einer Aufstockung als Umschulungsmaßnahme zu fördern. Das SG hat den Anspruch des Klägers aus den für die Beklagte maßgeblichen Vorschriften über die berufliche Rehabilitation von Behinderten abgeleitet, insbesondere aus §§ 56 ff AFG und der Anordnung des Verwaltungsrates der BA über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter vom 2. Juli 1970 - A Reha - (ANBA S. 637). Nach § 27 Abs. 1 Satz 3 A Reha sei die Förderung einer Umschulungsmaßnahme bis zu drei Jahren möglich (Förderungsdauer), auch wenn die Dauer der Maßnahme als solche länger sei (Maßnahmedauer).
In der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (LSG) über die von der Beklagten gegen das SG-Urteil eingelegte Berufung hat der Kläger erklärt, er ändere sein Klagebegehren dahin ab, daß er die Förderung erst für die Zeit ab 15. September 1969 begehre und daß er seinen Antrag auf die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beschränke.
Im Urteil vom 17. Februar 1972 hat das LSG die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es ist davon ausgegangen, daß sich die Berufung nur noch gegen die Aufhebung der angefochtenen Bescheide für die Zeit ab 15. September 1969 richte, da das die Beklagte weitergehend beschwerdende Urteil des SG für den Zeitraum vor dem 15. September 1969 durch die einschränkenden Prozeßerklärungen des Klägers gem. § 102 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gegenstandslos geworden sei.
In sachlicher Hinsicht hat sich das LSG der Auffassung des SG angeschlossen, daß die Förderung des sechssemestrigen Studiums des Klägers am Institut Oper nicht durch den Umstand ausgeschlossen sei, daß der gesamte Zeitraum der Umschulung von Oktober 1965 bis Juli 1972 länger als drei Jahre dauere. Der Begriff der "Förderungsdauer" in § 27 Abs. 1 Satz 3 A Reha sei nicht identisch mit dem im Gesetz und in der Anordnung verwendeten Begriff der "Dauer einer Maßnahme". Diese Verschiedenheit stehe der synonymen Verwendung der Worte "Förderungsdauer" und "Maßnahmedauer" entgegen. Die Dauer des vom Kläger gewählten Studiums schließe sonach die begehrte Förderung nicht aus.
Obwohl zwischen den Beteiligten kein Streit bestehe, daß der Kläger auch die übrigen Voraussetzungen zur Förderung seiner Umschulung erfülle, habe nach Auffassung des LSG eine Verurteilung der Beklagten zur Leistung nicht erfolgen können. Bei einer zwei Jahre überschreitenden Förderung handele es sich nicht um eine Leistung auf die ein Rechtsanspruch bestehe, wie sich aus § 58 Abs. 1 i. V. m. §§ 47 Abs. 3 Satz 2 und § 41 Abs. 2 AFG ergebe, wonach die Teilnahme an einer Berufsbildungsmaßnahme in der Regel nur gefördert werden solle, wenn diese nicht länger als zwei Jahre dauert. Mit der in § 27 Abs. 1 Satz 3 A Reha zulässigerweise getroffenen Ausnahmeregelung hiervon sei es in das Ermessen der Beklagten gelegt worden, ob und in welchem zeitlichen Umfang sie für eine Umschulungsmaßnahme bis zu einer Förderungshöchstdauer von insgesamt drei Jahren ausnahmsweise Leistungen gewähren wolle. Von diesem Ermessen habe die Beklagte vorliegend noch keinen Gebrauch gemacht, so daß ihr hierzu Gelegenheit gegeben werden müsse.
Gegen das ihr am 7. April 1972 zugestellte Urteil des LSG hat die Beklagte am 5. Mai 1972 die - zugelassene - Revision eingelegt und begründet. Sie rügt eine Verletzung von § 56 ff AFG und von Vorschriften der A Reha i. d. F. vom 30. September 1970.
Nach Auffassung der Beklagten hat das LSG insbesondere die Regelung des § 27 Abs. 1 Satz 3 A Reha verkannt. Diese beinhalte das Verbot einer Förderung der Teilnahme an Maßnahmen, deren Dauer mehr als drei Jahre betrage. Maßnahmedauer und Förderungsdauer seien synonym zu verstehende Begriffe. Das AFG kenne auch sonst nicht die Förderung von Bruchteilen eines beruflichen Bildungsganges. Eine zeitliche Teilförderung würde den Zielen widersprechen, die mit der Förderung der beruflichen Bildung erreicht werden sollten. Deshalb könne immer nur eine Maßnahme als Janze gefördert werden. Diese habe für den Kläger aber mehr als drei Jahre betragen, denn in die Ausbildung zum Opernsänger sei mit dem LSG die gesamte Ausbildung seit Oktober 1965 einzubeziehen. Nur dies entspreche auch § 59 Abs. 3 AFG i. V. m. § 6 A Reha. Danach bestimme der Gesamtplan der Eingliederung die notwendigen Maßnahmen, die sich in dem Dreijahresrahmen des § 27 Abs. 1 Satz 3 A Reha bewegen müßten. Infolgedessen bedeute es auch keinen Ermessensfehler, wenn die Beklagte eine zeitliche Teilförderung abgelehnt habe.
Die Beklagte beantragt,
|
1.) |
|
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des SG Duisburg vom 20. September 1971 die Klage abzuweisen, |
|
2.) |
|
zu entscheiden, daß außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind. |
Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, daß als Umschulungsmaßnahme hier nur sein Studium am Institut O ab 15. September 1969 in Betracht zu ziehen sei. Die Zeiten seiner Musik- und Gesangstudien von 1965 bis 1969 hätten lediglich berufsvorbereitenden Charakter als Voraussetzung für die eigentliche Ausbildung, wie sie in § 10 A Reha geregelt seien. Auch in § 14 A Reha werde deutlich zwischen berufsvorbereitenden Maßnahmen und der vorgeschriebenen Ausbildungszeit unterschieden. Ebenso wie die berufliche Rehabilitation der LVA R am 15. September 1969 eingesetzt habe, müsse auch die Beklagte von diesem Zeitpunkt des Beginns der eigentlichen Umschulung Förderungsleistungen erbringen.
Beide Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist insoweit begründet, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG führt. Ob dem Kläger die begehrte Förderung zusteht, konnte der Senat wegen fehlender Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden.
Der vom Kläger erhobene Anspruch auf Förderung seiner beruflichen Bildung richtet sich nach § 58 AFG und den Regelungen der A Reha. Die Änderungen dieser Anordnung vom 30. September 1970 ANBA S. 772), vom 16. Dezember 1971 (ANBA 1972 S. 329) und vom 9. März 1972 (ANBA S. 401) können außer Betracht bleiben, weil sie nicht die hier maßgeblichen Regelungen über den Grund der vom Kläger begehrten Förderung betreffen.
Der Kläger ist Behinderter i. S. des § 58 AFG, weil er nach den unangegriffenen Feststellung des LSG (§ 163 SGG) seinen Maurerberuf wegen eines Handgelenkleidens endgültig aufgeben mußte. Als Behinderte i. S. des AFG sind Personen anzusehen, die infolge einer vom Normalen abweichenden körperlichen, geistigen oder seelischen Verfassung in ihrer beruflichen Sicherheit bedroht sind, etwa, weil sie deswegen eine bisherige berufliche Stellung aufgeben müssen oder in der beruflichen (Wieder-)Eingliederung hierdurch benachteiligt sind, so daß sie insoweit besonderer Hilfen bedürfen (vgl. Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm. z. AFG, Anm. 5 zu § 56 AFG). Entsprechend ist auch die Definition in § 2 Abs. 1 A Reha, welche die BA aufgrund der Ermächtigung in § 39 AFG erlassen durfte (vgl. BSG 35, 164 = SozR Nr. 1 zu § 40 AFG und BSG 35, 262 = SozR Nr. 1 zu § 21 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung (AFuU) vom 18. Dezember 1969). Der BA obliegt es, die geeigneten Maßnahmen der Arbeits- und Berufsförderung zu treffen, die erforderlich sind, um die Erwerbsfähigkeit solcher Personen zu erhalten, zu bessern oder herzustellen, soweit nicht ein anderer Träger zuständig ist (vgl. § 2 Nr. 4, § 3 Abs. 2 Nr. 4, § 57 AFG). Diese berufliche Rehabilitation steht auch solchen Personen zu, denen eine Behinderung nur droht (§ 56 Satz 2 AFG).
Die berufliche Bildung des Klägers zum Opernsänger stellt im Verhältnis zu dem von ihm vorher ausgeübten Maurerberuf eine berufliche Umschulung dar; sie verfolgt nämlich den Zweck, den Übergang in eine andere geeignete berufliche Tätigkeit zu ermöglichen (§47 Abs. 1 AFG). Diese Vorschrift des Vierten Unterabschnittes des Zweiten Abschnittes des AFG gilt, ebenso wie dessen übrige Regelungen, auch für die berufliche Rehabilitation Behinderter (§ 58 Abs. 1 AFG).
Dem Anspruch des Klägers steht nicht entgegen, daß er für den gleichen Zweck ein Übergangsgeld von der LVA R erhält. Denn er begehrt nur dessen Aufstockung um den dieses Übergangsgeld übersteigenden Teil der Leistungen nach dem AFG. Die Berechtigung einer der dortigen Forderung ergibt sich aus § 37 Satz 1 AFG, wenn es dort heißt, daß Leistungen zur individuellen Förderung der beruflichen Bildung nur gewährt werden dürfen, soweit nicht andere öffentlich-rechtliche Stellen hierzu gesetzlich verpflichtet sind. Diese Regelung enthält zwar - mit Ausnahme für die Leistungen der Sozialhilfe, § 37 Satz 2 AFG - den Grundsatz der Subsidiarität von Förderungsleistungen nach dem AFG. Sie hat aber nicht den Charakter eines absoluten Ausschlusses der nachrangigen Leistung, sondern bestimmt lediglich, wie das Wort "soweit" erhellt, den Ausschluß der nachrangigen Leistung in Höhe der vorrangigen. Der Anspruch auf den übersteigenden Teil der nachrangigen Leistung nach dem AFG bleibt dem Berechtigten erhalten. Dies war auch die Absicht des Gesetzgebers (vgl. Schriftlicher Bericht des BT-Ausschusses für Arbeit über den Entwurf eines AFG - Teil A, zu BT-Drs. V/4110, S. 8/9 zu § 36; so auch Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm. z. AFG, Anm. 2 zu § 37; Hennig/Kühl/Heuer, Komm. z. AFG, Anm. 4 zu § 37).
Zutreffend ist das LSG auch davon ausgegangen, daß der Kläger die begehrte Leistung rechtzeitig beantragt hat. Grundsätzlich wirkt der Antrag auf Förderungsleistungen nur dann auf den Eintritt in eine Maßnahme zurück, wenn er noch innerhalb von drei Monaten seit Eintritt in die Maßnahme gestellt worden ist (§ 45 Abs. 1 A Reha). Für die bei Inkrafttreten der A Reha bereits laufenden Förderungsmaßnahmen sieht § 99 A Reha jedoch eine Übergangsregelung vor. Nach § 99 Abs. 2 Buchst. b A Reha gelten die Übergangsregelungen der AFuU 1969 (§ 24) sinngemäß. Nach § 24 Abs. 2 AFuU 1969 erhalten Teilnehmer an Maßnahmen der beruflichen Bildung, die vor der Bekanntgabe der AFuU 1969 in die Maßnahme eingetreten sind, bisher aber nicht gefördert wurden, beim Vorliegen der Voraussetzungen vom Zeitpunkt des Inkrafttretens der AFuU 1969 Leistungen, wenn der Antrag spätestens innerhalb von drei Monaten seit Bekanntgabe der AFuU 1969 gestellt wird. Mit Rücksicht auf die gesetzliche Bestimmung der sinngemäßen Anwendung dieser Regelung in Fällen der nach der A Reha zu beurteilenden Ansprüche bedeutet dies, daß eine Rückwirkung bis äußerstens zum Inkrafttreten der A Reha stattfindet, wenn der Förderungsantrag innerhalb von drei Monaten seit Bekanntgabe der A Reha gestellt wird. Diese Regelung begünstigt den Anspruch des Klägers für die Zeit ab Beginn der von ihm begehrten Förderung (15. September 1969). Denn die A Reha vom 2. Juli 1970 ist am 1. Juli 1969 - mit Ausnahme der hier nicht in Betracht kommenden §§ 51 - 55 - in Kraft getreten (§ 100 Abs. 1 A Reha); sie wurde in den Amtlichen Nachrichten der BA - ANBA - Nr. 10 vom 16. Oktober 1970 bekanntgegeben. Der Kläger hat seinen Antrag am 4. Januar 1971 gestellt, also innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe der A Reha.
Zu Unrecht ist das LSG allerdings davon ausgegangen, die Förderung stehe dem Kläger schon deshalb zu, weil sie für einen drei Jahre nicht überschreitenden Zeitraum begehrt wird. Grundsätzlich legt das Gesetz einen förderungsfähigen Umschulungszeitraum von höchstens zwei Jahren fest (§ 47 Abs. 3 Satz 2 AFG). Wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 29. März 1973 - 7 RAr 12/72 - SozR Nr. 1 zu § 47 AFG), durfte die Beklagte diesen Zeitraum erweitern, wie sie es - u. a. - auch in der A Reha (§ 27 Abs. 1 Satz 3) getan hat, und zwar auf längstens drei Jahre. Die Entscheidung des Senats erging zwar zu § 6 Abs. 1 AFuU. Diese Vorschrift stimmt aber wörtlich mit der des § 27 Abs. 1 A Reha überein. Die von Senat zu § 6 Abs. 1 AFuU gemachten Ausführungen treffen auch auf § 27 Abs. 1 A Reha zu. Auch in § 27 Abs. 1 Satz 3 A Reha findet sich das Wort "Förderungsdauer". Hier wie in § 6 Abs. 1 Satz 2 AFuU ist dieser Begriff trotz seiner mißverständlichen Formulierung nach Sinn und Zweck der gesamten Regelung jedoch nicht verschieden von dem Begriff der Dauer der Umschulungsmaßnahmen i. S. des § 47 AFG. Der Senat folgert dies auch für den Bereich der beruflichen Rehabilitation aus der gesetzlichen Regelung der beruflichen Bildung. Das AFG trifft wie bei der Fortbildungsförderung keine Unterscheidung zwischen "Dauer der Maßnahme" und "Förderungsdauer". Vielmehr geht es - wie der Senat in dem o. a. Urteil näher ausgeführt hat - davon aus, daß die Dauer der Bildungsmaßnahme mit der Dauer der Förderung identisch ist. Die Beklagte hat in § 27 Abs. 1 Satz 3 A Reha nichts Abweichendes geregelt, wenn sie die Förderung der Teilnahme an Maßnahmen von mehr als zweijähriger Dauer gelassen hat, sofern (u. a.) die "Förderungsdauer" drei Jahre nicht übersteigt. Das wird auch aus Satz 1 aaO deutlich. Denn wenn danach die Dauer einer Maßnahme als Bedingung ihrer Förderungswürdigkeit dem Zeitraum entsprechen muß, der notwendig ist, um das Fortbildungs- oder Umschulungsziel zu erreichen, dann kann die "Dauer der Förderung" keinen abweichenden - insbesondere kürzeren - Zeitraum meinen. Auch nach § 27 Abs. 1 Satz 3 A Reha ist daher die Förderungsverpflichtung der BA für Behinderte auf solche Umschulungsmaßnahmen beschränkt, die objektiv nicht länger als drei Jahre dauern. Diese Beschränkung auf drei Jahre ist für die Gerichte bindend; denn die nach §§ 39, 191 Abs. 3 AFG ergangenen Anordnungen der BA stellen autonomes Satzungsrecht mit Rechtsnormcharakter dar (vgl. BSG 35, 164; 262). Es ist auch nicht ersichtlich, daß der Verwaltungsrat der BA mit der getroffenen Regelung in § 27 Abs. 1 Satz 3 A Reha die ihm erteilte Ermächtigung verletzt hat; denn diese Vorschrift stellt eine nicht vernunftwidrige Erweiterung des gesetzlichen Förderungszeitrahmens für bestimmte Fälle dar, die dem Recht der Beklagten aus § 39 AFG entspricht, das Nähere über Voraussetzungen, Art und Umfang der Förderung der beruflichen Bildung durch Anordnung zu bestimmen (vgl. BSG aaO - SozR Nr. 1 zu § 47 AFG).
Der Anspruch des Klägers ist demnach nur dann begründet, wenn - neben der Erfüllung der übrigen Voraussetzungen - die Umschulungsmaßnahme höchstens drei Jahre dauert. Dies ist nach den Feststellungen des LSG dem angefochtenen Urteil nicht eindeutig zu entnehmen. Die vom Kläger begehrte Förderung betrifft eine Bildungsmaßnahme, die tatsächlich offenbar in verschiedenen Abschnitten stattgefunden hat, wobei nicht zu erkennen ist, ob diese eine Einheit bilden oder nicht. Gehört zu der Umschulung des Klägers zum Opernsänger die gesamte Zeit seiner Musik- und Gesangsstudien von Oktober 1965 an, wie die Beklagte meint, so wird der Drei-Jahres-Rahmen erheblich überschritten, und der Förderungsanspruch entfiele schon deshalb (§ 47 Abs. 3 Satz 2 AFG i. V. m. § 27 Abs. 1 Satz 3 A Reha). Besteht die Umschulungsmaßnahme hingegen nur in der speziellen Ausbildung des Klägers zum Opernsänger am Institut Oper, so liegt sie innerhalb des Drei-Jahres-Rahmens und erfüllt danach die Voraussetzungen der o. a. Vorschriften. Letzteres hat das SG anscheinend angenommen; auch der Kläger ist dieser Auffassung. Für den Bereich der beruflichen Fortbildung hat der Senat im Urteil vom 30. November 1973 - 7 RAr 43/71 - entschieden, daß eine einheitliche Bildungsmaßnahme auch aus mehreren Teilen bestehen kann und daß diese Teile jedenfalls dann als zusammengehörig anzusehen sind, wenn sie ihren Sinn ausschließlich von der Zielsetzung der Hauptbildungsmaßnahmen her empfangen. Maßgebend für die Entscheidung des Senats in jenem Fall war es auch, daß der Lehrstoff eines dort vorgeschalteten Bildungsganges inhaltlich völlig auf die Unterrichtsgegenstände des Hauptbildungsganges ausgerichtet war und jener Bildungsgang organisatorisch und inhaltlich nur als unselbständiger Teil der Gesamtbildungsmaßnahmen angesehen werden konnte. Nach Auffassung des Senats muß aber jeweils nach den Verhältnissen des Einzelfalles entschieden werden, "ob sogenannte Vorbereitungskurse, Proseminare und ähnliche Veranstaltungen als allgemeinbildender Abschnitt oder als Teil der Fortbildungsmaßnahme anzusehen sind". Bedeutsam ist es sonach, ob solche vorgeschalteten, vorbereitenden Bildungsmaßnahmen ihren Sinn objektiv ausschließlich durch die Zielsetzung eines ihnen folgenden Hauptlehrgangs empfangen. Dabei wird auch nicht unbeachtet bleiben können, ob sie allgemein oder in bestimmten Fällen als Zugangsvoraussetzung für den Hauptlehrgang gefordert werden oder nicht, d. h. also, ob der Zugang zu der eigentlichen Bildungsmaßnahme je nach Eignung oder Vorbildung auch ohne den vorgeschalteten Bildungsgang offensteht. Liegt ein solcher Fall vor, dann ändert eine vorausgehende Teilnahme an einer nützlichen oder zusätzlichen Bildungsmaßnahme regelmäßig nicht den zeitlichen Umfang der eigentlichen konkreten Bildungsmaßnahme. Das LSG hat lediglich im Tatbestand ausgeführt, daß der Kläger seit 1965 - anfänglich noch neben seiner Maurertätigkeit - das Konservatorium besucht hat, um zunächst die für eine Berufstätigkeit im Bereich der Musik erforderlichen Grundkenntnisse zu erwerben, und daß er dann ab April 1968 zwei Semester Gesang studierte, ehe er am 15. September 1969 die Ausbildung zum Opernsänger begonnen hat. Daraus kann noch nichts dafür entnommen werden, ob die vor dem eigentlichen Opernstudium (September 1969) durchgeführten Studienabschnitte für das erstere Zulassungsvoraussetzungen waren und somit von einer einheitlichen Umschulungsmaßnahme von 1965 an gesprochen werden muß oder ob es sich bei den vorangegangenen Studienabschnitten nur um für den Kläger förderliche Maßnahmen gehandelt hat, ohne die er gleichwohl im September 1969 zum Studium als Opernsänger zugelassen worden wäre. Ebenso wie die Musik- und Gesangstudien des Klägers in der Zeit vor September 1969 ein dem eigentlichen Opernsängerstudium zwar nützliches, aber inhaltlich und organisatorisch keineswegs vorgreifliches Bildungsbemühen sein können, ist es denkbar, daß hier nach den oben wiedergegebenen Kriterien eine einheitliche Umschulungsmaßnahme vorliegt, die lediglich in mehrere unselbständige Einzelabschnitte gegliedert ist.
Von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht hat es das LSG unterlassen, diese Umstände näher aufzuklären, etwa durch Einholen einer Stellungnahme der zuständigen Stelle in der F-Hochschule selbst oder von sonstigen musikwissenschaftlichen Institutionen. Aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen hat das LSG entsprechende Feststellungen jedenfalls nicht entnommen.
Das LSG hat ferner keine Feststellungen über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 36 AFG getroffen. Es hielt solche Feststellungen offenbar für überflüssig, weil nach seiner Meinung die Beteiligten nur noch über die Frage der Dauer der Förderung der Umschulungsmaßnahme gestritten haben. Dies enthebt das LSG grundsätzlich jedoch nicht, auch die sonstigen anspruchsbegründenden Tatsachen im Urteil so festzustellen, daß das Revisionsgericht zu einer Überprüfung des geltend gemachten Anspruchs in der Lage ist. Es mag sein, daß das LSG im vorliegenden Fall die übrigen für den geltend gemachten Anspruch erheblichen Tatsachen als gegeben angesehen hat; das hätte jedoch im angefochtenen Urteil erkennbar seinen Niederschlag finden müssen.
Daher muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Dabei wird das LSG entgegen seiner bisherigen Auffassung davon ausgehen müssen, daß der Kläger mit seinem Antrag auf Förderung seiner dreijährigen Ausbildung zum Opernsänger am Institut Oper der F-Hochschule insgesamt einen Rechtsanspruch geltend macht, der ihm durch Urteil - ggfs. im Wege des Grundurteils nach § 130 SGG - zuzusprechen ist, sofern die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. Es wird also den Antrag des Klägers sachentsprechend neu formulieren lassen müssen. Aus der Formulierung des § 47 Abs. 3 Satz 2 AFG, daß die Teilnahme an einer Umschulungsmaßnahme in der Regel nur gefördert werden "soll", wenn die Maßnahme nicht länger als zwei Jahre dauert, hat das LSG zu Unrecht gefolgert, die Förderung der Teilnahme an einer länger dauernden Umschulungsmaßnahme sei vom Ermessen der Beklagten abhängig. Dem LSG ist zwar einzuräumen, daß der Gebrauch des Wortes "soll" in § 47 Abs. 3 letzter Satz AFG auf ein Handlungsermessen der Verwaltung hindeuten könnte. Diese Vorschrift bestimmt jedoch lediglich den Normal-(Regel-)Fall der Dauer einer Umschulungsmaßnahme und stellt insoweit nur einen allgemeinen Grundsatz auf. Der Gebrauch der Worte "soll in der Regel nur gefördert werden ..." besagt nicht, daß die Beklagte im Rahmen eines Ermessens eine längerdauernde Umschulungsmaßnahme fördern kann, sondern gibt der Beklagten die Befugnis, im Rahmen des § 39 AFG durch eine Anordnung die von diesem Regelfall abweichenden Ausnahmen festzulegen. Nach § 39 Nr. 1 AFG bestimmt die Beklagte das Nähere u. a. auch über den Umfang der individuellen beruflichen Bildung, d. h. also auch bezüglich der Ausnahmen, die die zeitliche Dauer der Maßnahmen betreffen. Da bei Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf Förderung der Teilnahme an einer Umschulungsmaßnahme besteht, kann der Verwaltungsrat diesen Rechtsanspruch nicht im Wege der Anordnung nach § 39 AFG bei bis zu drei Jahren dauernden Maßnahmen in eine Ermessensleistung umbilden. Im übrigen geht die A Reha selbst davon aus, daß auch die Förderung einer dreijährigen Umschulung nach § 27 aaO als Rechtsanspruch ausgestaltet ist, wie sich insbesondere aus § 29 A Reha ergibt; dieser läßt nämlich beim Fehlen der Voraussetzungen u. a. auch nach § 27 A Reha die Gewährung von Darlehen als Kannleistungen zu.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen