Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 29. Januar 1971 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin bezog für ihre beiden in den Jahren 1948 und 1951 geborenen Kinder Ausbildungszulage nach § 14 a des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des BKGG (1. ÄndG-BKGG) vom 5. April 1965 (BGBl I 222). Ab 1. Juli 1967 stellte die Kindergeldkasse des Arbeitsamtes (ArbA) Braunschweig die Leistungen an die Klägerin ein. In ihrem Bescheid vom 23. August 1967 berief sich die Kindergeldkasse zur Begründung der Einstellung auf § 32 des Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1967 (Haushaltsgesetz 1967 – HG 1967) von 4. Juli 1967 (BGBl II 1967), wonach § 14 a BKGG in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Überleitung der Haushaltswirtschaft des Bundes in eine mehrjährige Finanzplanung (Finanzplanungsgesetz) vom 23. Dezember 1966 (BGBl I 697) in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1967 nicht anzuwenden war. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 1967). Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Braunschweig durch Urteil vom 20. Mai 1968 abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen durch Urteil vom 29. Januar 1971 zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die Bezug genommen wird, hat das LSG ausgeführt: § 32 HG 1967 verstoße nicht gegen Art. 110 Abs. 2 Satz 4 des Grundgesetzes in der vor dem 15. Mai 1969, also vor Inkrafttreten des 20. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 12. Mai 1969 (BGBl I 357) geltenden Fassung (Art. 110 Abs. 2 Satz 4 GG 1949). Wenn auch der Haushaltsplan nur ein sog. Gesetz im formellen Sinne, also nur der äußeren Form nach ein Gesetz, dagegen inhaltlich ein Verwaltungsakt sei, so könne gleichwohl das HG neben den für dieses Gesetz typischen Vorschriften auch allgemein verbindliche materiell-rechtliche Bestimmungen enthalten, da ein HG ein Gesetz wie jedes andere auch sei. Solange die materiell-rechtlichen Bestimmungen entsprechend den Verfassungsvorschriften beschlossen und verkündet seien, sei es dem Gesetzgeber unbenommen, materielles Recht in ein HG aufzunehmen. Es bestehe auch kein Zweifel, daß sich das HG entsprechend einem praktischen Bedürfnis zu einem wirklichen Gesetz entwickelt habe und kaum mehr von einem Gesetz nur im formellen Sinne zu sprechen sei. Das HG habe daher schon häufiger materielle Gesetze abgeändert. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe diese rechtliche Entwicklung bereits angedeutet, ohne allerdings eine Entscheidung darüber zu treffen (vgl. BVerfGE 20, 92). Das HG 1967 und damit auch dessen § 32 seien verfassungsrechtlich ordnungsgemäß zustande gekommen. Zwar enthalte das Gesetz keinen Zustimmungshinweis des Bundesrates, obwohl § 14 a BKGG mit dessen Zustimmung eingeführt worden sei. Die Zustimmung ergebe sich aber aus der Bundesrats-Drucksache 320/67. Außerdem sei nach der Rechtsprechung des BVerfG von der Fiktion einer Zustimmung des Bundesrates zu zustimmungsbedürftigen Gesetzen auszugehen, wenn der Bundesrat durch Nichtanrufung des Vermittlungsausschusses oder durch Nichteinlegung des Einspruchs ein Gesetz erkennbar gebilligt habe (BVerfGE 8, 274, 297). Es könne im übrigen dahingestellt bleiben, ob das in Art. 110 Abs. 2 Satz 4 GG 1949 (= Art. 110 Abs. 4 GG 1969) enthaltene sog. Bepackungsverbot überhaupt zum Zuge komme, wenn es sich bei § 32 HG 1967 nicht um eine typische haushaltsrechtliche Bestimmung, sondern um allgemein verbindliches materielles Recht handele. Es sei in jedem Fall das zeitliche Bepackungsverbot durch das HG 1967 berücksichtigt worden, da § 14 a BKGG nur vom 1. Juli bis 31. Dezember 1967 ausgesetzt, aber nicht aufgehoben worden sei. Hinsichtlich einer sachlichen Begrenzung des Art. 110 Abs. 2 Satz 4 GG 1949 sei mit Vialon (Haushaltsrecht, 2. Aufl., GG Art, 110 Anm. 10) davon auszugehen, daß nach der Formulierung des GG kaum ein Zusammenhang zwischen jedem Regelungsbedürfnis und den Einnahmen oder Ausgaben des Bundes oder seiner Verwaltung auszuschließen sei. Die Einstellung der Leistung durch die Kindergeldkasse sei auch nicht deswegen rechtswidrig, weil das HG 1967 am 4. Juli 1967 verkündet, die Einstellung aber schon ab 1. Juli 1967 erfolgt sei. Der Bürger habe sich nicht auf den Fortbestand des § 14 a BKGG verlassen dürfen, da ausführlich in der Presse und Öffentlichkeit bereits vor Inkrafttreten des HG 1967 die Frage der Aussetzung des § 14 a BKGG erörtert worden sei. Die Rückwirkung sei daher entsprechend den vom BVerfG aufgestellten Grundsätzen rechtmäßig (BVerfGE 2, 380, 405; 13, 261, 271).
Die Klägerin hat gegen das Urteil des LSG – die zugelassene – Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des Art. 110 Abs. 2 Satz 4 GG 1949 durch die Anwendung des § 32 HG 1967 und führt dazu aus: Durch § 32 HG 1967 werde § 14 a BKGG zwar nicht ausdrücklich aufgehoben, doch sei die Anwendungsaussetzung in ihrer Wirkung einer Aufhebung faktisch gleichzusetzen. Es werde damit in Rechte Dritter eingegriffen, so daß § 32 HG 1967 gegen Sinn und Zweck eines HG sowie gegen das sachliche Bepackungsverbot des Art. 110 Abs. 2 Satz 4 GG 1949 verstoße. Danach dürften nur Vorschriften in das HG aufgenommen werden, die sich auf die Einnahmen und Ausgaben des Bundes und auf den Zeitraum bezögen, für den das HG beschlossen sei. Das HG sei nur formell ein Gesetz, materiell hingegen Verwaltungsakt. Durch die Aufnahme materieller Vorschriften werde der formelle Charakter des HG aufgegeben. Es würden dann nicht mehr Aufgaben der Exekutive, sondern Rechtsbeziehungen des Bürgers zum Staat festgelegt. Schon das Bundesarbeitsgericht (BAG) habe ausgesprochen, daß das HG nur Vorschriften enthalten solle, die Aufstellung und Vollzug des Haushaltsplanes ermöglichten (BAGE 3, 31, 36). Was nichts mit dem Budgetrecht zu tun habe, gehöre nicht in das HG. Durch § 32 HG 1967 werde von vornherein die Gewährung einer Ausbildungszulage ausgeschlossen. Dies habe mit dem Budgetrecht und dem Vollzug des Haushaltsplanes 1967 nichts mehr zu tun. In dem Haushaltsplan 1967 befinde sich auch keine Vorschrift, die § 14 a BKGG für nicht anwendbar erkläre. Eine Regelung, die in dem Haushaltsplan nicht getroffen sei, könne daher logischerweise durch Bestimmungen des HG auch nicht vollzogen werden. § 32 HG 1967 sei somit eine vom Haushaltsplan völlig unabhängige Vorschrift und beziehe sich nicht im Sinne des Art. 110 GG „auf die Einnahmen und Ausgaben des Bundes”. Die Regelung des § 32 HG 1967 umgehe ferner in unzulässiger Weise die Vorschrift des § 24 der Reichshaushaltsordnung (RHO), nach der durch den Haushaltsplan nicht Rechte Dritter aufgehoben werden dürften. § 24 RHO sei gegenstandslos, wenn durch das HG, das den Haushalt feststelle, Rechte Dritter beliebig aufgehoben werden könnten. Es sei zudem zu bedenken, daß nach der Rechtsprechung des BVerfG Haushaltsplan und HG eine Einheit bildeten (BVerfGE 20, 56, 91).
Was demnach gemäß § 24 RHO für den Haushaltsplan verboten sei, könne für das HG nicht zulässig sein. Die Auffassung des LSG, das HG könne materielle Rechtsvorschriften enthalten, stelle die absolute Mindermeinung in der Literatur dar. Das Bepackungsverbot des Art. 110 GG bedeute nach überwiegender Ansicht, daß das HG keine materiellrechtlichen Normen enthalten, abändern oder aufheben könne (Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl., 1960, Art. 85 Anm. 7; Giese/Schunck, Grundgesetz, 5. Aufl., 1960, Art. 110 Anm. 4; Hamann/Lenz, GG, 3. Aufl., Art. 110 Anm. 6; Bühler, Bonner Kommentar zum GG, Art. 110 Erl. 2; von Mangoldt, Bonner Grundgesetz, 1953, S. 589; Maunz/Dürig/Herzog, GG, 1970, Art. 110 Rnr. 27).
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des SG und LSG und den ablehnenden Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Ausbildungszulage für die beiden Kinder der Klägerin über den 30. Juni 1967 hinaus bis zum 31. Dezember 1967 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ . 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–) einverstanden erklärt.
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß das HG 1967 ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Es kann dahinstehen, ob der Bundesrat dem HG 1967 zustimmen mußte oder nicht. Geht man von der Zustimmungsbedürftigkeit aus, so ist in jedem Fall das nach Art. 77, 78 GG vorgeschriebene Verfahren eingehalten und das HG ordnungsgemäß beschlossen worden. Aus der Bundesrats-Drucksache 320/67 ergibt sich, daß der Bundesrat seine Zustimmung zum HG 1967 erteilt hat.
Diese Tatsache der Zustimmung ist entscheidend. Nicht erforderlich ist, daß im HG 1967 die erteilte Zustimmung des Bundesrates ausdrücklich genannt wird (BVerfGE 8, 274, 296 ff.).
§ 32 HG 1967 verstößt nicht – wie die Revision meint – gegen Art. 110 Abs. 2 Satz 4 GG 1949. Der Revision ist allerdings zuzugeben, daß es sich bei § 32 HG 1967 um eine materielle Rechtsvorschrift handelt. Die genannte Vorschrift bestimmt nämlich von der Sache her, daß der Bürger keinen Anspruch mehr auf Ausbildungszulage hat, er die Leistung somit nicht fordern kann und der Staat auch nicht verpflichtet ist, zu leisten. Die in § 32 HG 1967 vorgeschriebene Nichtanwendung des § 14 a BKGG in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1967 bedeutet die zeitweilige Aufhebung dieses Rechtssatzes. Der Anspruch auf die Ausbildungszulage soll nämlich für den genannten Zeitraum nicht nur ausgesetzt werden und danach rückwirkend wieder aufleben. Vielmehr will der Staat vom 1. Juli bis 31. Dezember 1967 von der Zahlungspflicht endgültig frei sein. Der Inhalt des § 32 HG 1967 stellt daher eine zeitlich begrenzte materiell-rechtliche Abänderung des § 14 a BKGG dar. Das wird auch durch den Schriftlichen Bericht des Haushaltsausschusses des Bundestages zum HG 1967 (Bundestags-Drucks. zu Drucksache V/1800) bestätigt. In den Erläuterungen zu § 28 d HG (später § 32 HG 1967) heißt es zu dem Ziel, die Zahlung der Ausbildungszulage vom 1. Juli bis 31. Dezember 1967 einzustellen, § 28 d sehe den Wegfall der die Gewährung der Ausbildungszulage regelnden Vorschrift des BKGG im Rechnungsjahr 1967 vor. Damit ergibt sich, daß es Sinn und Zweck des § 32 HG 1967 war, in die durch § 14 a BKGG zwischen Bürger und Staat getroffene Regelung einzugreifen und eine Anspruchsgrundlage für diesen Zeitraum zu beseitigen.
Dennoch verstößt die materiell-rechtliche Regelung der Ausbildungszulage in § 32 HG 1967 nicht gegen das verfassungsrechtliche sachliche Bepackungsverbot des Art. 110 Abs. 2 Satz 4 GG 1949 (= Art. 110 Abs. 4 GG idF des 20. ÄndG z. GG v. 12. Mai 1969). Diese Vorschrift des GG bestimmt nur, daß keine Vorschriften in das HG aufgenommen werden dürfen, die über das Rechnungsjahr hinausgehen oder sich nicht auf die Einnahmen und Ausgaben des Bundes und seiner Verwaltung beziehen. Schon aus dem Wortlaut ergibt sich, daß die Verfassung die Aufnahme materiell-rechtlicher Vorschriften in das HG, die das Verhältnis zwischen Staat und Bürger betreffen, nicht schlechthin verbietet. Dem kann auch nicht der § 24 RHO entgegengehalten werden, wonach durch den Haushaltsplan Ansprüche Dritter oder Verbindlichkeiten Dritter weder begründet noch aufgehoben werden können. Soweit sich die Revision auf diese Vorschrift beruft, übersieht sie, daß der Wortlaut des § 24 RHO sich ausdrücklich auf den Haushaltsplan, also das HG im engeren Sinne, bezieht und nicht auf das HG im weiteren Sinne, zu dem allein § 32 HG 1967 zu rechnen ist (vgl. Heckel in Anschütz/Thoma, Handbuch des deutschen Staatsrechts, Band 2, 1932, § 88 S. 385 f.). Während § 24 RHO sich ausschließlich mit dem Inhalt des HG im engeren Sinne, nämlich des Haushaltsplans, beschäftigt, wird gerade in Art. 110 Abs. 2 Satz 4 GG 1949 (= Art. 110 Abs. 4 GG 1969) beschrieben, unter welchen Voraussetzungen es verfassungsrechtlich zulässig ist, außerhalb des Haushaltsplans im HG – im weiteren Sinne – materiell-rechtliche Vorschriften aufzunehmen. Die Tatsache allein, daß eine zusätzliche materiell-rechtliche Vorschrift zu den Veranschlagungen des Haushaltsplans im HG die Beziehung zwischen Staat und Bürger regelt, reicht daher nicht aus, um darin eine unzulässige Bepackung zu sehen (so auch die h.M.: Heckel aaO S. 386; Wolff, Verwaltungsrecht III, 3. Aufl., 1973, § 162 II d; Henrichs, DVBl, 1956, 122; v. Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz, 1. Aufl., 1953, Art. 110 Anm. 4; Vialon, Haushaltsrecht, 2. Aufl., 1959, GG Art, 110 Anm. 9 und 10, RHO § 24 Anm. 1 – S. 496 f.; Maunz/Dürig/Herzog, GG Art. 110 Rnr. 27; Stern, JZ 1960, 518, 522;a.A.: Giese, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 8. Aufl., 1931, S. 209; Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 4. Aufl., 1933, Art. 85 Anm. 7 S. 438; Hamann/Lenz, GG, 3. Aufl., 1970, Art. 110 Anm. 6). Materiell-rechtliche Vorschriften im Verhältnis zwischen Staat und Bürger verletzen somit das sachliche Bepackungsverbot des Art. 110 GG nur, wenn sie „sich nicht auf die Einnahmen und Ausgaben des Bundes oder seiner Verwaltung beziehen” (Art. 110 Abs. 2 Satz 4 GG 1949). Eine solche Beziehung zu den Einnahmen und Ausgaben des Bundes ist immer dann anzunehmen, wenn die in das KG aufgenommenen materiell-rechtlichen Vorschriften im Verhältnis zwischen Staat und Bürger Regelungen schaffen, die „zum Vollzug des Etats gehörige Gegenstände” betreffen (Heckel aaO S. 385 f.). Hierzu gehören alle materiellrechtlichen Vorschriften, die erforderlich sind, um der Verwaltung den Vollzug des Haushaltsplans zu ermöglichen (Heckel aaO). Ein Zusammenhang mit den „Einnahmen und Ausgaben des Bundes” im Sinne des Art. 110 GG besteht daher, wenn die sich an den Bürger wendende Vorschrift dazu dient, eine im Haushaltsplan beabsichtigte Ausgabendrosselung zu bewirken. Nur wenn festgestellt werden kann, daß eine das Verhältnis zwischen Staat und Bürger betreffende Regelung im HG keinen direkten Zusammenhang mit dem entsprechenden Haushaltsplan und seinen Erläuterungen hat, ist das sachliche Bepackungsverbot des Art. 110 GG verletzt.
Mit der vom Senat getroffenen Auslegung wird das sachliche verfassungsrechtliche Bepackungsverbot nicht jeglicher Wirkung entkleidet, wie die Revision anzunehmen scheint. Es bleiben nämlich noch Fälle übrig, bei denen der Zusammenhang der materiell-rechtlichen Vorschriften des HG mit den Einnahmen und Ausgaben des Bundes nicht gegeben ist. So wäre es unzulässig, Normen nichtfinanzieller Art in das HG aufzunehmen, die in Rechte der Bürger oder gesellschaftlicher Gruppen eingreifen, beispielsweise die rechtliche Stellung der Ehegatten oder Kinder in der Familie verändern. Soweit aber lediglich die Anwendung materiell-rechtlicher Vorschriften durch das HG unter Beachtung des zeitlichen Bepackungsverbotes des Art. 110 GG ausgesetzt wird, um dadurch die in demselben HG im Haushaltsplan insoweit angeordnete Ausgabendrosselung auch tatsächlich vollziehen zu können, ist das sachliche Bepackungsverbot nicht verletzt, weil sich die an den Bürger wendende Vorschrift des HG„auf die Einnahmen und Ausgaben des Bundes” bezieht.
Die vorgenannten Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben, wie schon das SG und das LSG zutreffend angenommen haben. Aus dem Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1967, Einzelplan 29, Kap. 02, Titel 302 ergibt sich, daß nur noch für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1967 Mittel für die Zahlung der Ausbildungszulage nach § 14 a BKGG als Ausgaben angesetzt sind, für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 1967 indessen keine Mittel bewilligt wurden. Die in § 32 HG 1967 angeordnete Nichtanwendung des § 14 a BKGG für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1967 dient somit dem Vollzug des im gleichen HG 1967 enthaltenen Bundeshaushaltsplans und bezieht sich daher im Sinne des Art. 110 GG „auf die Einnahmen und Ausgaben des Bundes”. § 32 HG 1967 verletzt daher das sachliche verfassungsrechtliche Bepackungsverbot nicht.
Die Revision kann sich für ihre gegenteilige Auffassung zur Bedeutung des Art. 110 Abs. 2 Satz 4 GG 1949 auch nicht auf die Rechtsprechung des BAG (BAGE 3, 31; 3, 245) stützen. Die Entscheidung des Großen Senats des BAG vom 28. November 1956 (BAGE 3, 245) steht der vom erkennenden Senat vertretenen Auffassung schon deshalb nicht entgegen, weil sich das BAG dort überhaupt nicht mit einer materiellrechtlichen Vorschrift eines HG beschäftigt hat, die das Verhältnis zwischen Staat und Bürger betrifft. Der Große Senat des BAG hat sich in der genannten Entscheidung lediglich mit einer Vorschrift des HG des Landes Schleswig-Holstein für das Rechnungsjahr 1954 befaßt, die anordnet, daß die Zahl der für 1954 veranschlagten Stellen der planmäßigen und nichtplanmäßigen Angestellten und Arbeiter um 4 % zu kürzen sei. Es handelt sich also um eine Norm des HG, die sich nicht an den Bürger, sondern an die Staatsorgane wendet. Da das BAG ausdrücklich auf § 24 RHO und auf Heckel aaO Bezug nimmt, wird deutlich, daß die Entscheidung inhaltlich nicht eine Aussage über den Umfang der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Aufnahme von materiell-rechtlichen Vorschriften in das HG im weiteren Sinne enthält, zumal da auch Art. 110 GG vom Großen Senat des BAG überhaupt nicht erwähnt wird.
Im übrigen sind die den Inhalt des HG betreffenden Ausführungen des Großen Senats des BAG für die Entscheidung auch nicht tragend gewesen. Der Große Senat des BAG (BAGE 3, 248) weist nämlich selbst ausdrücklich darauf hin, daß es sich bei dem von ihm zu beurteilenden HG um ein Landesgesetz handle, das das als Bundesrecht geltende und als allein maßgebliche Entscheidungsgrundlage darstellende Kündigungsschutzgesetz nicht abändern könne. Der 1. Senat des BAG hat allerdings in einem Urteil vom 4. Mai 1956 (BAGE 3, 31) im Zusammenhang mit der Entscheidung über den Anspruch auf Ministerialzulage für einen Angestellten unter Anwendung des § 15 des Besoldungsgesetzes vom 16. Dezember 1927 (RGBl I 349) ausgeführt, daß nach Art. 110 Abs. 2 Satz 4 GG 1949 ein HG keine Vorschriften enthalten dürfe, die nichts mit dem Budgetrecht zu tun hätten, so daß daher auch besoldungsrechtliche Vorschriften nicht in ein HG aufgenommen werden dürften. Es kann dahinstehen, ob diesen allgemein gehaltenen Ausführungen des 1. Senats des BAG in dieser Form beigetreten werden kann. Selbst wenn der erkennende Senat der Rechtsprechung des BAG insoweit nicht folgt, ist es jedoch nicht erforderlich, gemäß § 2 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968 (BGBl I 661) den Gemeinsamen Senat anzurufen. Die vom 1. Senat des BAG in den genannten Urteil geäußerte Auffassung gehört nämlich nicht zum tragenden Grund der Entscheidung. Das BAG (BAGE 3, 36) führt selbst aus, daß die Ministerialzulage, über die es zu entscheiden hatte, ihre Rechtsgrundlage nicht im HG, sondern in § 15 des Besoldungsgesetzes von 1927 habe, so daß schon deshalb Art. 110 Abs. 2 Satz 4 GG 1949 nicht verletzt sein könne.
Schließlich ergeben sich auch aus der Tatsache, daß das HG 1967 erst am 4. Juli 1967 verkündet worden ist, aber schon seit 1. Juli 1967 ein Anspruch auf Ausbildungszulage nicht besteht, keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Grundsätzlich ist die Rückwirkung einer für den Bürger belastenden gesetzlichen Vorschrift – auch außerhalb des Strafrechts – unvereinbar mit dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit, zu dessen wesentlichen Elementen die Rechtssicherheit gehört, die ihrerseits für den Bürger in erster Linie Vertrauensschutz bedeutet (BVerfGE 13, 261, 271 ff.; 18, 429, 439). Dieser Vertrauensschutz greift aber dann nicht durch und die Rückwirkung ist zulässig, wenn der Bürger nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge vom Gesetz zurückbezogen wird, mit dieser Regelung rechnen mußte (BVerfG aaO; BSGE 9, 127, 130). Das Vertrauen des Bürgers in den Bestand des geltenden Rechts ist daher auf jeden Fall von dem Zeitpunkt an nicht mehr schutzwürdig, in dem der Bundestag ein rückwirkendes Gesetz beschlossen hat (BVerfGE 1, 264, 280; 8, 274, 304; 13, 261, 273). Das HG 1967 ist vom Bundestag in der Sitzung am 14. Juni 1967 angenommen worden, also noch vor dem Zeitpunkt (1. Juli 1967), auf den die Rückwirkung des § 32 HG 1967 bezogen ist. Damit wird durch die Rückwirkung der hier maßgebenden Vorschrift des HG 1967 das Rechtsstaatsprinzip (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) nicht verletzt.
Da auch die zeitlichen Grenzen des Art. 110 Abs. 2 Satz 4 GG 1949 eingehalten worden sind, ist nach allem somit die Anwendungsaussetzung des § 14 a BKGG durch § 32 HG 1967 nicht verfassungswidrig. Die Beklagte hat der Klägerin zu Recht für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1967 die Zahlung der Ausbildungszulage verweigert. Die Revision der Klägerin kann daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Unterschriften
Dr. Brocke, Hennig, Dr. Heußner
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 21.05.1974 durch Schäfers Reg. Hauptsekretär als Urk.Beamter d.Gesch. Stelle
Fundstellen