Entscheidungsstichwort (Thema)
Sogenannte "kleine Rente". Streitgegenstand. Bindungswirkung
Orientierungssatz
1. Gegenstand eines Streites über die Gewährung von Stützrenten aus zwei Arbeitsunfällen (bzw Unfällen oder Entschädigungsfällen) jeweils mit einer MdE unter 20 vH kann nicht jeweils die Gewährung einer Teilrente allein sein, sondern den Gegenstand des Streites bilden letztlich beide Stützrenten, da beide Renten hinsichtlich der Feststellung der MdE untrennbar verbunden sind.
2. Bei der Prüfung, ob die Folgen des in Betracht kommenden anderen Arbeitsunfalls die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vH mindern, ist nicht der Hundertsatz einer früheren Feststellung, sondern der zur Zeit des Beginns der Verletztenrente noch bestehende Grad der MdE zugrunde zu legen (vgl BSG 23.6.1982 9b/8/8a RU 86/80 = SozR 2200 § 581 Nr 15).
Normenkette
RVO § 581 Abs 3; SGG § 141 Abs 1
Verfahrensgang
SG Stuttgart (Entscheidung vom 22.02.1984; Aktenzeichen S 2 U 1038/83) |
Tatbestand
Der Kläger hat am 5. März 1954 einen ersten von der Beklagten zu entschädigenden Arbeitsunfall erlitten (Teilverlust der Endglieder der Finger 2 bis 4 der rechten Hand). Er erhielt deswegen durch Bescheid vom 9. Juli 1954 eine Gesamtvergütung für die Zeit vom 26. April bis 31. Oktober 1954 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH. Die vom Kläger begehrte Weitergewährung einer Rente hat die Beklagte durch Bescheid vom 29. Dezember 1954 abgelehnt, weil nach fachärztlichem Gutachten über den 31. Oktober 1954 hinaus keine meßbare MdE besteht.
Am 23. Juli 1978 hat der Kläger einen zweiten von der Beigeladenen zu entschädigenden Arbeitsunfall erlitten (Verlust der Spitze des Nagelfortsatzes am linken dritten Finger, Bewegungseinschränkung in den Mittelgelenken der Finger drei und vier links, unvollständiger Faustschluß sowie Blutumlaufstörungen nach Strecksehnenabriß am linken dritten Finger und Kuppendefekt am linken dritten und vierten Finger, am linken vierten Finger mit knöchernen Anteilen). Die Beigeladene hat ihm deswegen durch Bescheid vom 16. Januar 1979 für die Zeit vom 29. September bis 28. November 1978 Verletztenrente nach einer MdE um 20 vH gewährt. Die Klage auf Weitergewährung einer Rente hat das Sozialgericht (SG) Stuttgart abgewiesen (Urteil vom 11. Januar 1980 - S 3 U 369/79). Nachdem ein erstes Berufungsurteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg (vom 15. Januar 1981 - L 7 U 534/80) vom Bundessozialgericht (BSG) wegen unterlassener Beiladung der jetzigen Beklagten aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen worden war (Urteil vom 28. April 1982 - 2 RU 19/82), hat das LSG im zweiten Berufungsverfahren die jetzige Beigeladene antragsgemäß verurteilt, dem Kläger über den 28. November 1978 hinaus Verletztenrente nach einer MdE um 10 vH zu gewähren (Urteil vom 16. Dezember 1982 - L 7 U 1068/82). Zur Begründung hat es ausgeführt: Der vom Kläger nur noch geltend gemachte Anspruch auf Gewährung einer kleinen Rente (§ 581 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung -RVO-) sei begründet. Denn die Folgen des von der jetzigen Beigeladenen zu entschädigenden Arbeitsunfalls vom 23. Juli 1978 bedingten ab 29. Oktober 1978 noch eine MdE von 10 vH. Dasselbe gelte für die Folgen des von der jetzigen Beklagten zu entschädigenden Arbeitsunfalls vom 5. März 1954. Unerheblich sei, daß die jetzige Beklagte eine Rentengewährung über den 31. Oktober 1954 hinaus durch Bescheid vom 29. Dezember 1954 abgelehnt habe. Denn die MdE infolge des Unfalls vom 5. März 1954 sei aus Anlaß des gestützten Unfalls vom 23. Juli 1978 unabhängig von der früheren förmlichen Feststellung neu zu bestimmen.
Der Kläger beantragte daraufhin bei der Beklagten mit der Begründung, daß sich die Rechtskraft des Urteils des LSG Baden-Württemberg vom 16. Dezember 1982 (L 7 U 1068/82) auch auf die Beklagte erstrecke, die Gewährung einer Rente wegen der Folgen des Unfalls vom 5. März 1954. Die Beklagte lehnte dies durch Bescheid vom 14. März 1983 ab, weil eine MdE in meßbarem Grade nicht vorhanden sei.
Auf die gegen den Bescheid der Beklagten vom 14. März 1983 gerichtete Klage hat das SG Stuttgart die Beklagte verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 5. März 1954 ab 23. Juli 1978 (der Tag des zweiten Arbeitsunfalls) Verletztenrente nach einer MdE von 10 vH zu bewilligen (Urteil vom 22. Februar 1984 - S 2 U 1038/83). Nach seiner Ansicht sei die Beklagte zur Rentenzahlung zu verurteilen, ohne daß Beweis über den Grad der unfallbedingten MdE erhoben werden müsse. Denn die Bindungswirkung des Urteils des LSG Baden-Württemberg vom 16. Dezember 1982 (L 7 U 1068/82) erstrecke sich auch auf die zum damaligen Verfahren beigeladen gewesene jetzige Beklagte, wenn auch nur in den Entscheidungsgründen des Urteils festgestellt worden sei, daß die MdE aus dem ersten Unfall vom 5. März 1954 zur Zeit des zweiten Unfalls vom 23. Juli 1978 und zur Zeit der mündlichen Verhandlung vor dem LSG 10 vH betrage.
Das SG hat die Sprungrevision zugelassen.
Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel mit schriftlicher Zustimmung des Klägers eingelegt. Sie trägt vor, daß es im Berufungsverfahren L 7 U 1068/82 nur um das zwischen dem Kläger und der jetzigen Beigeladenen streitige Rechtsverhältnis gegangen sei. Sie selbst sei an jenem Rechtsverhältnis mangels einer Klage oder einer Antragstellung des Klägers gegen sie nicht beteiligt gewesen. Die damalige Verurteilung der jetzigen Beigeladenen zur Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 10 vH berühre sie nur insoweit, als die Berentung des Klägers wegen des zweiten Unfalls des Klägers vom 23. Juli 1978 zur Stützung eines Rentenbegehrens des Klägers wegen seines ersten Unfalls vom 5. März 1954 habe in Betracht kommen können. Das LSG hätte in dem Berufungsverfahren L 7 U 1068/82 nach ihrer Beiladung das Verfahren gemäß § 114 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) aussetzen und ihr die Möglichkeit geben müssen, über den Grad der MdE infolge des in ihre Zuständigkeit fallenden Unfalls vom 5. März 1954 zu entscheiden (BSG SozR 2200 § 581 Nr 20).
Die Beklagte beantragt, das Urteil des SG Stuttgart vom 22. Februar 1984 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Sache an das SG oder das LSG Baden-Württemberg zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er trägt vor, daß die Beklagte infolge ihrer Beiladung zu dem Verfahren L 7 U 1068/82 des LSG Baden-Württemberg an das Urteil vom 16. Dezember 1982 gebunden sei. Die Rechtskraft jenes Urteils ergreife den sich aus den vom LSG festgestellten Tatsachen und angewandten Rechtsnormen ergebenden Subsumtionsschluß als Ganzes. Der Subsumtionsschluß im Urteil des LSG vom 16. Dezember 1982 habe auch die Feststellung umfaßt, daß die Folgen des Arbeitsunfalls vom 5. März 1954 noch eine MdE von 10 vH bedingten. Ohne Entscheidung über die damals noch vorliegenden Folgen und den Grad der MdE des Arbeitsunfalls vom 5. März 1954 hätte das LSG nicht zu der im Tenor des Urteils getroffenen Feststellung und Verpflichtung der jetzt beigeladenen Berufsgenossenschaft kommen können.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Sie ist der Auffassung, daß das Urteil des SG zu Recht ergangen sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Ist die Erwerbsfähigkeit des Verletzten infolge mehrerer Arbeitsunfälle gemindert und erreichen die Hundertsätze der durch die einzelnen Arbeitsunfälle verursachten Minderung zusammen wenigstens die Zahl 20, so ist für jeden, auch einen früheren Arbeitsunfall, Verletztenrente zu gewähren (§ 581 Abs 3 Satz 1 RVO). Die Folgen eines Arbeitsunfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vH mindern (§ 581 Abs 3 Satz 2 RVO).
Das LSG hat im Verfahren des Klägers L 7 U 1068/82 durch Urteil vom 16. Dezember 1982 die jetzige Beigeladene verurteilt, dem Kläger als Entschädigung für den Arbeitsunfall vom 23. Juli 1978 über den 28. November 1978 hinaus Verletztenrente nach einer MdE um 10 vH zu gewähren. Nach den tatsächlichen Feststellungen in diesem Urteil bedingen sowohl die Folgen dieses Arbeitsunfalles als auch die des von der damaligen Beigeladenen und jetzigen Beklagten zu entschädigenden Arbeitsunfalls vom 5. März 1954 eine MdE um 10 vH. Der Senat folgt - jedenfalls im Ergebnis - der Auffassung des SG, daß in dem Urteil des LSG vom 16. Dezember 1982 auch für die damalige Beigeladene und jetzige Beklagte bindend entschieden ist, daß die MdE aus dem Arbeitsunfall des Klägers vom 5. März 1954 im Zeitpunkt der Entscheidung des LSG ebenfalls 10 vH betragen hat.
Das SG hat diese Bindung aus der Rechtskraftwirkung des Urteils vom 16. Dezember 1982 abgeleitet. Die Rechtskraftwirkung dieses Urteils erstrecke sich auch auf die jetzige Beklagte, die als Beigeladene an diesem Verfahren beteiligt war (s § 141 Abs 1 SGG). Allerdings beschränkt sich die Rechtskraftwirkung auf denselben Streitgegenstand und erfaßt grundsätzlich nur den Urteilsausspruch. Das LSG hat in dem Urteil vom 16. Dezember 1982 im Urteilsausspruch die - damalige - Beklagte und jetzige Beigeladene zur Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um 10 vH verurteilt. Daraus folgt aber, entgegen der Auffassung der Revision, angesichts der besonderen rechtlichen Gestaltung der Voraussetzungen der sogenannten kleinen Renten nach § 581 Abs 3 RVO nicht zwingend, daß der Streitgegenstand des das Verfahren L 7 U 1068/82 abschließenden Urteils nur die von der jetzigen Beigeladenen zu gewährende Rente war und sich die Rechtskraftwirkung dieses Urteils für die damalige Beigeladene und jetzige Beklagte lediglich darauf beschränkt, daß die Beklagte dem Kläger im vorliegenden Verfahren nicht entgegenhalten darf, die MdE wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 23. Juli 1978 betrage doch weniger als 10 vH. Diese Rechtsfolge tritt auch ohne Beiladung schon dann ein, wenn der hierfür zuständige Unfallversicherungsträger - gegebenenfalls aufgrund eines Urteils - durch Bescheid Rente gewähren würde (s BSG Urteil vom 30. Juli 1968 - 2 RU 79/67; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 10. Aufl, S 571). Dies allein würde vor allem der besonderen Gestaltung des Rechts der kleinen Renten nicht voll gerecht. Bei den kleinen Renten werden zwar die Hundertsätze der MdE aus den einzelnen Arbeitsunfällen - und den ihnen gleichgestellten Unfällen und Entschädigungsfällen (s § 581 Abs 3 Satz 3 RVO) - zusammengezählt, es wird aber keine Gesamt-MdE gebildet. Für jeden Arbeitsunfall wird von den - wie hier - verschiedenen Unfallversicherungsträgern die Teilrente nach dem jeweiligen Grad der MdE gesondert festgestellt (BSG aaO; Brackmann aaO). Jeder der Unfallversicherungsträger ist jedoch zur Gewährung einer Rente nach einer MdE um wenigstens 10 vH nur dann verpflichtet, wenn und solange der von dem anderen Versicherungsträger zu entschädigende Arbeitsunfall eine MdE um wenigstens 10 vH hinterlassen hat (BSG aaO; BSG Urteil vom 29. April 1982 -2 RU 19/82-). Hätte im vorliegenden Fall die MdE entweder aus dem Arbeitsunfall vom 5. März 1954 oder aus dem Arbeitsunfall vom 23. Juli 1978 weniger als 10 vH betragen, wären beide Unfallversicherungsträger unabhängig davon nicht zur Gewährung einer Teilrente verpflichtet gewesen, aus welchen der beiden Arbeitsunfällen die MdE weniger als 10 vH betrug. Die besondere rechtliche Gestaltung der Voraussetzungen für die kleinen Renten besteht somit insoweit darin, daß für jede der zwei selbständigen Teilrenten einheitlich und jeweils im Zeitpunkt - hier - der Entscheidung über eine der beiden Teilrenten festgestellt werden muß, daß die MdE aus beiden maßgebenden Arbeitsunfällen zusammen wenigstens 20 vH beträgt. Die Verurteilung zur Gewährung der Verletztenrente nach einer MdE um 10 vH für die Folgen des Arbeitsunfalls vom 23. Juli 1978 durfte deshalb nur zusammen mit der Entscheidung ergehen, daß zu diesem Zeitpunkt die MdE aus dem Arbeitsunfall vom 5. März 1954 gleichfalls mindestens 10 vH betrug; ebenso hätte die Gewährung einer Verletztenrente für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 5. März 1954 zugleich die tatsächliche Feststellung enthalten, daß auch die MdE aus dem Arbeitsunfall vom 23. Juli 1978 wenigstens 10 vH betrage. Es handelt sich bei der jeweils zugleich zu treffenden Feststellung der MdE aus dem anderen Arbeitsunfall nicht nur um eine materiell-rechtliche Vorfrage, die in einem späteren anderen Verfahren abweichend entschieden werden könnte (vgl BSGE 39, 14, 18; Meyer-Ladewig, SGG, 2. Aufl 1981, § 141 RdNr 7). Die Entscheidung, daß die MdE wegen der Folgen der Arbeitsunfälle vom 5. März 1954 und 23. Juli 1978 jeweils 10 vH beträgt und deshalb Rente zur Entschädigung des Arbeitsunfalles vom 23. Juli 1978 zu gewähren ist, gehörte vielmehr schon im Verfahren L 7 U 1068/82 - um auf die von der Revision zitierte Entscheidung des BSG vom 17. Dezember 1974 (BSGE 39, 14, 18) einzugehen - zu dem sich aus "den festgestellten Tatsachen und der angewandten Rechtsnorm" ergebenden "Subsumtionsschluß als Ganzes", den die Rechtskraft des Urteils vom 16. Dezember 1982 ergreift. Gegenstand eines Streites über die Gewährung von Stützrenten aus zwei Arbeitsunfällen (bzw Unfällen oder Entschädigungsfällen) jeweils mit einer MdE unter 20 vH kann demnach nicht jeweils die Gewährung einer Teilrente allein sein, sondern den Gegenstand des Streites bilden letztlich beide Stützrenten, da beide Renten hinsichtlich der Feststellung der MdE untrennbar verbunden sind. Dem trägt auch die Rechtsprechung des BSG dadurch Rechnung, daß bei der Prüfung, ob die Folgen des in Betracht kommenden anderen Arbeitsunfalls die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vH mindern, nicht der Hundertsatz einer früheren Feststellung, sondern der zur Zeit des Beginns der Verletztenrente noch bestehende Grad der MdE zugrunde zu legen ist (BSG SozR Nr 5 zu § 581 RVO; Brackmann aaO S 571; s zur Rentengewährung BSG SozR 2200 § 581 Nr 14 und 15). Dadurch ist ebenfalls gewährleistet, daß für die Gewährung der kleinen Renten die MdE für beide Arbeitsunfälle bzw Entschädigungsfälle in einer Entscheidung festgestellt wird. Die Einheitlichkeit der Entscheidung über die MdE aus beiden für die Gewährung kleiner Renten in Betracht kommenden Arbeitsunfälle zeigt sich auch darin, daß diese Rente wegen der Folgen aus einem der beiden Arbeitsunfälle auch mit der Begründung abgelehnt werden darf, es könne dahinstehen, ob die durch sie bedingte MdE wenigstens 10 vH betrage, da jedenfalls die aus dem anderen Arbeitsunfall diesen Grad nicht erreiche. Der Rechtskraftwirkung des Urteils des LSG vom 16. Dezember 1982 auch für die MdE aus dem Arbeitsunfall vom 5. März 1954 steht auch nicht - wie die Revision meint - entgegen, daß im Urteilstenor entsprechend dem Antrag des Klägers nur die Verurteilung zur Rentengewährung für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 23. Juli 1978 ausgesprochen ist. Auch das Urteil des BSG vom 4. Dezember 1957 (BSGE 6, 160) betrifft einen Fall, in dem ein Versicherungsträger (BfA) zur Rentenzahlung verurteilt war, sich die Rechtskraft des Urteils aber auch auf einen anderen Versicherungsträger (LVA) erstreckte, über dessen Leistungsteile mit in dem Urteil gegen den anderen Versicherungsträger entschieden war (BSGE aaO S 162). Für die Abgrenzung des Umfanges der Rechtskraftwirkung mußten und durften auch in diesem ebenso wie im vorliegenden Fall die Entscheidungsgründe mit herangezogen werden.
Die Erstreckung der Rechtskraft des Urteils vom 16. Dezember 1982 auf die Feststellung des Grades der MdE wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 5. März 1954 widerspricht nicht dem - nach der hier maßgebenden Entscheidung des LSG ergangenen - Urteil des 9b Senats des BSG vom 27. Juni 1984 (BSG SozR 2200 § 581 Nr 20). In diesem Urteil hat der 9b Senat lediglich einen besonders geeigneten und weiterreichenden Weg aufgezeigt, um durch nur ein Urteil den gesamten Rechtsstreit beenden zu können. Maßgebend ist, daß auch der 9b Senat davon ausgegangen ist, daß die gerichtliche Entscheidung über die MdE aus beiden Unfällen als Voraussetzung für die Gewährung der Stützrenten zusammen durch einen Spruchkörper erfolgen muß. Nach der Auffassung des 9b Senats wird der Bescheid eines beizuladenden zweiten Versicherungsträgers über die Gewährung einer Stützrente aus einem weiteren Unfall gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens über die von dem ersten Versicherungsträger zu gewährende kleine Rente. Auch dies setzt für das gerichtliche Verfahren zumindest die Einheitlichkeit des Streitgegenstandes voraus; denn der Verwaltungsakt eines Unfallversicherungsträgers ändert oder ergänzt denjenigen einer anderen selbständigen Körperschaft des öffentlichen Rechts bei weiterhin bestehender Zuständigkeit für die Entschädigung des jeweiligen Arbeitsunfalles, wenn von einer einheitlichen Entscheidung über die MdE aus beiden die Gewährung kleiner Renten begründenden Arbeitsunfälle ausgegangen wird. Im Vergleich mit dem der Entscheidung des 9b Senats zugrundeliegenden Fall ist insoweit auch nicht wesentlich, daß der Kläger im Verfahren L 7 U 1068/82 nicht zugleich die Verurteilung der damaligen Beigeladenen beantragt hatte. Abgesehen davon, daß - wie bereits aufgezeigt - das Urteil des 9b Senats erst nach dem hier maßgebenden Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 16. Dezember 1982 ergangen ist und bei der Erstreckung der Rechtskraft auch auf die notwendig mit festzustellenden MdE aus dem Arbeitsunfall im Jahre 1954 es keiner Verurteilung der damaligen Beigeladenen bedurft hat, ist - hinsichtlich der hier maßgebenden Frage - die Rechtskraft des Urteils vom 16. Dezember 1982 auf die für die kleinen Renten nach § 581 Abs 3 RVO wesentliche Höhe der MdE begrenzt. Sie erfaßt nicht die sonstigen Voraussetzungen für die Zahlung der Verletztenrente aus dem anderen Arbeitsunfall. Über diese Voraussetzungen war im Urteil vom 16. Dezember 1982 nicht zu befinden, da es im Rahmen des § 581 Abs 3 RVO nicht darauf ankommt, daß für den anderen Arbeitsunfall eine Rente gezahlt wird (s BSGE 32, 191, 193; Brackmann aaO S 570 m). Insoweit ist auf dem vom 9b Senat eingeschlagenen Weg eine noch weitergehende abschließende Klärung bei der Gewährung von Stützrenten in einem Verfahren erreichbar (vgl auch BSG SozR 2200 § 581 Nrn 14 und 15).
Für die Auffassung des SG ist schließlich das im vorliegenden Verfahren sichtbare unbefriedigende Ergebnis der gegenteiligen Auffassung der Revision anzuführen. Auch nach der rechtskräftigen Verurteilung eines anderen Unfallversicherungsträgers zur Gewährung einer kleinen Rente nach einer MdE um 10 vH könnte die Klage auf Gewährung der anderen Stützrente aus einem anderen Arbeitsunfall rechtskräftig vor allem durch einen anderen Spruchkörper mit der Begründung abgelehnt werden, die MdE betrage nicht wenigstens 10 vH. Damit wäre aber nach diesem Urteil eine der beiden wesentlichen Voraussetzungen der Teilrente aus dem anderen Arbeitsunfall nicht gegeben, über die aber bereits rechtskräftig entschieden ist, daß auch diese Voraussetzung erfüllt ist. Eine nach § 581 Abs 3 RVO rechtlich notwendige einheitliche Entscheidung könnte in der Regel wegen der im wesentlichen tatsächlichen Feststellungen auch durch eine Entscheidung des BSG nicht herbeigeführt werden. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 180 SGG käme nicht in Betracht, wenn von zwei verschiedenen Streitgegenständen ausgegangen wird. Eine Rücknahme des aufgrund des rechtskräftigen Urteils ergangenen Verwaltungsakts über die Gewährung der Stützrente aus dem anderen Arbeitsunfall nach § 45 des Sozialgesetzbuches-Verwaltungsverfahren (SGB X) wäre schon deshalb ausgeschlossen, weil aufgrund des rechtskräftigen Urteils vom 16. Dezember 1982 der Verwaltungsakt als rechtmäßig angesehen werden muß. Auch insoweit ist zu wiederholen, daß der 9b Senat in seinem Urteil vom 27. Juni 1984 (SozR 2200 § 581 Nr 20) nur eine andere Möglichkeit aufzeigt, dieses Ergebnis zu vermeiden, und sein Urteil hinsichtlich der insoweit entscheidenden Anwendung des § 96 SGG letztlich auf der Annahme eines einheitlichen Streitgegenstandes beruht.
Einer abschließenden Entscheidung zur Rechtskraftwirkung des Urteils des LSG vom 16. Dezember 1982 bedarf es jedoch aus folgendem Grunde nicht. Selbst wenn ungeachtet der näher dargelegten besonderen rechtlichen Struktur des § 581 Abs 3 RVO sich die Rechtskraftwirkung des Urteils über die von der jetzigen Beigeladenen zu zahlenden Teilrente trotz der hierfür zugleich zu treffenden Feststellung der MdE aus dem von der damaligen Beigeladenen und jetzigen Beklagten zu entschädigenden Arbeitsunfall vom 5. März 1954 nicht auf diese Feststellung erstrecken würde, wäre aus den das Urteil des 1. Senats des BSG vom 22. Mai 1985 (BSGE 58, 119, 126) tragenden Erwägungen die jetzige Beklagte an die Feststellung des LSG über die Höhe der MdE wegen der Folgen des Arbeitsunfalles gebunden. Nach diesem Urteil des 1. Senats kann bei einer "inhaltlichen Abhängigkeit und untrennbaren Verknüpfung" zweier Ansprüche der später in Anspruch genommene auch den Einwand geltend machen, über den früher erhobenen Leistungsanspruch sei schon rechtskräftig entschieden. Wie bereits dargelegt, besteht bei der rechtlichen Gestaltung der kleinen Renten aus zwei Arbeitsunfällen durch § 581 Abs 3 RVO eine "inhaltliche Abhängigkeit und untrennbare Verknüpfung" zwischen der MdE aus beiden Unfällen. Hätte - wie bereits ausgeführt - im vorliegenden Fall die MdE entweder aus dem Arbeitsunfall vom 5. März 1954 oder aus dem Arbeitsunfall vom 23. Juli 1978 weniger als 10 vH betragen, wären beide Versicherungsträger nicht zur Gewährung einer Teilrente verpflichtet gewesen unabhängig davon, aus welchen der beiden Arbeitsunfälle die MdE weniger als 10 vH betrug. Die jetzige Beklagte könnte demnach dem Kläger, wenn dessen Klage gegen die jetzige Beigeladene abgewiesen worden wäre, entgegenhalten, eine Verletztenrente wegen der Folgen des von ihr zu entschädigenden Arbeitsunfalles sei nicht zu gewähren, weil über die andere Voraussetzung, daß die Folgen des Arbeitsunfalles vom 23. Juli 1978 keine MdE von wenigstens 10 vH bedingten, bereits rechtskräftig entschieden sei. Umgekehrt muß aber die damalige Beigeladene und jetzige Beklagte aus denselben Erwägungen die rechtskräftige Entscheidung gegen sich gelten lassen, daß eine sogenannte kleine Rente zu gewähren ist, weil die MdE aus den Arbeitsunfällen vom 5. März 1954 u n d vom 23. Juli 1978 10 vH beträgt.
Die Revision der Beklagten war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen