Leitsatz (amtlich)

Das in der Krankenversicherung der Rentner vorgesehene Zusatzsterbegeld ist keine "Mehrleistung" iS der RVO; die Vorschrift des RVO § 208 gilt für dieses Sterbegeld auch nicht entsprechend. Der Anspruch auf das Zusatzsterbegeld kann daher nicht von der Zurücklegung einer Wartezeit abhängig gemacht werden.

 

Normenkette

RVO § 179 Fassung: 1924-12-15, § 208 Fassung: 1924-12-15; KVdRV § 13 Fassung: 1941-11-04

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des ... Landessozialgerichts vom 25. März 1955 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Tatbestand

Nachdem die Klägerin von der beklagten Allg. Ortskrankenkasse aus Anlaß des Todes ihrer Mutter (16. März 1953) Sterbegeld in Höhe von 75,- DM nach § 9 der Verordnung über die Krankenversicherung der Rentner (VO über KVdR.) erhalten hatte, beantragte sie außerdem Zahlung eines zusätzlichen Sterbegeldes von 425,- DM. Hierauf war die Mutter der Klägerin nach einer Bescheinigung der Beklagten vom 27. Januar 1953 versichert. Die Zusatzversicherung begann danach am 9. Januar 1953. An diesem Tage hatte die Mutter der Klägerin den zunächst fehlgelaufenen Rentenbescheid der LVA ... über die mit dem 1. Januar 1952 bewilligte Invalidenrente erhalten.

Die Beklagte lehnte die Zahlung des Zusatzsterbegeldes mit der Begründung ab, daß am Todestage die satzungsgemäße Wartezeit von drei Monaten nicht erfüllt gewesen sei. Die Klägerin beantragte darauf die Entscheidung des Versicherungsamts ... (vgl. §§ 1636 ff. RVO in der bis zum Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes gültig gewesenen Fassung). Der Vorsitzende des Versicherungsamts erließ eine Vorentscheidung nach § 1657 Reichsversicherungsordnung (RVO), daß die Beklagte das zusätzliche Sterbegeld nicht zu zahlen habe. Das Sozialgericht ... wies den Anspruch - nach Übergang der eingelegten Berufung als Klage auf das Sozialgericht, § 215 Absätze 2, 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - gleichfalls ab, weil die Mutter der Klägerin vor dem Ende der gemäß Gesetz (§ 208 RVO) zulässigen und durch die Satzung der Beklagten (§ 6 Satz 1 des Satzungsnachtrags vom 29. April 1942) eingeführten dreimonatigen Wartezeit, die erst am 8. April 1953 ablief, gestorben sei, nämlich bereits am 16. März 1953; die Berufung ließ das Sozialgericht zu. Das ... Landessozialgericht gab der Berufung statt und erklärte die Beklagte für verpflichtet, der Klägerin das Zusatzsterbegeld von 425,- DM zu zahlen, weil eine Wartezeit nach § 208 Abs. 1 Satz 1 RVO nur bei Mehrleistungen zulässig sei; das Zusatzsterbegeld stelle aber keine Mehrleistung dar, sondern eine über die Regelleistung des Sterbegelds (in Höhe von 75,- DM) hinausgehende, ihrer Art, den Voraussetzungen sowie der Höhe nach durch Gesetz geregelte zusätzliche Leistung. Der Auffassung des Reichsarbeitsministers (RAM), daß das Zusatzsterbegeld eine Mehrleistung sei (Erl. vom 31. März 1942, AN. S. II 248) und dem Bescheid des Reichsversicherungsamts (RVA) vom 19. Juni 1942 (AN. S. II 421), wonach das Zusatzsterbegeld zwar keine Mehrleistung sei, § 208 Abs. 1 Satz 1 RVO aber entsprechend angewandt werden müsse, sei nicht zuzustimmen. Mangels gesetzlicher Vorschrift gelte der allgemeine Grundsatz, daß Leistungsansprüche der Krankenversicherung sofort mit Beginn der Mitgliedschaft entständen, wenn der Versicherungsfall eintrete. Das Landessozialgericht ließ die Revision zu.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 6. Juni 1955 zugestellte Urteil des ... Landessozialgerichts mit Schriftsatz vom 4. Juli, der am 5. Juli 1955 beim Bundessozialgericht einging, Revision eingelegt mit dem Antrag,

unter Aufhebung des Urteils des ... Landessozialgerichts vom 25. März 1955 festzustellen, daß die beklagte Krankenkasse nicht verpflichtet ist, der Klägerin aus Anlaß des Todes ihrer Mutter neben dem Sterbegeld nach § 9 der VO über KVdR. in Höhe von 75,- DM noch Sterbegeld aus der Zusatzversicherung zu zahlen.

Die Begründung vom 25. Juli, eingegangen beim Bundessozialgericht am 1. August 1955, stützt die Revision im wesentlichen auf Verletzung der Erlasse des Reichsarbeitsministers vom 31. März 1942 (AN. S. II 248) und vom 31. Juli 1942 (AN. S. II 451). Die Klägerin hat um Zurückweisung der Revision gebeten. Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze vom 25. Juli, 1. November und 9. Dezember 1955 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beklagte hat form- und fristgerecht Revision eingelegt und sie auch rechtzeitig begründet. Die Statthaftigkeit beruht auf der Zulassung durch das Landessozialgericht (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG).

Die Revision ist aber nicht begründet.

Da der Tod der Versicherten früher als drei Monate nach Beginn ihrer Versicherung als Rentnerin sowie der Zusatzversicherung eingetreten ist, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf an, ob die Satzung den Anspruch der Klägerin auf Zusatzsterbegeld, wie die Beklagte geltend macht, von der Zurücklegung einer - hier auf drei Monate festgesetzten - Wartezeit abhängig machen kann (vgl. § 208 Abs. 1 RVO) oder ob der Anspruch auf das zusätzliche Sterbegeld sogleich mit dem Abschluß der Versicherung entsteht. Hiernach ist der Anspruch der Klägerin auf Zusatzsterbegeld nur gerechtfertigt, wenn die Zusatzversicherung ihrer Mutter gemäß § 9 der VO über KVdR. in Verbindung mit § 206 RVO bereits mit dem Beginn der Mitgliedschaft ihrer Mutter als zusatzversicherter Rentnerin voll wirksam geworden ist. Nach § 208 RVO kann die Satzung bestimmen, daß der Anspruch auf Mehrleistungen erst nach einer vom Beitritt zur Kasse an laufenden Wartezeit von höchstens sechs Monaten - hier von drei Monaten - entsteht. Die Vorschrift des § 208 RVO ist zwar durch Art. 12 der Ersten Verordnung zur Vereinfachung des Leistungs- und Beitragsrechts vom 17. März 1945 (RGBl. I S. 41) aufgehoben worden. Es ist jedoch streitig, ob diese Verordnung in den süddeutschen Ländern wirksam geworden ist. Diese Frage kann aber dahingestellt bleiben, weil das Zusatzsterbegeld (§ 13 VO über KVdR.) jedenfalls keine "Mehrleistung" im Sinne der RVO ist.

1.) Die Mehrleistungen sind in gleicher Weise wie die Regelleistungen Gegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 179 Absätze 1 und 3 RVO), sie sind auch nur soweit zulässig, wie sie das Gesetz vorsieht (§ 179 Abs. 3 Satz 1 RVO). Im Gegensatz zu den Regelleistungen setzt aber die Gewährung von Mehrleistungen die ausdrückliche Einführung durch entsprechende Satzungsvorschrift voraus (§§ 179, Abs. 3, 321 Nr. 2 RVO). Die von der Beklagten vertretene Auffassung, es komme begrifflich nur darauf an, daß die Mehrleistungen über die Regelleistungen hinausgingen, widerspricht der herrschenden Lehre, nach der für den Begriff der Mehrleistungen ihre Einführung durch die Satzung wesentlich ist (Brucker, Die Sozialversicherung, Bd. II 1 (1930) S. 95; Brückmann, Die deutsche Sozialversicherung (1951) S. 94; Geisthardt/Pfeiffer, Recht der Krankenversicherung 1936 § 179 Anm. k S. 29; Hoffmann/Kreil, Komm. zur RVO, Zweites Buch 9. Aufl. § 179 Anm. III; RVO, herausgegeben von Mitgl. des RVA Bd. II (1939) § 179 Anm. 7; Schraeder/Schulte/Brucker, Komm. zum Ersten und Zweiten Buch der RVO, Anm. zu § 179; Schraft, Praktischer Wegweiser für die Sozialversicherung, 1954 S. 64). Das Zusatzsterbegeld für den Todesfall von versicherten Rentnern ist aber, wie auch das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, durch Rechtsverordnung eingeführt worden (§ 13 Abs. 1 der VO über KVdR.) - beruht also nicht auf freiwilliger Einführung durch die beklagte Krankenkasse im Wege der Satzung -, ist ferner den Voraussetzungen nach - Stellung des Antrags auf Zusatzversicherung innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Rentnerkrankenversicherung -, der Art nach - als Barleistung für den Todesfall des Versicherten - und auch dem Höchstbetrag nach - bis zum Betrage von insgesamt 500,- DM - gesetzlich bestimmt. Allein die Höhe des - gesetzlich an eine Höchstgrenze gebundenen - Zusatzbeitrages bedarf noch einer besonderen Bestimmung durch Satzung. Aber dieses Merkmal allein rechtfertigt es nicht, das Zusatzsterbegeld seinem Wesen nach als eine Mehrleistung zu beurteilen. Die Art, in der die Mittel für eine Leistung aufgebracht werden, ist grundsätzlich ohne Einfluß auf die begriffliche Bestimmung einer Leistung (Entsch. des RVA vom 3.2.1917, Arbeiterversorgung 1917 S. 493 zu § 384 Abs. 2 RVO in der Fassung vom 19. Juli 1911, RGBl. 1911 S. 509). Die Beurteilung des Zusatzsterbegeldes der Rentner als Mehrleistung wird auch abgelehnt im Bescheid des RVA vom 19. Juni 1942, AN. S. II 421 Ziff. 2; ebenso Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand vom 28.2.1954, Bd. I S. 452 und Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II § 179 Anm.4). Ob das Zusatzsterbegeld hiernach als Regelleistung zu betrachten ist (§ 9 der VO über KVdR. in Verbindung mit § 179 Abs. 1 RVO) oder als eine Leistung eigener Art, kann im vorliegenden Zusammenhang dahingestellt bleiben.

2.) Die Beklagte begründet ihre Annahme, daß das Zusatzsterbegeld eine Mehrleistung sei, vor allem mit den vom ehemaligen Reichsarbeitsminister hierzu getroffenen Regelungen, denen nach ihrer Auffassung der Charakter von Rechtsverordnungen zukommt. Aber diese Beurteilung trifft weder für den Erlaß des RAM vom 31. März 1942 (AN. S. II 248) noch für den vom 31. Juli 1942 (AN. S. II 451) zu. Im ersten Falle handelt es sich nicht um einen Akt der Rechtssetzung des RAM, weil diese Maßnahme nicht darauf gerichtet war, einen Rechtssatz mit allgemein verbindlicher Wirkung zu erlassen. Die Einleitung ("Zur Behebung von Zweifeln weise ich auf folgendes hin") und der Schluß ("Die mir wegen der vorstehend behandelten Fragen vorgelegten Berichte sehe ich hiermit als erledigt an") lassen vielmehr erkennen, daß der RAM mit diesem Erlaß nur beabsichtigt hat, bestehendes Recht, nämlich die Bestimmung des § 13 der VO über die KVdR., auszulegen. Eine Klarstellung im Verwaltungswege war gerade damals infolge der Erweiterung der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Rentnerkrankenversicherung Ende des Jahres 1941 geboten. Denn das Zusatzsterbegeld der Rentnerkrankenversicherung hatte keine Parallele im Zweiten Buche der RVO, dessen Vorschriften aber nach § 9 der VO über KVdR. auch auf die Leistungen der KVdR. anzuwenden waren. So lag eine Stellungnahme des RAM nahe. Dabei handelte es sich aber nicht um Rechtssetzung, sondern um den typischen Fall der Rechtsauslegung; ihr Mittel ist jedoch nicht die Rechtsverordnung, sondern der Verwaltungserlaß.

Auch der Erlaß des RAM vom 31. Juli 1942 stellt keine Rechtsverordnung dar. Aus dem Wortlaut des Erlasses geht eindeutig hervor, daß es sich nicht um einen Akt der Rechtssetzung, sondern um eine Verwaltungsmaßnahme des RAM, nämlich um Richtlinien für die Ausübung des Aufsichtsrechts gehandelt hat (Abs. 1: "Die Orts- und Landkrankenkassen haben in ihren Satzungen eine Regelung aufzunehmen ..."; Abs. 2: "Dieser Erlaß gilt als Richtlinie für die Ausübung des Aufsichtsrechts nach § 30 RVO"). Die Satzung muß nämlich die Leistungen der Kasse nach § 321 Nr. 2 RVO angeben und darüber bestimmen. Daher war nach dem System der vom RAM erlassenen Mustersatzungen (vgl. AN. 1930 Beilage zu Nr. 9 S. 1 - Allg. Ortskrankenkassen - und S. 29 - Landkrankenkassen -) auch über das Zusatzsterbegeld zu bestimmen, gleichgültig, ob es als Mehrleistung oder als eine andere Leistung zu beurteilen war (vgl. § 179 Absätze 1 und 3 RVO). Nun gestattete es die Rechtslage dem RAM, für die Ausübung des Aufsichtsrechts "Richtlinien" zu erlassen (§ 30 Abs. 2 Satz 2 RVO), und nach damaligem Recht war es dem RAM auch möglich, das Aufsichtsrecht auf Zweckmäßigkeitsfragen zu erstrecken (vgl. Gesetz über den Aufbau der Sozialversicherung vom 5. Juli 1934, RGBl. I S. 577 Abschn. IV § 1 Satz 2). Im Rahmen der Aufsichtsführung erlassene Richtlinien dieser Art haben aber nicht den Charakter einer Rechtsverordnung; vielmehr kommt ihnen - weil sie der RAM ausdrücklich nur auf den innerorganisatorischen Bereich der Aufsicht abgestellt hatte - auch nur verwaltungsinterne Wirkung zu. Die vorliegenden Richtlinien haben hiernach den Charakter einer Verwaltungsanordnung, die jedoch, soweit sie die Voraussetzungen für die Gewährung des Zusatzsterbegeldes für den Rentner selbst von der Erfüllung einer Wartezeit abhängig machen (Muster A: § 6 Abs. 1; Muster B: § 8 Abs. 1), mit der objektiven Rechtslage nicht im Einklang stehen.

3.) Die angeführten Erlasse des RAM können auch nicht, wie die Beklagte meint, als authentische Interpretation des § 13 der VO über KVdR. angesehen werden. Von einer "authentischen", auch für eine gerichtliche Entscheidung verbindlichen gesetzlichen Interpretation könnte nur bei rechtssatzmäßiger Interpretation gesprochen werden, nicht hingegen bei der vorliegend geschehenen Auslegung durch Verwaltungserlasse; ihnen könnte allein durch das Gewicht ihrer sachlichen Gründe Bedeutung beigemessen werden (vgl. Enneccerus-Nipperdey, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, 1952 S. 198); an solchen Gründen fehlt es aber in den vom RAM erlassenen Regelungen.

4.) Die Beklagte macht ferner geltend, die gesetzliche Verpflichtung zur Gewährung von Zusatzsterbegeld stehe der Annahme nicht entgegen, daß es sich dabei um eine Mehrleistung handle, denn § 179 Abs. 3 Satz 2 RVO habe den RAM auch ermächtigt, selbst Mehrleistungen zwingend vorzuschreiben, wovon er z.B. mit Erlaß vom 16. Juli 1943 "über die Gewährung von Stillgeld" (AN. S. II 342) Gebrauch gemacht habe. Es trifft allerdings zu, daß der RAM hier selbst bindend Mehrleistungen vorgeschrieben hat, und zwar unter Ausschaltung einer Beschlußfassung des Beirats des Versicherungsträgers sowie der Genehmigung der Aufsichtsbehörde, vgl. RAM vom 3. Mai 1943, AN. S. II 195. Immer noch erforderlich geblieben war hierbei aber eine entsprechende Entschließung des Leiters der Krankenkasse als Akt der Rechtssetzung. Auch war der angeführte Erlaß des RAM als gesetzgeberischer Akt unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Ermächtigung in § 179 Abs. 3 Satz 2 RVO ergangen ("Auf Grund des § 179 Abs. 3 Satz 2 RVO bestimme ich ...") und betraf nur eine gesetzlich bereits zulässig gewesene Regelung über die Höhe und Dauer des Stillgeldes (§ 195 a Abs. 1 Nr. 4 RVO); sie erging unter der Voraussetzung, daß das den gesetzlichen Mindestsatz übersteigende Stillgeld eine Mehrleistung sei (vgl. § 195 b Abs. 1 RVO). Danach stand hier der Erlaß einzelner - näherer - Bestimmungen des RAM in dem oben unter Ziffer 1) angeführten Sinne in Frage und nicht etwa die Einführung einer neuen Mehrleistung. Demgegenüber schrieb der RAM das Zusatzsterbegeld der Rentnerkrankenversicherung aber weder auf Grund von § 179 Abs. 3 Satz 2 RVO vor, noch erklärte er überhaupt die Gewährung des Zusatzsterbegeldes in gleicher Weise zu einer Mehrleistung. Die vom RAM mit Erlaß vom 16. Juli 1943 im Verwaltungswege angeordnete Erhöhung des Stillgeldes und die Verlängerung des Leistungsbezugs ist daher mit der Einführung des Zusatzsterbegeldes durch die VO über die KVdR. (§ 13 Abs. 1) nicht vergleichbar.

5.) Eine Wartezeit für das beim Tode des versicherten Rentners zu gewährende Zusatzsterbegeld kann auch nicht im Wege entsprechender Anwendung der Vorschrift des § 208 Abs. 1 RVO bestimmt werden, wie das RVA in seinem Bescheid vom 19. Juni 1942 (AN. S. II 421) angenommen hat. Das RVA geht in diesem Bescheid selbst davon aus, daß das Zusatzsterbegeld für den Versicherten nach § 13 VO über KVdR. "seinem Wesen nach" dem nach § 9 der Verordnung (i.V. mit § 201 RVO) zu gewährenden Sterbegeld entspreche und daß es keine Mehrleistung darstelle, da es unmittelbar auf dem Gesetz beruhe. Ist dies aber der Fall, so greift grundsätzlich die Vorschrift des § 206 RVO Platz, nach welcher der Anspruch des Versicherungspflichtigen mit der Mitgliedschaft entsteht. Eine Abweichung von dieser Vorschrift würde nur auf Grund einer gesetzeskräftigen Ausnahmevorschrift zulässig sein, an der es hier jedoch fehlt. Zieht man aber im Hinblick auf den besonderen Charakter des Zusatzsterbegeldes eine Gesetzeslücke in Erwägung, so kann eine solche Lücke nicht durch entsprechende Anwendung des § 208 RVO ausgefüllt werden, da diese einschränkende Vorschrift nur für Mehrleistungen gilt. Die Zusatzsterbegeldversicherung sollte, wie der RAM in dem oben angeführten Erlaß vom 31. März 1942 (AN. S. II 243) zum Ausdruck gebracht hat, vor allem die freiwillige Weiterversicherung der Rentner bei ihrer bisherigen Krankenkasse überflüssig machen. Zu einer solchen freiwilligen Versicherung bestand besonders wegen der Höhe des Sterbegeldes nach § 201 (§ 313 a RVO) Anlaß - das Sterbegeld beträgt nach § 201 RVO das Zwanzigfache des Grundlohnes, während es nach § 9 der VO über die KVdR. mit 75,- DM im allgemeinen wesentlich niedriger liegt. An die Zurücklegung einer Wartezeit ist der Anspruch auf Sterbegeld aus der freiwilligen Weiterversicherung nicht geknüpft, weil das Sterbegeld auch bei freiwilliger Versicherung eine Regelleistung ist (§ 179 Abs. 1, § 206 RVO). Wenn nun dem versicherten Rentner durch die Einrichtung der Zusatzsterbegeldversicherung ermöglicht werden sollte, die Weiterversicherung aufzugeben, so wäre es mit dem Zweck dieser Zusatzversicherung kaum vereinbar, die auf ihr beruhende Leistung des Zusatzsterbegeldes von der Zurücklegung einer Wartezeit abhängig zu machen. Die gegenteilige Auffassung würde auch der Beurteilung der Rentnerkrankenversicherung widersprechen, wie sie vom erkennenden Senat mit Urteil vom 20. Juli 1955 (BSG 1, 158) getroffen worden ist. Danach stellen die allgemeine Krankenversicherung und die Rentnerkrankenversicherung eine Einheit dar, denn diese ist als Erweiterung und Ausdehnung der allgemeinen Krankenversicherung zugunsten der Rentner anzusehen (a.a.O. S. 163). Die Lage ist bei der Fortsetzung einer Pflichtversicherung im Wege freiwilliger Mitgliedschaft wie beim Eintritt in die Rentnerkrankenversicherung auch nicht verschieden, soweit das Bedürfnis der Kasse nach einem wirksamen Schutz gegenüber einer unangemessenen Belastung durch Personen, die ihr nur verhältnismäßig kurze Zeit angehört haben, in Betracht kommt. Mit der Notwendigkeit eines solchen Schutzes hat das RVA die entsprechende Anwendung von § 208 RVO zu rechtfertigen gesucht mit dem Hinweis, daß die Gefahr einer solchen Belastung gerade bei Rentnern naheliege, da ihr Beitritt zur Zusatzversicherung nicht von einer bestimmten Altersgrenze oder der Vorlegung eines Gesundheitszeugnisses abhängig gemacht werden könne. Einen gewissen Schutz des Versicherungsträgers gegen eine unangemessene Belastung bietet aber bei der freiwilligen Weiterversicherung die Ausschlußfrist des § 313 Abs. 2 RVO und beim Abschluß der Versicherung auf Zusatzsterbegeld in der Rentnerkrankenversicherung die Ausschlußfrist des § 13 Abs. 1 Satz 2 VO über KVdR., nach der die Zusatzversicherung nur innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Beginn der Rentnerkrankenversicherung oder nach dem Ausscheiden aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beantragt werden kann. Daß durch die Einführung der Ausschlußfristen nicht jede Gefahr einer im Einzelfall unangemessenen Belastung des Versicherungsträgers ausgeschlossen wird, gilt für die freiwillige Weiterversicherung und für die freiwillige Zusatzversicherung auf Sterbegeld im Bereiche der Rentnerkrankenversicherung in gleicher Weise. Für einen weitergehenden Schutz des Versicherungsträgers gegen eine unangemessene Belastung hat der Gesetzgeber aber keine Handhabe geschaffen. Eine gewisse, im Wesen jeder Versicherung liegende Belastung durch ungünstige Risiken muß der Versicherungsträger daher in Anbetracht der gesetzlichen Regelung, die sowohl die freiwillige Weiterversicherung wie die Zusatzversicherung nur von der innerhalb einer Ausschlußfrist abzugebenden Erklärung des Versicherten abhängig macht, in Kauf nehmen. Denn auch für die freiwillige Versicherung, deren Aufgabe der Gesetzgeber durch die Einführung einer gesetzlichen Zusatzsterbegeldversicherung der Rentner ermöglichen wollte, besteht weder eine Altersgrenze noch die Pflicht zur Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses. Trotzdem gelten bei freiwilliger Versicherung im Hinblick auf die Leistungen, die nicht Mehrleistungen sind, keine dem § 208 RVO entsprechenden Beschränkungen; auch für sie ist vielmehr der Grundsatz sofortiger Leistungsbereitschaft und -verpflichtung der Kasse nach § 206 RVO maßgebend. § 208 RVO kann hiernach auf die freiwillige Zusatzversicherung keine sinngemäße Anwendung finden.

Die Revision der Beklagten ist somit unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2296971

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