Leitsatz (amtlich)
Wird eine abgefundene und wegen Verschlimmerung gemäß RVO § 616 Abs 3 S 2 wiedergewährte Unfallrente nach dem "Gesetze zur vorläufigen Neuberechnung der Geldleistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung" (Fassung: 1957-07-27) neuberechnet, so ist als Kürzungsbetrag (VUVNG § 4) der Betrag zu Grunde zu legen, den die abgefundene Rente hätte, wenn sie nach dem der neuberechneten Rente zu Grunde gelegten Jahresarbeitsverdienst zu berechnen wäre.
Normenkette
RVO § 616 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1925-07-14, § 618a Fassung: 1925-07-14; VUVNG § 4
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle vom 18. September 1958 und das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 9. April 1958 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der 1897 geborene Kläger erlitt im Jahre 1921 einen Arbeitsunfall, für den er seit dem 1. Januar 1926 noch mit einer Dauerrente von 30 v. H. der Vollrente im Betrage von 23,98 RM entschädigt wurde; er wurde auf seinen Antrag im Oktober 1933 unter Zugrundelegung einer Jahresrente von 266,14 (= 12x23,98) RM durch Zahlung eines Betrages von 3353,36 RM abgefunden. Seit August 1949 wurde dem Kläger wegen Verschlimmerung der Unfallfolgen von der Beklagten eine Dauerrente von 50 v. H. zugebilligt; diese Rente kürzte die Beklagte nach § 616 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) um den Betrag, der der Berechnung der Abfindungssumme zugrunde lag (479,54 - 266,14 = 213,40 DM), so daß der monatliche Zahlbetrag sich auf 25,80 DM belief; durch berufungsfähigen Bescheid vom 23. Februar 1950 erhöhte die Beklagte diese Rente auf Grund des Gesetzes über die Verbesserungen der gesetzlichen Unfallversicherung vom 10. August 1949 auf insgesamt 55,40 DM monatlich, indem sie zu der gezahlten Restrente und dem Kinderzuschlag den gesetzlich vorgeschriebenen weiteren Zuschlag gewährte.
Die Berufung gegen diesen Bescheid, mit der der Kläger die Auffassung vertrat, daß der Zuschlag zu der gesamten Dauerrente von 50 v. H. errechnet und festgesetzt werden und davon erst hinterher der abgefundene Betrag abgezogen werden müsse, wurde vom Knappschaftsoberversicherungsamt (KOVA) Wiesbaden im Dezember 1950 zurückgewiesen; in seinem Urteil lehnte das KOVA eine Anwendung des § 616 Abs. 3 Satz 4 RVO auf die Berechnung von Zuschlägen nach dem Verbesserungsgesetz ab, da dieses nur die laufenden Rentenbezüge an das veränderte Lohn- und Preisniveau habe angleichen wollen. Eine entgegengesetzte Handhabung würde die abgefundenen Versicherten unbilligerweise besser stellen gegenüber denjenigen Versicherten, die vor ihrer Verschlechterung keine Abfindung erhalten hätten; § 616 Abs. 3 Satz 4 RVO sei vielmehr nur bei erstmaliger Neuberechnung anzuwenden. Das Urteil des KOVA wurde rechtskräftig, da die dagegen eingelegte Berufung vom Landessozialgericht (LSG) in Darmstadt als unzulässig verworfen wurde.
Durch Bescheid vom 15. September 1952 hatte die Beklagte sodann nach dem Gesetz über Zulagen und Mindestleistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung vom 20. April 1952 ihre Leistungen vom 1. Juni 1951 an erhöht, indem sie zu dem bisherigen Rentenzahlbetrag einen Zuschlag von 25 v. H., zu den Kinderzulagen einen solchen von 2/10 jener Zulage gewährte, so daß sich bis zum 31. Juli 1951 ein Gesamtbetrag von 67,- DM, seit dem 1. August 1951 (Fortfall des einen zulageberechtigten Kindes) ein solcher von 57,40 DM und seit dem 1. Juni 1954 (Fortfall auch des zweiten Kindes) ein solcher von 47,80 DM ergab. Diese Zuschlagsberechnung wurde vom Kläger nicht angefochten.
Im September 1957 hatte die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, daß es gemäß § 11 des Gesetzes zur vorläufigen Neuberechnung der Geldleistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung vom 27. Juli 1957 bei der bisherigen Leistung von 47,80 DM verbleibe, da eine Umrechnung nach den Vorschriften jenes Gesetzes nur einen Rentenbetrag von 40,- DM (= 20 v. H. der auf Grund des neu festgestellten Jahresarbeitsverdienstes (JAV) von 3596,55 DM (= mit dem Faktor 2,5 multipliziertes altes JAV) errechneten Vollrente) ergebe und deshalb der alte Besitzstand zu wahren sei. Den Antrag des Klägers, die Umrechnung so vorzunehmen, daß von der unter Zugrundelegung des neuen JAV berechneten Teilrente von 50 v. H. lediglich der alte Abfindungsbetrag von jährlich 266,14 DM abgezogen werde, lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 17. Dezember 1957 ab; durch die Abfindung sei ein Anspruch auf den abgefundenen Rentenanteil von 30 v. H. auf Lebenszeit erloschen.
Dagegen verurteilte auf die Klage des Klägers das Sozialgericht (SG) Gießen die Beklagte zur Zahlung einer Rente im monatlichen Betrag von 77,80 DM (JAV: 3596,55 DM, daraus Vollrente: 2 397,70 DM und davon 50 v. H.: 1198,85 DM; hiervon ab Abfindung mit 266,14 DM; daraus Jahresbetrag von 932,71 DM oder abgerundet 77,80 DM monatlich). Das SG ist der Ansicht, daß mangels besonderer Berechnungsvorschriften für Kapitalabfindungsfälle im Neuregelungsgesetz vom 27. Juli 1957 auch hier § 616 Abs. 3 Satz 4 RVO anzuwenden sei, der bei der Anrechnung eindeutig auf den als Abfindung gezahlten Geld betrag und nicht auf den abgefundenen Hundertsatz abstelle.
Mit ihrer Berufung hatte die Beklagte (abgesehen von der Richtigstellung der Abrundung der monatlichen Rente auf 77,70 statt 77,80 DM) keinen Erfolg. Das LSG teilte die Auffassung des SG, mangels besonderer Vorschriften sei § 616 Abs. 3 Satz 4 RVO maßgebend, und legte unter Berufung auf die Grundsätzliche Entscheidung Nr. 3237 des Reichsversicherungsamts (RVA) vom 4. Oktober 1926 (AN 1926 S. 458) diese Bestimmung wie die Vorinstanz dahin aus, daß bei der Kürzung einzig der Geldbetrag, nicht aber der Hundertsatz der abgefundenen Rente zu berücksichtigen sei. Da auch die Änderung der Rechtslage durch Gesetz als "wesentliche Veränderung der Verhältnisse" anzusehen sei, könne die Beklagte sich auch nicht auf die Rechtskraft des Urteils des KOVA Wiesbaden berufen.
Gegen das ihr am 11. Oktober 1958 zugestellte Urteil hat die Beklagte unter Antragstellung am 5. November 1958 die zugelassene Revision eingelegt und sie (nach vorsorglich erfolgter Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist) am 11. Dezember 1958 begründet. Die Beklagte rügt eine Verletzung des § 2 des Gesetzes vom 27. Juli 1957 in Verbindung mit § 616 Abs. 3 Satz 4 RVO. Sie ist der Auffassung, daß bei dem Kürzungsbetrag stets sein Geldwert im Verhältnis zu dem neu festgestellten JAV zu berücksichtigen sei. Dies habe auch das RVA in seiner von dem LSG zu Unrecht für dessen Ansicht angeführten Entscheidung Nr. 3237 getan, indem es zwar zunächst die gesamte Rente (einschließlich des abgefundenen Teils) nach dem neuen JAV errechnet, dann aber auch die abgefundene Rente entsprechend erhöht abgezogen habe. Daß der Abfindungsbetrag mit dem Umstellungsfaktor zu vervielfältigen sei, wäre für das RVA so selbstverständlich gewesen, daß es diesen Umstand nicht besonders erwähnt habe. Die Rechtslage im vorliegenden Fall entspreche durchaus der damals entschiedenen Sache. Nach ständiger Rechtsprechung des RVA bringe die Zahlung der Abfindung sämtliche Ansprüche des Versicherten auf die davon erfaßte Rente zum Erlöschen. Jede Abfindung enthalte daher ein Risiko Da man davon ausgehen könne, daß der Abfindungsbetrag wertbeständig angelegt werde, rechtfertige der Sinn und Zweck des Gesetzes über die vorläufige Neuberechnung vom 27. Juli 1957 auch nur eine Anhebung des auszuzahlenden Teilbetrages. Zwar sei in dem Zweiten Änderungsgesetz vom 14. Juli 1925, das das RVA seiner Entscheidung zugrunde legen mußte, in Art. 156 ausdrücklich eine Neuregelungsvorschrift für Fälle wesentlicher Verschlimmerung vorgesehen, die im Gesetz vom 27. Juli 1957 fehle; mangels einer besonderen Vorschrift müßten die allgemeinen Grundsätze jenes früheren Gesetzes auch hier angewandt werden. § 616 Abs. 3 Satz 4 RVO stelle eine Schutzvorschrift für den Versicherten nur insoweit dar, als ihm dadurch die Rechte gewahrt würden, die mit bestimmten Graden der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) als solchen verbunden seien. Ausgehend von dem neuen JAV von 3596,55 DM ergebe sich somit ein niedrigerer Betrag als der bisher zu zahlende von 47,80 DM monatlich, gleichgültig, ob von der nach den neuen Vorschriften berechneten 50%igen Rente eine entsprechende 30%ige Rente (1198,85 - 719,31 = 479,54 DM oder abgerundet 40,- DM monatlich) oder ob von der 50%igen Teilrente der mit dem Multiplikator vervielfältigte Abfindungsbetrag (1198,85 - 665,35 (266, 14x2,5)= 533,50 DM oder abgerundet 54,50 DM monatlich) abgezogen werde.
Die Beklagte beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des SG Gießen die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die kostenpflichtige Zurückweisung der Revision; er vertritt die Auffassung, daß die angefochtene Entscheidung dem Wortlaut des Gesetzes allein entspreche und eine andere Entscheidung schon auslegungsmäßig nicht möglich sei.
Eine Berufung auf Art. 156 des Zweiten Änderungsgesetzes vom 14. Juli 1925 sei nicht angängig, da in dieser Bestimmung kein allgemeiner Rechtsgedanke Ausdruck gefunden habe. Die Kapitalabfindung habe, wie sich aus dem Wortlaut des § 616 Abs. 3 Satz 2 RVO ergebe, auch keine absolut rechtsvernichtende Wirkung hinsichtlich des abgefundenen Anspruchs mehr. Der Schutzcharakter des Unfallrechts habe den Gesetzgeber bewußt dazu veranlaßt, im Verschlimmerungsfall den Risikogrundsatz nicht aufrecht zu erhalten; § 616 Abs. 3 RVO sei in diesem Fall bei jeder notwendig werdenden weiteren Rentenberechnung anzuwenden. Die Neuregelung wolle nicht allein eine Anpassung an das Lohn- und Preisgefüge vornehmen. - dieses Ziel hätte sich durch einen prozentualen Zuschlag viel einfacher erreichen lassen -, sondern darüber hinaus dem Schadensausgleichgedanken, der aus der Haftpflichtgrundlage der Unfallversicherung folge, Rechnung tragen.
Bei der Entscheidung dürfe die Frage, ob die Kapitalabfindung wertbeständig angelegt sei, was im übrigen keinesfalls für alle Fälle angenommen werden könne, nicht berücksichtigt werden, da die wirtschaftliche Verwertung der Rente dem Ermessen des einzelnen Beziehers unterliege.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist frist- und formgerecht unter Antragstellung eingelegt und begründet worden; sie ist vom LSG zugelassen und daher statthaft.
Die Revision ist begründet.
Streitig ist nur die Frage, in welcher Weise die im § 1 des Neuregelungsgesetzes vorgeschriebene Umrechnung der dem Kläger gewährten Geldleistung zu erfolgen hat. Das Neuregelungsgesetz beschränkt sich insoweit darauf, vorzuschreiben, daß erstens überhaupt umzurechnen ist (§ 1), daß zweitens hierfür ein aus dem alten JAV neu zu errechnender JAV gilt, dessen Höhe abhängig ist von dem Zeitpunkt des Unfalls (§ 2), und daß drittens bei dieser Umstellung Zulagen und Zuschläge auf Grund des Verwaltungsgesetzes vom 10. August 1949 (die Berliner Regelung kann hier unberücksichtigt bleiben) außer Betracht zu bleiben haben (§ 4), wobei die letztgenannte Bestimmung offenbar nur der Klarstellung dient, da jene Zulagen usw. systematisch niemals als Bestandteil des JAV angesehen wurden. Aus dem Neuregelungsgesetz läßt sich demnach für die hier zu entscheidende Frage keine ausdrückliche gesetzgeberische Weisung entnehmen.
Unter diesen Umständen muß für die Berechnung von § 616 Abs. 3 RVO, auf den § 3 der Zweiten Verordnung des Reichsarbeitsministers betreffend die Abfindung von Unfallrenten vom 10. Februar 1928 auch für den Fall des § 618 a RVO verweist, ausgegangen werden, Bis zum Inkrafttreten des Zweiten Änderungsgesetzes vom 14. Juli 1925 wurden durch eine einmal erfolgte Abfindung, die die Berufsgenossenschaft nach den früheren Vorschriften ohne Antrag oder Zustimmung des Versicherten in einem erheblich größeren Ausmaß als nach den jetzigen Vorschriften vornehmen durfte, die gesamten Ansprüche aus dem abgefundenen Unfall endgültig und abschließend abgelöst. Gerade diese ein für allemal erfolgende abschließende Erledigung und die dadurch eintretende "volle Befreiung von der Wirtschaftslast" wurde damals als tragender Hauptgrund für jene Regelung betrachtet (vgl. GEen des RVA Nr. 3045 und 3166 in AN 1920 S. 347 und 1924 S. 122), so daß keine Zweifel daran bestanden, daß auch auf dem Gebiet der Sozialversicherung die Abfindung dieselbe Bedeutung wie im sonstigen Recht hatte, daß demnach irgendwelche neuen Zahlungsansprüche aus dem einmal abgefundenen Recht nicht erwachsen konnten Dementsprechend wurde der neu eingefügte Absatz 3 des § 616 RVO, der in erster Linie aus Billigkeitsgründen trotz Abfindung der laufenden Rentenzahlung einen weiter laufenden Anspruch auf Krankenbehandlung und Berufsfürsorge gewährte und daneben in Verschlimmerungsfällen einen neuen Rentenzahlungsanspruch begründete, als eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift angesehen, durch die die abschließenden erledigenden Wirkungen der Abfindung nur insoweit durchbrochen wurden, als dies ausdrücklich bestimmt war (GE Nr. 4757 des RVA in AN 1934 S. 134). Zwar war das RVA mehrfach davon ausgegangen, daß die Abfindung eine besondere Form der Entschädigungszahlung darstelle und deshalb der "Bezug" jener abgefundenen Rente noch fortdauere (z. B. GEen Nr. 3223, 3282, 4027 und 4137 in AN 1926 S. 358, 1927 S. 449, 1931 S. 168 und S. 323); in allen diesen Fällen handelte es sich jedoch immer nur darum, abgefundene Renten insoweit als fortbestehend anzusehen, als dann, wenn auf Grund der Tatsache eines Unfallschadens und einer dafür gewährten Entschädigung in Form einer Rente (insbesondere, wenn dadurch die 50 v. H. - Grenze erreicht oder überschritten wurde) vom Gesetzgeber zugunsten des Versicherten bestimmte Regelungen getroffen waren, diese auch dem abgefundenen Versicherten billigkeitsmäßig im gleichen Umfange zukommen sollten (z. B. bei der Frage, ob Kinderzulage zu gewähren ist, GEen Nr. 4137 und 4757, ob eine abgefundene Rente die Abfindung einer zweiten Rente hindert, GE Nr. 4027, ob die Schwerbeschädigteneigenschaft anzuerkennen ist usw.). Dagegen wird in keiner dieser Entscheidungen etwa aus der abgefundenen (Teil-)Rente noch ein irgendwie gearteter Anspruch auf Geldleistungen abgeleitet (z. B. Kinderzulage ist nur für den noch gewährten Rententeil zu zahlen, GE Nr. 4757, und andere). Keinen anderen Sinn hatte auch die GE Nr. 3237 des RVA (AN 1926 S. 458), die durch ihren mißverständlich abgefaßten Leitsatz erhebliche Unklarheit verursacht hat. In dem damals entschiedenen Fall, der unmittelbar auf die Neueinführung des § 616 Abs. 3 folgte, hatte die Berufsgenossenschaft und ihr folgend das OVA die wegen Verschlimmerung wiedergewährte Rente vereinfacht in der Weise festgesetzt, daß von dem neuen Prozentsatz der Prozentsatz der bereits abgefundenen Rente abgezogen und der verbleibende Prozentsatz als MdE der neu zu gewährenden Rente bezeichnet wurde. Aus den oben bereits erörterten Gründen hatte das RVA - in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des § 616 Abs. 3 Satz 4 RVO - diese Festsetzung als falsch bezeichnet und klargestellt, daß die neu festzusetzende Rente - nominell - die gesamte MdE angeben müsse, daß nur ihr Auszahlungsbetrag um den der abgefundenen Rente zugrunde liegenden Betrag zu kürzen sei. Das im vorliegenden Fall allein streitige Problem, welcher "Betrag" im Sinne des Satzes 4 a. a. O. "als der Abfindungsberechnung zugrunde gelegt" anzusehen sei, spielte in jener Entscheidung keine Rolle, konnte es auch gar nicht, weil in dem Zweiten Änderungsgesetz eine Übergangsvorschrift enthalten war (Art. 156), durch die erst jene neu eingeführte Wiedergewährungsvorschrift auch für alte Unfälle für anwendbar erklärt wurde und nach der gleichzeitig für diese Fälle als der der Abfindung zugrunde liegende Betrag der Betrag zu gelten hatte, den die abgefundene Rente unter Zugrundelegung des gleichfalls durch jenes Gesetz erhöhten (neuen) JAV gehabt hätte Durchaus diesen Bestimmungen entsprechend hat das RVA - ohne dies besonders hervorzuheben - auch den neuen JAV in seine Berechnung eingehen lassen. Nicht um die Höhe der Rente ging somit damals der Streit (diese war nach beiden Berechnungsarten völlig gleich), sondern einzig um die Ansehung einer höheren nominellen MdE für die wiedergewährte Rente; gerade wegen dieses nach der damaligen Rechtslage zwangsläufig völlig gleichen Rechenergebnisses konnte das RVA zu seiner damals durchaus zutreffenden, unter Berücksichtigung der späteren Entwicklung aber den entschiedenen Fall nicht mehr ganz richtig wiedergebenden Leitsatzfassung kommen.
Faßt man die gleichzeitig erfolgte Einführung des § 616 Abs. 3 durch Art. 26 des Änderungsgesetzes und die oben erörterte Übergangsvorschrift in dessen Art. 156 zusammen, so ist daraus zu entnehmen, daß der Gesetzgeber bei der Schaffung jenes Absatzes 3 Satz 4 unter dem "Betrag, der der Berechnung der Abfindung zugrunde gelegt war", damals nicht eindeutig einen ein für allemal festliegenden nominellen Betrag, sondern einen jeweils über einen für beide Seiten der Rentenberechnung gleichen JAV wertmäßig angeglichenen Abfindungsbetrag verstanden wissen wollte Damit entfällt die teilweise vertretene Auffassung (vgl. Schaefer, Sozialversicherung 1959, S. 101), der Gesetzeswortlaut sei so eindeutig, daß er keiner anderen als der rein wörtlichen Auslegung fähig sei. In dem Neuregelungsgesetz (und vorher bereits in der Zulagegesetzgebung) hat der Gesetzgeber es nun allerdings unterlassen, eine entsprechende Regelung ausdrücklich vorzuschreiben. Aus dem Wesen der Abfindung, die es nicht zuläßt, daß dem Abgefundenen noch geldliche Vorteile aus dem abgefundenen Rententeil zuwachsen, muß jedoch gefolgert werden, daß die im Art. 156 ausdrücklich vorgesehene Übergangsregelung bei der Einführung der Teilwiedergewährung von abgefundenen Renten nur Ausdruck des aus der Rechtsnatur der Abfindung abzuleitenden allgemeinen Grundsatzes ist, der demnach laufend - also auch für spätere gleichgelagerte Fälle - zur Auslegung des § 616 Abs. 3 Satz 4 RVO heranzuziehen ist. Dies wird jedenfalls dann zu gelten haben, wenn es sich bei der gesetzlichen Änderung des zugrunde zu legenden JAV oder der sonstigen Erhöhung des nominellen Rentenbetrages nicht um eine echte zusätzliche Mehrleistung und Besserstellung gegenüber dem früheren Zustand, sondern nur darum handelt, die Renten wertmäßig wieder dem anzupassen, was sie für den Versicherten im Zeitpunkt des Unfalls wirtschaftlich bedeutet hatten. Aus dieser Sicht wird auch deutlich, daß - entgegen der Auffassung des Klägers - die mit dem Anpassungsgesetz beabsichtigte Angleichung an das Lohn- und Preisgefüge sich bei richtiger Konzeption nicht mit einer rein schematisch gleichmäßigen Erhöhung aller laufenden Renten begnügen durfte, wie dies bei den Zulageregelungen der Fall war, sondern daß das Gesetz für diesen Zweck auch auf die sehr erheblichen Änderungen der Effektivlöhne (durch Anwendung des zeitlich unterschiedenen Umrechnungsfaktors) Rücksicht nehmen mußte.
Die hier gefundene Lösung entspricht auch der Billigkeit, da eine dem angefochtenen Urteil entsprechende Berechnung praktisch stets dazu führen müßte, dem abgefundenen Versicherten entgegen dem oben erörterten Grundsatz eben doch eine erneute Leistung auf seinen abgefundenen Rententeil zu gewähren War dies schon nach dem Rechtsstand im Zeitpunkt der Einführung jener Vorschriften (1925) nicht zulässig, so haben sich inzwischen die bei einer wirtschaftlichen Betrachtung gegen die an der wörtlichen Auslegung haftende Leistung erhebenden Bedenken nur noch erheblich verschärft. Renten, die 10 v. H. betragen und auch gegen den Willen des Versicherten abgefunden werden können, gibt es seit fast 30 Jahren nicht mehr; es kann daher ohne Bedenken davon ausgegangen werden, daß die zur Zeit noch vorhandenen Abfindungen auf Grund eines entsprechenden Antrags des Versicherten gewährt worden sind; in diesen Fällen ist jedoch - entgegen der Ansicht des Klägers - regelmäßig davon auszugehen, daß die Abfindung in einer ihren Wert erhaltenden Weise angelegt worden ist, wie dies die Verordnung vom 10. Februar 1928 (auf die der größere Teil aller Abfindungen entfallen dürfte) sogar ausdrücklich fordert.
Schließlich spricht auch die beabsichtigte Neuregelung der Unfallversicherung für die hier vertretene Auffassung. Hinsichtlich der Kapitalabfindung Schwerverletzter schlägt der Gesetzgeber allerdings bewußt neue Wege ein, die zu einer Angleichung an das Recht der Kriegsopferversorgung führen und daher für die hier zu treffende Entscheidung keine Rückschlüsse zulassen. Dagegen ist für Fälle, bei denen die Verschlimmerung des Abgefundenen unter 50 v. H. bleibt, die bisherige Regelung bewußt beibehalten, im älteren Entwurf noch mit einem dem geltenden § 616 Abs. 3 voll entsprechenden Wortlaut (§ 617), im neueren Entwurf dagegen wesentlich eindeutiger dahin (§ 596), daß in diesen Fällen trotz Abfindung ein Anspruch begründet sei, insoweit wesentliche Verschlimmerung vorliege; diese Fassung zeigt, daß der Gesetzgeber in diesen Fällen überhaupt nur noch die Gewährung einer dem Verschlimmerungshundertsatz entsprechenden Rente vorgesehen hat - und dies, obwohl er in weitgehendem Umfang wieder eine Abfindung auch gegen den Willen des Versicherten zuläßt.
Wenn demnach von dem Geldwert des Abfindungsbetrages auszugehen ist, so erweist sich die von der Beklagten in ihrem Bescheid vorgenommene Berechnung, die von ihr auch an erster Stelle vorgetragen wird, als richtig, so daß sich die umzustellende Rente auf 40,- DM und damit auf weniger als den bisher gezahlten Betrag stellen würde (vgl. Rösner, Sozialversicherung 1959, S. 224). Die Berufsgenossenschaft hat daher mit Recht eine Umrechnung abgelehnt.
Die Klage war daher unter Aufhebung der entgegenstehenden Urteile des Landessozialgerichts und des Sozialgerichts abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen