Leitsatz (redaktionell)

1. Durch die ab 1960-07-02 geltende Bestimmung, daß die 5-Jahresfrist des KOV-VfG § 43 Abs 2 S 2 frühestens mit dem 1957-01-01 beginnt, sind am 1960-07-02 bereits abgelaufene Ausschlußfristen nicht verlängert worden.

2. Die Umdeutung eines auf KOV-VfG § 42 gestützten Neuregelungsbescheides (Anfechtungsbescheid) in einen Rücknahmebescheid nach KOV-VfG § 41 ist dann erlaubt, wenn der Bescheid nur auf eine andere rechtliche Grundlage gestellt wird und bei verschiedenen Voraussetzungen dasselbe Ergebnis erreichen will.

Das Verfahren ist nicht Selbstzweck, sondern will der Verwirklichung des sachlichen Rechts dienen; den Beteiligten kommt es weniger auf die Rechtsform als auf den wirtschaftlichen Erfolg an, weshalb eine Umdeutung immer zuzulassen ist, wenn sie der Form der Verfahrenshandlung entspricht, in welche umgedeutet wird.

Da auch eine wehrdienstbedingte Verschlimmerung eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in einem Ausmaß zur Folge haben kann, wie ein iS der Entstehung anerkanntes Versorgungsleiden ist der von der Verwaltung aufgehobene Bescheid im Ergebnis nicht zweifelsfrei unrichtig, auch wenn damals die neu aufgefundenen Krankenpapiere noch nicht berücksichtigt werden konnten.

 

Normenkette

KOVVfG § 43 Abs. 2 Fassung: 1960-06-27, § 42 Fassung: 1955-05-02, § 41 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 9. Juli 1964 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

Die Klägerin ist die Witwe und Rechtsnachfolgerin des am 3. Mai 1958 verstorbenen Beschädigten. Dieser bezog u. a. wegen traumatischer Epilepsie Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 v. H. (Umanerkennungsbescheid vom 11. Juli 1951). Als Ursache der Gesundheitsstörung war entsprechend der Angabe des Beschädigten unterstellt, daß er am 28. Februar 1945 als Führer eines Wehrmachtkraftfahrzeugs einen Unfall erlitten und sich dabei eine schwere Gehirnerschütterung zugezogen habe. Anläßlich einer nervenfachärztlichen Untersuchung gab der Ehemann der Klägerin an, daß er unter epileptischen Anfällen mit vorübergehender Bewußtlosigkeit leide. Die am 30. Januar 1957 eingegangenen Krankenblätter geben Auskunft über die stationäre Behandlung des Beschädigten vom 28. Februar bis 18. Dezember 1945; eine Kopfverletzung oder Gehirnerschütterung ist im Aufnahmebefund nicht erwähnt. In diesen Unterlagen finden sich auch Angaben des Beschädigten über eine Gehirnhautentzündung im Jahre 1930. Am 22. Februar 1957 erbat das Versorgungsamt (VersorgA) ein Gutachten vom Universitäts-Krankenhaus E (Prof. Dr. P). Dieses nervenfachärztliche Gutachten vom 9. April 1957 verneinte eine organische Erkrankung des Nervensystems; Anhaltspunkte für einen Wehrdienstschaden könnten nicht gefunden werden; eine Wehrdienstbeschädigung liege nicht vor.

Gestützt auf § 41 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) hob das VersorgA darauf mit Zustimmung des Landesversorgungsamtes (LVersorgA) mit Bescheid vom 28. Juli 1960 die vorausgegangenen Bescheide auf und lehnte Versorgung ab. Das LVersorgA Niedersachsen wies den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 8. Mai 1962 zurück, stützte aber die Entscheidung auf § 42 Abs. 1 Nr. 9 VerwVG.

Auf die Klage hob das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 14. November 1963 die angefochtenen Bescheide auf. Es hielt § 42 VerwVG nicht für anwendbar, weil erst nach Ablauf der Frist des § 43 Abs. 1 VerwVG das Anfechtungsverfahren eingeleitet worden sei und die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Nrn. 3 und 9 VerwVG nicht gegeben seien.

Das Landessozialgericht (LSG) wies mit Urteil vom 9. Juli 1964 die Berufung des Beklagten zurück. Die Maßnahme der Verwaltung müsse deutlich erkennen lassen, daß ein Anfechtungsverfahren eingeleitet werden solle. Das VersorgA habe aber das Verfahren nach § 42 Abs. 1 Nrn. 3 und 9 VerwVG nicht innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes, sondern frühestens am 22. Mai 1957 eingeleitet, als es nach Eingang des Gutachtens des Universitäts-Krankenhauses E vom 9. April 1957 verfügte, daß unter Berücksichtigung der Krankenblätter und des versorgungsärztlichen Gutachtens vom 27. November 1956 der Versorgungsarzt (ÄD) Stellung nehmen solle. Der Gutachtensauftrag vom 22. Februar 1957 könne deshalb nicht als Einleitungsmaßnahme angesehen werden, da hierfür das Auftragsschreiben keine Anhaltspunkte biete; das Gutachten sei nur im Hinblick auf den Antrag des Beschädigten auf Pflegezulage angefordert worden. Die Einleitungsverfügung vom 22. Mai 1957 sei mithin erst nach Ablauf der Frist (§ 43 Abs. 2 VerwVG) ergangen. Im Gutachten vom 9. April 1957 fänden sich keine neuen Anhaltspunkte für einen neuen Anfechtungsgrund, wenn die Gutachter auch auf die am 30. Januar 1957 eingegangenen Krankenpapiere hingewiesen hätten. Der Beklagte habe daher eine neue Prüfung des Versorgungsleidens nicht vornehmen dürfen. Ebenso habe das LSG nicht erneut sachlich prüfen dürfen, ob der Ehemann der Klägerin die Anerkennung seiner Gesundheitsstörungen als Versorgungsleiden durch einen Tatbestand im Sinne des § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG herbeigeführt habe oder ob § 42 Abs. 1 Nr. 9 VerwVG (nachträgliches Finden einer Urkunde) zutreffe.

Mit der zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine unrichtige Anwendung des § 43 VerwVG. Der Anfechtungsgrund sei noch nicht aus den am 30. Januar 1957 beim VersorgA I Hannover eingegangenen Urkunden zu entnehmen gewesen; er habe sich vielmehr erst allmählich herausgestellt. Das LSG habe auch die Tatsachen nicht richtig gewürdigt. Der Auftrag zur Begutachtung des Beschädigten vom 22. Februar 1957 sei ohne Einschränkung und entgegen der Auffassung des LSG nicht nur wegen des Antrags auf Pflegezulage erteilt worden. Im Hinblick auf die behauptete Gehirnerschütterung sei aus den Lazarettpapieren noch nicht ohne weiteres ein Anfechtungsgrund zu erkennen, sondern noch eine weitere nervenfachärztliche Untersuchung erforderlich gewesen. Erst das am 27. April 1957 beim VersorgA eingegangene Universitätsgutachten habe volle Klarheit gebracht. Auf jeden Fall sei ein schon am 22. Februar 1957 eingeleitetes Verfahren am 27. April 1957 fortgesetzt worden. Es sei auch unerheblich, daß die Versorgungsverwaltung den Berichtigungsbescheid auf § 41 VerwVG und sich erst im Widerspruchsverfahren auf § 42 Abs. 1 Nr. 9 VerwVG gestützt habe. Der Bescheid sei rechtmäßig, wenn die Voraussetzungen für die Rücknahme zuträfen. Endlich betrage die Frist zur Einleitungsmaßnahme nicht drei, sondern sechs Monate, weil das 1. Neuordnungsgesetz (1. NOG) vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) die Frist verlängert habe. Diese Vorschrift sei mit Wirkung vom 1. Juni 1960 in Kraft getreten. Auch für einen Berichtigungsbescheid nach § 41 VerwVG seien schließlich alle Voraussetzungen gegeben.

Dementsprechend beantragt der Beklagte,

die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.

Die Verlängerung der Frist des § 43 Abs. 1 Satz 2 VerwVG könne vorliegend nicht beachtet werden, weil im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes (2. Juli 1960) die Frist von drei Monaten (§ 43 Abs. 1 Satz 2 VerwVG aF) bereits verstrichen gewesen sei. Im übrigen habe das LSG zutreffend angenommen, daß die Einleitungsfrist am 22. Mai 1957 verstrichen gewesen sei. Das LSG habe auch in sachlich-rechtlicher Hinsicht § 43 Abs. 1 VerwVG zutreffend angewandt. Das Urteil des Berufungsgerichts sei daher nicht zu beanstanden.

Das LSG hat die Revision nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassen, weil es die Frage, welche Erfordernisse zur Einleitung des Anfechtungsverfahrens und damit zum Beginn der Frist des § 43 Abs. 1 Satz 2 VerwVG erfüllt sein müssen, auch durch die nicht veröffentlichte Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. September 1963 - 10 RV 495/60 - als nicht hinreichend geklärt ansieht. Das LSG hat damit die Zulassung nicht auf diese Frage beschränkt. Eine solche Beschränkung der Zulassung wäre im übrigen auch unwirksam und stände der Nachprüfung des Urteils im vollen Umfange nicht im Wege (s. BSG in SozR SGG § 162 Nr. 170). Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 164 SGG), jedoch nicht begründet.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit des von der Klägerin angefochtenen Berichtigungsbescheides vom 28. Juli 1960 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. Mai 1962. Hierbei ist zu entscheiden, ob der Beklagte den begünstigenden Verwaltungsakt, nach dem der Ehemann der Klägerin eine Versorgungsrente nach einer MdE um 70 v. H. bezog, nach § 41 VerwVG zurücknehmen konnte. Wird diese Frage verneint, so ist zu prüfen, ob der Beklagte für einen Anfechtungsbescheid nach § 42 Abs. 1 Nrn. 3 und 9 VerwVG die Frist von drei Monaten oder von sechs Monaten zur Einleitung des Prüfverfahrens einzuhalten hatte.

Das LSG geht im angefochtenen Urteil davon aus, daß die Versorgungsverwaltung einen Berichtigungsbescheid nach § 41 VerwVG erlassen und die Klägerin diesen Bescheid angefochten habe. Dies trifft nicht vorbehaltlos zu. Angefochten ist der Bescheid der Verwaltung in der Fassung, die er durch die Widerspruchsentscheidung erhalten hat. Da Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt ist, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 1962 gefunden hat (§ 95 SGG) und da das LVersorgA den Bescheid auf § 42 Abs. 1 Nr. 9 VerwVG gestützt hat, ist zunächst zu prüfen, ob die Neuregelung nach § 42 VerwVG aufrechterhalten werden kann.

Nach § 42 VerwVG hat die Verwaltungsbehörde von Amts wegen erneut zu entscheiden, wenn Tatsachen, die für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung waren, wissentlich falsch angegeben oder verschwiegen worden sind (§ 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG) oder wenn nachträglich eine zur Zeit der Entscheidung bereits vorhandene Urkunde, die eine andere Entscheidung herbeigeführt haben würde, gefunden wird (§ 42 Abs. 1 Nr. 9 VerwVG). Die Verwaltung hat zwar ihre Entscheidung vom 8. Mai 1962 nur auf die zweite Alternative gestützt. Aber die Rechtmäßigkeit eines Bescheides hängt nicht von der im Bescheid mitgegebenen Begründung ab, sondern davon, ob der Bescheid sich überhaupt aus der Rechtsordnung rechtfertigen läßt. Die Neuregelung nach § 42 VerwVG ist indes, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, davon abhängig, daß die im § 43 VerwVG festgelegte Frist von drei Monaten, seit 2. Juli 1960 (Art. IV § 4 Abs. 1 des 1. NOG) von sechs Monaten, eingehalten worden ist. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 VerwVG hat die Verwaltungsbehörde innerhalb einer Frist von drei Monaten bezw. seit dem Inkrafttreten des 1. NOG von sechs Monaten die erneute Prüfung einzuleiten. Vorliegend kann jedoch dahingestellt bleiben, welche Ermittlungsanordnungen diese Frist in Lauf setzen, weil das Anfechtungsverfahren nach § 42 VerwVG aus einem anderen Grund nicht mehr durchgeführt werden darf. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 VerwVG ist die Verwaltung nur befugt, die erneute Prüfung binnen fünf Jahren nach Zustellung der Entscheidung herbeizuführen, die an dem im § 42 VerwVG bezeichneten Mangel leidet. Die Verwaltung hat mit dem Berichtigungsbescheid vom 28. Juli 1960 den Umanerkennungsbescheid vom 11. Juli 1951 und den Ergänzungsbescheid (Ausgleichsrente) vom 23. Dezember 1952 aufgehoben. Der Umanerkennungsbescheid vom 11. Juli 1951 war im selben Monat zugestellt worden, während der Anfechtungsbescheid am 28. Juli 1960 ergangen ist, also neun Jahre später. Die nach § 43 Abs. 2 VerwVG gesetzte Frist von fünf Jahren vom Tage der Entscheidung an (11. Juli 1951) ist daher nicht eingehalten worden. Hierbei kann der Bescheid über die Ausgleichsrente (vom 23. Dezember 1952) außer Betracht bleiben, da er vom Versorgungsrentenbescheid abhängt und ihn nur ergänzt. Da mithin die Versorgungsverwaltung die Frist von fünf Jahren versäumt hat, kann unter dem Gesichtspunkt des § 42 VerwVG der Rentenbescheid vom 11. Juli 1951 nicht aufgehoben werden.

Zwar hat das 1. NOG zu § 43 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz bestimmt, daß die Frist von fünf Jahren frühestens mit dem 1. Januar 1957 zu laufen beginnt. Dadurch wird aber - wie das Bundessozialgericht (BSG) am 26. Mai 1964 (SozR VerwVG § 43 Nr. 1) entschieden hat - der Ablauf einer bereits abgelaufenen Frist nicht weiter hinausgeschoben. Für den im Jahre 1951 zugestellten Bescheid ist die Fünfjahresfrist im Jahre 1956 abgelaufen, so daß die Gesetzesänderung vom 27. Juni 1960, welche den Fristablauf vor dem 1. Januar 1957 berührt, nicht mehr wirksam werden konnte. Dieser Auffassung steht auch § 52 VerwVG nicht entgegen. Denn das 1. NOG hat - wie schon in der Entscheidung vom 26. Mai 1964 zutreffend dargelegt ist - in seinem Art. IV § 4 weder ausdrücklich klargestellt noch auch sonst deutlich gemacht, daß mit der Änderung des § 43 VerwVG eine auf das Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes, dem 1. April 1955, zurückwirkende Neuregelung für alle Versorgungsfälle erzielt werden sollte. § 52 VerwVG steht in den Übergangsvorschriften dieses Gesetzes in seiner ursprünglichen Fassung. Nach ihm sollte das - damals neu geregelte - Verfahrensrecht auf alle im Zeitpunkt des Inkrafttretens des VerwVG, dem 1. April 1955, anhängigen Verwaltungsverfahren angewendet werden. Das für den Kläger maßgebende Verwaltungsverfahren war aber zu diesem Zeitpunkt bereits bindend abgeschlossen. Wenn dann die Verwaltung auf Grund des § 42 VerwVG von Amts wegen in eine neue Prüfung der Versorgungsberechtigung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin eingetreten ist, so hat sie ein neues Verfahren in Gang gesetzt, welches unabhängig von der Übergangsvorschrift des § 52 VerwVG durchgeführt werden mußte. Infolgedessen hat sich für den vorliegenden Fall durch die im Laufe des Verwaltungsverfahrens erlassene Neuregelung nichts daran geändert, daß im Zeitpunkt der Einleitung (frühestens am 22. Februar 1957 und spätestens am 22. Mai 1957) die Frist von fünf Jahren bereits abgelaufen war und daß die Verwaltung das Verfahren mit dem Ziel der Erteilung eines Anfechtungsbescheides nicht wirksam eingeleitet hat. Aus diesem Grunde kann der Umdeutungsversuch der Widerspruchsentscheidung vom 8. Mai 1962, welcher den angefochtenen Bescheid auf § 42 VerwVG stützen wollte, keinen Erfolg haben. Dem Senat bleibt daher nur noch zu prüfen, ob der Anfechtungsbescheid die Voraussetzungen des § 41 VerwVG erfüllt.

Die Umdeutung eines auf § 42 VerwVG gestützten Neuregelungsbescheids (Anfechtungsbescheid) in einen Rücknahmebescheid nach § 41 VerwVG ist dann erlaubt, wenn der Bescheid nur auf eine andere rechtliche Grundlage gestellt wird und bei verschiedenen Voraussetzungen dasselbe Ergebnis erreichen will (SozR VerwVG § 41 Nr. 11). Das Verfahren ist nicht Selbstzweck, sondern will der Verwirklichung des sachlichen Rechts dienen. Den Beteiligten kommt es weniger auf die Rechtsform als auf den wirtschaftlichen Erfolg an, weshalb eine Umdeutung immer zuzulassen ist, wenn sie der Form der Verfahrenshandlung entspricht, in welche umgedeutet wird (BGHZ 19, 269; Urteil vom 5. Juli 1962 - III 7 R 214/61 - in DRiZ 10/62 S. 358). Nach § 41 VerwVG idF des 1. NOG können Bescheide über Rechtsansprüche zu Ungunsten des Berechtigten von der Verwaltungsbehörde aufgehoben werden, wenn außer Zweifel steht, daß sie im Zeitpunkt ihres Erlasses tatsächlich und rechtlich unrichtig gewesen sind. Das LSG hat auch unter diesem Gesichtspunkt geprüft, ob der Rücknahmebescheid der Verwaltung rechtmäßig ist. Es hat in mehrfacher Hinsicht Möglichkeiten aufgezeigt, nach denen der gegenwärtige Leidenszustand auf den Dienstunfall am 28. Februar 1945 zurückgeführt werden kann. Es hat insbesondere darauf hingewiesen, daß nach ärztlichem Urteil wegen des Vorschadens in Gestalt einer Gehirnhautentzündung ein leichtes Trauma mit Gehirnerschütterung ausreicht, um eine bleibende Hirnschädigung auszulösen. Da auch eine wehrdienstbedingte Verschlimmerung eine MdE in einem Ausmaß zur Folge haben kann, wie ein im Sinne der Entstehung anerkanntes Versorgungsleiden, ist der von der Verwaltung aufgehobene Bescheid vom 11. Juli 1951 im Ergebnis nicht zweifelsfrei unrichtig, auch wenn damals die neu aufgefundenen Krankenpapiere noch nicht berücksichtigt werden konnten. Da das Erfordernis der Unrichtigkeit nicht nachgewiesen ist, läßt sich, wie das LSG zutreffend entschieden hat, auch unter dem Gesichtspunkt des § 41 VerwVG der angefochtene Rücknahmebescheid nicht aufrechterhalten (ebenso BSG 8, 198; 13, 227; 16, 253).

Bei dieser Sach- und Rechtslage hat das LSG im Ergebnis mit Recht die Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil als unbegründet zurückgewiesen, das die angefochtenen Bescheide vom 28. Juli 1960 und vom 8. Mai 1962 aufgehoben hat.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380363

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