Verfahrensgang
LSG Hamburg (Urteil vom 24.08.1988) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. August 1988 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) ab 1. August 1985 zu gewähren hat.
Der 1934 geborene Kläger war in seinem erlernten Beruf des Maurers von 1970 bis 1984 bei der Freien und Hansestadt Hamburg auf dem Friedhof O … beschäftigt. Er wurde zuletzt nach der Lohngruppe A II des Tarifvertrages über die Einreihung der Arbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg in die Lohngruppen vom 9. Februar 1981 bezahlt. Nach Zeiten krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit war er seit März 1986 aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr als Maurer, sondern als Pförtner auf dem Friedhof O … tätig. Ihm oblagen das Öffnen und Schließen der Eingänge, das Erteilen von Auskünften in Bestattungs- und allgemeinen Angelegenheiten (Sonderregelungen an besonderen Gedenktagen, Veranstaltungen wie Gottesdienst uä, mögliche Arten des Grabschmucks und dessen Preise), Hilfeleistungen für ältere oder gebrechliche Besucher (Ausgabe von Krankenfahrstühlen), Ausgabe täglicher Bestattungsübersichten an Gewerbetreibende, Entgegennahme von Fundsachen, Meldungen über Diebstähle und Beschädigungen an Friedhofseinrichtungen sowie von Mitteilungen über Wasserrohrbrüche und Schäden an Wasserzapfstellen und die Reinigung der Pförtnerloge. Er war in die Lohngruppe B I des genannten Hamburger Tarifvertrages eingestuft.
Seinen Rentenantrag vom August 1985 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Oktober 1985 ab; sein Widerspruch dagegen blieb erfolglos (Bescheid vom 18. März 1986). Die dagegen gerichtete Klage wies das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 14. September 1987 ab.
Die Berufung des Klägers hatte ebenfalls keinen Erfolg. In seinem Urteil vom 24. August 1988 kam das Landessozialgericht (LSG) zu dem Ergebnis, daß der Kläger zwar nicht mehr als Maurer arbeiten, wohl aber auf die von ihm seit März 1986 ausgeübte Pförtnertätigkeit verwiesen werden könne. Denn als Facharbeiter könne er auf die Tätigkeit eines qualifizierten Pförtners verwiesen werden, wenn diese nach ihrer tariflichen Einstufung einer Tätigkeit gleichstehe, die eine zweieinhalbjährige Ausbildung in einem anerkannten Lehrberuf erfordere. Dies sei zu bejahen, da die Tarifgruppe B I, nach der der Kläger bezahlt worden sei, durch das Berufsbild von Arbeitern geprägt sei, die sich nach Erfahrung, Bewährung, fachlichen Kenntnissen, Fertigkeiten und Verantwortung deutlich vom Kreis der ungelernten Arbeitnehmer abhöben und deshalb entsprechend höher bezahlt würden. Der Einstufung des Klägers in diese Lohngruppe habe es entsprochen, daß er über die einfachen Pförtnertätigkeiten hinaus zahlreiche Arbeiten zu erfüllen gehabt habe, die detaillierte Kenntnisse etwa der Örtlichkeiten des ausgedehnten Friedhofs und der Vorschriften über Grabpflege und Gestaltung (einschließlich der hierfür erhobenen Preise) erfordere.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung des § 1246 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Er könne nicht auf die von ihm ausgeübte Pförtnertätigkeit verwiesen werden. Die Lohngruppe B I des Tarifvertrages umfasse keine Berufe, die durch den Leitberuf des sonstigen Ausbildungsberufes charakterisiert würden. Die Lohngruppe B des Tarifvertrages beziehe sich lediglich auf einfache Arbeiten. Erst in der Lohngruppe A des Tarifvertrages fänden sich angelernte Tätigkeiten im Sinn der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG).
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. September 1987, den Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 1985 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 18. März 1986 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 1. August 1985 Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die kraft Zulassung durch das Berufungsgericht statthafte, form-und fristgerecht eingelegte und damit auch zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Die vom LSG getroffenen Feststellungen reichen für eine abschließende Entscheidung über den Rentenantrag des Klägers noch nicht aus. Das Gericht wird, um § 1246 Abs 2 RVO zutreffend anwenden zu können, noch weitere Ermittlungen über die Tätigkeit des Klägers als Pförtner auf dem Friedhof O … anstellen müssen.
Gemäß § 1246 Abs 1 RVO erhält der Versicherte Rente wegen BU, der berufsunfähig ist und zuletzt vor Eintritt der BU eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat, wenn die Wartezeit erfüllt ist. Im vorliegenden Fall ist allein das Merkmal der BU umstritten. Berufsunfähig ist nach § 1246 Abs 2 Satz 1 RVO ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Dabei umfaßt gemäß § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Ein Versicherter muß sich hiernach also, wenn er seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann, zunächst auf andere (auch geringerwertige) Tätigkeiten verweisen lassen, die ihm objektiv und subjektiv zumutbar sind; erst wenn zumutbare Verweisungstätigkeiten nicht ersichtlich sind, liegt BU vor (s BSG SozR 2200 § 1246 Nr 137 mwN). Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als Pförtner auf dem Friedhof O … eine in diesem Sinn für den Kläger zumutbare Verweisungstätigkeit ist. Die von ihm hierfür gegebene Begründung reicht jedoch noch nicht aus.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden und deshalb für den erkennenden Senat gemäß § 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bindend sind, kann der Kläger aus gesundheitlichen Gründen seinen langjährigen Beruf als Maurer nicht mehr ausüben, weil er dabei überwiegend mittelschwere bis schwere körperliche Arbeiten im Stehen und Gehen ausführen müßte, ihm aber nur noch körperlich leichte bis zeitweilig mittelschwere Arbeiten in wechselnden Körperhaltungen möglich sind. Die Tätigkeit als Pförtner auf dem Friedhof O … ist gesundheitlich von ihm zu bewältigen und überfordert ihn hinsichtlich beruflicher Kenntnisse und Fähigkeiten nicht. Ob sie allerdings auch „zumutbare” Verweisungstätigkeit nach den hierfür von der Rechtsprechung entwickelten Bewertungsmaßstäben ist, muß nach den vom LSG bisher festgestellten Tatsachen noch offenbleiben.
Die Rechtsprechung des BSG hat zur BU iS von § 1246 Abs 2 RVO die bisherigen Berufe der Versicherten nach ihrer Wertigkeit in verschiedene Gruppen eingeteilt. Die Einteilung in diese Gruppen bestimmt auch die Berufstätigkeit, auf die der Versicherte „zumutbar” – dh auf derselben Wertstufe seines bisherigen Berufs oder allenfalls eine Wertstufe darunter – verwiesen werden kann. Die von der Rechtsprechung hierfür zugrunde gelegten Berufsgruppen sind, ausgehend von der Bedeutung, die die Ausbildung für die Qualität eines Berufs hat, gebildet worden. Sie sind charakterisiert durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungzeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters. Bei der Anwendung dieses Schemas auf konkrete Berufstätigkeiten stand bisher in der Regel die Frage im Vordergrund, welche Dauer eine rechtlich vorgeschriebene Fachausbildung haben muß, um auf ihrer Grundlage einem Versicherten den Status des Facharbeiters zuerkennen zu können. Dabei wurde als gedankliche Voraussetzung von der Annahme ausgegangen, daß die Dauer einer Ausbildung gleichbedeutend mit dem Maß an beruflicher Qualifikation ist, das die Ausbildung dem Versicherten vermittelt.
Von allen Senaten des BSG, die für die Arbeiterrentenversicherung zuständig und an der Entwicklung des Vier-Stufen-Schemas beteiligt waren, ist immer wieder deutlich gemacht worden, daß ausschlaggebend für die Zuordnung einer bestimmten Tätigkeit zu einer der Gruppen des Schemas allein die Qualität der verrichteten Arbeit ist, dh der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Grundlage für die Bestimmung der Qualität einer Arbeit in diesem Sinn sind die in § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO am Ende genannten Merkmale der Dauer und des Umfanges der Ausbildung sowie des bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit. Es kommt also auf ein Gesamtbild an.
In diesem Rahmen hat das BSG der tariflichen Einstufung eine doppelte Bedeutung beigemessen: zum einen für die abstrakte – „tarifvertragliche” – Klassifizierung einer Tätigkeitsart (iS eines verselbständigten Berufsbildes) innerhalb eines nach Qualitätsstufen geordneten Tarifvertrags (vgl dazu BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 46, 111, 115, 116, 122, 123, 164), zum andern für die – „tarifliche” – Zuordnung der konkreten, zuletzt ausgeübten Tätigkeit eines Versicherten zu einer Berufssparte und hierüber zu einer bestimmten Tarifgruppe des jeweils geltenden Tarifvertrages (vgl BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 168, 169). Nach Sachgehalt und Geltungsumfang ist diese Beachtlichkeit der tariflichen Einstufung für die Wertigkeit einer Arbeit jedoch in beiden Bereichen verschieden.
Soweit die Tarifvertragsparteien eine bestimmte Berufsart im Tarifvertrag aufführen und einer Tarifgruppe zuordnen, kann in der Regel davon ausgegangen werden, daß die tarifvertragliche Einstufung der einzelnen in einer Tarifgruppe genannten Tätigkeiten auf deren Qualität beruht (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 46, 111, 115, 116, 122, 123, 164). Denn die Tarifpartner als die unmittelbar am Arbeitsleben Beteiligten nehmen relativ zuverlässig eine Bewertung von Berufstätigkeiten vor, die den Anforderungen auch des Mehrstufenschemas und der Qualität des Berufs in bezug auf die nach § 1246 Abs 2 RVO maßgeblichen Merkmale entspricht. Demgemäß läßt die abstrakte (tarifvertragliche) Einordnung einer bestimmten Berufstätigkeit in eine Tarifgruppe, die hinsichtlich der Qualität der in ihr aufgeführten Arbeiten durch den Leitberuf des Facharbeiters geprägt ist, in der Regel den Schluß zu, daß diese Berufstätigkeit als Facharbeitertätigkeit zu qualifizieren ist. Der hierauf zielenden ständigen Rechtsprechung des 5. Senats des BSG (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 111, 116, 122, 123, 164) schließt sich der erkennende Senat an. Von dem Grundsatz, daß von der tariflichen Einstufung einer Berufsart auszugehen ist, werden in der Rechtsprechung des BSG Ausnahmen nur anerkannt, wenn die Einstufung durch qualitätsfremde Merkmale bestimmt ist (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 101, 123 und Urteil vom 14. Mai 1991 – 5 RJ 82/89 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Der tariflichen Zuordnung des einzelnen Versicherten durch den Arbeitgeber kommt demgegenüber eine andere Bedeutung zu. Sie ist zwar ein Indiz dafür, daß die von dem Versicherten ausgeübte Tätigkeit in ihren Merkmalen und ihrer Wertigkeit der Berufs- und Tarifgruppe entspricht, nach der er bezahlt wird. Die Richtigkeit dieser tariflichen Einstufung kann insoweit aber durchaus widerlegt werden (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 77, 151).
Zutreffend hat das LSG als bisherigen Beruf des Klägers im Sinne dieser Rechtsprechung seine frühere Tätigkeit als gelernter Maurer auf dem Friedhof O … angesehen, aus der er lediglich aus gesundheitlichen Gründen auf die Tätigkeit als Pförtner auf dem Friedhof übergewechselt ist. Folgerichtig hat es den Kläger in dem Stufenschema in die Berufsgruppe mit dem Leitbild des Facharbeiters eingeordnet und ihn auf Tätigkeiten für verweisbar gehalten, die der Berufsgruppe mit dem Leitbild des sogenannten Angelernten zugehören. Seiner Qualifizierung der Pförtnertätigkeit des Klägers im Sinn des verselbständigten Berufsbildes – der „tarifvertraglichen” Klassifizierung – als Tätigkeit eines Angelernten kann jedoch nicht zugestimmt werden. Zwar hat es für diese Bestimmung richtigerweise auf den Tarifvertrag über die Einreihung der Arbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg in die Lohngruppen vom 9. Februar 1981 zurückgegriffen. Hieraus können aber die von ihm gezogenen Schlüsse für den Wert der Pförtnertätigkeit des Klägers nicht gezogen werden.
Das Gesamtlohngefüge des Hamburger Tarifvertrages gestattet lediglich eine Qualifizierung als ungelernte Tätigkeit iS des Mehrstufenschemas. Das vom LSG ausgeführte Hamburger Lohngruppenverzeichnis nennt für Pförtner zwei Positionen:unter B 3.1 sind „Pförtner an wichtigen Eingängen” aufgeführt, unter B I 2.1 „Pförtner der Lohngruppe B Fallgruppe 3.1, nach dreijähriger Bewährung als solche in dieser Lohngruppe”. Die Höhergruppierung der Pförtner unter B I ist also allein vom Ablauf einer Bewährungszeit und damit von einem Umstand abhängig, der über die Qualität des Berufes selbst nichts aussagt. Die Bewertung richtet sich in diesem Fall lediglich nach der niedrigeren Gruppe, in die die Tätigkeit normalerweise, dh ohne Berücksichtigung des Bewährungsaufstiegs, gehört. Dies ist hier die Lohngruppe B, die von ungelernten Tätigkeiten geprägt ist, nämlich die der „Betriebshelfer aller Art” und der „Waldarbeiter”.
Eine andere Interpretation des Tarifvertrags läßt sich auch nicht aus anderen für seine Auslegung beachtlichen Umständen ableiten. Denn auch dem in allen anderen Ländern des bisherigen Bundesgebietes geltenden Lohngruppentarifvertrag MTL II vom 11. Juli 1966 in der seit 1. Januar 1981 geltenden Fassung (mit einer Ausschlußklausel für die Arbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg in § 6) sind keine Hinweise darauf zu entnehmen, daß die Tätigkeit des Klägers wie eine angelernte Tätigkeit einzustufen ist. Dort werden „Pförtner” in Lohngruppe III und „Pförtner an verkehrsreichen Eingängen oder mit einfachem Fernsprechvermittlungsdienst” in Lohngruppe IV eingereiht. Obwohl unter Gruppe IV generell auch „angelernte Arbeiter, das sind Arbeiter mit Tätigkeiten, die eine handwerkliche oder fachliche Anlernung erfordern”, fallen, bedeutet das nicht, daß die dort zusammengefaßten Berufe als Anlerntätigkeiten im Sinn des Vier-Stufen-Schemas anzusehen sind. Dagegen spricht, daß dazu auch ganz einfache Tätigkeiten gehören (Arbeiter mit einfachen Kopierarbeiten, Lagerarbeiter) und der Leitberuf des Anlern- bzw sonstigen Ausbildungsberufs mit einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf von weniger als zweieinhalb Jahren erst in der höheren Lohngruppe V aufgeführt ist. Dementsprechend kann ein Facharbeiter auf Pförtnertätigkeiten der Gruppe IV nicht verwiesen werden (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl SozR 2200 § 1246 Nr 86 mwN).
Eine Zuordnung der Arbeit des Klägers als Pförtner zur Gruppe V – die Tätigkeit in einem anderen Bundesland als Hamburg unterstellt – und eine darauf gestützte Verweisbarkeit sind im vorliegenden Fall nicht möglich. In Gruppe V sind unter Punkt 4.29 Pförtner aufgeführt, „die in erheblichem Umfang mit schriftlichen Arbeiten beschäftigt werden” oder „Fernsprechvermittlungsdienst bei mehr als einem Amtsanschluß” versehen. Das LSG hat jedoch ausdrücklich festgestellt, daß der Kläger „weder in erheblichem Umfang schriftliche Arbeiten auszuführen noch Ferngespräche zu vermitteln” hat.
Weitere Anhaltspunkte zur Bewertung der Tätigkeit von Pförtnern als Angelernte sind im Lohngruppentarifvertrag MTL II nicht vorhanden. Soweit nach Punkt 4.30 auch Pförtner an verkehrsreichen Eingängen (oder mit einfachem Fernsprechvermittlungsdienst) nach dreijähriger Bewährung zur Lohngruppe V gehören, beruht dies auf qualitätsfremden Merkmalen. Insoweit bleibt es bei der Einstufung als ungelernte Tätigkeit nach Lohngruppe IV.
Nach den Feststellungen des LSG wurde der Kläger allerdings in die Lohngruppe B I des angeführten Tarifvertrages eingestuft, nach der auch sogenannte Handwerkerhelfer bezahlt werden, die nach Auffassung des Berufungsgerichts als Angelernte anzusehen sind. Diese Einstufung erlaubt im vorliegenden Fall jedoch keinen Schluß auf die Qualität der Beschäftigung, die der Kläger jetzt ausübt. Unter Hinweis auf die Vorbemerkung 6 zu den Betriebslohntabellen, die die Berücksichtigung einer Bewährungszeit bei der tariflichen Einreihung erläutert, hat das LSG in seinen Entscheidungsgründen ausdrücklich vermerkt, daß der Kläger im öffentlichen Dienst wegen seiner langjährigen Tätigkeit als Maurer sofort nach Gruppe B I bezahlt worden ist. An diese Feststellung ist der Senat gemäß § 163 SGG gebunden. Damit aber muß davon ausgegangen werden, daß für die Einordnung des Klägers in die Gruppe B I nicht die Eigenart seiner jetzigen Arbeit als Pförtner, sondern seine lange Betriebszugehörigkeit entscheidend war. Maßgeblich für seine tarifliche Einordnung waren somit persönlich-soziale Umstände, die an seine vergangene Arbeit anknüpften, nicht aber eine bestimmte Beschaffenheit seiner jetzigen Tätigkeit betrafen. In einem solchen Fall kommt der tariflichen Einstufung keine Indizwirkung für die Qualität der ausgeübten Tätigkeit zu (BSGE 44, 10, 12 = SozR 2200 § 1246 Nr 17; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 34). Auch den sonstigen Feststellungen des LSG ist nicht zu entnehmen, daß die Tätigkeit des Klägers dem Anforderungsprofil einer höheren Tarifgruppe entsprach.
Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts könnte eine Einstufung der Pförtnertätigkeit des Klägers als Anlernberuf selbst dann nicht erfolgen, wenn man das berufliche Anforderungsprofil zugrundelegt, das die Rechtsprechung des BSG für die Tätigkeit des sogenannten gehobenen Pförtners entwickelt hat (s BSG SozR 2200 § 1241d Nr 5; SozR 2200 § 1246 Nrn 86, 137, 139; BSG DAngVers 1988, 426, 429; Urteil des 5. Senats des BSG vom 27. Februar 1990 – 5 RJ 21/89 –). Hiernach übt der gehobene Pförtner in einem Betrieb regelmäßig eine wichtige Funktion aus, die häufig eine längere Einarbeitung, Einübung und Bewährung voraussetzt. Er hat über erhebliche berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten, Autorität, Gewandtheit und sicheres Auftreten sowie besondere Zuverlässigkeit zu verfügen. Wegen der Wichtigkeit der beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten setzt die Tätigkeit des gehobenen Pförtners in den Fällen, in denen sich eine besondere Qualifikation nicht schon aus der tariflichen Einstufung ergibt, eine Anlern- oder Einarbeitungszeit von drei Monaten oder mehr voraus. Dem entspricht es, wenn vom Gegenstand der Arbeit her ein Pförtner erst dann als „gehoben” betrachtet wird, wenn seine Aufgaben deutlich über das hinausgehen, was zum Grundtatbestand der (ungelernten) Pförtnertätigkeit gehört: Überwachung des Gebäudes oder Grundstücks, Kontrolle der Ein-und Ausgänge, Empfang und Einweisung der Besucher mit entsprechenden Kontrollfunktionen, zusätzlich Aufgaben auf dem Gebiet des Feuerschutzes (s BAG AP Nr 92 zu §§ 22, 23 BAT).
Das stimmt auch mit der tariflichen Vorgabe überein, nach der eine Vergütung gemäß Lohngruppe V des Lohngruppentarifvertrages MTL II – und damit eine Bewertung als angelernte Tätigkeit -erst möglich ist, wenn der Pförtner zusätzlich zu seinen Stammaufgaben in erheblichem Umfang mit schriftlichen Arbeiten oder mit Fernsprechvermittlungsdienst beschäftigt ist, während der einfache Pförtner auch dann noch wie ein ungelernter Arbeiter eingestuft wird, wenn er an verkehrsreichen Eingängen sitzt und an seine Tätigkeit insoweit zumindestens quantitativ erhöhte Anforderungen gestellt werden. Dementsprechend haben der 1. und der 5. Senat des BSG in den angegebenen Entscheidungen eine gehobene Pförtnertätigkeit erst in Fällen bejaht, in denen der Versicherte neben den grundlegenden Pförtnertätigkeiten Zusatzaufgaben wie das Führen einer Patientenkartei und die Bedienung einer Fernsprechanlage mit zehn Amtsanschlüssen (BSG DAngVers 1988, 429) oder das Kassieren von Geldbeträgen, Ausstellen von Rechnungen und Vermittlung von Übernachtungsmöglichkeiten (Urteil des 5. Senats vom 27. Februar 1990) erfüllte. Ob diese Merkmale für die Tätigkeit eines gehobenen Pförtners im vorliegenden Fall erfüllt sind, kann nach den Feststellungen, die das LSG bis jetzt dazu getroffen hat, nicht abschließend entschieden werden.
Dem Urteil des LSG ist nicht mit hinreichender Bestimmtheit zu entnehmen, ob die Tätigkeit des Klägers als Pförtner auf dem O … Friedhof eine Einarbeitung, Einübung oder Bewährung von mindestens drei Monaten voraussetzt. Es bleibt nach den Feststellungen des LSG auch zweifelhaft, ob der Kläger sich erhebliche Kenntnisse und Fertigkeiten aneignen mußte, die über die beschriebenen Grundanforderungen des Pförtnerberufs in nennenswertem Maß hinausgehen. Das LSG hat zwar einzelne Aufgaben des Klägers aufgelistet, hinsichtlich ihrer qualitativen Bewertung aber zunächst nur ausgeführt, der Kläger habe zahlreiche Arbeiten zu erfüllen, die detaillierte Kenntnisse der Örtlichkeit des ausgedehnten Friedhofs erforderten. Dabei dürfte vor allem die Erteilung von Auskünften an Besucher hinsichtlich der Lage von Grabstellen usw gemeint sein. Gute Ortskenntnisse im Hinblick auf das jeweilige Gebäude oder Grundstück gehören jedoch schon zu den Elementarkenntnissen einer Pförtnertätigkeit, ohne die Besucher nicht eingewiesen werden können. Der Umstand, daß es sich vorliegend um einen besonders großen Friedhof handeln dürfte – genauere Feststellungen hierzu fehlen allerdings ebenfalls –, muß diese Tätigkeit allein noch nicht auf eine höhere qualitative Ebene heben. Denn gesteigerte quantitative Anforderungen sind bereits in der tariflichen Höhergruppierung von Pförtnern an verkehrsreichen Eingängen gegenüber einfachen Pförtnern (vgl etwa Lohngruppe IV Position 4.11 gegenüber Gruppe III Position 1.9 des Lohngruppentarifvertrages MTL II) berücksichtigt. Andernfalls müßten beispielsweise auch Pförtner in großen Behördengebäuden, die nicht nur über detaillierte Ortskenntnisse verfügen, sondern auch über bestimmte, für Besucher wichtige Zuständigkeiten Bescheid wissen müssen, allein schon deshalb als Angelernte angesehen werden.
Allein der Umstand, daß die Tätigkeit des Klägers nach den Feststellungen des LSG Kenntnisse der Vorschriften über Grabpflege und -gestaltung sowie über die hierfür erhobenen Preise erfordert, reicht schließlich für die Annahme, der Kläger habe sich erhebliche berufliche Kenntnisse angeeignet, nicht aus, zumal das LSG an anderer Stelle auf die Angaben des Klägers (Seite 4 des Urteils) hingewiesen hat, die Einzelheiten über mögliche Arten des Grabschmuckes und der Preise entnehme er ihm vorliegenden Listen, was gerade gegen eine nähere Einarbeitung in diese Materie spricht.
Nach alledem hängt die Beantwortung der Frage, ob der Kläger in der Anlerntätigkeit des gehobenen Pförtners beschäftigt ist und deshalb hierauf zumutbar verwiesen werden kann, davon ab, ob diese Arbeit Kenntnisse und Fertigkeiten voraussetzt, die über das beschriebene Tätigkeitsbild des einfachen Pförtners qualitativ hinausgehen und dem Anforderungsprofil einer höheren Tarifgruppe entsprechen. Dies wird das LSG noch im einzelnen aufzuklären haben.
Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen, daß eine Verweisung auf die tatsächlich ausgeübte Pförtnertätigkeit nicht zumutbar ist, wird zu prüfen sein, ob darüber hinaus noch andere – bisher nicht erörterte – konkrete Verweisungstätigkeiten in Betracht kommen.
Das angefochtene Urteil war demgemäß aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
Der Kostenausspruch bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.
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